Arzneimittelüberempfindlichkeit

VonJames Fernandez, MD, PhD, Cleveland Clinic Lerner College of Medicine at Case Western Reserve University
Überprüft/überarbeitet Okt. 2022
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Die Arzneimittelüberempfindlichkeit ist eine durch das Immunsystem vermittelte Reaktion gegen ein Arzneimittel. Die Symptome reichen von leichten bis schweren Reaktionen und umfassen Rötungen bis hin zu Anaphylaxie und Serumkrankheit. Die Diagnose wird klinisch gestellt; gelegentlich sind Hauttests von Nutzen. Die Behandlung besteht im Absetzen des Medikaments, supportive Therapie (z. B. Gabe von Antihistaminika) und gelegentlich Desensibilisierung.

(Siehe auch Übersicht der Allergischen und Atopischen Erkrankungen.)

Die Überempfindlichkeit gegen Arzneimittel unterscheidet sich von toxischen und unerwünschten Wirkungen, die durch das Arzneimittel hervorgerufen werden können, und von Problemen aufgrund von Arzneimittelinteraktionen.

Pathophysiologie der Arzneimittelüberempfindlichkeit

Einige Arzneimittel aus Proteinen und großen Polypeptiden (z. B. Insulin, therapeutische Antikörper) können die Antikörperproduktion direkt stimulieren. Die meisten Arzneimittel fungieren jedoch als Haptene, die kovalent an Serum- oder zellgebundene Proteine binden, darunter auch an die in die Moleküle des Haupt-Histokompatibilitätskomplexes (MHC) eingebetteten Peptide. Die Bindung macht den Protein-Wirkstoff-Komplex immunogen, was die Stimulation der Antikörperbildung gegen das Arzneimittel bzw. T-Zell-Antworten oder auch beides zur Folge hat. Hapten kann auch an das MHC-II-Molekül binden und dadurch die T-Zellen direkt aktivieren. Einige Medikamente wirken als Prohaptene. Prohaptene werden durch metabolische Prozesse in Haptene umgewandelt; Penizillin beispielsweise ist selbst nicht antigen, doch sein Hauptabbauprodukt, die Benzylpenicillinsäure, kann mit Gewebeproteinen reagieren und Benzylpenicilloyl (BPO) bilden, eine wichtige antigene Determinante. Einige Arzneimittel binden und stimulieren T-Zell-Rezeptoren (TCR) direkt; derzeit laufen Untersuchungen zur klinischen Bedeutung von TCR-Bindung mit Nicht-Hapten.

Unklar ist noch, wie die primäre Sensibilisierung erfolgt und auf welche Weise das angeborene Immunsystem anfangs beteiligt ist. Nach der Stimulation einer Immunantwort kann es jedoch zu Kreuzreaktionen mit anderen Medikamenten innerhalb oder zwischen Arzneimittelklassen kommen. Zum Beispiel reagieren Patienten mit einer Penizillinallergie sehr wahrscheinlich auch auf halbsynthetische Penizilline (z. B. Amoxicillin, Carbenicillin, Ticarcillin). Im früheren, schlecht konzipierten Studien, reagierten etwa 10% der Patienten mit einer anamnestich unklaren Penizillin-Überempfindlichkeit auf Cephalosporine, welche eine ähnliche Betalaktam-Struktur haben; dieser Befund wurde als Beweis für Kreuzreaktionen zwischen diesen Substanzklassen zitiert. Doch in jüngeren, besser konzipierten Studien, reagierten nur etwa 2% der Patienten mit einer Penizillin-Allergie während Hauttests nachweislich gegen Cephalosporine, etwa der gleiche Prozentsatz der Patienten reagierte auf strukturell nicht verwandten Antibiotika (z. B. Sulfonamide). Manchmal gehen diese und andere offensichtliche Kreuzreaktionen (z. B. zwischen Sulfonamiden und nicht mikrobiozid wirkenden Arzneimitteln) eher auf eine Disposition für allergische Reaktionen als auf spezifische Kreuzreaktivitäten des Immunsystems zurück.

