Kopfschmerz ist ein Schmerz in einem beliebigen Teil des Kopfes, inkl. Kopfhaut, Gesicht (einschließlich orbitotemporaler Bereich) und dem Inneren des Kopfes. Kopfschmerz ist einer der häufigsten Gründe, warum Patienten medizinische Hilfe suchen.
Pathophysiologie von Kopfschmerzen
Kopfschmerz ist zurückzuführen auf die Aktivierung von schmerzempfindlichen Strukturen in oder um Gehirn, Schädel, Gesicht, Nebenhöhlen oder Zähne.
Ätiologie von Kopfschmerzen
Kopfschmerz kann als primäre Störung auftreten oder von einer anderen Erkrankung abgeleitet sein.
Zu den primären Kopfschmerzerkrankungen gehören:
Trigeminale autonome Kopfschmerzen (einschließlich Clusterkopfschmerz, chronische paroxysmale Hemikranie, Hemikrania continua und kurz andauernder einseitiger neuralgiformer Kopfschmerz mit Bindehautinjektion und Tränenfluss [short-lasting unilateral neuralgiform headache with conjunctival injection and tearing, SUNCT])
Sekundärer Kopfschmerz hat zahlreiche Ursachen (siehe Tabelle Erkrankungen, die sekundären Kopfschmerz verursachen).
Insgesamt sind die häufigsten Ursachen von Kopfschmerz:
Spannungskopfschmerz
Migräne
Einige Kopfschmerzursachen sind häufig, andere sind wichtig zu erkennen, weil sie gefährlich sind, eine spezielle Behandlung erfordern oder beides (siehe Tabelle Merkmale von Kopfschmerzerkrankungen nach Ursache).
Auswertung von Kopfschmerzen
Evaluierung von Kopfschmerzen konzentriert sich auf
Die Bestimmung, ob ein sekundärer Kopfschmerz vorliegt
Überprüfung auf Symptome, die auf eine ernsthafte Grunderkrankung hindeuten
Wenn keine Ursache oder schwerwiegende Symptome identifiziert werden, richtet sich die Abklärung auf die Diagnose primärer Kopfschmerzen.
Anamnese
Anamnese der jetzigen Krankheit umfasst Fragen über die Charakteristika der Kopfschmerzen
Lokalisation
Dauer
Schweregrad
Beginn (z. B. plötzlich oder allmählich)
Qualität (z. B. pochen, konstant, intermittierend, druckähnlich)
Verschlimmernde und bessernde Faktoren (z. B. Kopfposition, Tageszeit, Schlaf, Licht, Geräusche, körperliche Aktivität, Gerüche, Kauen) werden aufgenommen. Die Patienten werden gefragt, ob die Kopfschmerzen nur im Stehen auftreten; solche Kopfschmerzen sind besorgniserregend, da sie durch ein Liquorleck oder ein posturales orthostatisches Tachykardiesyndrom (POTS) verursacht sein können. Sollte der Patient schon vorher Kopfschmerzen gehabt haben oder unter wiederkehrenden Kopfschmerzen leiden, muss die frühere Diagnose (falls vorhanden) geklärt und festgestellt werden, ob der aktuelle Kopfschmerz gleich oder anders ist. Bei wiederkehrenden Kopfschmerzen sollten folgende Punkte beachtet werden:
Alter bei Beginn
Häufigkeit von Episoden
Zeitmuster (einschließlich jeglicher Beziehung zur Phase des Menstruationszyklus)
Ansprechen auf Behandlungen (einschließlich freiverkäuflicher Medikamente)
Bei der Überprüfung der Organsysteme sollte nach Symptomen gesucht werden, die auf eine Ursache hinweisen, einschließlich
Erbrechen: Migräne oder erhöhter intrakranieller Druck
Fieber: Infektion (z. B. Enzephalitis, Meningitis, Sinusitis)
Gerötete Augen und/oder visuelle Symptome (Halos, Unschärfe): Akutes Engwinkelglaukom
Gesichtsfeldausfälle, Doppelbilder oder verschwommenes Sehen: Augenmigräne, Läsion durch Raumforderung im Gehirn oder idiopathische intrakranielle Hypertonie
Tränenfluss und Gesichtsrötung: Cluster-Kopfschmerz
Rhinorrhö: Sinusitis
Pulsatiler Tinnitus: Idiopathische intrakranielle Hypertonie
Vorausgehende Aura: Migräne
Fokales neurologisches Defizit: Enzephalitis, Meningitis, Hirnblutung, Subduralhämatom, Tumor oder andere Raumforderung
Krampfanfälle: Enzephalitis, Tumor oder andere Raumforderung
Synkope bei Kopfschmerzbeginn: Subarachnoidalblutung
Myalgien und/oder Veränderungen des Sehvermögens (bei Personen > 50 Jahre): Riesenzellarteriitis
In der Anamnese sollten Risikofaktoren für Kopfschmerzen ermittelt werden, wie z.B. die Einnahme von Medikamenten oder Substanzen (insbesondere Koffein), der Entzug von Koffein, die Exposition gegenüber Toxinen (siehe Tabelle Erkrankungen, die sekundären Kopfschmerz verursachen), eine kürzlich durchgeführte Lumbalpunktion, die Einnahme von Immunsuppressiva oder intravenös verabreichten Medikamenten (Infektionsrisiko), Bluthochdruck (Risiko einer Hirnblutung), Krebs (Risiko von Hirnmetastasen), Demenz, Trauma, Koagulopathie oder die Einnahme von Antikoagulantien oder Ethanol (Risiko eines subduralen Hämatoms).
