Patienten ohne Atemwegserkrankungen, die sich auf der Intensivstation befinden, und andere Patienten können während eines Krankenhausaufenthalts eine Hypoxie (Sauerstoffsättigung < 90%) entwickeln. Die Hypoxie bei Patienten mit vorbestehenden respiratorischen Störungen wird in den entsprechenden Kapiteln besprochen.
Ätiologie der Sauerstoffentsättigung
Zahlreiche Störungen können eine Hypoxie verursachen (z. B. Dyspnoe Dyspnoe Dyspnoe bedeutet subjektive Atemnot. Die Atmung wird als unangenehm oder anstrengend empfunden. Sie wird von den Patienten in Abhängigkeit von der Ursache unterschiedlich erfahren und beschrieben... Erfahren Sie mehr , respiratorische Insuffizienz Respiratorische Insuffizienz im Überblick Akutes Atemversagen ist eine lebensbedrohliche Beeinträchtigung der Oxygenierung, der Kohlendioxidbeseitigung oder beider. Respiratorische Insuffizienz wird durch eine Verschlechterung des Gasaustausches... Erfahren Sie mehr ; siehe tabelle Einige Ursachen für den Abfall der Sauerstoffsättigung Einige Ursachen für den Abfall der Sauerstoffsättigung ). Dennoch lässt sich die akute Hypoxie beim hospitalisierten Patienten ohne pulmonale Erkrankung auf eine kleine Auswahl von Ursachen zurückführen. Diese Ursachen können unterteilt werden in:
Störungen der Ventilation
Störungen der Oxygenierung
Auswertung der Sauerstoffentsättigung
Die gesamte Volumengabe während des Krankenhausaufenthalts sowie vor allem der letzten 24 h muss erfasst werden, um eine Volumenüberladung Volumenüberladung Eine Volumenüberladung bezieht sich in der Regel auf eine Expansion des extrazellulären Flüssigkeit-Volumens. Eine Expansion des ECF-Volumens tritt typischerweise bei der Herzinsuffizienz, Nierenversagen... Erfahren Sie mehr erkennen zu können. Zur Sedierung verabreichte Substanzen müssen auf ihre Dosierung hin überprüft werden. Bei deutlicher Hypoxie (Sauerstoffsättigung < 85%) ist zeitgleich mit diesen Überlegungen die Behandlung einzuleiten.
Anamnese
Sehr plötzlich einsetzende Dyspnoe und Hypoxie deuten auf eine Lungenembolie Lungenembolie (LE) Lungenembolie, auch Lungenarterienembolie genannt, ist ein Verschluss einer oder mehrerer Pulmonalarterien durch Thromben, welche aus anderen Körperregionen stammen, typischerweise in den großen... Erfahren Sie mehr (PE) oder einen Pneumothorax Pneumothorax Pneumothorax bezeichnet eine Luftansammlung im Pleuraspalt, die zum partiellen oder kompletten Kollaps der Lunge führt. Ein Pneumothorax kann spontan auftreten oder aus einer Verletzung oder... Erfahren Sie mehr
hin (vor allem bei Patienten, die eine positive Druckbeatmung erhalten). Fieber, Schüttelfrost und produktiver Husten (oder gesteigerte Sekretion) lassen an eine Pneumonie Im Krankenhaus erworbene Pneumonie Nosokomiale, d. h. im Krankenhaus erworbene Pneumonien entwickeln sich mindestens 48 Stunden nach stationärer Aufnahme. Die häufigsten Erreger sind gramnegative Stäbchen und Staphylococcus... Erfahren Sie mehr denken. Bei anamnestischen Hinweisen auf eine kardiopulmonale Erkrankung (Asthma Asthma Asthma ist durch eine diffuse Entzündung der Atemwege gekennzeichnet. Ursache ist eine Vielzahl auslösender Faktoren, die zu partieller oder kompletter, reversibler Bronchokonstriktion führen... Erfahren Sie mehr bronchiale, chronische obstruktive Lungenerkrankung Chronische obstruktive Lungenerkrankung Chronische obstruktive Lungenerkrankung ist eine Atemwegsbeschränkung, die durch eine entzündliche Reaktion auf eingeatmete Toxine, oft Zigarettenrauch, verursacht wird. Alpha-1-Antitrypsin-Mangel... Erfahren Sie mehr
, Herzinsuffizienz Herzinsuffizienz (HF) Die Herzinsuffizienz (HI) ist ein Syndrom der ventrikulären Dysfunktion. Die Linksherzinsuffizienz führt zu Kurzatmigkeit und Müdigkeit, das rechtsventrikuläre Versagen führt zu peripherer und... Erfahren Sie mehr
) kann es sich um eine Verschlechterung der jeweiligen Vorerkrankung handeln. Symptome und Anzeichen eines Myokardinfarkts können auf eine akute Klappeninsuffizienz, ein Lungenödem Lungenödem Das Lungenödem ist Folge eines akuten, schweren Linksherzversagens mit pulmonalvenöser Hypertonie und alveolärer Überschwemmung. Die klinischen Befunde sind eine schwere Dyspnoe, Schwitzen,... Erfahren Sie mehr