Tipps und Risiken

  • Penizillinallergie schließt den Einsatz von Cephalosporinen nicht immer aus.

Symptome und Anzeichen von Arzneimittelüberempfindlichkeit

Die Symptome von Medikamentenallergien unterscheiden sich je nach Patient und Arzneimittel; so kann ein bestimmtes Arzneimittel bei verschiedenen Patienten unterschiedliche Reaktionen hervorrufen. Am schwerwiegendsten ist die Anaphylaxie (Überempfindlichkeitsreaktion vom Typ I); Exantheme (z. B. morbilliforme Eruption), Urtikaria und Fieber sind häufig. Feste Arzneimittelreaktionen – das sind Reaktionen, die nach Arzneimittelexposition immer wieder an der gleichen Stelle des Körpers erscheinen – sind selten.

Einige unterschiedliche klinische Syndrome können andere Arten von Überempfindlichkeitsreaktionen beinhalten:

  • Serumkrankheit

  • Arzneimittelinduzierte immunhämolytische Anämie

  • DRESS (drug rash with eosinophilia and systemic symptoms; Arzneimittelausschlag mit Eosinophilie und systemischen Symptomen)

  • Pulmonale Effekte

  • Renale Auswirkungen

  • Andere Autoimmunphänomene

Die Serumkrankheit: tritt typischerweise 7 bis 10 Tage nach der Exposition auf und verursacht Fieber, Arthralgien und Hautausschlag. Der Reaktionsmechanismus besteht in einer Überempfindlichkeitsreaktion vom Typ III aufgrund von Arzneimittel-Antikörper-Komplexen und Komplementaktivierung. Bei manchen Patienten kommt es zu manifester Arthritis, Ödem oder gastrointestinalen Symptomen. Die Symptome sind selbstlimitiert und dauern nicht länger als 1-2 Wochen an. Am häufigsten treten sie nach der Behandlung mit Betalactam und Sulfonamiden, Eisen-Dextran und Carbamazepin auf.

Die Arzneimittelbedingte immun-hämolytische Anämie kann sich entwickeln, wenn eine Wechselwirkung zwischen Antikörpern, Arzneimittel und Erythrozyten stattfindet (z. B. mit Cephalosporinen und mit Cefotetan) oder wenn ein Medikament (z. B. Fludarabin, Methyldopa) die Erythrozytenmembran so verändert, dass die Produktion von Autoantikörpern induziert wird. Diese Reaktionen sind Überempfindlichkeitsreaktionen vom Typ I.

Arzneimittelexanthem mit Eosinophilie und systemischen Symptomen (DRESS), auch arzneimittelinduziertes Überempfindlichkeitssyndrom (DHS) genannt, ist eine Überempfindlichkeitsreaktion vom Typ IV, die bis zu 12 Wochen nach Beginn der medikamentösen Behandlung einsetzen und nach einer Dosissteigerung auftreten kann. Symptome können über mehrere Wochen nach Beendigung der medikamentösen Behandlung fortbestehen oder wiederkehren. Die Patienten haben vorherrschend eine Eosinophilie und entwickeln häufig Hepatitis, Hautausschlag, Schwellungen im Gesicht, generalisierte Ödeme und Lymphadenopathie. Carbamazepin, Phenytoin, Allopurinol, und Lamotrigin sind häufig daran beteiligt.

Einige Arzneimittel (z. B. Bleomycin, Amiodaron, Nitrofurantoin, Amphotericin B, Sulfonamide, Sulfasalazin) können pulmonale Effekte hervorrufen. Diese Medikamente können respiratorische Symptome (im Unterschied zum Keuchen, das bei der Typ-I-Überempfindlichkeitsreaktion vorkommt), eine Verschlechterung der Lungenfunktion und andere pulmonale Veränderungen hervorrufen (sogenannte medikamenteninduzierte Lungenerkrankung, am häufigsten die interstitielle Lungenerkrankung). Es wird angenommen, dass es sich bei diesen Effekten in erster Linie um Überempfindlichkeitsreaktionen vom Typ III und IV handelt.