Familien- und Sozialanamnese sollten jede familiäre Vorgeschichte von Kopfschmerzen einschließen, insbesondere deshalb, weil Migränekopfschmerz bei Familienangehörigen nicht diagnostiziert sein kann.
Um die Datenerfassung zu optimieren, können Ärzte die Patienten bitten, einen Kopfschmerzfragebogen auszufüllen, der den Großteil der relevanten medizinischen Vorgeschichte abdeckt, die für die Diagnose des Kopfschmerzes erheblich ist. Patienten können den Fragebogen vor ihrem Arztbesuch ausfüllen und die Ergebnisse mitbringen.
Körperliche Untersuchung
Die Vitalzeichen, inkl. Temperatur, werden erfasst. Das allgemeine Erscheinungsbild (z. B. ist der Patient in einem dunklen Raum unruhig oder ruhig) wird vermerkt. Eine allgemeine Untersuchung mit Schwerpunkt auf Kopf und Hals und eine vollständige neurologische Untersuchung werden durchgeführt.
Die Kopfhaut wird auf geschwollene und empfindliche Bereiche untersucht. Die ipsilaterale Schläfenarterie wird getastet, und beide Kiefergelenke werden auf Empfindlichkeit und Krepitationen palpiert, während der Patient den Kiefer öffnet und schließt.
Die Augen und Augenpartien werden auf Tränenfluss, Rötung und konjunktivale Injektionen inspiziert. Pupillengröße und Lichtreaktion, extraokuläre Bewegungen und Gesichtsfelder werden bewertet. Die Fundi werden auf spontanen retinale Venenpuls und Papillenödem überprüft. Wenn die Patienten Symptome bzgl. des Sehvermögens oder Anomalien der Augen aufweisen, wird die Sehschärfe bestimmt. Bei geröteter Bindehaut werden die vordere Augenkammer und die Hornhaut nach Möglichkeit mit einer Spaltlampe untersucht, und der Augeninnendruck wird gemessen.
Die Nasenlöcher werden auf Eiter inspiziert. Der Mund-Rachen-Raum wird auf Schwellungen überprüft und die Zähne auf Empfindlichkeit abgeklopft.
Der Hals wird gedreht, um Unbehagen und/oder Steifheit zu erkennen, was einen Meningismus anzeigt. Die Halswirbelsäule wird auf Empfindlichkeit palpiert.
Warnzeichen
Die folgenden Ergebnisse sind von besonderer Bedeutung:
Neurologische Symptome oder Zeichen (z. B. Bewusstsveränderungen, Schwäche, Diplopie, Papillenödem, fokale neurologische Defizite)
Schwere Hypertonie
Immunsuppression oder Krebserkrankung
Meningismus
Beginn der Kopfschmerzen nach dem 50. Lebensjahr
"Donnerschlagkopfschmerz" (starker Kopfschmerz, der innerhalb weniger Sekunden seinen Höhepunkt erreicht)
Symptome einer Riesenzellarteriitis (z. B. Sehstörungen, Kiefer-Klaudikatio, Fieber, Gewichtsabnahme, Empfindlichkeit der Schläfenarterie, proximale Myalgien)
Systemische Symptome (z. B. Fieber, Gewichtsabnahme)
Schrittweise Verschlechterung der Kopfschmerzen
Gerötete Augen und Halos um Lichtquellen
Interpretation der Befunde
Wenn ähnliche Kopfschmerzen bei Patienten, die wohlauf erscheinen und eine normale Untersuchung aufweisen, immer wiederkehren, ist die Ursache selten bedrohlich. Kopfschmerzen, die seit der Kindheit oder dem jungen Erwachsenenalter immer wieder aufgetreten sind, deuten auf eine primäre Kopfschmerzstörung hin. Verändern sich Kopfschmerztyp oder -muster deutlich bei Patienten mit einer bekannten primären Kopfschmerzstörung, sollten sekundäre Kopfschmerzen erwogen werden.
Die meisten Einzelsymptome der primären Kopfschmerzstörungen sind, mit Ausnahme der Aura, unspezifisch. Charakteristischer ist eine Kombination von Symptomen und Beschwerden (siehe Tabelle Merkmale von Kopfschmerzerkrankungen nach Ursache).
