Rasch progressive Glomerulonephritis (RPGN)

(Glomerulonephritis mit Halbmondbildung)

VonFrank O'Brien, MD, Washington University in St. Louis
Überprüft/überarbeitet Juni 2023
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Die rasch progrediente Glomerulonephritis ist ein akutes nephritisches Syndrom von einer mikroskopisch glomerulären Halbmondbildung mit Progression zum Nierenversagen innerhalb von Wochen bis Monaten begleitet. Die Diagnose basiert auf Anamnese, Urinbefund, serologischen Untersuchungen und Nierenbiopsie. Die Behandlung erfolgt mit Kortikosteroiden mit oder ohne Cyclophosphamid oder Ritumixab, manchmal durch Plasmaaustausch.

Die rasch progressive Glomerulonephritis, eine Art des nephritischen Syndroms, ist eine pathologische Diagnose, die von einer ausgedehnten glomerulären Sichelbildung begleitet wird (d. h. > 50% der entnommenen Glomeruli enthalten Sicheln, die in einer Biopsieprobe zu sehen sind); unbehandelt schreitet die rasch progressive Glomerulonephritis innerhalb von Wochen bis Monaten zu einer terminalen Niereninsuffizienz fort. Sie ist relativ selten, betrifft 10–15% der Patienten mit Glomerulonephritis und kommt hauptsächlich bei Patienten im Alter von 20–50 Jahren vor. Die Klassifizierung der Arten und Ursachen erfolgt anhand der Ergebnisse der Immunfluoreszenzmikroskopie und serologischer Tests (z. B. Antikörper gegen die glomeruläre Basalmembran [GBM], anti-neutrophile zytoplasmatische Antikörper [ANCA]; siehe Tabelle Klassifizierung der rasch progredienten Glomerulonephritis anhand der Immunfluoreszenzmikroskopie).

Tabelle

Antiglomeruläre Basalmembran-Antikörper-Krankheit

Die Antiglomeruläre Basalmembran (GBM)-Antikörper-Krankheit ist eine Autoimmun-Glomerulonephritis und macht bis zu 10% der RPGN-Fälle aus. Sie kann entstehen, wenn über eine Atemwegsexposition (z. B. Zigarettenrauch, Virus-Infektion der oberen Atemwege) oder einen anderen Stimulus alvelokapilläres Kollagen freigesetzt wird und die Bildung von Anti-Kollagenantikörpern auslöst. Die Anti-Kollagenantikörper kreuzreagieren mit GBM, indem sie das Komplement fixieren und eine zellgebundene Entzündungsreaktion in Nieren und gewöhnlich der Lunge fördern.

Der Begriff Goodpasture-Syndrom bezeichnet die Kombination einer Glomerulonephritis und einer alveolären Hämorrhagie in Anwesenheit von Anti-GBM-Antikörpern. Glomerulonephritis ohne Alveolarblutungen bei Vorliegen von Anti-GBM-Antikörpern wird als Anti-GBM-Glomerulonephritis bezeichnet. Die Immunfluoreszenzfärbung des Nierenbiopsiegewebes zeigt lineare IgG-Ablagerungen.

Immunkomplex RPGN

Die Immunkomplex-rasch progressive Glomerulonephritis führt bei zahlreichen Infektions- und systemischen rheumatischen Erkrankungen zu Komplikationen und tritt auch bei anderen primären Glomerulopathien auf.

Die Immunfluoreszenzfärbung zeigt nichtspezifische granuläre Immunkomplexablagerungen. Die Veränderung betrifft bis zu 40% der RPGN-Fälle. Die Pathogenese ist unbekannt.

Pauci-Immun RPGN

Die Pauci-immun-RPGN ist durch das Fehlen einer Immunkomplex- oder Komplementablagerung bei der Immunfluoreszenzfärbung gekennzeichnet. Sie macht bis zu 50% aller RPGN-Fälle aus. Fast alle Patienten weisen erhöhte antineutrophile zytoplasmatische Antikörper (ANCAs, gewöhnlich Antiproteinase 3-ANCA oder Myeloperoxidase-ANCA) sowie eine systemische Vaskulitis auf.

Doppel-Antikörper-Krankheit

Eine Doppelantikörpererkrankung liegt vor, wenn sowohl Anti-GBM- als auch ANCA-Antikörper vorhanden sind. Sie ist selten.

