Blutprodukte

VonRavindra Sarode, MD, The University of Texas Southwestern Medical Center
Überprüft/überarbeitet März 2024
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    Vollblut gewährleistet eine bessere Sauerstoff- Transportkapazität, Volumenexpansion und einen besseren Ersatz von Gerinnungsfaktor und wurde daher früher bei schnellen massiven Blutverlusten empfohlen. Da die Komponententherapie jedoch in den meisten Fällen ebenso wirksam ist und eine effizientere Nutzung des gespendeten Blutes darstellt, wurden Vollbluttransfusionen in den Vereinigten Staaten mehrere Jahrzehnte lang nicht angeboten. Die Vollblutgruppe O mit niedrigem Titer (für Anti-A) wird jetzt zunehmend als universelle Blutgruppe für die Wiederbelebung bei Traumata verwendet, da Daten vorliegen, die auf ein besseres Überleben im Vergleich zur Komponententherapie hindeuten (1).

    Rote Blutkörperchen (Erythrozyten)

    Erythrozytenkonzentrate werden bei einer Temperatur zwischen 1 und 6 °C bis 42 Tage gelagert. Erythrozytenkonzentrate sind das Mittel der Wahl, um das Hämoglobin (Hb) bei einem Patienten mit Anämie zu erhöhen. Die Indikationen sind jeweils vom Patienten abhängig. Die Sauerstoff-Transportkapazität kann bis zu Hämoglobin-Werten von 7 g/dl (70 g/l) bei gesunden Patienten ausreichend sein, jedoch können bei Patienten mit verminderter kardiopulmonaler Reserve oder andauernder Blutung Transfusionen bereits bei höheren Hämoglobin-Werten indiziert sein. Eine Einheit Erythrozytenkonzentrat erhöht den Hämoglobinwert eines durchschnittlichen Erwachsenen um etwa 1 g/dl (10 g/l) und den Hämatokrit (Hct) um etwa 3% über den Wert vor der Transfusion. Wenn nur eine Volumenexpansion notwendig ist, können auch andere Flüssigkeiten gleichzeitig oder ausschließlich eingesetzt werden. Bei Patienten mit mehreren Blutgruppenantikörpern oder mit Antikörpern gegen hochfrequente Erythrozytenantigene werden Erythrozyten mit seltenen Phänotypen von Antigenen verwendet; diese werden in der Regel zur Lagerung eingefroren.

    Gewaschene Erythrozytenkonzentrate sind fast völlig frei von Plasmabestandteilen, insbesondere Leukozyten und Thrombozyten. Sie werden Patienten gegeben, die schwere Reaktionen gegen Plasmakomponenten (z. B. schwere Allergien, IgA-Immunisierung) zeigen. Bei IgA-immunisierten Patienten können Transfusionen von Spendern mit einem IgA-Mangel sinnvoll sein.

    Leukozytendepletierte Erythrozyten (leukozytenreduzierte Erythrozyten) werden mit speziellen Filtern hergestellt, die 99,99% der Leukozyten entfernen. Diese sind bei Patienten indiziert, die bereits eine nichthämolytische febrile Transfusionsreaktion hatten oder die Zytomegalievirus-negative Blutprodukte benötigen, diese jedoch nicht verfügbar sind. Sie werden außerdem für Austauschtransfusionen verwendet und um der Möglichkeit einer Alloimmunisierung des humanen Leukozytenantigens (HLA) vorzubeugen, um eine refraktäre Reaktion auf die Thrombozytentransfusion (Unvermögen, den angestrebten Spiegel der Thrombozyten im Blut nach der Thrombozytentransfusion zu erreichen) zu verhindern. In Deutschland sind alle Erythrozytenkonzentrate leukozytendepletiert.

