Übersicht der Harnwegsinfektionen (HWI)

VonTalha H. Imam, MD, University of Riverside School of Medicine
Überprüft/überarbeitet Dez. 2022
DIE AUSGABE FÜR MEDIZINISCHE FACHKREISE ANSEHEN

Bei gesunden Menschen ist der Urin in der Blase steril; er enthält weder Bakterien noch andere Krankheitserreger. Auch in der Harnröhre, dem Kanal, durch den der Urin von der Blase aus dem Körper geleitet wird, befinden sich keine Erreger oder zu wenige, um eine Infektion auszulösen. Jeder Bereich der Harnwege kann jedoch von einer Infektion betroffen sein. Eine Infektion eines Bereichs der Harnwege nennt man Harnwegsinfektion (HWI).

Organe der Harnwege

Die Harnwege umfassen die Nieren, die Harnleiter (Leiter, die den Urin von den Nieren zur Blase führen), die Blase und die Harnröhre (Röhre, durch die der Urin aus dem Körper fließt). Diese Organe können durch stumpfe Gewalteinwirkung (wie z. B. durch einen Motorradunfall oder -sturz) oder durch eine penetrierende Gewalt (als Folge einer Schussverletzung oder Messerstichs) verletzt werden. Verletzungen können auch unabsichtlich während eines chirurgischen Eingriffs vorkommen.

Man unterscheidet im Allgemeinen zwischen Harnwegsinfektionen der oberen und der unteren Harnwege, je nachdem, wo sie auftreten. Manchmal ist eine solche Unterscheidung allerdings sehr schwierig, wenn nicht gar unmöglich:

  • Infekte der unteren Harnwege: Blaseninfektionen (Zystitis)

  • Infekte der oberen Harnwege: Nierenbeckenentzündungen (Pyelonephritis)

Einige Ärzte zählen auch eine Infektion der Harnröhre (Urethritis) und der Prostata (Prostatitis) zu den Infekten der unteren Harnwege. Bei Organen, die paarweise vorhanden sind, (z. B. die Nieren) können ein oder beide Organe betroffen sein. Harnwegsinfektionen können bei Kindern wie auch bei Erwachsenen auftreten.

Ursachen von HWI

Die Erreger können auf zwei Wegen in die Harnwege gelangen. Am häufigsten gelangen sie vom unteren Ende der Harnwege, von der Öffnung der Harnröhre (beim Mann von der Spitze des Penis, bei der Frau von der Vulva), in den Körper. Die Infektion breitet sich über die Harnröhre bis zur Blase aus und erreicht in manchen Fällen eine oder beide Nieren. Der andere mögliche Weg geht über die Blutbahn direkt in die Nieren.

Harnwegsinfektionen (HWI) werden fast immer durch Bakterien verursacht, wobei auch Viren, Pilze und Parasiten die Harnwege befallen können. Über 85 Prozent der Harnwegsinfektionen werden durch Bakterien des Darms oder der Vagina verursacht. In der Regel werden die Bakterien, die in die Harnwege eindringen, jedoch wieder hinausgespült, wenn sich die Blase entleert.

Bakterien

Bakterielle Infektionen der unteren Harnwege, normalerweise der Blase, treten sehr häufig auf, vor allem bei jungen, sexuell aktiven Frauen. Diese bekommen auch häufig bakterielle Niereninfektionen, jedoch seltener als Blaseninfektionen. Escherichia coli ist das häufigste Bakterium, das einen Harnwegsinfekt verursacht. Im Alter von 20 bis 50 Jahren sind Harnwegsinfektionen bei Frauen rund 50 Mal häufiger als bei Männern. Da Männer eine längere Harnröhre haben als Frauen, ist es für die Bakterien schwieriger, so weit hinaufzugelangen, um eine Infektion auszulösen. Bei Männern zwischen 20 und 50 Jahren sind die häufigsten Harnwegsinfektionen Harnröhren- oder Prostataentzündungen. Ab dem 50. Lebensjahr treten Harnwegsinfektionen sowohl bei Männern als auch bei Frauen häufiger auf mit einem kleineren Geschlechtsunterschied.

