Oligurie

VonCherisse Berry, MD, New York University School of Medicine
Überprüft/überarbeitet Dez. 2022
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Unter Oligurie versteht man eine Urinproduktion von < 500 ml in 24 Stunden beim Erwachsenen oder < 0,5 ml/kg/Stunde bei Erwachsenen und Kindern (< 1 ml/kg/Stunde bei Neugeborenen).

Ätiologie der Oligurie

Die Ursachen für eine Oligurie werden typischerweise in drei Kategorien eingeteilt:

  • prärenale (vom Blutfluss abhängige)

  • renale (intrinsische Nierenerkrankungen)

  • postrenale (Ablaufstörungen)

Es gibt zahlreiche solcher Entitäten (siehe Akute Nierenschädigung), aber eine begrenzte Anzahl verursacht die meisten Fälle von akuter Oligurie bei Krankenhauspatienten (siehe Tabelle Ursachen für eine Oligurie).

Tabelle
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Bewertung der Oligurie

Anamnese

Beim kommunikativen Patienten ist der schmerzhafte Harnverhalt ein Hinweis auf eine Abflussstörung. Durst ohne Zeichen des Harnverhalts dagegen lässt einen Volumenmangel vermuten. Beim eingetrübten, möglicherweise zuvor bereits katheterisierten Patienten, der eine plötzliche Abnahme der Urinausscheidung ohne Kreislaufdysregulation zeigt, muss an eine Okklusion (z. B. aufgrund von Thrombus oder Kinking) oder Dislokation des Katheters gedacht werden. Eine schrittweise Minderung der Urinproduktion hingegen rührt eher von einer akuten Tubulusnekrose oder einer prärenalen Ursache her.

Auffälligkeiten in der jüngeren Anamnese sind oftmals aufschlussreich. Die aufgezeichneten Blutdruckwerte, chirurgische Maßnahmen, Medikamentengabe oder Durchführung von Kontrastmitteluntersuchungen sind zu berücksichtigen. Vor Kurzem vorgenommene Operationen oder Traumata können mit einer Hypovolämie einhergehen. Massive Quetschverletzungen, tiefgreifende Verbrennungen im Rahmen von Elektrounfällen oder ein Hitzschlag legen den Verdacht einer Rhabdomyolyse nahe.

Körperliche Untersuchung

Die Vitalfunktionen werden überprüft, insbesondere im Hinblick auf Hypotonie, Tachykardie oder beides (was eine Hypovolämie oder Sepsis vermuten lässt) sowie Fieber (was eine Sepsis vermuten lässt). Zeichen von Herdinfektion und Herzinsuffizienz sollten sorgfältig beachtet werden. Eine palpierbare Harnblasendistension weist auf eine Abflussstörung hin. Tiefe Braunfärbung des Urins findet sich bei Myoglobinurie.

Tests

Bei allen katheterisierten Patienten (ebenso bei denen, die mit einem Ileum-Conduit versorgt sind), muss die Offenheit der ableitenden Harnwege durch Anspülen des Katheters sichergestellt werden. Erst danach sollten weitere Untersuchungsschritte unternommen werden. Bei vielen der übrigen Patienten ist die Ätiologie (z. B. Schock, Sepsis) klinisch offensichtlich. Bei anderen, insbesondere bei Mehrfachstörungen, sind Tests erforderlich, um prärenale von renalen (akute Tubulusnekrose) Ursachen zu unterscheiden. Bei Patienten ohne Blasenkatheter, sollte die Platzierung des Katheters in Betracht gezogen werden. Diese Maßnahme dient der Diagnose und Behandlung der Obstruktion und stellt eine kontinuierliche Überwachung der Produktion sicher.

Sofern ein zentralvenöser oder pulmonalarterieller Katheter (PAC) vorhanden ist, kann der Volumenstatus (mit einem PAC auch das Herzminutenvolumen) durch Messung des zentralvenösen Drucks oder des pulmonalarteriellen Verschlussdrucks (siehe Endpunkt und Überwachung) oder Pulmonalarterienverschlussdruck. Dennoch wird man allein aufgrund einer Oligurie ohne weitere Störungen sicherlich keinen dieser invasiven Katheter anlegen. Bei Patienten ohne Hinweise auf eine Volumenüberladung kann alternativ auch einfach eine Menge von etwa 500 ml einer 0,9%igen NaCl-Lösung intravenös gegeben werden (bei Kindern 20 ml/kg). Führt dies zu einer Steigerung des Herzminutenvolumens, ist eine prärenale Ursache wahrscheinlich. Serum-Elektrolyte wie Natrium, Blut-Harnstoff-Stickstoff und Kreatinin sollten gemessen werden, um die Ursache der Oligurie zu ermitteln. Ein hohes Verhältnis von Serum-BUN zu Kreatinin (z. B. > 20:1) deutet auf eine prärenale Ursache hin.