Idiopathische RPGN

Idiopathische Fälle sind selten. Dazu gehören Patienten mit einer der folgenden Punkte:

  • Immunkomplexe, aber keine offensichtliche Ursache wie eine Infektion, eine systemische rheumatische Erkrankung oder eine glomeruläre Störung

  • Pauci-Immun-Merkmale aber Abwesenheit von ANCA-Antikörpern

Symptome und Anzeichen der rasch progressiven Glomerulonephritis

Die Manifestationen sind gewöhnlich schleichend, mit Schwäche, Müdigkeit, Fieber, Übelkeit, Erbrechen, Anorexie, Arthralgie und Bauchschmerzen. Einige Patienten zeigen ein ähnliches Erscheinungsbild wie Patienten mit postinfektiöser Glomerulonephritis, mit abrupt einsetzender Hämaturie. Etwa 50% der Patienten haben Ödeme und eine Anamnese mit einer akuten influenzaähnlichen Krankheit und Beginn des Nierenversagens innerhalb von 4 Wochen, an das sich meist eine schwere Oligurie anschließt. Bei 10–30% liegt ein nephrotisches Syndrom vor. Hypertonie ist ungewöhnlich und selten schwer. Patienten mit Anti-GBM-Antikörpern können eine Lungenblutung entwickeln, die sich mit Hämoptysen manifestieren kann oder aber nur durch Befunde nachweisbar ist, die auf eine diffuse alveoläre Infiltration hindeuten, die beim Röntgenthorax entdeckt wird (pulmorenales Syndrom oder diffus alveoläres hämorrhagisches Syndrom).

Diagnose der rasch progressiven Glomerulonephritis

  • Progressives Nierenversagen über Wochen bis Monate

  • Nephritisches Harnsediment

  • Serologische Tests

  • Serumkomplementspiegel

  • Nierenbiopsie

Die Diagnose wird durch akutes Nierenversagen bei Patienten mit Hämaturie und dysmorphe Erythrozyten oder Erythrozytenzylinder vermutet. Zu den Untersuchungen gehören Serumkreatinin, Urinanalyse, Blutbild, serologische Untersuchungen und Nierenbiopsie. Die Diagnose wird gewöhnlich durch eine serologische Untersuchung sowie Nierenbiopsie gestellt.

Das Serumkreatinin ist fast immer erhöht.

Eine Urinanalyse zeigt, dass Hämaturie immer vorliegt, und Erythrozytenzylinder in der Regel vorhanden sind. Ein "Teleskop-Sediment" (d. h. ein Sediment mit mehreren Elementen, einschließlich Leukozyten, dysmorphe Erythrozyten sowie Leukozyten-, Erythrozyten-, Granulozyten-, Wachs- und breite Zylinder) ist üblich.

Das Blutbild zeigt normalerweise eine Anämie und eine Leukozytose besteht häufig.

Als serologische Untersuchung sollten die Anti-GBM-Antikörper (Anti-GBM-Antikörper-GN) bestimmt werden sowie Antistreptolysin-O-Antikörper, Anti-DNA-Antikörper oder Kryoglobuline (Immunkomplex-RPGN), ebenso die antineutrophile zytoplasmatische Antikörper-Titer (Pauci-immun-RPGN).

Komplementmessungen (serum C3 and C4) können bei Verdacht auf Immunkomplex-rasch progressive Glomerulonephritis hilfreich sein, da eine Hypokomplementämie üblich ist.

Die frühzeitige rNierenbiopsie ist entscheidend. Ein gemeinsames Merkmal aller RPGN-Typen sind fokale Proliferationen von glomerulären Epithelzellen (manchmal durchsetzt von zahlreichen Neutrophilen), die halbmondförmige Zellverbände bilden und in > 50% der Glomeruli das Epithel der Capsula glomerularis (Bowman-Kapsel) ausfüllen. Das Glomerulum-Knäuel erscheint hypozellulär und zusammengefallen. Eine Nekrose, die innerhalb des Glomerulum-Knäuels oder unter Einbeziehung der Halbmonde auftreten kann, stellt die auffälligste Anomalie dar. Bei solchen Patienten sollte der histologische Nachweis einer Vaskulitis angestrebt werden.

Ergebnisse der Immunfluoreszenzmikroskopie unterscheiden sich bei jedem Typ.

  • Bei der Anti-GBM-Antikörper-GN ist eine bandförmige Ablagerung von IgG entlang der GBM am auffälligsten; sie geht oft mit einer linearen oder manchmal granulären Ablagerung von C3 einher.

  • In Immunkomplex RPGN, Immunfluoreszenz zeigt diffuse, unregelmäßige mesangial IgG und C3 Ablagerungen.