Faktoren, die bakterielle Harnwegsinfektionen fördern

Infektionen mit Ursprung in den Harnwegen

  • Blockierung irgendwo in den Harnwegen (z. B. durch Steine oder bei Männern einen Tumor in der Prostata oder eine Harnröhrenverengung)

  • Gestörte Blasenfunktion, wie bei neurologischen Erkrankungen (zum Beispiel einer Rückenmarkverletzung), die ein vollständiges Entleeren der Blase unmöglich macht.

  • Strukturelle Anomalien wie Harnröhrendivertikel

  • Störung des ventilähnlichen Mechanismus zwischen Harnleiter und Blase, sodass Urin und Bakterien von der Blase die Harnleiter hinauffließen können und unter Umständen die Nieren erreichen (häufiger bei Kindern mit HWI)

  • Einführung eines Katheters oder eines Instruments durch den Arzt

  • Geschlechtsverkehr

  • Gebrauch eines Scheidendiaphragmas mit spermientötenden Mitteln

  • Fisteln zwischen Scheide und Blase oder zwischen Darm und Blase

  • Bei Männern Vergrößerung oder Infektion der Prostata

Infektionen, die sich vom Blut auf die Harnwege ausbreiten (selten)

HWI = Harnwegsinfektion (auch UTI)

Viren

Das Herpes-simplex-Virus kann die Harnröhre infizieren, Schmerzen beim Wasserlassen verursachen und bei der Entleerung der Blase Probleme bereiten. Weitere virale Harnwegsinfektionen, wie Blasen- und Niereninfektionen, entstehen nur bei einem geschwächten Immunsystem (zum Beispiel bei einer Krebserkrankung, bei HIV/AIDS oder die Anwendung eines Medikaments zur Unterdrückung des Immunsystems).

Pilze

Bestimmte Pilze, wie Candida-Pilze (Hefepilz) können Harnwegsinfektionen verursachen. Diese Art der Infektion wird häufig als Candidose (Candida-Infektion) bezeichnet (Candida-Pilze können auch eine Entzündung der Scheide [Vaginitis] verursachen). Der Candida-Pilz ist in den meisten Fällen für eine Pilzinfektion der Harnwege (Candidiasis) verantwortlich. Häufig sind Menschen mit geschwächtem Immunsystem oder einem Blasenkatheter von der Candida-Infektion betroffen. Pilze und Bakterien infizieren die Nieren oft gleichzeitig.

Parasiten

Eine Reihe von Parasiten, darunter auch Würmer, können Harnwegsinfektionen auslösen.

Trichomoniasis, die von Protozoen verursacht wird, ist eine sexuell übertragbare Infektion, die durch einen reichlichen grünlich-gelben, schaumigen Ausfluss aus der Scheide gekennzeichnet ist. Manchmal werden Blase und Harnröhre infiziert. Auch die Harnröhre des Mannes kann von der Trichomoniasis befallen werden. Sie verursacht bei Männern in der Regel keine Symptome.

Die Schistosomiasis, eine parasitäre Erkrankung, die durch Pärchenegel verursacht wird, kann die Nieren, die Harnleiter und die Blase befallen. Es ist eine häufige Ursache schwerer Niereninsuffizienz in Afrika, Südamerika und Asien. Eine langanhaltende Schistosomiasis der Blase verursacht häufig Blut im Urin oder eine Blockierung der Harnleiter und kann schließlich zu Blasenkrebs führen.

Filariose, eine Madenwurminfektion, verstopft die Lymphgefäße, wodurch Lymphflüssigkeit in den Urin gelangt (Chylurie). Die Filariose führt zu enormen Gewebeschwellungen (Elephantiasis); bei Männern kann dies auch den Hodensack betreffen.