Beurteilung des Lungenpatienten

VonRebecca Dezube, MD, MHS, Johns Hopkins University
Überprüft/überarbeitet Jan. 2023
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Die wichtigsten diagnostischen Schritte bei Patienten mit pulmonalen Symptomen bilden Anamnese, körperliche Untersuchung und in vielen Fällen eine Röntgenthoraxaufnahme. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit für weiterführende Untersuchungen, zu denen eine Lungenfunktionsprüfung und eine arterielle Blutgasanalyse, eine Computertomographie (CT) oder andere bildgebende Verfahren des Brustraums sowie eine Bronchoskopie zählen können.

Anamnese

Anhand der Anamnese kann oft festgestellt werden, ob Symptome wie Husten, Dyspnoe, Brustschmerzen, Giemen, Stridor und Hämoptyse möglicherweise pulmonalen Ursprungs sind. Eine Anamnese sollte auch feststellen, ob konstitutionelle Symptome wie Fieber, Gewichtsverlust und Nachtschweiß vorhanden sind. Zu den weiteren wichtige Informationen gehören

  • Berufs- und Umweltfaktoren

  • Familien-, Reise- und Kontaktanamnese

  • Frühere Krankheiten und Begleiterkrankungen

  • Verwendung rezeptpflichtiger und rezeptfreier Medikamente oder illegaler Drogen

  • Konsum von Tabakerzeugnissen oder anderen inhalativen Substanzen

  • Frühere Testergebnisse (z. B. Tuberkulintest, Röntgenthorax)

Ärztliche Untersuchung

Die körperliche Untersuchung umfasst eine Beurteilung des allgemeinen Erscheinungsbildes. Während der Begrüßung und des Anamnesegespräches können Unwohlsein und Ängstlichkeit, körperliches Erscheinungsbild und die Auswirkung von Sprechen und Bewegungen auf die Symptomatik (z. B. die Unfähigkeit vollständige Sätze zu sprechen ohne dabei zu pausieren, um Luft zu holen) beobachtet werden, was nützliche Informationen zum pulmonalen Status liefert. Eine gründliche Lungenuntersuchung umfasst Inspektion, Auskultation, Perkussion und Palpation des Thorax. Patienten mit einer Lungenerkrankung sollten sich einer vollständigen körperlichen Untersuchung unterziehen, einschließlich der Untersuchung der Lymphknoten, der Haut und des Bewegungsapparats.

Inspektion

Die Inspektion sollte sich konzentrieren auf

  • Anzeichen von Atemnot und Hypoxie (z. B. Unruhe, Tachypnoe, Zyanose, Einsatz der Atemhilfsmuskulatur)

  • Hinweise auf mögliche chronische Lungenerkrankung (z. B. Trommelschlägelfinger, Fußödem)

  • Deformitäten der Thoraxwände

  • Pathologische Atemmuster (z. B. verlängerte Exspirationszeit, Cheyne-Stokes-Atmung, Kussmaul-Atmung)

  • Gestaute Jugularvenen

Ein Zeichen für Hypoxämie ist die Zyanose (bläuliche Verfärbung der Lippen, des Gesichts oder des Nagelbetts), die das Vorhandensein von mindestens 5 g/dl ungesättigtem Hämoglobin erfordert und somit eine niedrige arterielle Sauerstoffsättigungdie (< 85%) anzeigt; das Fehlen einer Zyanose schließt eine Hypoxie nicht aus.

Zeichen der Atemnot sind eine Tachypnoe, der Einsatz der Atemhilfsmuskulatur (Musculus sternocleidomastoideus, Interkostalmuskulatur, Skalenusmuskulatur) bei der Atmung, interkostale Retraktionen und paradoxe Atmung. Patienten mit chronischer obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) stemmen manchmal ihre Arme gegen ihre Beine oder den Untersuchungstisch während sie sitzen (d. h. Dreifußzeichen-Sitzhaltung), in dem unbewussten Versuch, mehr Einfluss auf die Atemhilfsmuskulatur zu bekommen und dadurch ihre Atmung zu verbessern. Einzug der Interkostalmuskulatur (die Zwischenrippenräume bewegen sich nach innen) kommt häufig bei Säuglingen und bei älteren Patienten mit schwerer bronchialer Obstruktion vor. Eine paradoxe Atmung (Einwärtsbewegung der Bauchdecke während der Inspiration) deutet auf Schwäche oder Erschöpfung der normalen Atemmuskulatur hin.

Zu den Hinweisen auf eine mögliche chronische Lungenerkrankung gehören Trommelschlägelfinger, Fassthorax (der vergrößerte anteriorposteriore Thoraxdurchmesser bei einigen Patienten mit Emphysem) und Atmen mit Lippenbremse.