oder einen kardiogenen Schock Kardiogener und obstruktiver Schock Schock ist ein Geschehen der Organhypoperfusion mit daraus resultierender zellulärer Dysfunktion und Zelltod. Zu den Pathomechanismen können vermindertes zirkulierendes Volumen, reduzierter... Erfahren Sie mehr hinweisen. Einseitiger Schmerz einer Extremität muss an eine tiefe Venenthrombose Tiefe Venenthrombose (TVT) Die tiefe Venenthrombose (TVT) führt zu einem Blutgerinnsel in einer tiefen Beinvene einer Extremität (üblicherweise Ober- oder Unterschenkel) oder im Becken. Eine TVT ist die führende Ursache... Erfahren Sie mehr
denken lassen, möglicherweise gemeinsam mit einer Lungenembolie. Ein vorangegangenes schweres Trauma oder eine Sepsis, die eine signifikante Reanimation erfordert, lässt auf ein akutes Atemnotsyndrom Akute hypoxämische respiratorische Insuffizienz (AHRF, ARDS) Akute hypoxämische respiratorische Insuffizienz ist definiert als schwere Hypoxämie (PaO2 (Siehe auch Mechanische Beatmung im Überblick.) Die Füllung des Luftraums bei akutem hypoxämischem Atemversagen... Erfahren Sie mehr
schließen. Bei vorausgegangenem Toraxtrauma besteht der Verdacht auf eine Lungenkontusion Lungenkontusion Eine Lungenkontusion ist eine Trauma-induzierte Lungenblutungen und Ödem ohne Platzwunde. (Siehe auch Bauchverletzungen im Überblick.) Eine Lungenkontusion ist eine häufige und potenziell tödliche... Erfahren Sie mehr .
Körperliche Untersuchung
Offenheit der Atemwege, respiratorische Kraft und Umfang der Atmung müssen umgehend beurteilt werden. Bei beatmeten Patienten ist eine Verlegung oder Dislokation des Tubus auszuschließen. Die Ergebnisse werden folgendermaßen interpretiert:
Die einseitige Minderung des Atemgeräusches zusammen mit einer transparenten Lungenfläche im Röntgenbild macht einen Pneumothorax wahrscheinlich. Bei Rasselgeräuschen und Fieber ist eher eine Pneumonie anzunehmen. Ursache kann auch eine Intubation in den rechten Hauptbronchus hinein sein.
Gestaute Halsvenen mit Rasselgeräuschen über beiden Lungenarealen sprechen für eine Volumenüberladung mit Lungenödem, kardiogenem Schock, perikardialer Tamponade Perikardtamponade Bei einer Herztamponade handelt es sich um eine Ansammlung von Blut in den Herzbeutel mit ausreichendem Volumen und Druck, um die kardiale Füllung zu beeinträchtigen. Die Patienten haben in... Erfahren Sie mehr (oft ohne Rasselgeräusche) oder akuter Klappeninsuffizienz.
Halsvenenstauung bei hellen Lungenfeldern oder einseitiger Abnahme von Atmungsgeräuschen und Achsenabweichung der Trachea sprechen für einen Spannungspneumothorax.
Beidseitige Ödeme der abhängigen Körperabschnitte finden sich bei Herzinsuffizienz. Einseitige Ödeme dagegen entsprechen dem Bild einer tiefen Beinvenenthrombose. Daher muss die Möglichkeit einer Lungenembolie in diesen Fällen mit bedacht werden.
Giemen lässt sich beim Bronchospasmus auskultieren (typisch für Asthma bronchiale oder allergische Reaktion, selten jedoch bei Lungenembolie oder Herzinsuffizienz).
Zunehmende Bewusstseinsstörungen können durch Hypoventilation verursacht sein.
Tests
Grundsätzlich wird eine Hypoxie zunächst einmal anhand der Pulsoxymetrie festgestellt. Bei Patienten sollte folgendes auftreten:
Ein Röntgenthorax (z. B. zur Überprüfung auf Pneumonie, Lungenentzündung, Pleuraerguss, Pneumothorax oder Atelektase)
EKG (zur Überprüfung auf Herzrhythmusstörungen oder Ischämie)
Arterielle Blutgasanalyse (zur Bestätigung von Hypoxie und Bewertung der Angemessenheit der Ventilation)
Eine vom Intensivmediziner durchgeführte bettseitige Echokardiographie kann eingesetzt werden, um einen hämodynamisch relevanten Perikarderguss oder eine reduzierte globale linksventrikuläre Funktion festzustellen, bis eine formale Echokardiographie durchgeführt werden kann. Ein erhöhter Spiegel an natriuretischem Peptid (BNP) im Serum des Gehirns (B-Typ) kann dabei helfen, eine Herzinsuffizienz von anderen Ursachen der Hypoxie zu unterscheiden. Bleibt die Diagnose dann noch unklar, muss der Untersuchungsgang auf eine Lungenembolie Diagnose Lungenembolie, auch Lungenarterienembolie genannt, ist ein Verschluss einer oder mehrerer Pulmonalarterien durch Thromben, welche aus anderen Körperregionen stammen, typischerweise in den großen... Erfahren Sie mehr weitergeführt werden. Beim intubierten Patienten ist eine Bronchoskopie angeraten, um eine Verlegung des Tracheobronchialbaums durch Schleimpfropfen auszuschließen (oder solches Material zu entfernen).
