Glomerulonephritis

(Nephritisches Syndrom)

VonFrank O'Brien, MD, Washington University in St. Louis
Überprüft/überarbeitet Aug. 2023
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Die Glomerulonephritis ist eine Erkrankung der Glomeruli (Kapillarknäuel in den Nieren, über deren kleine Poren das Blut gefiltert wird). Sie ist durch Gewebeschwellung (Ödem), Bluthochdruck und rote Blutkörperchen im Urin gekennzeichnet.

  • Die Glomerulonephritis kann als Folge verschiedener Erkrankungen wie Infektionen, erblich genetischer Störungen oder Autoimmunerkrankungen auftreten.

  • Die Diagnose basiert auf Blut- und Urinuntersuchungen, in manchen Fällen auf bildgebenden Diagnostikverfahren, einer Biopsie der Nieren oder einer Kombination beider Untersuchungen.

  • Häufig sind eine salz- und eiweißarme Ernährung sowie die Einnahme von Diuretika, Antibiotika oder Immunsuppressiva erforderlich, bis eine Besserung der Nierenfunktion erreicht ist.

(Siehe auch Übersicht über die Störung der Filterfunktion der Nieren.)

Eine Glomerulonephritis kann zwei Ursachen haben:

  • Akut: Sie entsteht über einen kurzen Zeitraum.

  • Chronisch: Sie entwickelt sich über einen langen Zeitraum.

Bei 1 Prozent der erkrankten Kinder und 10 Prozent der erkrankten Erwachsenen entwickelt sich aus der akuten Glomerulonephritis eine rasch fortschreitende Glomerulonephritis, bei der die meisten Glomeruli zerstört werden, was zu Niereninsuffizienz führt.

Ursachen für eine Glomerulonephritis

Eine Glomerulonephritis kann zwei Ursachen haben:

  • Primär, d. h. sie entsteht in den Nieren

  • Sekundär, verursacht durch eine Vielzahl an Erkrankungen

Die Erkrankungen, welche die sekundäre Glomerulonephritis auslösen, können auch andere Bereiche des Körpers als die Nieren beeinträchtigen.

Akute Glomerulonephritis

Eine akute Glomerulonephritis entsteht in den meisten Fällen als Komplikation einer Infektion durch die Bakterienart Streptokokken von Hals oder Haut (zum Beispiel Angina tonsillaris). Die akute Glomerulonephritis, als Folge einer Streptokokken-Infektion (Poststreptokokken-Glomerulonephritis), tritt typischerweise bei Kindern zwischen 2 und 10 Jahren, nachdem die Infektion verheilt ist, auf. Infektionen durch andere Bakterientypen, wie Staphylokokken und Pneumokokken, Virusinfektionen, wie Windpocken, und Parasiteninfektionen, wie Malaria, können ebenfalls zu einer akuten Glomerulonephritis führen. Eine akute Glomerulonephritis, die in Folge einer dieser Infektionen auftritt, nennt man postinfektiöse Glomerulonephritis.

Eine akute Glomerulonephritis kann auch durch eine nicht-infektiöse Erkrankung entstehen, unter anderem durch membranoproliferative Glomerulonephritis, Immunglobulin-A(IgA)-Nephropathie, Immunglobulin A-assoziierte Vaskulitis, systemischen Lupus erythematodes (Lupus), Kryoglobulinämie, Goodpasture-Syndrom, Granulomatose mit Polyangiitis und mikroskopische Polyangiitis. Eine akute Glomerulonephritis, die sich zu einer rasch progredienten Glomerulonephritis entwickelt, resultiert meist aus Erkrankungen, an denen eine gestörte Immunreaktion beteiligt ist.

Chronische Glomerulonephritis

In vielen Fällen scheint die chronische Glomerulonephritis von den gleichen Krankheiten hervorgerufen zu werden wie die akute Glomerulonephritis, z. B. IgA-Nephropathie oder membranoproliferative Glomerulonephritis. Manchmal heilt die akute Glomerulonephritis nicht ab und geht in eine chronische Form über. In einigen Fällen wird die chronische Glomerulonephritis durch eine erbliche Nephritis ausgelöst, eine vererbte genetische Störung. Bei vielen Patienten mit chronischer Glomerulonephritis bleibt die Ursache unerkannt.

