Mixed anaerobe Infektionen

VonLarry M. Bush, MD, FACP, Charles E. Schmidt College of Medicine, Florida Atlantic University;
Maria T. Vazquez-Pertejo, MD, FACP, Wellington Regional Medical Center
Überprüft/überarbeitet Juni 2023
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Anaerobier können Gesunde sowie Personen mit einer beeinträchtigten Resistenz oder mit Gewebeschäden infizieren. Anaerobe Infektionen können sowohl einzelne anaerobe Spezies oder mehrere anaerobe Spezies mit einer beliebigen Anzahl von nicht-anaerobischen Isolaten umfassen. Die Beschwerden hängen von der Infektionsstelle ab. Die Diagnosestellung erfolgt meist klinisch in Verbindung mit einer Gram-Färbung und Anaerobierkulturen. Die Therapie erfolgt mit Antibiotika und chirurgischer Drainage und Débridement.

(Siehe auch Überblick über Anaerobe Bakterien.)

Hunderte Arten von nichtsporenbildenden Anaerobiern sind Bestandteil der physiologischen Flora von Haut, Mundhöhle, Gastrointestinaltrakt und Vagina. Wenn diese kommensalischen Beziehungen gestört werden (z. B. durch einen chirurgischen Eingriff, ein Trauma, schlechte Blutversorgung oder Gewebenekrose), können einige wenige dieser Erreger zusammen zu Infektionskrankheiten mit hoher Morbidität und Letalität führen. Nach Etablierung der Infektion an der betroffenen Körperregion kann sich die Infektion lokal und hämatogen an entfernte Stellen ausbreiten.

Häufig sind aerobe und anaerobe Bakterien gemeinsam in der infizierten Region vorhanden, daher sind für die Isolierung und Kultur angemessene Verfahren erforderlich, um nicht die Anaerobier zu übersehen.

Anaerobier kann die Hauptursache für die Infektion bei Folgendem sein:

  • Die Pleuraräume und Lunge

  • Intraabdominelle, gynäkologische Erkrangungen, Erkrankungen des zentralen Nervensystems, der oberen Atemwege sowie der Haut und der Weichteile

  • Bakteriämie

Ätiologie gemischter anaerober Infektionen

Bei den hauptsächlichen anaeroben grampositiven Kokken, die an gemischten anaeroben Infektionen beteiligt sind, handelt es sich um

  • Peptococci

  • Peptostreptokokken

Diese Anaerobier sind Teil der normalen Mundflora, der oberen Atemwege und des Dickdarms.

Zu den wesentlichen anaeroben gramnegativen Bakterien, die an verschiedenen gemischten anaeroben Infektionen beteiligt sind, gehören

  • Bacteroides fragilis

  • Prevotella melaninogenica

  • Fusobacterium-Spezies

Die B. fragilis-Gruppe ist Teil der normalen Darmflora und umfasst die anaeroben Erreger am häufigsten isoliert von intraabdominalen und BeckenInfektionen. Erreger innerhalb der Prevotella-Gruppe und Fusobacterium-Spezies sind Teil der normalen oralen, vaginalen und Dickdarmflora.

Pathophysiologie gemischter anaerober Infektionen

Gemischte anaerobe Infektionen können meist wie folgt charakterisiert werden:

  • Sie treten tendenziell mit lokaler Eiteransammlung oder Abszessen auf.

  • Die in avaskulärem und nekrotischem Gewebe reduzierte Sauerstoffspannung und ein niedriges Redoxpotenzial sind wichtige Voraussetzungen für das Überleben der Erreger.

  • Wenn es zu einer Bakteriämie kommt, führt diese meist nicht zu einer disseminierten intravaskulären Koagulation (DIC) und Purpura.

Clostridien-Infektionen können zu einem septischen Schock führen, aber die meisten anderen anaeroben Infektionen nicht.

Manche anaeroben Bakterienarten besitzen eindeutige Virulenzfaktoren. Die Virulenzfaktoren von B. fragilis sind vermutlich für dessen häufige Isolierung aus klinischen Proben verantwortlich, trotz dessen relativer Seltenheit in der physiologischen Flora im Vergleich zu anderen Bacteroides-Spezies. Dieser Erreger weist eine Polysaccharidkapsel auf, die offensichtlich die Ausbildung von Abszessen stimuliert. Mittels eines experimentellen Modells für eine intraabdominelle Sepsis konnte gezeigt werden, dass B. fragilis alleine in der Lage ist, Abszesse zu verursachen, während andere Bacteroides-Spezies hierfür einen synergistischen Effekt anderer Erreger benötigen. Ein weiterer Virulenzfaktor, ein potentes Endotoxin, ist bei einem septischen Schock und DIC beteiligt, der mit einer schweren Pharyngitis durch Fusobacterium sp. assoziiert ist.

