Überblick über intrakranielle Tumoren

VonMark H. Bilsky, MD, Weill Medical College of Cornell University
Überprüft/überarbeitet Mai 2023
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Intrakranielle Tumoren können das Gehirn oder andere Strukturen betreffen (z. B. Hirnnerven, Meningen). Die Tumoren entwickeln sich üblicherweise im frühen oder mittleren Erwachsenenalter, sie können sich jedoch in jedem Alter ausbilden; die Häufigkeit nimmt bei Älteren zu. Hirntumoren werden bei ca. 2% der Routine-Autopsien gefunden.

Einige Tumoren sind gutartig, aber weil die Schädelkapsel keinen Raum zur Expansion lässt, können sogar benigne Tumoren ernsthafte neurologische Funktionsstörungen verursachen oder zum Tod führen.

(Siehe auch Überblick über Tumoren des zentralen Nervensystems bei Kindern.)

Klassifikation der intrakraniellen Tumoren

Es gibt 2 Arten von Hirntumoren:

Hirnmetastasen sind etwa 10-mal häufiger als primäre Hirntumoren.

Tipps und Risiken

  • Hirnmetastasen kommen etwa 10-mal häufiger vor als primäre Hirntumoren.

Die Art des Tumors variiert je nach Lokalisation (siehe Tabelle Häufige Lokalisation von primären Hirntumoren) und Patientenalter (siehe Tabelle Häufige Tumoren nach Alter).

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Pathophysiologie von intrakraniellen Tumoren

Die neurologische Funktionsstörung kann resultieren aus:

  • Invasion und Zerstörung von Hirngewebe durch den Tumor

  • Direkte Kompression des angrenzenden Gewebes durch den Tumor

  • Erhöhter Hirndruck (weil der Tumor Raum innerhalb des Schädels einnimmt)

  • Blutung innerhalb oder außerhalb des Tumors

  • Hirnödem

  • Verlegung von venösen Sinus in der Dura (insbesondere durch Knochen oder extradurale metastatische Tumoren)

  • Obstruktion des Liquorabflusses (tritt früh auf mit Tumoren im III. Ventrikel oder in der hinteren Schädelgrube)

  • Behinderung der Liquorabsorption (z. B. wenn Leukämie oder Karzinome die Hirnhäute einbeziehen)

  • Behinderung des arteriellen Blutflusses

  • Selten paraneoplastische Syndrome

Ein maligner Tumor kann eigene neue Blutgefäße bilden, die bluten oder verlegt sein können, was zu Nekrosen und zu neurologischen Störungen führt, die einem Schlaganfall ähneln. Blutungen als Komplikation von metastasierenden Tumoren treten am ehesten bei Patienten mit Melanom, Nierenzellkarzinom, Choriokarzinom, Schilddrüsen-, Lungen- oder Brustkrebs auf.

Benigne Tumoren wachsen langsam. Sie können recht groß werden, bevor sie Symptome verursachen, besonders weil häufig kein Hirnödem besteht. Maligne Primärtumoren wachsen schnell, breiten sich aber selten über das zentrale Nervensystem aus. Der Tod kommt durch lokales Tumorwachstum und/oder tumorbedingte Blutungen zustande und kann somit sowohl bei benignen als auch bei malignen Tumoren auftreten.

Symptome und Beschwerden von intrakraniellen Tumoren

Durch Primärtumoren und Metastasen verursachte Symptome sind gleich. Viele Symptome entstehen durch den erhöhten intrakraniellen Druck.

  • Kopfschmerz

  • Verschlechterung des mentalen Status

  • Fokale Dysfunktion des Gehirn

Kopfschmerz ist das häufigste Symptom. Die Kopfschmerzen können am stärksten sein, wenn die Patienten aus dem Tiefschlaf ohne schnelle Augenbewegungen (Non-REM-Schlaf) erwachen (in der Regel mehrere Stunden nach dem Einschlafen), da die Hypoventilation, die den zerebralen Blutfluss und damit den intrakraniellen Druck erhöht, in der Regel während des Non-REM-Schlafs maximal ist. Der Kopfschmerz ist außerdem progressiv und kann durch Liegen oder das Valsalva-Manöver verschlimmert werden. Ist der intrakranielle Druck sehr hoch, kann der Kopfschmerz von Erbrechen begleitet sein, dem manchmal ein wenig Übelkeit vorausgeht.

Eine Stauungspapille entwickelt sich bei ca. 25% der Patienten mit einem Hirntumor. Sie kann aber auch fehlen, obwohl der intrakranielle Druck erhöht ist. Bei Säuglingen und Kleinkindern kann der erhöhte Hirndruck den Kopf vergrößern. Wenn der intrakranielle Druck sehr stark ansteigt, kommt es zu einer Einklemmung des Gehirns.