Die häufigste allergische renale Wirkung ist die tubulointerstitielle Nephritis; NSAR (einschließlich COX-2-Inhibitoren), Methicillin, antimikrobielle Mittel und Cimetidin sind häufig beteiligt. Es kann sich um Überempfindlichkeitsreaktionen vom Typ I, III und/oder IV handeln.

Andere Autoimmunphänomene können auftreten. Hydralazine, Propylthiouracil und Procainamid können ein systemischer Lupus erythematodes-ähnliches Syndrom verursachen, das eine Überempfindlichkeitsreaktion vom Typ III ist. Das Syndrom kann leicht (mit Gelenkschmerzen, Fieber und Hautausschlag) oder ziemlich dramatisch sein (mit Serositis, hohem Fieber und Unwohlsein), aber die Nieren und das Zentralnervensystem sind tendenziell nicht betroffen. Der Test auf antinukleäre Antikörper ist positiv. Penizillamin kann einen systemischen Lupus erythematodes und andere Autoimmunkrankheiten (z. B. Myasthenia gravis, eine Überempfindlichkeitsreaktion vom Typ II) verursachen. Einige Medikamente können eine Vaskulitits verursachen, die mit perinukleären antineutrophilen zytoplasmatischen Autoantikörper (p-ANCA) assoziiert ist. Zu den Arzneimitteln, die häufig mit arzneimittelinduzierten perinukleären antineutrophilen zytoplasmatischen Autoantikörpern (p-ANCA) in Verbindung gebracht werden, gehören Antithyreostatika, Antituberkulosemittel, bestimmte Antibiotika, Allopurinol, Hydralazin und Atorvastatin. Diese Autoantikörper richten sich gegen die Myeloperoxidase (MPO) und verursachen Überempfindlichkeitsreaktionen vom Typ II. Immun-Checkpoint-Inhibitoren, eine häufig verwendete Klasse von Krebsimmuntherapien, können immunbedingte Nebenwirkungen haben. Diese Wirkungen resultieren aus einer unspezifischen Immunaktivierung und können fast jedes Organsystem betreffen; am häufigsten sind jedoch Haut, Leber, Magen-Darm-Trakt und das endokrine System betroffen.

Diagnose von Arzneimittelüberempfindlichkeit

  • Patienten berichten von einer Reaktion bald nach Einnahme eines Arzneimittels

  • Hauttests

  • Manchmal Arzneimittelprovokationstestung

  • Manchmal direkte und indirekte Coombs-Tests

Folgendes kann bei der Differenzierung der Arzneimittelüberempfindlichkeit von toxischen und unerwünschten Arzneimittelwirkungen und von den Problemen durch Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten behilflich sein.

  • Zeitpunkt des Auftretens

  • Bekannten Wirkungen eines Arzneimittels

  • Die Ergebnisse einer wiederholten "Drogen- Herausforderung" (drug challenge)

Zum Beispiel ist eine dosisabhängige Reaktion oft Ausdruck einer Arzneimitteltoxizität, nicht einer Arzneimittelüberempfindlichkeit.

Der Verdacht auf eine Arzneimittelüberempfindlichkeit besteht, wenn eine Reaktion binnen weniger Minuten bis zu einigen Stunden nach Gabe des Arzneimittels auftritt. Viele Patienten geben jedoch bereits vergangene Reaktionen unklarer Art an. Wenn in solchen Fällen kein äquivalenter Ersatz gefunden werden kann (z. B. Penizillin zur Behandlung von Syphilis), sind entsprechende Untersuchungen in Erwägung zu ziehen.