Einige Ursachen für eine Glomerulonephritis

  1. Infektionen

  2. Vaskulitis (Gefäßentzündung)

  3. Immunstörungen

  4. Andere Ursachen

    • Erbliche Nephritis

    • Medikamente (z. B. Hydralazin, Interferon alfa, nichtsteroidale Antirheumatika, Lithium, Pamidronat, Chinin, Gemcitabin, Mitomycin C oder bestimmte Chemotherapeutika)

HIV = humanes Immundefizienz-Virus.

Symptome einer Glomerulonephritis

Bei rund der Hälfte aller an akuter Glomerulonephritis erkrankten Menschen treten keinerlei Symptome auf. Wenn Symptome auftreten, schwillt als erstes aufgrund einer Flüssigkeitsretention das Gewebe an (Ödem), die Urinmenge nimmt ab und der Urin wird dunkel, da er Blut enthält. Ein Ödem kann zunächst als geschwollene Augenlider und geschwollenes Gesicht auffallen, später betrifft es vorwiegend die Beine. Wenn die Nierenfunktion beeinträchtigt wird, steigt der Blutdruck (siehe Die Steuerung des Blutdrucks durch den Körper). Bei einigen Menschen treten Schläfrigkeit und Verwirrtheit auf. Bei älteren Menschen sind unspezifische Symptome, wie Übelkeit und ein allgemeines Krankheitsgefühl, häufiger.

Wenn sich eine rasch progrediente Glomerulonephritis entwickelt, sind Schwäche, Ermüdung und Fieber die häufigsten Frühsymptome. Auch Übelkeit, Appetitlosigkeit, Erbrechen, Gelenk- und Bauchschmerzen sind häufig. Etwa die Hälfte der Patienten hatte im Monat vor der Niereninsuffizienz eine grippeähnliche Erkrankung. Diese Menschen leiden unter Ödemen und produzieren in der Regel sehr wenig Urin. Bluthochdruck, vor allem massiver Bluthochdruck, tritt selten auf.

Da eine chronische Glomerulonephritis gewöhnlich nur sehr leichte oder subtile Symptome hervorruft, bleibt sie bei den meisten Betroffenen unentdeckt. Ein Ödem kann entstehen. Bluthochdruck ist häufig. Diese Krankheit kann bis zur Niereninsuffizienz fortschreiten, die ihrerseits zu Juckreiz, Ermüdung, Appetitverlust, Übelkeit, Erbrechen und Atembeschwerden führen kann.

Diagnose der Glomerulonephritis

  • Bluttests

  • Urintests

  • Nierenbiopsie

Wenn ein Patient Symptome entwickelt, die auf diese Erkrankung hindeuten, untersuchen die Ärzte die Möglichkeit einer akuten Glomerulonephritis. Diese Erkrankung wird auch dann in Betracht gezogen, wenn die Ergebnisse der Laboruntersuchungen (wenn unspezifische Symptome untersucht werden oder bei Routineuntersuchungen) auf eine Nierenfunktionsstörung oder Blut im Urin hindeuten. Laboruntersuchungen zeigen unterschiedliche Mengen an Proteinen und Blutkörperchen im Urin. Bluttests zeigen eine hohe Konzentration von Harnstoff und Kreatinin (Abfallprodukte) im Blut.

Laboruntersuchung

Bei Menschen mit rasch progredienter Glomerulonephritis sind häufig Harnzylinder in der Urinprobe unter dem Mikroskop sichtbar. Harnzylinder sind kleine Zellklumpen aus roten oder weißen Blutkörperchen, die durch eine Schädigung des Glomerulus verursacht und durch Zellen entstehen, die im Tubulus zusammenkleben. Die Blutproben deuten gewöhnlich auf eine Anämie hin.

Laboruntersuchung

Bei Verdacht auf Glomerulonephritis wird in der Regel eine Nierenbiopsie durchgeführt, um die Diagnose zu bestätigen, die mögliche Ursache einzugrenzen, das Ausmaß der Vernarbung festzustellen und die Chancen für eine Erholung der Nierenfunktion abzuschätzen. Bei einer Nierenbiopsie wird unter Ultraschall oder Computertomographie (CT) eine Nadel in eine der Nieren eingeführt und etwas Nierengewebe entnommen. Obwohl es sich bei der Nierenbiopsie um ein invasives Verfahren handelt, das gelegentlich Komplikationen verursacht, ist es normalerweise ein sicherer Eingriff.

