Medizinische Aspekte einer Langzeitnierenersatztherapie

VonL. Aimee Hechanova, MD, Texas Tech University Health Sciences Center, El Paso
Überprüft/überarbeitet Sep. 2022
Aussicht hier klicken.

    Alle Patienten, die sich einer Langzeitnierenersatztherapie (NET) unterziehen, entwickeln begleitende metabolische oder andere Störungen. Diese Störungen erfordern die angemessene Aufmerksamkeit und eine zusätzliche Therapie. Das Vorgehen variiert von Patient zu Patient, schließt üblicherweise aber eine Ernährungsumstellung und Behandlung der multiplen metabolischen Anomalien ein (siehe auch Ernährung).

    (Siehe auch Überblick über die Nierenersatztherapie.)

    Diät

    Die Ernährung sollte engmaschig kontrolliert werden. Hämodialysepatienten neigen gewöhnlich zu Anorexie und sollten angehalten werden, täglich 35 kcal/kg ihres Idealkörpergewichts (bei Kindern 40–70 kcal/kg/Tag in Abhängigkeit von Alter und Aktivität) zu sich zu nehmen. Die tägliche Aufnahme von Natrium sollte auf 2 g (88 mEq [88 mmol]), von Kalium auf 2,3 g (60 mEq [60 mmol]), und von Phosphat (PO4) auf 800–1000 mg beschränkt werden. Die Flüssigkeitsaufnahme, einschließlich der in der Nahrung enthaltenen Flüssigkeit, wird auf 1000 bis 1500 ml/Tag begrenzt und durch Messung der Gewichtszunahme zwischen den Dialysebehandlungen überwacht. Patienten, die sich einer Peritonealdialyse unterziehen, benötigen eine Proteinzufuhr von 1,25–1,5 g/kg/Tag (im Vergleich zu 1,0–1,2 g/kg/Tag bei Hämodialysepatienten), um peritoneale Verluste zu ersetzen (8,4 +/- 2,2 g/Tag). Am besten ist das Überleben bei (Hämodialyse- und Peritonealdialyse-)Patienten, die ein Serumalbumin > 3,5 g/dl (35 g/l) beibehalten. Das Serumalbumin ist der beste Prädiktor für das Überleben dieser Patienten.

    Klinischer Rechner

    Anämie bei Nierenversagen

    Eine Anämie, die bei Nierenversagen auftritt, sollte mit rekombinantem Humanerythropoietin und Eisensupplementation behandelt werden (siehe Anämie und Gerinnungsstörungen). Da die Resorption von oralem Eisen begrenzt ist, benötigen viele Patienten IV Eisen während der Hämodialyse. (Eisen-Carboxymaltose und Eisensucrose werden Eisendextran vorgezogen, das eine höhere Inzidenz von Anaphylaxie hat.) Eisenspeicher werden anhand von Serumeisen, Gesamteisenbindungskapazität und Serumferritin beurteilt. Typischerweise werden Eisenspeicher vor Beginn der Therapie mit Erythropoietin und danach alle zwei Monate beurteilt. Ein Eisenmangel ist der häufigste Grund für eine Erythropoietinresistenz. Manche Dialysepatienten, die viele Bluttransfusionen bekommen haben, weisen jedoch eine Eisenüberladung auf und sollten keinen Eisenersatz bekommen.

    Koronare Herzkrankheit

    Risikofaktoren für eine koronare Herzkrankheit müssen aggressiv angegangen werden, weil viele Patienten, die eine NET-Therapie benötigen, an Hypertonie, Dyslipidämie oder Diabetes leiden, rauchen und letztendlich an einer kardiovaskulären Krankheit sterben. Eine kontinuierliche ambulante Peritonealdialyse ist effektiver als die Hämodialyse bei der Entfernung von Flüssigkeit. Als Folge hiervon benötigen hypertensive Patienten weniger Antihypertensiva. Bei etwa 80% der Hämodialysepatienten ist die Hypertonie aber auch durch alleinige Filtration beherrschbar. Bei den restlichen 20% sind antihypertensive Medikamente erforderlich. Die Behandlung von Dyslipidämie, Diabeteskontrolle und Raucherentwöhnung sind sehr wichtig.