Hauttest

Hauttests eignen sich für zur Identifiizierung von (IgE-vermittelten) Überempfindlichkeitsreaktionen des Typs I auf Betalaktam-Antibiotika, (xenogenes) Fremdserum, einige Impfstoffe und Polypeptidhormone. Gewöhnlich zeigen aber nur 10-20% der Patienten mit einer Penizillinallergie eine positive Reaktion. Auch für die meisten anderen Arzneimittel (darunter auch die Cephalosporine) sind Hauttests nicht zuverlässig genug, und da sie nur IgE-vermittelte Reaktionen nachweisen, erlauben sie keine Vorhersage bezüglich des Auftretens eines morbilliformen Exanthems, einer hämolytischen Anämie oder einer Nephritis.

Ein Penizillin-Hauttest kann bei Patienten durchgeführt werden, die anamnestisch eine Überempfindlichkeitsreaktion vom Soforttyp aufweisen und mit Penizillin behandelt werden müssen. Hierfür steht ein BPO-Polylysin-Konjugat und Penizillin G zur Verfügung, Histamin und physiologische Kochsalzlösung dienen als Kontrolle. Der Pricktest wird zuerst durchgeführt. Hat die Anamnese der Patienten eine sehr starke anaphylaktische Reaktion ergeben, sollten die Reagenzien zur initialen Testung 1:100 verdünnt werden. Im Falle eines negativen Pricktests kann ein intradermaler Test erfolgen. Wenn Hauttests positiv sind, sollten die Patienten Penicillin nur im Rahmen eines Desensibilisierungsprotokolls erhalten. Wenn die Tests negativ ausfallen, ist eine schwerwiegende Reaktion äußerst unwahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen. Daher wird nach einem negativen Hauttest häufig eine orale Provokation mit Amoxicillin durchgeführt, um die Möglichkeit einer IgE-vermittelten Allergie vollständig auszuschließen.

Bleibt das Testergebnis negativ, werden 0,02 ml einer 1:1000-Verdünnung intradermal injiziert. Im Falle von xenogenem Serum (z. B. Pferd) sollte bei Patienten, die nicht atopisch sind und zuvor kein Pferdeserum erhalten haben, zunächst ein Pricktest mit einer Verdünnung von 1:10 erfolgen. Wenn der Patient empfindlich ist, entwickelt sich binnen 15 Minuten eine Quaddel mit einem Durchmesser von > 0,5 cm. Zunächst sollte für alle Patienten, die zuvor Serum erhalten haben - egal ob sie reagierten oder nicht - und für diejenigen mit einem Verdacht auf Allergie in der Anamnese, ein Prick-Test mit einer Verdünnung von 1:1000 durchgeführt werden; wenn die Ergebnisse negativ sind, wird die Verdünung 1:100 und wenn die Ergebnisse wieder negativ sind, 1:10 wie oben verwendet. Negative Hauttests schließen die Möglichkeit einer Anaphylaxie aus, sagen aber nichts über das Auftreten einer nachfolgenden Serumkrankheit voraus.

Weitere Testverfahren

Beim Arzneimittel-Provokationstest wird ein Arzneimittel, von dem vermutet wird, dass es eine Überempfindlichkeitsreaktion auslöst, in zunehmenden Dosen verabreicht, um eine Reaktion herbeizuführen. Unter kontrollierten Bedingungen durchgeführt, ist dieser Test in der Regel sicher und effektiv.

Da Arzneimittelüberempfindlichkeit mit bestimmter humanen Leukozytenantigen-Klasse-I-Haplotypen assoziiert ist, kann eine Genotypisierung von Patienten bestimmter ethnischer Gruppen diejenigen mit einem erhöhten Risiko für Überempfindlichkeitsreaktionen identifizieren.