  • Bei der Pauci-immun-RPGN können keine Immunfärbungen und Ablagerungen nachgewiesen werden. Allerdings findet sich unabhängig von dem Fluoreszenzmuster Fibrin in den Halbmonden.

  • In Doppel-Antikörper RPGN, ist linear Färbung der GBM vorhanden.

  • Bei der idiopathischen RPGN Einige Patienten haben Immunkomplexe und andere haben keine Immunfärbung und Einlagen.

Behandlung von RPGN

  • Kortikosteroide

  • Cyclophosphamid

  • Rituximab

  • Plasmaaustausch

Die Behandlung variiert mit dem Typ der Krankheit, wenngleich keine Modalität intensiv untersucht wurde. Mit der Therapie sollte frühzeitig begonnen werden, idealerweise bei einem Serumkreatinin < 5 mg/dl (442 Mikromol/l) und bevor in der Biopsie in allen Glomeruli eine Halbmondbildung oder organisierte Halbmonde sowie ein fibrotisches Interstitium und atrophische Tubuli nachgewiesen werden. Selbst Patienten mit Nierenbeteiligung und höheren Kreatininspiegeln sollten aggressiv behandelt werden, wenn für sie nicht eine sofortige Nierenersatztherapie notwendig ist. Je ausgeprägter die Befunde, umso weniger wirksam ist die Therapie. Bei manchen Patienten (z. B. ältere Patienten oder Patienten mit einer Infektion) kann sie sogar schädlich sein.

In der Regel werden Kortikosteroide und entweder Cyclophosphamid oder Rituximab verabreicht. Bei der Immunkomplex- und Pauci-immun-RPGN können Kortikosteroide (Methylprednisolon, 1 g IV 1-mal täglich über 30 min für 3–5 Tage, und danach Prednisolon, 1 mg/kg p.o. 1-mal täglich) bei 50% der Patienten die Serumkreatininspiegel senken bzw. die Dialyse für > 3 Jahre hinausschieben (1, 2).

Cyclophosphamid wird in der Regel verabreicht und kann vor allem für antineutrophile zytoplasmatische Antikörper-postive (ANCA-positive) Patienten von Vorteil sein; monatliche intravenöse Impulstherapien können aufgrund der geringeren kumulativen Dosis weniger unerwünschte Wirkungen (z. B. Leukopenie, Infektionen) verursachen als eine orale Therapie. Typischerweise werden Prednison und Cyclophosphamid gleichzeitig mit Plasmaaustausch für anti-Glomerulumbasalmembran-Antikörper-Krankheit gegeben und beibehalten, um einer neuerlichen Antikörperbildung entgegenzuwirken. Patienten mit idiopathischer Krankheit werden in der Regel mit Kortikosteroiden und Cyclophosphamid behandelt, aber die Daten zur Wirksamkeit sind ungenügend.

Rituximab kann in einer Dosierung von 375 mg/m2 intravenös pro Woche für 4 Wochen, wie in der RAVE-Studie verwendet werden (offizieller Titel: Rituximab in ANCA-assoziierter Vasculitis) [2]. Eine Alternative ist eine Anfangsdosis von 1 g, gefolgt von einer weiteren 1-g-Dosis 2 Wochen später. Rituximab wurde bisher nicht zur Behandlung der Anti-GBM-Erkrankung eingesetzt.

Plasmaaustausch (ein Austausch von täglich 3–4 l über 14 Tage) wird bei der Anti-GBM-Antikörper-Krankheit empfohlen. Ein Plasmaaustausch kann auch bei Immunkomplex und Pauci-Immun-ANCA-assoziierter RPGN mit Lungenblutung oder bei schwerer Nierenfunktionsstörung (Serum-Kreatinin > 5-7 mg/dl [442-618,8 Mikromol/l] oder Dialyseabhängigkeit) in Betracht gezogen werden, aber seine Verwendung bleibt umstritten. Es wird angenommen, dass durch den Plasmaaustausch freie Antikörper, intakte Immunkomplexe und Entzündungsmediatoren (z. B. Fibrinogen, Komplement) schnell entfernt werden. Zwar deutete einiges darauf hin, dass der Plasmaaustausch die kurzfristigen Nierenergebnisse verbessert, doch konnte eine anschließende randomisierte Studie nicht zeigen, dass er die Inzidenz von Todesfällen oder Nierenerkrankungen im Endstadium verringert (3).

Eine aggressive immunsuppressive Therapie kann auch bei Patienten mit einem höheren Kreatininspiegel von Vorteil sein. Die Plasmapherese in Kombination mit Prednison und Cyclophosphamid kam Patienten mit Nierenbeteiligung zugute, die keine sofortige Nierenersatztherapie benötigten, selbst wenn die Kreatininspiegel über 5-7 mg/dl (442-618,8 Mikromol/l) erhöht waren [4].