    Gefrorenes Frischplasma

    Gefrorenes Frischplasma (FFP) enthält alle Gerinnungsfaktoren in unkonzentrierter Form, jedoch keine Thrombozyten. Die FFP wird bei -18 °C bis zu 1 Jahr lang gelagert. Zu den Indikationen gehört die Korrektur koagulopathischer Blutungen, die auf einen Mangel an Gerinnungsfaktoren zurückzuführen sind, für die kein spezifischer Faktorersatz zur Verfügung steht, oder auf einen multifaktoriellen Mangel (z. B. massive Transfusion, disseminierte intravasale Gerinnung [DIC], Leberversagen). FFP wird für die dringende Warfarin-Umkehrung nur dann verwendet, wenn ein 4-Faktor-Prothrombin-Komplex-Konzentrat (4F-PCC ist die erste Wahl) nicht verfügbar ist. FFP ist unwirksam bei der Behandlung von Blutungen durch direkte Faktor Xa-Inhibitoren oder direkte Thrombin-Inhibitoren. FFP kann zusätzlich zu Erythrozytenkonzentraten gegeben werden, wenn für Austauschtransfusionen kein Vollblut verfügbar ist. FFP sollte nicht nur zur Volumenerweiterung oder zur Korrektur einer leichten bis mittelschweren Koagulopathie vor chirurgischen Eingriffen verwendet werden, insbesondere nicht bei Patienten mit Zirrhose, die nicht bluten, da die Gerinnungsstörungen möglicherweise nicht korrigiert werden und die Gefahr besteht, dass das zusätzlich verabreichte Plasma den Portaldruck erhöht und Blutungen fördert.

    Pathogeninaktiviertes Plasma stehtzur Verfügung, das durch die Behandlung mit der Solvent-Detergent-Methode gewonnen wird und die Übertragung fast aller Krankheitserreger verhindert. Das Rekonvaleszenzplasma wurde in der Vergangenheit bereits bei Ebola- und Influenza-H1N1-Epidemien eingesetzt.

    Kryopräzipitat

    Kryopräzipitat ist ein Konzentrat, das aus FFP hergestellt und auch bei -18° C gelagert wird. Jedes Konzentrat enthält ungefähr 80 Einheiten Faktor VIII und Von-Willebrand-Faktor sowie 250 mg Fibrinogen. Daneben enthält es ADAMTS13 (ein Enzym, für das bei angeborener thrombotisch-thrombozytopenische Purpura ein Mangel besteht), und Faktor XIII. Kryopräzipitate wurden ursprünglich zur Behandlung der Hämophilie und des Von-Willebrand-Syndroms eingesetzt. Heute jedoch verwendet man sie vor allem zum Fibrinogenersatz bei akuter disseminierter intravasaler Gerinnung mit Blutungen, zur Behandlung einer urämischen Blutung, bei Herz-Thorax-Operationen (Fibrinkleber) und bei gynäkologischen Notfällen wie Plazentalösung und HELLP-Syndrom (Hämolyse, erhöhte Leberenzyme, niedrige Thrombozytenzahl) sowie beim seltenen Faktor-XIII-Mangel, sofern kein humanes Koagulationsfaktor-XIII-Konzentrat verfügbar ist. In der Regel sollten sie nicht für andere Indikationen eingesetzt werden. Es ist ein pathogeninaktiviertes gepooltes Kryopräzipitat erhältlich, das als Fibrinogenquelle verwendet werden kann. Es hat den Vorteil, dass es aufgetaut und bei Raumtemperatur bis zu 5 Tage gelagert werden kann, im Gegensatz zu herkömmlichem Kryopräzipitat, das von -18° C aufgetaut und innerhalb von 4 Stunden verwendet werden muss.

    Weiße Blutkörperchen (Leukozyten)

    Granulozyten können bei einem Patienten mit Sepsis und starker persistierender Neutropenie (Neutrophile < 500/mcl [0,5 × 109/l]), der nicht auf Antibiotika anspricht, transfundiert werden. Die Granulozyten werden bei Raumtemperatur gelagert und müssen innerhalb von 24 Stunden nach der Entnahme verabreicht werden. Die Tests auf HIV, Hepatitis, humanes T-Zell-Lymphotropie-Virus und Syphilis dürfen jedoch nicht vor der Infusion abgeschlossen sein. Aufgrund der verbesserten antibiotischen Therapiemöglichkeiten und dem Einsatz von Arzneimitteln, die die Granulozytenproduktion während der Chemotherapie stimulieren, werden Granulozytentransfusionen heutzutage nur noch selten eingesetzt.