Da sich die chronische Glomerulonephritis allmählich entwickelt und jahrelang keine Symptome zeigt, bleibt sie bei den meisten Menschen unerkannt. Möglicherweise wird sie im Rahmen einer Routineuntersuchung bei einer Person entdeckt, die keine Beschwerden hat, eine normale Nierenfunktion aufweist und über keinerlei Symptome klagt, bei der jedoch Eiweiß und Blutkörperchen im Urin festgestellt wurden. Der behandelnde Arzt entscheidet sich gewöhnlich für ein bildgebendes Diagnostikverfahren der Nieren wie Ultraschall oder CT.

Im Frühstadium ist eine Nierenbiopsie die zuverlässigste Methode, um eine chronische Glomerulonephritis von anderen Nierenerkrankungen zu unterscheiden. Bei fortgeschrittenen Stadien wird allerdings nur selten eine Biopsie durchgeführt. Da die Nieren in diesen Fällen geschrumpft und vernarbt sind, ist die Chance spezifische Informationen zur Ursache zu erhalten sehr gering. Der Arzt kann davon ausgehen, dass eine geschrumpfte und vernarbte Niere durch eine über einen längeren Zeitraum eingeschränkte Nierenfunktion verursacht wird. Die Nieren erscheinen dann bei der bildgebenden Diagnostik ungewöhnlich klein.

Bestimmung der Ursache einer Glomerulonephritis

Manchmal sind zusätzliche Untersuchungen hilfreich, um die Ursache abzuklären. Bei der Diagnose einer postinfektiösen Glomerulonephritis kann beispielsweise durch eine Kultur aus einem Halsabstrich eine Streptokokken-Infektion nachgewiesen werden. Die Antikörperwerte im Blut gegen Streptokokken können höher sein als normal oder über mehrere Wochen hinweg kontinuierlich ansteigen. Eine akute Glomerulonephritis, die auf eine Infektion mit anderen Erregern als Streptokokken folgt, ist meistens leichter zu diagnostizieren, weil ihre Symptome oft einsetzen, wenn die Infektion noch offensichtlich ist. Manchmal sind Laborkulturen und Bluttests nötig, um die Organismen zu identifizieren, die diese anderen Infektionstypen hervorrufen.

Wenn ein Arzt eine Autoimmunerkrankung als Ursache für die Glomerulonephritis vermutet, wird das Blut auf Antikörper untersucht, die sich gegen körpereigenes Gewebe (sogenannte Autoantikörper) richten, sowie Tests zur Beurteilung das Komplementsystems, ein System aus Eiweißen, das dem Immunsystem zuzuordnen ist, durchgeführt.

Behandlung einer Glomerulonephritis

  • Behandlung der zugrunde liegenden Erkrankung

  • Bei einer rasch fortschreitenden Glomerulonephritis Unterdrückung des Immunsystems

  • Bei einer chronischen Glomerulonephritis, ein ACE-Hemmer oder ein Angiotensin-II-Rezeptorblocker (ARB) und eine salzarme Ernährung

Akute Glomerulonephritis

Für die meisten Menschen, die unter einer akuten Glomerulonephritis leiden, gibt es keine spezifische Behandlung. Wenn möglich, wird die der Glomerulonephritis zugrunde liegende Erkrankung behandelt. Eine eiweiß- und salzarme Ernährung kann notwendig sein, bis sich die Nierenfunktion verbessert hat. Diuretika können die Nieren dabei unterstützen, überschüssiges Wasser und Salz auszuscheiden. Ein Bluthochdruck muss medikamentös gesenkt werden.

Besteht der Verdacht einer bakteriellen Infektion als Ursache für die akute Glomerulonephritis, bleiben Antibiotikagaben gewöhnlich erfolglos, weil die Nierenentzündung erst 1 bis 6 (durchschnittlich 2) Wochen nach der Infektion einsetzt, die aller Wahrscheinlichkeit nach zu diesem Zeitpunkt überstanden ist. Wenn die bakterielle Infektion bei der Entdeckung der akuten Glomerulonephritis noch besteht, wird eine Antibiotikatherapie begonnen. Falls eine Malaria die Ursache für die Glomerulonephritis ist, können Malaria-Medikamente von Vorteil sein.

Einige Autoimmunerkrankungen, die eine Glomerulonephritis hervorrufen, werden mit Kortikosteroiden und manchmal zusammen mit anderen Medikamenten behandelt, die auch das Immunsystem unterdrücken.