Eine Verschlechterung des mentalen Status ist das zweithäufigste Symptom. Manifestationen können sein: Benommenheit, Lethargie, Persönlichkeitsveränderungen und Verhaltensstörungen, Beeinträchtigung der Kognition, v. a. bei malignen Hirntumoren. Die Atemreflexe können gestört sein.

Eine fokale Dysfunktion des Gehirns kann verschiedene Symptome bewirken. Fokale neurologische Defizite, endokrine Dysfunktion oder fokale Krampfanfälle (manchmal mit sekundärer Generalisierung) können sich je nach Tumorlokalisation entwickeln (siehe Tabelle Häufige Lokalisation von Hirntumoren). Fokale Defizite lassen oft auf die Tumorlokalisation schließen. Jedoch korrespondieren die fokalen Defizite manchmal nicht mit der Lokalisation des Tumors. Zu solchen Defiziten, den sog. falschen Lokalisationszeichen, gehören die folgenden:

  • Einseitige oder beidseitige Abduzensparese (Parese der Abduktion des Auges) aufgrund von erhöhtem Hirndruck, wodurch der VI. Hirnnerv komprimiert wird.

  • Ipsilaterale Hemiplegie aufgrund der Kompression der kontralateralen Hirnschenkel gegen das Tentorium (Kernohan-Kerbe)

  • Ipsilateraler Gesichtsfeldausfall aufgrund einer Ischämie im kontralateralen Okzipitallappen

Generalisierte Krampfanfälle können, bei primären Turmoren häufiger als bei Hirnmetastasen, vorkommen. Eine Bewusstseinsstörung kann durch eine Einklemmung, Hirnstammfunktionsstörungen oder durch diffuse bilaterale kortikale Dysfunktionen bedingt sein.

Einige Tumoren verursachen eine Entzündung der Meningen, was zu einer subakuten oder chronischen Meningitis führt.

Diagnose von intrakraniellen Tumoren

  • T1-gewichtete MRT mit Gadolinium oder CT mit Kontrastmittel

  • Manchmal Biopsie

Frühe Stadien von Hirntumoren werden häufig falsch diagnostiziert. Ein Hirntumor sollte bei Patienten mit einem der folgenden Merkmale erwogen werden:

  • Progressive fokale oder globale Defizite der Gehirnfunktion

  • Neu auftretende Krampfanfälle

  • Dauerhafte, unerklärte, kürzlich aufgetretene Kopfschmerzen, insbesondere dann, wenn sie durch Schlaf verschlimmert werden

  • Nachweis eines erhöhten intrakraniellen Drucks (z. B. Papillenödem, unerklärtes Erbrechen)

  • Hypophysäre oder hypothalamische Endokrinopathie

Ähnliche Befunde können auch durch andere intrakranielle Raumforderungen verursacht werden (z. B. Abszesse, Aneurysma, arteriovenöse Fehlbildung, intrazerebrale Blutung, Subduralhämatom, Granulom, parasitäre Zysten wie bei Neurozystizerkose) oder durch ischämische Schlaganfälle.

Eine komplette neurologische Untersuchung, Bildgebung und Röntgenthorax (zur Suche nach Metastasen) sollten durchgeführt werden. Eine T1-gewichtete MRT mit gadoliniumhaltigem Kontrastmittel ist die Untersuchung der Wahl. Eine CT mit Kontrastmittel stellt eine Alternative dar. Mit der MRT werden niedriggradige Astrozytome und Oligodendrogliome in der Regel eher entdeckt als mit der CT, und die MRT zeigt die Hirnstrukturen in Knochennähe (z. B. in der hinteren Schädelgrube) deutlicher. Wenn eine Bildgebung des gesamten Gehirns keine hinreichenden Details in der Zielregion zeigt (z. B. Sella turcica, Kleinhirnbrückenwinkel, N. opticus), sollten Zielaufnahmen oder andere spezielle Aufnahmetechniken des entsprechenden Gebiets eingesetzt werden. Wenn die neuroradiologische Bildgebung normal ausfällt, jedoch ein erhöhter intrakranieller Druck vermutet wird, sollte eine idiopathische Hirndrucksteigerung (Pseudotumor cerebri) erwogen und eine Lumbalpunktion durchgeführt werden.

Radiologische Hinweise auf die Art des Tumors, vor allem die Lokalisation (siehe Tabelle Häufige Lokalisation von Hirntumoren) und Muster der Anreicherung im MRT, können nicht eindeutig sein; eine Hirnbiopsie, manchmal eine Exzisionsbiopsie, kann erforderlich sein.

Spezielle Tests (z. B. molekulare und genetische Tumormarker in Blut und Liquor) können in einigen Fällen hilfreich sein. Bei AIDS-Patienten z. B. steigen typischerweise die Epstein-Barr-Virus-Titer im Liquor, wenn sich ein ZNS-Lymphom entwickelt.