Eine Nierentransplantation ist für alle RPGN-Typen wirksam, aber die Krankheit kann im Transplantat wieder auftreten; allerdings vermindert sich dieses Risiko im Laufe der Zeit. Bei der Anti-GBM-Antikörper-GN sollten vor einer Transplantation die Anti-GBM-Titer über mindestens 12 Monate nicht mehr nachweisbar sein. Bei Patienten mit Pauci-Immun-RPGN sollte die Krankheitsaktivität für mindestens 6 Monate vor der Transplantation ruhen. ANCA-Titer müssen nicht unterdrückt werden.

Literatur zur Behandlung

  1. 1. Ponticelli C, Altieri P, et al: A randomized study comparing methylprednisolone plus chlorambucil versus methylprednisolone plus cyclophosphamide in idiopathic membranous nephropathy. J Am Soc Nephrol 9(3):444, 1998. doi: 10.1681/ASN.V93444

  2. 2. Jones RB, Cohen Tervaert JW, Hauser T: Rituximab versus cyclophosphamide in ANCA-associated renal vasculitis. N Engl J Med 363:211-220, 2010. doi: 10.1056/NEJMoa0909169 

  3. 3. Walsh M, Merkel PA, Peh C-A, et al: Plasma exchange and glucocorticoids in severe ANCA-associated vasculitis. N Engl J Med 382(7):621-631, 2020. doi: 10.1056/NEJMoa1803537

  4. 4. Levy JB, Turner AN, Rees AJ, et al: Long-term outcome of anti-glomerular basement membrane antibody disease treated with plasma exchange and immunosuppression. Ann Intern Med 134(11):1033-1042, 2001. doi: 10.7326/0003-4819-134-11-200106050-00009

Prognose bei rasch progressiver Glomerulonephritis

80-90% der unbehandelten Patienten haben innerhalb von 6 Monaten einen Progress bis zur terminalen Niereninsuffizienz. Prognose verbessert mit Beginn der Behandlung.

Günstige prognostische Faktoren gehören RPGN folgende Ursachen:

Zu den ungünstigen prognostischen Faktoren gehören die folgenden:

  • Alter > 60 Jahre

  • Oligurisches Nierenversagen

  • Höhere Serumkreatininspiegel

  • Umschriebene Halbmonde bei > 75% der Glomeruli

  • Pauci-Immun RPGN

Etwa 30% der Patienten mit Pauci-immun-RPGN sprechen nicht auf die Therapie an. 40% der Nonresponder benötigen eine Dialyse, und 33% sterben innerhalb von 4 Jahren. Im Gegensatz dazu benötigen unter den Patienten, die auf eine Behandlung reagieren, < 20% eine Dialyse und 3% sterben.

Patienten mit Doppel-Antikörper-Krankheit scheinen eine etwas bessere Prognose in Bezug auf die Nieren zu haben als Patienten mit nur anti-GBM-Antikörper-Krankheit und eine schlechtere als Patienten mit Pauci-Immun-Krankheit.

Patienten, die nach einer RPGN eine normale Nierenfunktion wiedererlangen, zeigen bleibende histologische Veränderungen in den Glomeruli (hauptsächlich Hyperzellularität mit geringer oder keiner Sklerose im Glomerulum-Knäuel oder in den Epithelzellen und geringfügige Fibrose im Interstitium).

Der Tod wird meist durch Infektion oder kardiale Ursachen verursacht, vorausgesetzt, dass das Sterben an Urämie durch die Dialyse verhindert wird.

Wichtige Punkte

  • Eine rasch progrediente Glomerulonephritis sollte in Betracht gezogen werden, wenn Patienten eine akute Nierenschädigung mit Hämaturie und dysmorphen Erythrozyten oder Erythrozytenzylindern haben, insbesondere mit subakuten konstitutionellen oder unspezifischen Symptomen (z. B. Müdigkeit, Fieber, Anorexie, Arthralgie, Bauchschmerzen).

  • Bewerten Sie mit serologischen Tests und einer frühen Nierenbiopsie.

  • Die Behandlung sollte frühzeitig eingeleitet werden, mit Kortikosteroiden, Cyclophosphamid und in einigen Fällen mit Plasmaaustausch.

  • Eine Nierentransplantation soll in Betracht gezogen werden, wenn die Krankheitsaktivität unter Kontrolle ist.