Überblick zum Atemstillstand

VonVanessa Moll, MD, DESA, Emory University School of Medicine, Department of Anesthesiology, Division of Critical Care Medicine
Überprüft/überarbeitet Apr. 2023
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Atem- und Herzstillstand sind verschiedene Zustandsbilder, die bei ausbleibender Behandlung jedoch unausweichlich ineinander übergehen (Siehe auch Respiratorische Insuffizienz, Dyspnoe und Hypoxie.)

Die Unterbrechung des pulmonalen Gasaustausches für > 5 min führt zu einer irreversiblen Schädigung wesentlicher Organsysteme, vor allem des Gehirns. Herzstillstand ist nahezu immer die Folge einer nicht rasch wiederhergestellten Atemfunktion. Jedoch kann auch eine aggressive Beatmung negative hämodynamische Folgen haben, insbesondere in der Akutsituation und unter anderen Umständen, wenn das Herzzeitvolumen gering ist. In den meisten Fällen ist das ultimative Ziel, eine ausreichende Beatmung und Sauerstoffversorgung, ohne die vorläufige Herz-Kreislauf-Situation weiter einzuschränken, wiederherzustellen.

Ätiologie des Atemstillstands

Atemstillstand (und beeinträchtigte Atmung, die zu Atemstillstand fortschreiten kann) kann verursacht werden durch

  • Atemwegsobstruktion

  • verminderten Atemantrieb

  • respiratorische Muskelschwäche

Atemwegsobstruktion

Eine Obstruktion kann betreffen die

  • oberen Atemwege

  • unteren Atemwege

Eine Obstruktion der oberen Atemwege kann bei Säuglingen < 3 Monate auftreten, die in der Regel Nasenatmer sind und daher eine Obstruktion der oberen Atemwege sekundär zur Nasenblockade haben können. In jedem Lebensalter jedoch kann muskulärer Tonusverlust gemeinsam mit zunehmender Bewusstlosigkeit zu einer Obstruktion der oberen Atemwege durch Verlagerung der hinteren Zungenanteile in den Oropharynx hinein führen. Zu den anderen Ursachen einer Obstruktion der oberen Atemwege gehören

  • Blut

  • Schleim

  • Vomitus

  • Fremdkörper

  • Spasmen der Stimmbänder

  • Ödeme der Stimmbänder

  • Pharyngolaryngeale oder tracheale Entzündung (z. B. Epiglottitis, Krupp)

  • Tumor

  • Trauma

Patienten mit angeborenen Entwicklungsstörungen (z. B. Down-Syndrom, laryngeale Erkrankungen, angeborene Kieferanomalien) haben oft abnorme obere Atemwege, die leichter blockiert werden können.

Eine Obstruktion der unteren Atemwege kann entstehen durch

Verminderter Atemantrieb

Verminderter Atemantrieb spiegelt eine Beeinträchtigung des Zentralnervensystems durch einen der folgenden Punkte wider:

  • Erkrankung des Zentralnervensystems

  • Unerwünschte Wirkung von Medikamenten oder illegalen Drogen

  • Stoffwechselstörung

Erkrankungen des zentralen Nervensystems, die den Hirnstamm (z. B. Schlaganfall, Infektion, Tumor) betreffen, können Hypoventilation verursachen. Erkrankungen, die den intrakraniellen Druck erhöhen, führen in der Regel zunächst zu einer Hyperventilation, es kann sich aber auch eine Hypoventilation entwickeln, wenn der Hirnstamm komprimiert wird.

Medikamente, die den Atemantrieb verringern, sind Opioide und Sedativa bzw. Hypnotika (z. B. Barbiturate, Alkohol, seltener Benzodiazepine). Kombinationen dieser Medikamente erhöhen das Risiko einer Atemwegsdepression weiter (1). Normalerweise ist eine Überdosierung (iatrogen, absichtlich oder unabsichtlich) beteiligt, obwohl eine niedrigere Dosis den Antrieb senken kann bei Patienten, die empfindlicher auf die Wirkungen dieser Medikamente reagieren (z. B. ältere Menschen, Patienten in schlechter körperlicher Verfassung, Patienten mit chronischer respiratorischer Insuffizienz oder obstruktiver Schlafapnoe). Atemstillstand aufgrund von illegalem Drogenkonsum, insbesondere Konsum von Opioiden, einschließlich Heroin und Fentanyl, ist eine häufige Ursache für außerklinischen Atemstillstand. Bei stationär behandelten Patienten ist das Risiko einer opioidinduzierten Atemdepression (ORID) in der unmittelbaren postoperativen Erholungsphase am größten, besteht aber während des gesamten Krankenhausaufenthalts fort und kann fast 50% der postoperativen Patienten betreffen (2). OIRD kann zu katastrophalen Folgen wie schweren Hirnschäden oder Tod führen (3).

Gabapentinoide (Gabapentin, Pregabalin) können bei Patienten, die Opioide oder andere Medikamente, die das ZNS unterdrücken (z. B. Sedativa), ernsthafte Atembeschwerden verursachen, insbesondere bei älteren Patienten oder Patienten mit einer zugrunde liegenden respiratorischen Beeinträchtigung wie chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD).

Stoffwechselstörungen die aufgrund von schwerer Hypoglykämie oder Hypotonie zu einer ZNS-Depression führen, beeinträchtigen letztendlich die Atemarbeit.