Trommelschlägelfingern liegt eine Vermehrung des Bindegewebes zwischen Nagel und Knochen zugrunde, die zu einer Auftreibung der Finger-(oder Zehen-)Endphalangen führt. Die Diagnose wird anhand einer Vergrößerung des Winkels (auf > 180°), in dem der Nagel in der Seitenansicht aus dem Nagelbett entspringt, oder einer Zunahme des Quotienten der Phalanxdurchmesser (> 1) gestellt, siehe Abbildung Messung der Trommelschlägelfinger). Eine „schwammartige“ Struktur des Nagelbetts unter dem Nagelhäutchen ist ein weiterer Hinweis auf Trommelschlägelfinger.

Diese werden am häufigsten bei Patienten mit Bronchialkarzinom beobachtet, sind aber auch ein wichtiges Symptom chronischer Lungenerkrankungen wie der zystischen Fibrose und idiopathischen Lungenfibrose; seltener treten sie bei zyanotischen Herzerkrankungen, chronischen Infekten (z. B. infektiöse Endokarditis), Schlaganfall, chronisch entzündlichen Darmerkrankungen und Leberzirrhose auf. Gelegentlich kommen Trommelschlägelfinger auch bei Patienten mit Osteoarthropathie und Periostitis (primäre oder hereditäre hypertrophe Osteoarthropathie) vor; in diesen Fällen können sie von Hautveränderungen wie dermaler Hypertrophie am Handrücken (Pachydermoperiostosis), Seborrhö und Vergröberung der Gesichtszüge begleitet werden. Trommelschlägelfinger können auch als gutartige hereditäre Normvariante auftreten, die von gutartigen Trommelschlägelfinger durch das Fehlen pulmonaler Symptome oder Erkrankungen und durch das Vorliegen der Veränderungen bereits seit früher Kindheit (Angabe des Patienten) von pathologischen unterschieden werden können.

Messung der Trommelschlägelfinger

Das Verhältnis der Durchmesser von vorne nach hinten mit dem Finger auf dem Nagelbett (a–b) zu dem am Hufgelenk (c–d) ist eine einfache Messung der Trommelschlägelfinger. Es kann leicht und reproduzierbar durch "calipers" gemessen werden. Ist das Verhältnis > 1, so handelt es sich um Trommelschlägelfinger. Trommelschlägelfinger sind auch durch den Verlust der normalen Winkel am Nagelbett gekennzeichnet.

Die Fassbrust ist der vergrößerte anterior-posteriore Durchmesser der Brust, der bei einigen Patienten mit Emphysem vorliegt.

Bei der gesteuerten Lippenatmungatmet die Person durch fest geschlossene Lippen aus und atmet durch die Nase mit geschlossenem Mund ein. Bei diesem Manöver wird der Druck in den Atemwegen erhöht, um sie offen zu halten und dadurch Gaseinschlüsse zu verringern.

Verformungen der Thoraxwände, wie Trichterbrust (ein eingedrücktes Brustbein, beginnt meist zunächst über dem Mittelteil des Manubriums und schreitet nach innen durch das Xiphoid fort) und Kyphoskoliose können die Atmung einschränken und die Symptome vorbestehender Lungenerkrankungen verschlimmern. Diese Anomalien können in der Regel während einer sorgfältigen Untersuchung beobachtet werden, nachdem der Patient das Hemd ausgezogen hat. Die Untersuchung sollte auch eine Beurteilung des Abdomens und des Ausmaßes der Fettleibigkeit beinhalten, Aszites oder andere Bedingungen, die die abdominale Compliance beeinflussen könnten.

Abnormale Atemmuster können auf zugrundeliegende Krankheitsprozesse hinweisen. Bei einer obstruktiven Lungenerkrankung kommt es zu einem verlängerten exspiratorischen zu inspiratorischen Verhältnis. Einige pathologische Atemmuster verursachen Schwankungen der Atemfrequenz, sodass die Atemfrequenz geprüft und für 1 Minute gezählt werden sollte.

  • Die Cheyne-Stokes-Atmung (periodische Atmung) wird definiert als zyklische Fluktuation von Atemfrequenz und -tiefe. Nach einer Apnoephase atmen die Patienten zunehmend schneller und tiefer (Hyperpnoe), danach immer langsamer und flacher, bis sie erneut apnoisch werden und der Zyklus von vorne beginnt. Die häufigsten Ursachen einer Cheyne-Stokes-Atmung sind schwere Herzinsuffizienz, eine neurologische Erkrankung (z. B. Schlaganfall, fortgeschrittene Demenz) oder Arzneimittel. Bei Herzinsuffizienz wird dieses Atemmuster auf den verzögerten Rückstrom des oxygenierten Blutes zum Atemregulationszentrum zurückgeführt, das mit Verzögerung auf eine systemische Azidose/Hypoxie (Ursache der Hyperpnoe) oder Alkalose/Hypokapnie (Ursache der Apnoe) reagiert.