Behandlung von intrakraniellen Tumoren

  • Schutz der Atemwege

  • Dexamethason gegen den erhöhten intrakraniellen Druck

  • Mannitol bei Einklemmung

  • Antiepileptika bei Krampfanfällen

  • Endgültige Therapie mit Exzision, Strahlentherapie, systemischer Krebstherapie (z. B. Chemotherapie, gezielte Therapie, Immuntherapie) oder einer Kombination

Patienten im Koma oder mit gestörten Atemreflexen benötigen eine endotracheale Intubation.

Eine Hirneinklemmung aufgrund von Tumoren wird mit einer hyperosmotischen Therapie (Mannitol 25 bis 100 g als Infusion oder 23,4%ige hypertonische Kochsalzlösung 20 ml als Infusion über einen Zentralkatheter und ein Kortikosteroid [z. B. Dexamethason 16 mg intravenös, gefolgt von 4 mg oral oder als intravenös alle 6 Stunden]) und endotrachealer Intubation behandelt. Hyperventilation auf einen Kohlendioxidpartialdruck (PCO2) von 26 bis 30 mmHg kann in Notfällen vorübergehend den intrakraniellen Druck senken. Raumfordernde Läsionen sollten möglichst bald chirurgisch dekomprimiert werden.

Ein erhöhter Hirndruck durch Tumoren, jedoch ohne Einklemmung, kann mit Kortikosteroiden behandelt werden (z. B. Dexamethason 4 mg p.o. alle 6 bis 12 h oder Prednison 30–40 mg p.o. 2-mal/Tag).

Die Behandlung des Hirntumors hängt ab von der Pathologie und der Lokalisation. Eine chirurgische Exzision sollte diagnostisch (Exzisionsbiopsie) und therapeutisch eingesetzt werden. Bei benignen Tumoren kann sie kurativ sein. Bei Tumoren, die das Hirnparenchym infiltrieren, ist die Behandlung multimodal. Eine Strahlentherapie ist erforderlich, und eine Chemotherapie, zielgerichtete Therapie und/oder Immuntherapie scheint einigen Patienten zu helfen.

Zur Behandlung von Tumormetastasen gehört die Strahlentherapie und manchmal auch die stereotaktische Radiochirurgie. Bei Patienten mit einer einzelnen Metastase verbessert die chirurgische Entfernung des Tumors vor der Bestrahlung das Ergebnis.

Patientenverfügungen und Vollmachten

Wenn Patienten einen unheilbaren Tumor haben, sollten Fragen im Zusammenhang mit dem Lebensende besprochen werden und eine Konsultation über Palliativpflege sollte in Betracht gezogen werden.

Kraniale Strahlentherapie und Neurotoxizität

Die Strahlentherapie kann bei diffusen oder multizentrischen Tumoren auf den gesamten Kopf oder bei gut abgegrenzten Tumoren auf den lokalen Bereich gerichtet sein.

Es gibt zwei Arten der lokalen Strahlentherapie des Gehirns; beide zielen darauf ab, normales Hirngewebe zu schonen:

  • Konform: Der Einsatz von CT zur Erstellung einer 3-dimensionalen Karte des Tumors erleichtert die präzise Ausrichtung auf den Tumor

  • Stereotaktisch: Einsatz von Gamma Knife oder Protonenstrahltherapie, um mehrere fokussierte Strahlen mit hoher Energie auf den Tumor zu richten

Gliome werden mit konformer Strahlentherapie behandelt; ein stereotaktisch gerichtetes Gamma-Knife- oder Protonenstrahl-Therapie ist nützlich bei Metastasen. Derzeit wird empfohlen, ≤ 4 metastatische Läsionen mit stereotaktischen oder anderen fokalen Bestrahlungen und > 4 Läsionen mit einer Ganzhirnbestrahlung zu behandeln (1, 2); neue Daten könnten jedoch eine stereotaktische Operation bei bis zu 10 metastatischen Läsionen unterstützen (3, 4). Die Gabe von Strahlung in kleineren fraktionierten täglichen Dosen führt zu einer Maximierung der Wirksamkeit bei gleichzeitiger Minimierung der Neurotoxizität und Schädigung des normalen ZNS-Gewebes (siehe Strahlenbelastung und Kontamination).

Der Grad der Neurotoxizität hängt ab von

  • Der kumulativen Strahlendosis

  • Der individuellen Dosishöhe

  • Der Therapiedauer

  • Dem bestrahlten Gewebevolumen

  • Der individuellen Suszeptibilität

Weil die Suszeptibilität unterschiedlich ist, ist die Vorhersage einer Neurotoxizität durch Bestrahlung unpräzise. Die Symptome können innerhalb der ersten Tage auftreten (akut), sich über Monate einer Behandlung ausbilden (früh verzögert) oder sich mehrere Monate bis Jahre nach der Behandlung entwicklen (spät verzögert). Selten verursacht eine Bestrahlung Jahre nach der Behandlung Gliome, Meningeome oder periphere Nervenscheidentumoren.