Die Berechnung der fraktionierten Natriumausscheidung (FENa) aus den Plasma- und Urinkonzentrationen von Natrium kann helfen, zwischen dem prärenalen Zustand und einer akuten tubulären Nekrose zu unterscheiden, indem folgende Gleichung verwendet wird:

equation
  • Ein FENa-Verhältnis > 2% deutet in der Regel auf eine akute Tubulusnekrose hin.

  • Ein FENa-Verhältnis von < 1% deutet normalerweise auf einen prärenalen Zustand wie Dehydratation oder andere Formen prärenaler Azotämie hin.

  • FENa-Verhältnisse zwischen 1% und 2% sind mit einer akuten tubulären Nekrose oder einem prärenalen Zustand vereinbar.

Bei Patienten, die Diuretika einnehmen, kann die Berechnung der fraktionellen Harnstoffausscheidung (FEUrea) helfen, zwischen einem prärenalen Zustand und einer akuten tubulären Nekrose zu unterscheiden; sie wird anhand der folgenden Gleichung berechnet:

equation
  • Ein Verhältnis der fraktionierten Harnstoffexkretion (FEUrea) von mehr als 50% weist in der Regel auf eine akute tubuläre Nekrose hin.

  • Ein FE-Harnstoff-Verhältnis < 35% weist in der Regel auf einen prärenalen Zustand hin.

  • Eine fraktionierte Harnstoffexkretion (FEUrea) zwischen 35% und 50% ist mit einer akuten tubulären Nekrose oder einem prärenalen Zustand vereinbar.

Behandlung von Oligurie

Sind die verantwortlichen Ursachen aufgedeckt, kann entsprechend behandelt werden. Eine Abflussstörung wird korrigiert, ein Volumendefizit ausgeglichen und das Herzminutenvolumen normalisiert. Nephrotoxische Medikamente werden renal dosiert oder abgesetzt und durch ein anderes Medikament ersetzt. Eine Hypotonie gilt es in jedem Fall zu vermeiden, um Niereninfarkte zu verhindern. Niereninsuffiziente Patienten, die keine Besserungszeichen erkennen lassen, müssen einem Nierenersatzverfahren (z. B. kontinuierliche venovenöse Hämofiltration oder Hämodialyse) zugeführt werden.

Wichtige Punkte

  • Zu den Ursachen für eine Oligurie gehören ein verminderter renaler Blutfluss, eine Niereninsuffizienz sowie eine Harnwegsobstruktion.

  • Anamnese und körperliche Untersuchung lassen oftmals den Mechanismus vermuten (z. B. kürzlich aufgetretene Hypotonie, Gebrauch nephrotoxischer Mittel).

  • Serumelektrolyte, Blut-Harnstoff-Stickstoff und Kreatinin sollten bestimmt werden.

  • Außerdem sind Natriumkonzentration im Urin und Kreatininkonzentration zu bestimmen, und der Anteil des ausgeschiedenen Natriums ist zu berechnen, wenn unklar ist, ob die Ursache prärenal oder renal ist. Ein Verhältnis < 1 zeigt an, dass das Problem prärenal ist, ein Verhältnis > 2 deutet auf eine akute tubuläre Nekrose hin, und Verhältnisse zwischen 1% und 2% sind unbestimmt.

  • Bei Patienten, die Diuretika einnehmen, Harnstoff im Urin und im Plasma sowie Kreatinin im Urin und im Plasma messen und die fraktionierte Ausscheidung von Harnstoff berechnen, um festzustellen, ob die Ursache prärenal oder renal ist; < 35% weist auf ein prärenales Problem hin; > 50% weist auf eine akute tubuläre Nekrose hin; und 35% bis 50% weist auf eine unbestimmte Ätiologie hin