Red-flag-Befunde deuten auf eine Ursache hin (siehe Tabelle Übereinstimmung von Befunden mit Warnzeichen und Kopfschmerzursachen).
Untersuchungen
Bei den meisten Patienten kann die Diagnose ohne die Durchführung von Tests gestellt werden. Jedoch können einige ernste Erkrankungen eine dringende oder unmittelbare Untersuchung erfordern. Manche Patienten brauchen die Untersuchungen schnellstmöglich.
Eine MRT (und vielleicht Magnetresonanzangiographie [MRA]) sollte so bald wie möglich bei Patienten mit einem der folgenden Befunde durchgeführt werden:
"Donnerschlagkopfschmerz"
Bewusstsveränderungen
Meningismus
Akute fokale neurologische Defizite
Wenn eine MRT nicht sofort verfügbar ist, kann eine CT verwendet werden.
Auch eine neuroradiologische Bildgebung, meist MRT, sollte erfolgen, wenn die Patienten eines der folgenden Merkmale aufweisen:
Fokales neurologisches Defizit mit subakutem oder unsicherem Beginn
Neu aufgetreten
Alter > 50 Jahre
Krebserkrankung
HIV-Infektion oder AIDS
Veränderung in einem etablierten Kopfschmerzmuster
Diplopie
Bei V. a. Meningitis, Subarachnoidalblutung, Enzephalitis oder jede andere Form von Meningismus sollte darüber hinaus eine Lumbalpunktion und Liquoranalyse durchgeführt werden, sofern dies nicht durch die Ergebnisse der Bildgebung kontraindiziert ist. Patienten mit einem "Donnerschlagkopfschmerz" benötigen eine Liquroanalyse, auch wenn die Bildgebungs- und Untersuchungsbefunde normal sind, so lange wie eine Lumbalpunktion durch die Ergebenisse der bildgebenden Verfahren nicht kontraindiziert ist. Eine Liquoruntersuchung ist in der Regel auch angezeigt, wenn Patienten mit Kopfschmerzen immunsupprimiert sind oder ein Papillenödem aufweisen.
Eine Tonometrie ist durchzuführen, wenn die Befunde für ein akutes Engwinkelglaukom (z. B. visuelle Halos, Übelkeit, Hornhautödem, flache vordere Augenkammer) sprechen.
Weitere Untersuchungen sollten innerhalb von Stunden oder Tagen in Abhängigkeit von der Akuität und der Schwere der Befunde und der vermuteten Ursachen durchgeführt werden.
Die Erythrozytensedimentationsrate und das C-reaktive Protein (CRP) sollten bestimmt werden bei Patienten mit visuellen Symptomen, Kiefer- oder Zungen-Klaudikatio, Symptomen der Schläfenarterie oder anderen Befunden, die eine Riesenzellarteriitis nahelegen.
Eine CT der Nasennebenhöhlen wird durchgeführt, um eine komplizierte Sinusitis auszuschließen, wenn die Patienten eine mäßig schwere systemische Erkrankung haben (z. B. hohes Fieber, Dehydrierung, Erschöpfung, Tachykardie) und Befunde aufweisen, die für eine Sinusitis sprechen (z. B. frontaler, begrenzter Kopfschmerz; Nasenbluten, eitriger Schnupfen).
Lumbalpunktion und Liquoranalyse sind durchzuführen, wenn der Kopfschmerz voranschreitet und die Befunde eine idiopathische intrakranielle Hypertonie (z. B. vorübergehende Verdunklung des Sehens, Diplopie, pulsatiler intrakranieller Tinnitus) oder eine chronische Meningitis (z. B. anhaltendes leichtes Fieber, kraniale Neuropathien, kognitive Beeinträchtigung, Lethargie, Erbrechen) nahelegen.
Behandlung von Kopfschmerzen
Die Kopfschmerzbehandlung ist auf die Ursache ausgerichtet.
Grundlagen der Geriatrie: Kopfschmerzen
Neu auftretende Kopfschmerzen nach dem 50. Lebensjahr sollten bis zum Beweis des Gegenteils als sekundäre Störung betrachtet werden.
Wichtige Punkte
Immer wiederkehrende Kopfschmerzen, die bei Patienten mit einer normalen Untersuchung in jungen Jahren begonnen haben, sind in der Regel gutartig.
Neuroradiologische Bildgebung so früh wie möglich wird bei Patienten mit Bewusstseinsveränderungen, Krampfanfällen, Papillenödem, fokalen neurologischen Defiziten oder "Donnerschlagkopfschmerz" empfohlen.
Bei Patienten mit Meningismus und in der Regel bei immunsupprimierten Patienten und solchen mit Papillenödem ist nach der Neurobildgebung eine Liquoranalyse erforderlich.
Patienten mit "Donnerschlagkopfschmerz" benötigen eine Liquroanalyse, auch wenn die neurologische Bildgebung und Untersuchungsbefunde normal sind, sofern eine Lumbalpunktion nicht durch die Ergebnisse der Bildgebung kontraindiziert ist.