    Hyperphosphatämie

    Eine Hyperphosphatämie als eine Folge einer Phosphatretention bei niedriger glomerulärer Filtrationsrate (GFR) erhöht das Risiko einer Weichteilkalzifikation, insbesondere der Koronararterien und Herzklappen, wenn Kalzium (Ca) × Phosphat (PO4) > 50–55 ist. Sie fördert darüber hinaus die Entwicklung eines sekundären Hyperparathyreoidismus. Die initiale Behandlung besteht aus Antazida auf Kalziumbasis (z. B. Kalziumkarbonat 1,25 g p.o. 3-mal täglich, Kalziumacetat 667–2001 mg p.o. 3-mal täglich zu den Mahlzeiten), die als Phosphatbinder wirken und die Phosphatspiegel senken. Obstipation und Bauchblähungen sind Komplikationen einer Langzeitanwendung. Die Patienten sollten auf eine Hyperkalzämie kontrolliert werden.

    Sevelamer-Karbonat 800 bis 3200 mg oder Lanthan-Karbonat 500 bis 1000 mg, Sucroferrat-Oxyhydroxid 500 bis 1000 mg oder Eisen(III)-Zitrat 2 bis 3 g zu jeder Mahlzeit ist eine Option für Patienten, die während der Einnahme von kalziumhaltigen Phosphatbindern eine Hyperkalzämie entwickeln. Einige Patienten (z. B. solche, die mit akuter Nierenverletzung und sehr hohen Serumphosphat-Konzentrationen eingewiesen werden) benötigen zusätzliche Aluminiumphosphatbinder, aber diese Medikamente sollten nur kurzfristig verwendet werden (z. B. 1–2 Wochen nach Bedarf), um eine Aluminiumtoxizität zu verhindern.

    Hypokalzämie und sekundären Hyperparathyreoidismus

    Diese Komplikationen treten häufig gleichzeitig auf, da die renale Produktion von Vitamin D und die Hypophosphatämie beeinträchtigt sind. Die Behandlung der Hypokalzämie besteht in der Gabe von Calcitriol entweder oral (0,25–1,0 mcg oral 1-mal täglich) oder IV (pro Dialyse 1–3 mcg bei Erwachsenen und 0,01-0,05 mcg/kg bei Kindern). Die Behandlung kann die Serumphosphatspiegel erhöhen und sollte zur Vermeidung von Weichgewebekalzifikationen unterbrochen werden, bis die Spiegel sich normalisiert haben. Die Dosierung wird titriert, um die Parathormonspiegel (PTH) auf normalerweise 150–300 pg/ml [150 ng/l] zu drücken (PTH spiegelt den Knochenstoffwechsel besser wider als Serumkalzium). Übersuppression vermindert den Knochenstoffwechsel und führt zu einer adynamischen Knochenkrankheit, die die Gefahr von Frakturen mit sich bringt. Die Vitamin-D-Analoga Doxercalciferol und Paricalcitol haben eine geringere Wirkung auf die Kalzium- und Phosphat-Resorption im Zwölffingerdarm, unterdrücken aber PTH gleichwertig gut. Erste Hinweise, dass diese Medikamente im Vergleich zu Calcitriol die Mortalität verringern können, bedürfen noch der Bestätigung.

    Cinacalcet, ein Calcimimetikum, erhöht die Empfindlichkeit der kalziumempfindlichen Rezeptoren der Nebenschilddrüse gegenüber Kalzium und kann ebenfalls bei einem Hyperaldosteronismus angezeigt sein, aber die Rolle in der Alltagspraxis ist noch nicht definiert. Sein Vermögen, den PTH-Spiegel um bis zu 75% zu senken, kann die Notwendigkeit einer Parathyreoidektomie bei diesen Patienten verringern.

    Aluminiumtoxizität

    Die Toxizität ist die Gefahr bei Hämodialysepatienten, die aluminiumkontaminiertem Dialysat (jetzt ungewöhnlich) und Phosphatbindern auf Aluminiumbasis ausgesetzt sind. Manifestationen sind Osteomalazie, mikrozytäre Anämie (eisenresistent) und wahrscheinlich eine Dialysedemenz (eine Konstellation aus Gedächtnisverlust, Dyspraxie, Halluzinationen, Grimassieren, Myoklonie, Anfällen und einem typischen Elektroenzephalogramm [EEG]).

