Atemnotsyndrom bei Neugeborenen

(Hyalines Membran-Syndrom)

VonArcangela Lattari Balest, MD, University of Pittsburgh, School of Medicine
Überprüft/überarbeitet Juli 2023
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Kurzinformationen

Das Atemnotsyndrom ist eine Lungenkrankheit bei Frühgeborenen, bei denen die Luftbläschen in ihren Lungen nicht geöffnet bleiben, weil eine Substanz, die die Luftbläschen innen auskleidet und Surfactant genannt wird, fehlt oder nicht ausreichend vorhanden ist.

  • Frühgeburten und Neugeborene, deren Mütter während der Schwangerschaft an Diabetes litten, tragen ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines Atemnotsyndroms.

  • Betroffene Neugeborene haben starke Atembeschwerden und können aufgrund des fehlenden Sauerstoffs im Blut blau oder grau aussehen.

  • Die Diagnose stützt sich auf die Atembeschwerden, die Sauerstoffsättigung im Blut und die Ergebnisse einer Röntgenaufnahme des Brustkorbs.

  • Es wird Sauerstoff verabreicht und eine kontinuierliche Überdruckbeatmung kann angewandt werden, um die Luftbläschen geöffnet zu halten. Auch ein Beatmungsgerät kann notwendig sein, wenn die Atmung für das Neugeborene zu schwierig wird.

  • Manchmal wird solange Surfactant verabreicht, bis das Neugeborene genug Surfactant selbst produziert.

  • Kann der niedrige Sauerstoffgehalt im Blut mit der Behandlung nicht erhöht werden, kann das Syndrom zu Hirnschäden oder zum Tod führen.

  • Wenn der Fötus zu früh auf die Welt kommt, kann die Mutter Kortikosteroid gespritzt bekommen, um die Surfactantproduktion des Fötus zu erhöhen.

(Siehe auch Übersicht über allgemeine Beschwerden bei Neugeborenen.)

Atemnot bedeutet, dass man beim Atmen Probleme hat. Damit das Neugeborene selbstständig atmen kann, müssen die Lungenbläschen (Alveolen) offenbleiben und sich mit Luft füllen können. Normalerweise produziert die Lunge das sogenannte Surfactant. Surfactant bedeckt die Oberfläche der Lungenbläschen und senkt dort die Oberflächenspannung. Eine niedrige Oberflächenspannung ermöglicht es den Luftbläschen, während des Atemzyklus geöffnet zu bleiben.

In der Regel beginnt der Fötus mit der Herstellung von eigenem Surfactant um die 24. Schwangerschaftswoche herum. Zwischen der 34. und 36. Schwangerschaftswoche ist dann genügend Surfactant in den Lungen des Fötus produziert worden, sodass die Luftbläschen geöffnet bleiben. Je früher also ein Kind zu früh geboren wird, desto weniger Surfactant ist verfügbar und desto größer ist die Gefahr, dass sich nach der Geburt das Atemnotsyndrom entwickelt. Das Atemnotsyndrom tritt fast ausschließlich bei Frühgeborenen auf, kann aber auch bei voll und nahezu voll ausgetragenen Säuglingen auftreten, bei denen die Mutter während der Schwangerschaft an Diabetes litt.

Andere Risikofaktoren sind unter anderem Mehrfachgeburten (z. B. Zwillinge, Drillinge oder Vierlinge) und, wenn es sich um ein weißes männliches Baby handelt.

In seltenen Fällen wird dieses Syndrom durch eine Mutation in bestimmten Genen verursacht, die einen Surfactant-Mangel verursachen. Diese genetisch bedingte Form des Atemnotsyndroms kann auch bei voll ausgetragenen Babys auftreten.

Symptome eines Atemnotsyndroms bei Neugeborenen

Die Lunge eines vom Atemnotsyndrom betroffenen Neugeborenen ist starr und seine Lungenbläschen neigen dazu, zusammenzufallen, sodass die gesamte Luft aus der Lunge entweicht. Bei sehr unreifen Frühgeborenen kann die Lunge so starr sein, dass das Kind bei der Geburt nicht spontan atmen kann. Viel häufiger kommt es vor, dass das Neugeborene von selbst zu atmen versucht, jedoch aufgrund der Lungenstarre Atembeschwerden (Atemnot) hat. Symptome einer Atemnot sind unter anderem:

  • Sichtbar schnelles und schweres Atmen

  • Retraktionen (die Brustmuskeln, die sich an und unter den Rippen befinden, werden während des schnellen Atmens eingezogen)

  • Beben der Nasenflügel während des Einatmens

  • Grunzen während des Ausatmens

Da ein Großteil der Lunge in diesem Zustand keine Luft enthält, leiden Neugeborene mit Atemnot unter Sauerstoffmangel im Blut, was dazu führt, dass ihre Haut und/oder Lippen blau anlaufen oder grau werden (Zyanose). Bei Neugeborenen kann die Haut gelb-grau, grau anlaufen oder bleich werden. Diese Veränderungen können in den Schleimhäuten von Mund, Nase und Augenlidern besser sichtbar sein.

Im Verlauf von Stunden verschärft sich das Atemnotsyndrom, da sich das wenige Surfactant in der Lunge langsam verbraucht und immer mehr Luftbläschen zusammenfallen und weil die Atemmuskulatur schließlich ermüdet. Wenn die Sauerstoffsättigung nicht behandelt wird, können das Gehirn und andere Organe der Neugeborenen geschädigt werden und diese sterben.