    Immunglobuline

    Rh-Immunglobulin (RhIg; Anti-D) wird intramuskulär oder intravenös verabreicht und verhindert die Entwicklung von mütterlichen Rh-Antikörpern, die durch eine fetomaternale Blutübertragung entstehen können. Die Standarddosierung von i.m. RhIg beträgt 300 mcg und muss einer Rh-negativen Mutter unmittelbar nach einem Abort oder einer Geburt (Lebend- oder Totgeburt) verabreicht werden, außer wenn das Kind Rho(D)- und Du-negativ ist oder wenn die Mutter bereits Rho(D)-Antikörper besitzt. Bei einer fetomaternalen Blutübertragung von > 30 ml sind größere Dosen RhIg notwendig. Besteht ein Verdacht auf eine Blutung dieser Menge, wird zur Bestimmung des Volumens der fetomaternalen Blutübertragung zunächst ein Rosettentest durchgeführt, der – falls er positiv ausfällt – durch einen quantitativen Test (z. B. Kleihauer-Betke-Test) ergänzt wird.

    Zur Behandlung einer idiopathischen thrombozytopenischen Purpura wird RhIg (Anti-D) IV gegeben.

    Andere Immunglobuline stehen für die Postexpositionsprophylaxe bei Patienten zur Verfügung, die einigen ansteckenden Krankheiten ausgesetzt waren, einschließlich Zytomegalievirus, Hepatitis A, Hepatitis B, Masern, Tollwut, Respiratory-Syncytial-Virus, Röteln, Tetanus, Pocken und Windpocken (zur Anwendung seihe unter den entsprechenden Krankheiten).

    Thrombozyten

    Thrombozytenkonzentrate werden verwendet

    • Zur Verhinderung von Blutungen bei asymptomatischer schwerer Thrombozytopenie (Thrombozytenzahl < 5.000-10.000/mcl [< 5 × 109/l bei 10 × 109/l])

    • Bei blutenden Patienten mit weniger schwerer Thrombozytopenie (Thrombozytenzahl < 50.000/mcl [< 50 × 109/l])

    • Für blutende Patienten mit Thrombozytenfunktionsstörung aufgrund von Thrombozytenaggregationshemmern (andere als Aspirin), aber mit einer normalen Thrombozytenzahl

    • Bei Patienten, die eine Massivtransfusion erhalten, die eine dilutionale Thrombozytopenie verursacht

    Thrombozytenkonzentrate werden auch manchmal vor invasiven Operationen eingesetzt, insbesondere mit extrakorporaler Zirkulation für > 2 Stunden (die Thrombozyten oft funktionsunfähig macht). Eine Einheit eines Thrombozytenkonzentrats erhöht den Thrombozytenwert um etwa 10.000/mcl (10 × 109/L), Eine adäquate Hämostase wird bei Thrombozytenwerten von etwa 10.000/mcl (10 × 109/l) bei Patienten ohne Komplikationen und von etwa 50.000/mcl (50 × 109/l) bei Patienten mit chirurgischen Eingriffen erreicht. Daher werden Thrombozytenkonzentrate, die aus einem Pool von 4 bis 5 Einheiten Vollblut stammen, üblicherweise bei Erwachsenen verwendet.