  • Die Biot-Atmung ist eine seltene Variante der Cheyne-Stokes-Atmung, bei der sich unregelmäßig auftretende Apnoephasen mit Phasen von 4 oder 5 gleich tiefen Atemzügen abwechseln. Dieses Atemmuster unterscheidet sich von der Cheyne-Stokes-Atmung durch abruptes Beginnen und Enden und fehlende Periodizität. Sie tritt nach Schädel-Hirn-Traumata oder bei Zentralnervensystem-Erkrankungen wie Meningitis auf.

  • Die Kussmaul-Atmung ist durch eine vertiefte, regelmäßige Atmung gekennzeichnet und durch eine metabolische Azidose verursacht.

Die juguläre Venenausdehnung wird bei einer 45°-Lagerung des Patienten beurteilt. Dann befindet sich die Spitze der Jugularvenenfüllung normalerweise gerade oberhalb der Schlüsselbeine (obere Grenze des Normalen: 4 cm höher als der manubriosternale Winkel in der vertikalen Ebene). Eine Zunahme der Höhe der Säule kann auf eine linksventrikuläre Dysfunktion, pulmonale Hypertonie, Rechtsherzinsuffizienz, perikardiale Tamponade, konstriktive Perikarditis oder eine Kombination davon hinweisen und sollte die Suche nach anderen Anzeichen einer Herzerkrankung (z. B. 3. Herzton [S3]-Galopp, Herzgeräusche, abhängige Ödeme) veranlassen.

Auskultation

Die Lungeauskultation stellt den wohl wichtigsten Teil der körperlichen Untersuchung dar. Um Erkrankungen aller Lungenlappen zu erfassen, sollten alle Lungenfelder einschl. der Flanken und der vorderen Brustwand abgehört werden. Zu den Merkmalen, auf die geachtet werden sollte, gehören

  • Charakter und Lautstärke der Atemgeräusche

  • Vorhandensein oder Fehlen von Nebengeräuschen

  • Pleurareiben

Die Auskultation des Herzens, kann Hinweise auf pulmonale Hypertonie wie z. B. einen lauten 2. Herzton (P2), auf Rechtsherzinsuffizienz wie z. B. einen rechtsventrikulären 4. Herzton (S4) und auf eine Trikuspidalinsuffizienz liefern.

Der Charakter und die Lautstärke der Atemgeräusche sind nützlich bei der Identifizierung von Lungenerkrankungen. Normalerweise ist über den meisten Lungenfeldern Vesikuläratmen zu hören. Bronchiale Atemgeräusche sind etwas lauter, rauer und höher. Sie können in der Regel über der Trachea und Bereichen mit konsolidiertem Lungenparenchym, z. B. bei Pneumonie, gehört werden.

Atemgeräusche
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Normale Atemgeräusche
Typische Atemgeräusche, die über den meisten Lungenfeldern zu hören sind.

Audiodatei mit freundlicher Genehmigung von David W. Cugell, MD.

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Normale Atemgeräusche der Bronchien
Typische Atemgeräusche über der Luftröhre und in Bereichen der Lungenkonsolidierung.

Audiodatei mit freundlicher Genehmigung von David W. Cugell, MD.

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Feuchte RG

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Giemen
Verlängerte Ausatmungsphase mit Keuchen.

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Stridor
Inspiratorischer Stridor bei Krupp

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Reibegeräusche
Ein ledriges Geräusch, das mit dem Atemzyklus schwankt.

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Wechsel von E zu A
Konsolidierungsbereiche führen dazu, dass das vokalisierte "E" eines Patienten wie "A" klingt.

Audiodatei mit freundlicher Genehmigung von David W. Cugell, MD.

Zusätzliche Geräusche wie feuchte Rasselgeräusche (RG) oder trockene Nebengeräusche (Giemen, Brummen) und Stridor sind pathologisch.