Diagnose eines Atemnotsyndroms bei Neugeborenen

  • Anzeichen von Atemnot

  • Bluttests

  • Röntgenaufnahme des Brustkorbs

  • Kulturen von Blut und manchmal der Gehirn-Rückenmarksflüssigkeit

Die Diagnose eines Atemnotsyndroms basiert auf den Anzeichen für eine Atemnot, der Sauerstoffsättigung des Bluts sowie einer auffälligen Röntgenaufnahme des Brustkorbs.

Das Atemnotsyndrom kann manchmal von einer Krankheit, etwa einer Infektion im Blut (Sepsis) oder einer transienten Tachypnoe des Neugeborenen begleitet sein. Daher können andere Tests durchgeführt werden, um diese Erkrankungen auszuschließen. Es können Kulturen von Blut und manchmal von Gehirn-Rückenmarksflüssigkeit angelegt werden, um auf bestimmte Arten von Infektionen zu untersuchen.

Behandlung eines Atemnotsyndroms bei Neugeborenen

  • Manchmal Therapie mit Surfactant

  • Sauerstoff und Maßnahmen zur Atmungsunterstützung

Bei einigen Neugeborenen mit Atemnotsyndrom kann ein Beatmungsschlauch gleich nach der Geburt in die Luftröhre eingeführt werden. Der Schlauch ist an ein Beatmungsgerät angeschlossen, das dabei hilft, Luft in und aus den Lungen zu transportieren, um die Atmung des Neugeborenen zu unterstützen. Surfactant wird dem Neugeborenen durch den Schlauch verabreicht. Es können mehrere Dosen Surfactant nötig sein.

Nach der Entbindung benötigen später Frühgeborene und Neugeborene mit leichtem Atemnotsyndrom vielleicht nur zusätzlichen Sauerstoff oder Sauerstoff, der über eine kontinuierliche Überdruckbeatmung (Continuous positive airway pressure, CPAP) zugeführt wird. Zusätzlicher Sauerstoff wird durch einen Nasentubus in den Nasenlöchern des Neugeborenen zugeführt. Mit CPAP kann das Neugeborene selbstständig atmen, während es gleichzeitig leicht unter Druck stehenden Sauerstoff erhält.

Die Surfactantbehandlung kann im Verlauf der ersten Lebenstage mehrmals wiederholt werden, wenn sich das Atemnotsyndrom noch nicht gebessert hat.

Prognose bei einem Atemnotsyndrom bei Neugeborenen

Mit Behandlung überleben die meisten Neugeborenen. Die natürliche Produktion von Surfactant steigt nach der Geburt an. Bei anhaltender Surfactantproduktion und manchmal mit künstlicher Beatmung und Behandlung mit Surfactant (siehe Behandlung) heilt das Atemnotsyndrom in der Regel innerhalb von 4 oder 5 Tagen ab.

Einige Säuglinge, die lange in Behandlung sind, entwickeln eine bronchopulmonale Dysplasie.

Neugeborene können ohne Behandlung zur Erhöhung des Sauerstoffgehalts im Blut Herzversagen entwickeln und eine Schädigung des Gehirns und anderer Organe erleben oder sterben.

Vorbeugung vor einem Atemnotsyndrom bei Neugeborenen

Vor der Geburt können Ärzte die Reife der Lungen des Fötus überprüfen, indem sie den Gehalt von Surfactant im Fruchtwasser messen. Fruchtwasser wird aus der Blase um den Fötus herum während eines Verfahrens gesammelt, das Fruchtwasseruntersuchung oder Amniozentese genannt wird, oder von der Scheide der Mutter entnommen, wenn die Fruchtblase bereits geplatzt ist. Der Gehalt an Surfactant hilft dem Arzt zu bestimmen, wann die beste Zeit für die Entbindung des Fötus wäre. Das Risiko für ein Atemnotsyndrom lässt sich stark verringern, indem die Geburt ohne Probleme so lange hinausgezögert wird, bis die Lungen des Kindes ausreichend Surfactant gebildet haben.

Wenn sich eine vorzeitige Geburt nicht umgehen lässt, können die Geburtshelfer der Mutter Injektionen mit Kortikosteroid (Betamethason) verabreichen. Das Kortikosteroid gelangt durch die Plazenta in den Fötus und regt seine Surfactantproduktion an. Dadurch reifen die Lungen des Fötus innerhalb von 48 Stunden nach den Spritzen so weit, dass sich nach der Geburt kein oder, falls es dazu kommt, nur ein leichtes Atemnotsyndrom entwickelt.

Nach der Entbindung können Ärzte Neugeborenen mit hohem Risiko für die Entstehung eines Atemnotsyndroms ein Surfactantpräparat verabreichen. Risikobehaftete Neugeborene sind Babys, die vor der 30. Schwangerschaftswoche entbunden wurden, besonders jene, deren Mutter kein Kortikosteroid verabreicht wurde. Das Surfactantpräparat kann Leben retten und das Risiko für Komplikationen wie einen Lungenkollaps (Pneumothorax) senken. Künstliche Surfactantpräparate wirken genauso wie natürliches Surfactant.

Die Surfactanttherapie wird Neugeborenen durch einen Schlauch verabreicht, der in den Mund eingeführt wird und bis zur Luftröhre reicht (eine sogenannte endotracheale Intubation). Sie kann direkt nach der Entbindung im Entbindungssaal verabreicht werden, um nach Möglichkeit ein Atemnotsyndrom zu verhindern, bevor sich die ersten Symptome zeigen.