Tabelle

Um hämatologische Arzneimittelreaktionen zu testen, werden der direkte und indirekte Antiglobulin-Test durchgeführt. Tests für weitere, spezifische Arzneimittelüberempfindlichkeiten (z. B. Allergen-spezifischer Serum-lgE-Test, Histaminfreisetzung, Basophilen- oder Mastzelldegranulation, Lymphozytentransformation) sind unzuverlässig oder zu experimentell.

Prognose für Arzneimittelüberempfindlichkeit

Die Überempfindlichkeit nimmt im Laufe der Zeit ab. Immunglobulin E- (IgE)-Antikörper sind bei 90% der Patienten 1 Jahr nach einer allergischen Reaktion vom Typ I vorhanden, aber nur bei etwa 20 bis 30% der Patienten nach 10 Jahren. Patienten mit anaphylaktischen Reaktionen behalten Antikörper gegen das verursachende Arzneimittel wahrscheinlich länger.

Personen mit einer Arzneimittelallergie sollten angehalten werden, den Gebrauch des Arzneimittels zu vermeiden und ein Identifikations- oder Warnarmband zu tragen. Krankenakten sollten immer entsprechend gekennzeichnet sein.

Behandlung von Arzneimittelüberempfindlichkeit

  • Absetzen des Medikaments

  • Unterstützende Behandlung (z. B. Antihistaminika, Kortikosteroide, Adrenalin)

  • Manchmal Desensibilisierung

Durch eine Behandlung von Medikamentenallergien hört die Wirkung des verursachenden Medikaments auf; die meisten Symptome klingen innerhalb weniger Tage nach Absetzen der Noxe ab.

Eine symptomatische und unterstützende Behandlung für akute Reaktionen kann Folgendes umfassen

  • Antihistaminika bei Pruritus

  • Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) bei Arthralgien

  • Kortikosteroide bei schweren Reaktionen (z. B. exfoliativer Dermatitis, Bronchospasmus)

  • Epinephrin für Anaphylaxie

Zustände wie Arzneimittelfieber, ein nicht juckender Hautausschlag oder leichte Reaktionen des Organsystems erfordern keine andere Behandlung als das Absetzen des Medikaments (die Behandlung spezifischer klinischer Reaktionen wird im MSD-Manual andernorts besprochen).

Desensibilisierung

Eine schnelle Desensibilisierung kann notwendig werden, wenn eine IgE-vermittelte Sensibilisierung bestätigt wurde, eine Behandlung unbedingt notwendig ist und keine Alternative existiert. Die rasche Desensibilisierung führt zu einer vorübergehenden Toleranz, d. h. für die Zeit, in der der Patient dem Antigen (Medikament) ausgesetzt ist. Wenn der Patient 24 bis 48 Stunden lang nicht exponiert wird, tritt eine Sensibilisierung ein, und der Patient ist bei einer Exposition erneut gefährdet. Wenn möglich, sollte eine Desensibilisierung in Zusammenarbeit mit einem Allergologen erfolgen. Das Verfahren sollte nicht bei Patienten angewandt werden, bei denen das Stevens-Johnson-Syndrom, die Serumkrankheit, DRESS oder andere schwere verzögerte oder kutane Überempfindlichkeitsreaktionen aufgetreten sind. Eine Desensibilisierung ist bei T-Zell-vermittelten Reaktionen in der Regel nicht wirksam und sollte in solchen Fällen nicht durchgeführt werden. Wenn eine Desensibilisierung durchgeführt wurde, müssen für sofortige Gegenmaßnahmen bei Anaphylaxie Sauerstoff, Adrenalin sowie eine Wiederbelebungsausstattung verfügbar sein.

Eine Desensibilisierung beruht auf einer schrittweisen Dosiserhöhung des zu verabreichenden Antigens (alle 15 bis 20 Minuten). Die Anfangsdosis ist gerade stark genug, um eine subklinische Anaphylaxie zu induzieren, bevor therapeutische Dosen folgen. Das Verfahren hängt von einer konstanten Präsenz des Arzneimittels im Serum ab und darf nicht unterbrochen werden; der Desensibilisierung folgen sofort Gaben voller therapeutischer Dosen. Nach dem Absetzen der Behandlung kehrt die Überempfindlichkeit normalerweise innerhalb von 24–48 Stunden wieder zurück. Gewöhnlich werden während der Desensibilisierung schwache Reaktionen (z. B. Jucken, Hautausschlag) beobachtet.