    Thrombozytenkonzentrate werden in der Regel mit automatisierten Geräten hergestellt, die die Thrombozyten entnehmen und nicht benötigte Komponenten (z. B. Erythrozyten, Plasma) an den Spender zurückgeben. Dieses Verfahren wird als Thrombozytopherese bezeichnet. Es ermöglicht die Gewinnung einer ausreichenden Thrombozytenzahl aus einer einzigen Spende (entspricht 4 bis 5 Vollblutplättcheneinheiten) für die Transfusion eines Erwachsenen. Da es Risiken hinsichtlich Infektionen und immunologischen Reaktionen minimiert, wird es gegenüber der Transfusion von Konzentraten verschiedener Spender unter bestimmten Bedingungen bevorzugt.

    Bei einigen Patienten kommt es nach einer Thrombozytentransfusion nicht zu einem ausreichenden Anstieg der Thrombozyten (was als Renitenz bezeichnet wird), was durch eine Sequestration der Thrombozyten in der Milz oder einen Thrombozytenverbrauch aufgrund von disseminierte intravaskuläre Koagulation oder eine Zerstörung durch humanes Leukozytenantigen- oder thrombozytenspezifische Antikörper (und immunvermittelte Zerstörung) bedingt sein kann. Falls die Patienten nicht auf die Transfusion ansprechen, werden sie, sofern möglich, auf Alloimmunisierung getestet. Patienten mit immunvermittelter Zerstörung können auf gepoolte Vollblutplättchen (wegen der höheren Wahrscheinlichkeit, dass einige Einheiten humanem Leukozytenantigen-kompatibel sind), Blutplättchen von Familienmitgliedern oder ABO- oder humanem Leukozytenantigen-angepasste Blutplättchen ansprechen. Darüber hinaus können Thrombozyten von Familienmitgliedern sowie ABO- oder humanem Leukozytenantigen-gematchte Thrombozyten zum Einsatz kommen. Das Risiko einer Alloimmunisierung kann durch die Verwendung von leukozytendepletierten Erythrozyten- und Thrombozytenkonzentraten vermindert werden.

    Pathogen-inaktivierte Thrombozyten, die mit Hilfe einer Chemikalie (Amotosalen) inaktiviert werden, sind ebenfalls für den klinischen Einsatz verfügbar. Die meisten Thrombozyten werden bei 20–22 °C für 5–7 Tage gelagert. Thrombozyten können auch bei 1–6 °C für bis zu 14 Tage gelagert werden. Während der Kühllagerung werden die Thrombozyten teilweise aktiviert und sind daher hämostatisch funktionsfähiger als Thrombozyten, die bei Raumtemperatur gelagert werden; daher werden Thrombozyten aus der Kühllagerung während einer Operation oder bei einem blutenden Patienten verwendet.

    Weitere Blutprodukte

    Bestrahlte Blutprodukte werden eingesetzt, um Risikopatienten vor der Entwicklung einer Graft-versus-Host-Krankheit (GVHD) zu schützen.

    Es wurden viele Versuche unternommen, Blutersatzpräparate zu entwickeln, die inerte chemische Substanzen (z. B. Perfluorcarbone) oder Hämoglobinlösungen enthalten, um Sauerstoff zu transportieren und an das Gewebe zu liefern. Obwohl diese Hämoglobinersatzpräparate vielversprechende Fähigkeiten beim Sauerstoff-Transport ins Gewebe während eines Notfalls zeigten, wurden mehrere klinische Studien aufgrund einer erhöhten Mortalität und einer schweren unerwünschten kardiovaskulären Toxizität (z. B. Hypotonie) abgebrochen. Wird versucht, Thrombozyten und Erythrozyten aus verschiedenen Stammzellquellen zu generieren.

    Hämatopoetische Stammzellen aus autologen oder allogenen Spendern können transfundiert werden, um bei Patienten nach myeloablativer oder myelotoxischer Therapie die hämatopoetische Funktion (insbesondere die Immunfunktion) wiederherzustellen.

    Hinweis

    1. 1. McCoy CC, Brenner M, Duchesne J, et al. Back to the Future: Whole Blood Resuscitation of the Severely Injured Trauma Patient. Shock 2021;56(1S):9-15. doi:10.1097/SHK.0000000000001685