Rasch fortschreitende Glomerulonephritis

Bei einer rasch progredienten Glomerulonephritis beginnt man sofort mit der Gabe von Medikamenten, die das Immunsystem unterdrücken. Hoch dosierte Kortikosteroide werden meistens eine Woche lang intravenös und dann als Tabletten gegeben. Cyclophosphamid, ein Immunsuppressivum, kann ebenso verabreicht werden. Darüber hinaus wird manchmal ein Plasmaaustausch durchgeführt, um Antikörper aus dem Blut zu entfernen. Je eher die Behandlung erfolgt, desto geringer ist das Risiko, dass sich eine Niereninsuffizienz entwickelt und eine Dialysebehandlung notwendig wird. Bei einigen Patienten mit chronischer Nierenerkrankung mit Niereninsuffizienz wird eine Nierentransplantation in Erwägung gezogen; es ist jedoch möglich, dass sich auch in der transplantierten Niere erneut eine rasch progrediente Glomerulonephritis entwickelt.

Chronische Glomerulonephritis

Durch Verabreichung von ACE-Hemmern oder ARB kann das Fortschreiten der chronischen Glomerulonephritis häufig verlangsamt werden, wobei der Blutdruck und die Ausscheidung von Eiweißen über den Urin gesenkt wird. Auch eine Senkung des Blutdrucks und eine verringerte Natriumaufnahme werden als nutzbringend angesehen. Durch eine eiweißreduzierte Ernährung kann in begrenztem Umfang die Rate der Verschlechterung der Nierenfunktion verringert werden. Bei der terminalen Niereninsuffizienz (end-stage kidney disease, ESKD) hilft nur eine Dialyse oder eine Nierentransplantation.

Prognose bei einer Glomerulonephritis

Die akute Poststreptokokken-Glomerulonephritis heilt in den meisten Fällen, vor allem bei Kindern, komplett ab. Ca. 1 Prozent der erkrankten Kinder und 10 Prozent der erkrankten Erwachsenen entwickeln eine chronische Nierenerkrankung.

Die Prognose für Patienten mit rasch progredienter Glomerulonephritis hängt davon ab, wie stark die Glomeruli vernarbt sind und ob die Ursache der Schädigung, wie eine Infektion, beseitigt werden kann. Bei einigen der Betroffenen, die frühzeitig (innerhalb von Tagen oder einigen Wochen) behandelt werden, bleibt die Nierenfunktion erhalten, und es ist keine Dialyse notwendig. Da die Frühsymptome jedoch möglicherweise nur schwach sind, sind sich die meisten Menschen, die an einer rasch progredienten Glomerulonephritis erkrankt sind, ihrer Krankheit nicht bewusst und gehen erst zum Arzt, wenn es zu einer Niereninsuffizienz gekommen ist.

Wenn die Behandlung erst spät erfolgt, ist es wahrscheinlicher, dass sich eine chronische Nierenerkrankung mit Niereninsuffizienz entwickelt. Da sich eine Niereninsuffizienz tendenziell schneller entwickelt als es von den Erkrankten bemerkt wird, werden 80 bis 90 Prozent der an rasch progredienter Glomerulonephritis erkrankten Menschen dialysepflichtig. Die Prognose hängt auch von der Ursache, dem Alter und anderen Krankheiten ab, unter denen der Betroffene leidet. Bei unbekannter Ursache oder bei älteren Menschen ist die Prognose schlechter.

Bei einigen Kindern und Erwachsenen, die sich nicht völlig von einer akuten Glomerulonephritis erholen, entwickeln sich unter Umständen andere Nierenerkrankungen, wie eine asymptomatische Proteinurie und Hämaturie oder ein nephrotisches Syndrom. Andere an einer akuten Glomerulonephritis Erkrankte, vor allem ältere Menschen, entwickeln häufig eine chronische Glomerulonephritis.

Tabelle

Weitere Informationen

Die folgenden Quellen in englischer Sprache können nützlich sein. Bitte beachten Sie, dass das MANUAL nicht für den Inhalt dieser Quellen verantwortlich ist.

  1. American Kidney Fund, Glomerulonephritis: Allgemeine Informationen zur Glomerulonephritis, einschließlich Antworten auf häufig gestellte Fragen

  2. National Institute of Diabetes and Digestive and Kidney Diseases (NIDDK) – Glomerular Diseases: Allgemeine Informationen über glomeruläre Erkrankungen, einschließlich der Rolle der Glomeruli bei der normalen Nierenfunktion, der chronischen Nierenerkrankung und dem nephrotischen Syndrom