Desensibilisierungsprotokolle können für eine IgE-vermittelte Arzneimittelreaktion entwickelt werden und sind bei Arzneimitteln wirksam, die für diese Reaktionen verantwortlich gemacht werden (1X, Y2). Typische Protokolle werden oral oder intravenös verabreicht und umfassen in der Regel ein 8- bis 16-stufiges Protokoll mit steigenden Dosen in jeder Stufe, bis die Zieldosis erreicht ist. Die Zieldosis wird für die Standarddauer beibehalten; eine Pause bei der Verabreichung des Medikaments ermöglicht eine erneute Sensibilisierung. Bei der intravenösen Verabreichung werden mehrere Lösungen mit höheren Konzentrationen zubereitet, und die Infusionsraten werden angepasst, um die Dosis mit jedem Schritt zu erhöhen.

Die schnelle Desensibilisierung hat sich bei vielen Antibiotika, Biologika, Diabetesmedikamenten, Aspirin und anderen Arzneimitteln bewährt.

Bei positivem Hauttest auf Fremdserum besteht ein hohes Anaphylaxierisiko. Wenn eine Behandlung mit Serum unumgänglich ist, muss zuvor eine Desensibilisierung durchgeführt werden.

Literatur zur Therapie

  1. 1. Castells M: Desensitization for drug allergy. Curr Opin Allergy Clin Immunol 6 (6):476–481, 2006.

  2. 2. Chastain DB, Hutzley VJ, Parekh J, et al: Antimicrobial desensitization: A review of published protocols. Pharmacy (Basel) 7 (3):112, 2019. doi: 10.3390/pharmacy7030112

Wichtige Punkte

  • Überempfindlichkeitsreaktionen auf Medikamente sind oft vom Typ I (sofort, IgE-vermittelt), können aber auch vom Typ II, III oder IV sein.

  • Eine Medikamentenüberempfindlichkeit kann oft aufgrund der Vorgeschichte diagnostiziert werden (hauptsächlich aufgrund des Berichts des Patienten über eine Reaktion nach Beginn der Einnahme des Medikaments), aber bekannte unerwünschte und toxische Wirkungen des Medikaments und Wechselwirkungen zwischen Medikamenten müssen ausgeschlossen werden.

  • Bei unklarer Diagnose können in der Regel Hauttests, gelegentlich auch Arzneimittelprovokationstests oder andere spezifische Tests einige Medikamente als Ursache identifizieren, insbesondere wenn Überempfindlichkeitsreaktionen vom Typ I in erster Linie beteiligt sind.

  • Ein negatives Hauttestergebnis schließt die Möglichkeit einer Anaphylaxie aus, sagt aber nicht das Auftreten einer nachfolgenden Serumkrankheit oder anderer nicht IgE-vermittelter Reaktionen voraus.

  • Die Überempfindlichkeit nimmt tendenziell im Laufe der Zeit ab.

  • Als unterstützende Therapie bei akuten Typ-I-Überempfindlichkeitreaktionen können gegen Juckreiz Antihistamine, bei Arthralgien nichtsteroidale Antiphlogistika, bei schweren Reaktionen (z. B. exfoliative Dermatitis, Bronchospasmus) Kortikosteroide und bei Anaphylaxie Adrenalin gegeben werden.

  • Wenn das auslösende Medikament verwendet werden muss, versuchen Sie eine schnelle Desensibilisierung, wenn möglich in Zusammenarbeit mit einem Allergologen, um das Risiko von Typ-I-Überempfindlichkeitsreaktionen auf das Medikament vorübergehend zu verringern.