  • Feuchte RG (zuvor als Rasselgeräusche bezeichnet) sind diskontinuierliche zusätzliche Atemgeräusche. Feinblasige RG klingen hoch und kurz, grobblasige feuchte RG sind von längerer Dauer und tiefer. Feuchte Rasselgeräusche ähneln dem Geräusch, das beim Zusammenknüllen einer Plastikfolie oder dem Öffnen von Velcro (bei interstitiellen Lungenerkrankungen) entsteht. Sie lassen sich durch Gegeneinanderreiben von Haarsträhnen zwischen zwei Fingern in Ohrnähe nachahmen. Sie kommen am häufigsten bei Atelektasen und Krankheiten mit flüssigkeitsgefüllten Alveolen (z. B. Lungenödem) sowie bei interstitiellen Lungenerkrankungen (z. B. pulmonaler Fibrose) vor; sie entstehen durch Öffnung von kollabierten Luftwegen oder Alveolen.

  • Als Brummen wird ein niederfrequentes Atemgeräusch bezeichnet, das während der Ein- und Ausatmung vorhanden sein kann. Es tritt bei vielen Krankheiten einschl. der chronischen Bronchitisauf. Vermutlich kommt es durch Veränderungen der endobronchialen Obstruktion zustande, wenn sich die Atemwege bei der Inspiration ausdehnen und bei der Exspiration wieder verengen.

  • Unter Giemen versteht man ein pfeifendes Geräusch mit musikalischem Klangcharakter, das verstärkt während der Exspiration auftritt und mit einer Verengung der kleinen Atemwege einhergeht. Giemen kann gelegentlich physiologisch sein, meist stellt es jedoch ein Symptom dar, das üblicherweise Dyspnoe begleitet.

  • Stridor, ein hochfrequentes, vorwiegend bei Inspiration auftretendes Atemgeräusch, wird durch Obstruktion der extrathorakalen oberen Atemwege verursacht. Normalerweise kann er bereits mit bloßem Ohr gehört werden. Stridor ist normalerweise lauter als Giemen, überwiegend inspiratorisch und am lautesten über dem Larynx zu hören. Er sollte als Warnsignal für eine lebensbedrohliche Obstruktion der oberen Atemwege ernst genommen werden.

  • Abgeschwächte Atemgeräusche sind ein Zeichen schlechter Belüftung der Atemwege und kommen bei Asthma und chronische obstruktive Lungenerkrankung vor, bei denen die Ventilation durch Bronchospasmus, Überblähung oder andere Mechanismen eingeschränkt wird. Auch bei Pleuraerguss,Pneumothorax und endobronchial obstruierenden Erkrankungen können abgeschwächte Atemgeräusche auskultiert werden.

Die Vokalgeräusche werden während der Auskultation gehört, während die Patienten stimmlich aktiv sind.

  • Bronchophonie und Pektoriloquie treten auf, wenn die gesprochene oder geflüsterte Stimme des Patienten klar durch die Brustwand übertragen wird. Die Übertragung der Stimme resultiert aus einer Konsolidierung der Alveolen, wie sie z. B. bei Pneumonie auftritt.

  • Ägophonie liegt vor, wenn während der Auskultation ein vom Patienten gesprochenes „I“ durch den Untersucher als „A“ wahrgenommen wird, wieder wie es bei einer Pneumonie der Fall ist.

Reibegeräusche sind atemabhängige, fluktuierende, knarrende oder knirschende Geräusche und klingen wie das Reiben von Haut an nassem Leder. Sie sind ein Hinweis auf Entzündungen der Pleura und kommen bei Patienten mit Pleuritis oder Empyem und nach Thorakotomie vor.

Das Verhältnis von Inspiration zu Exspiration (I:E) beträgt normalerweise 1:2, wird aber auf 1:3 verlängert, wenn der Luftstrom begrenzt ist, wie z. B. bei Asthma und COPD, selbst wenn kein Keuchen auftritt.

Perkussion und Palpation

Die Perkussion ist die primäre Untersuchungsmethode zur Erfassung und Quantifizierung von Pleuraergüssen. Eine lokalisierte Klopfschalldämpfung entspricht darunterliegenden Flüssigkeitsansammlungen oder seltener auch konsolidiertem Lungenparenchym.

Die Palpation dient u. a. der Beurteilung des taktilen Stimmfremitus (Vibrationen der Thoraxwand beim Sprechen); bei Pleuraergüssen und Pneumothorax ist er abgeschwächt und bei Konsolidierung des Lungenparenchyms (z. B. Lappenpneumonien) verstärkt. Punktuelle Druckdolenz bei der Palpation kann auf eine zugrundeliegende Rippenfraktur oder eine kostochondrale Luxation oder Entzündung hinweisen.

Ein rechtsventrikulärer Impuls am linken unteren Sternumrand kann sich bemerkbar machen und bei Patienten mit Cor pulmonale in Amplitude und Dauer erhöht sein (rechtsventrikuläre Hebung).