Behandlung der Sauerstoffentsättigung
Aufgedeckte Ursachen einer Hypoxie werden so wie an anderer Stelle im MSD-Manual dargestellt behandelt. Persistiert die Hypoventilation, so ist eine maschinelle Beatmung Mechanische Beatmung im Überblick Eine maschinelle Beatmung kann sein Nicht-invasiv, mit verschiedenen Arten von Gesichtsmasken Invasiv, unter Einbeziehung von endotrachealer intubation Die Auswahl des geeigneten Verfahrens... Erfahren Sie mehr in Form von nichtinvasiver positiver Druckventilation oder auch eine nachträgliche endotracheale Intubation erforderlich. Eine anhaltende Hypoxie macht die ergänzende Sauerstoffgabe notwendig.
Sauerstofftherapie
Die erforderliche Höhe des Sauerstoffgehalts der Inspirationsluft ergibt sich aus der arteriellen Blutgasanalyse oder der Pulsoxymetrie. Ziel ist es, einen PaO2 zwischen 60 und 80 mmHg (bzw. 92–100% Sauerstoffsättigung) sicherzustellen, ohne dabei in den Bereich der Sauerstofftoxizität zu gelangen. In den genannten Grenzen kann ein ausreichendes Sauerstoffangebot an die Gewebe gewährleistet werden. Da die Oxyhämoglobin-Dissoziationskurve einen sigmoidalen Verlauf aufweist, nimmt das Sauerstoffangebot bei einem Anstieg des PaO2 > 80 mmHg nur noch wenig zu. Daher ist dieser Bereich für die Oxygenierung weniger bedeutsam. Niedrigstmöglichstes O2 (FIO2), das noch zu einem akzeptablen PaO2 führt, sollte gewählt werden. Sauerstofftoxizität ist
Konzentrationsabhängig
Zeitabhängig
Längerfristige Erhöhungen über eine FIO2 > 60% bewirken inflammatorische Veränderungen, alveoläre Infiltrationen und möglicherweise eine pulmonale Fibrose. Eine FIO2 > 60% sollte immer dann vermieden werden, wenn dies nicht für das Überleben des Patienten unerlässlich ist. Liegt die FIO2 unterhalb von 60%, so wird dies dagegen für lange Zeit gut toleriert.
Eine FIO2 < 40% kann sowohl über eine nasale Sonde als auch über eine Gesichtsmaske verabreicht werden. Nasensonden vermitteln einen Sauerstoff-Flow von 1–6 l/Minute. Da mit 6 l/Minute der Nasopharynx ausreichend befüllt wird, haben höhere Flussraten keinen weiteren Nutzen. Einfache Gesichtsmasken und Nasensonden ermöglichen jedoch nicht die Abgabe einer genauen FIO2. Dies ist durch die inkonsistente Zumischung von Sauerstoff bei der Raumluft durch Undichtigkeiten und Mundatmung bedingt. Mit Masken vom Typ der Venturi-Masken kann dennoch eine recht präzise Sauerstoffkonzentration angeboten werden.
Eine FIO2 > 40% macht den Einsatz einer Sauerstoffmaske mit einem Reservoir, das mit Sauerstoff aus der Sauerstoffquelle befüllt wird, erforderlich. Bei den typischen Nichtrückatemmasken inhaliert der Patient 100% Sauerstoff aus einem Reservoir; bei der Ausatmung sorgt jedoch ein Gummiventil dafür, dass die Ausatemluft in die Umgebung abgegeben wird. So kann die Zumischung von Kohlendioxid und Wasserdampf durch den eingeatmeten Sauerstoff verhindert werden. Aufgrund von Undichtigkeiten bieten diese Masken jedoch nur eine FIO2 von höchstens 80–90% an.
Eine refraktäre Hypoxie kann eine neuromuskuläre Blockade, Rekrutierungsmanöver, eine Beatmung in Bauchlage oder eine extrakorporale Membranoxygenierung (ECMO) erfordern.
Wichtige Punkte
Eine Hypoxie kann durch Störungen der Ventilation und/oder Oxygenierung verursacht sein und wird in der Regel zunächst durch Pulsoxymetrie erkannt.
Bei den Patienten sollten eine Röntgenaufnahme des Thorax, ein EKG sowie eine Blutgasanalyse erfolgen (um die Hypoxie zu bestätigen und die Angemessenheit der Ventilation zu beurteilen). Wenn die Diagnose unklar bleibt, sollten Tests auf Lungenembolie in Betracht gezogen werden.
Es sollte Sauerstoff nach Bedarf gegeben werden, um einen PaO2 zwischen 60 und 80 mmHg (d. h. 92– 100% Sättigung) aufrechtzuerhalten, außerdem sollte die Ursache behandelt werden.