    Aluminiumtoxizität sollte bei Patienten, die eine NET erhalten, und die Osteomalazie, eisenresistente mikrozytäre Anämie oder neurologische Manifestationen wie Gedächtnisverlust, Dyspraxie, Halluzinationen, Grimassen, Myoklonie oder Krampfanfälle entwickeln, in Betracht gezogen werden. Die Diagnose wird durch Messung des Plasmaaluminiumspiegels vor und zwei Tage nach IV Infusion von Deferoxamin, 5 mg/kg, gestellt. Deferoxamin "chelates" Aluminium, löst es von Geweben und erhöht den Blutspiegel bei Patienten mit Aluminiumtoxizität. Ein Anstieg des Aluminiumspiegels auf 50 mcg/l spricht für eine Intoxikation. Eine durch Aluminium verursachte Osteomalazie kann auch durch eine Knochennadelbiopsie diagnostiziert werden, die eine Spezialfärbung auf Aluminium erfordert.

    Die Behandlung besteht in der Vermeidung von aluminiumhaltigen Phosphatbindern plus IV oder intraperitonealer Gabe von Deferoxamin.

    Tipps und Risiken

    • Eine Aluminiumtoxizität sollte bei RRT-Patienten mit Osteomalazie, eisenresistenter mikrozytärer Anämie oder neurologischen Symptomen in Betracht gezogen werden.

    Knochenerkrankungen

    Nierenosteodystrophie ist eine anormale Knochenmineralisierung. Diese hat mehrere Ursachen, darunter Vitamin-D-Mangel, erhöhtes Serumphosphat, sekundärer Hyperparathyreoidismus, chronische metabolische Azidose und Aluminiumtoxizität. Behandelt wird die Ursache.

    Vitaminmangel

    Vitaminmängel entstehen durch den dialysebedingten Verlust von wasserlöslichen Vitaminen (z. B. B, C, Folat) und können mit täglichen Multivitaminpräparaten für Nierenpatienten (z. B. mit Thiamin, Riboflavin, Niacin/Niacinamid, Vitamin B6, Vitamin B12, Folsäure und Pantothensäure) ausgeglichen werden.

    Kalziphylaxie

    Kalziphylaxie stellt eine seltene Störung der systemischen arteriellen Kalzifikation dar, die Ischämie und Nekrose in lokalisierten Bereichen des Fettes und der Haut des Rumpfes, des Gesäßes und der unteren Extremitäten verursacht. Die Ursache ist unbekannt. Man denkt aber an einen ernsten Hypoparathyreoidismus, Vitamin-D-Supplementation und erhöhte Kalzium- und Phosphat (PO4)-Spiegel. Sie manifestiert sich mit schmerzhaften, violett-purpurnen, juckenden Plaques und Knötchen, welche ulzerieren, Krusten bilden und sich entzünden. Sie verläuft oft tödlich. Die Behandlung ist im Allgemeinen unterstützend. Es ist von mehreren Fälle berichtet worden, bei denen Natriumthiosulfat IV am Ende der Dialyse 3-mal/Woche gegeben wurde, zusammen mit aggressiven Bemühungen, das Serumkalzium × PO4-Produkt zu reduzieren, was zu einer erheblichen Verbesserung geführt hat.

    Kalziphylaxie (Stamm)
    Einzelheiten ausblenden
    Diese Abbildung zeigt frühe Hautveränderungen in Form von Ischämie und Nekrose in lokalisierten Bereichen, die auf eine Calciphylaxie zurückzuführen sind.
    Image courtesy of Karen McKoy, MD.

    Obstipation

    Obstipation ist eine eher geringere, aber lästige Folge der Langzeit-NET, die sich infolge der Darmdistension aber störend auf die Katheterdrainage bei Peritonealdialyse auswirken kann. Viele Patienten benötigen osmotische Laxanzien (z. B. Sorbitol) oder Laxanzien mit Quellwirkung. Abführmittel, die Magnesium (z. B. Magnesiumhydroxid) oder Phosphat (z. B. Fleet-Einlauf) enthalten, sollten vermieden werden.