Respiratorische Muskelschwäche

Die Schwäche kann verursacht sein durch:

  • Ermüdung der Atemmuskulatur

  • neuromuskuläre Erkrankungen

Eine Ermüdung der Atemmuskulatur kann auftreten, wenn Patienten über einen längeren Zeitraum mit einem Atemminutenvolumen atmen, das höchstens etwa 70% ihrer maximalen freiwilligen Ventilation erreicht (z. B. wegen einer schweren metabolischen Azidose oder Hypoxie).

Zu den neuromuskulären Ursachen gehören eine Rückmarksverletzung, neuromuskuläre Erkrankungen (z. B. Myasthenia gravis, Botulismus, Poliomyelitis, Guillain-Barré-Syndrom) und neuromuskulär blockierende Substanzen (z. B. Succinylcholin, Rocuronium, Vecuronium).

Literatur zur Ätiologie

  1. 1. Izrailtyan I, Qiu J, Overdyk FJ, et al: Risk factors for cardiopulmonary and respiratory arrest in medical and surgical hospital patients on opioid analgesics and sedatives. PLoS One 13(3):e019455, 2018.  doi: 10.1371/journal.pone.0194553

  2. 2. Khanna AK, Bergese SD, Jungquist CR, et al: Prediction of opioid-induced respiratory depression on inpatient wards using continuous capnography and oximetry: An international prospective, observational trial. Anesth Analg 131(4):1012-1024, 2020. doi:10.1213/ANE.0000000000004788

  3. 3. Lee LA, Caplan RA, Stephens LS, et al: Postoperative opioid-induced respiratory depression: A closed claims analysis. Anesthesiology 122: 659–665, 2015. doi: 10.1097/ALN.0000000000000564

Symptome und Anzeichen von Atemstillstand

Mit Einsetzen des Atemstillstands oder unmittelbar danach wird der Patient bewusstlos.

Patienten mit Hypoxämie können zyanotisch sein, aber die Zyanose kann durch Anämie oder eine Kohlenmonoxidvergiftung oder Cyanidtoxizitätmaskiert werden. Da Anämie das Hämoglobin senkt und damit die Gesamtmenge des desoxidierten Hämoglobins bei einem hypoxämischen Patienten verringert, ist die Zyanose nicht so offensichtlich. Carboxyhämoglobin lässt die Haut manchmal rot erscheinen. Bei Zyanidtoxizität erscheinen die Patienten möglicherweise nicht zyanotisch, obwohl sie funktionell hypoxisch sind, da Zyanid die Zellatmung beeinträchtigt.

Patienten, die mit high-flow Sauerstoff behandelt werden, sind möglicherweise nicht hypoxämisch und zeigen daher keine Zyanose oder Sättigung, bis die Atmung für einige Minuten aufhört. Umgekehrt können Patienten mit chronischer Lungenerkrankung und Polyzythämie eine Zyanose zeigen ohne Atemstillstand.

Wenn der Atemstillstand unkorrigiert bleibt, folgt der Herzstillstand innerhalb von Minuten nach Beginn der Hypoxie und/oder Hyperkapnie.

Drohender Atemstillstand

Vor der vollständigen Ausbildung eines Atemstillstands können die Patienten mit normaler neurologischer Situation plötzlich unruhig und verwirrt wirken und um Luft ringen. Es kommt zu Tachykardie und ausgeprägtem Schwitzen. Interkostale und sternoklavikuläre Einziehungen können erkennbar sein. Patienten mit ZNS-Störungen oder Schwächung der Atemmuskulatur erscheinen erschöpft und zeigen eine keuchende oder unregelmäßige Atmung mit paradoxen Atembewegungen. Bei Fremdkörperverlegung der Atemwege kann der Patient würgen und dabei auf seine Halsregion deuten, inspiratorischen Stridor zeigen oder nicht.

Die Überwachung des endtidalen Kohlendioxids kann den Praktiker vor einem drohenden Atemstillstand bei dekompensierten Patienten warnen.

Kleinkinder, besonders im Alter von weniger als 3 Lebensmonaten, können eine akute Apnoe ohne jede Vorzeichen ausbilden. Diese Situation findet sich meist als Folge einer ausgeprägten Infektion, metabolischer Störungen oder der Erschöpfung der Atemmuskulatur.

Patienten mit Asthma oder mit anderen chronischen Lungenerkrankungen zeigen sich nach längeren Phasen von Atemnot hyperkapnisch und erschöpft und werden plötzlich ohne Vorwarnung benommen und apnoeisch, selbst bei ausreichender Sauerstoffsättigung.

Diagnose von Atemstillstand

  • Klinische Abklärung

Ein Atemstillstand ist klinisch durch deutliche Zeichen erkennbar. Die Behandlung hat dabei stets unmittelbar mit dem Stellen der Diagnose zu beginnen. Zunächst muss ausgeschlossen werden, dass ein Fremdkörper die Atemwege blockiert; ist ein Fremdkörper vorhanden, ist der Beatmungswiderstand bei Mund-zu-Maske- oder Beutel-Ventil-Masken-Beatmung deutlich. Bei der Laryngoskopie zur endotrachealen Intubation kann Fremdmaterial entdeckt werden (zur Fremkörperentfernung siehe Freimachen und Eröffnen der oberen Atemwege).

Behandlung von Atemstillstand

  • Die Luftwege klären

  • Maschinelle Beatmung

Die Behandlung besteht darin, die Atemwege freizumachen, Herstellen eines alternativen Atemweges und bei Bedarf eine mechanischen Beatmung durchzuführen.