Die Morbidität und Letalität bei anaerober und gemischter bakterieller Sepsis ist genauso hoch wie die bei einer durch aerobe Erreger ausgelösten Sepsis. Anaerobe Infektionen werden oft durch eine tiefsitzende Gewebenekrose kompliziert. Die Gesamtletalitätsrate bei schwerer intraabdomineller Sepsis und gemischten anaeroben Pneumonien ist tendenziell hoch. Eine B. fragilis-Bakteriämie hat eine hohe Letalität, insbesondere bei älteren Patienten und Patienten mit einer Tumorerkrankung.

Symptome und Anzeichen von gemischten anaeroben Infektionen

Die Patienten weisen meist Fieber, Rigor und einen kritischen Krankheitszustand auf, ein Schock kist gewöhnlich nicht vorhanden. DIC kann bei Fusobacterium-Sepsis auftreten.

Spezifische Infektionen (und Symptome), die durch gemischte anaerobe Organismen verursacht werden, finden Sie an anderer Stelle im MSD-Manual und in der Tabelle Störungen, die häufig durch gemischte anaerobe Organismen verursacht werden.

Anaerobier kommen nur selten bei Harnwegsinfektionen, septischer Arthritis und infektiöser Endokarditis vor.

Tabelle

Diagnose von gemischten anaeroben Infektionen

  • Klinischer Verdacht

  • Gram-Färbung und Kultur

Klinische Hinweise auf die Anwesenheit von anaeroben Erregern schließen mit ein

  • Infektionin in der Nähe von Schleimhäuten, die anaerobe Flora tragen

  • Ischämie, Tumor, penetrierendes Trauma, Fremdkörper oder perforierter Darm

  • Sich ausbreitende Gangrän, die Haut, Unterhautgewebe, Faszien und Muskeln betreffen

  • Fäkulenter Geruch in eitrigem oder infiziertem Gewebe

  • Abszessbildung

  • Gasbildung im Gewebe

  • Septische Thrombophlebitis

  • Nichtansprechen auf Antibiotika, die keine signifikante Wirkung gegen anaerobe Bakterien haben

Eine Anaerobierinfektion sollte bei jeder faulig riechenden Wunde oder bei in einem Gram-Präparat des Eiters mikroskopisch nachweisbarer pleomorpher Mischflora vermutet werden. Nur Proben von normalerweise sterilen Standorten sollten anaerob kultiviert werden, da entsprechende anaerobe Verunreinigungen leicht mit Krankheitserregern verwechselt werden können.

Bei allen Materialien sollten Gram-Färbungen und aerobe Kulturen durchgeführt werden. Kulturen für Anaerobier, insbesondere wenn sie falsch gehandhabt werden, können falsch-negativ sein. Die Antibiotika-Empfindlichkeitsprüfung von Anaerobiern ist schwierig, und die Resultate können evtl. erst 1 Woche nach der initialen Kultur vorliegen. Wenn die Spezies jedoch bekannt ist, kann das Resistenzverhalten meist vorhergesagt werden. Daher führen viele Laboratorien keine routinemäßigen Empfindlichkeitsprüfungen bei Anaerobiern durch.

Behandlung von gemischten anaeroben Infektionen

  • Drainage und Débridement

  • Antibiotikawahl variiert je nach Ort der Infektion

Bei einer etablierten Infektion wird der Eiter drainiert und werden devitalisiertes Gewebe, Fremdkörper und nekrotisches Gewebe entfernt. Organperforationen müssen durch Verschluss oder Drainage behandelt werden. Wenn immer möglich, sollte die Blutversorgung wiederhergestellt werden. Eine septische Thrombophlebitis kann eine Venenligatur sowie Antibiotika erfordern.

Da die Ergebnisse der Anaerobierkultur evtl. erst nach 3–5 Tagen vorliegen, wird mit einer Antibiotikatherapie vor Nachweis der Erregerempfindlichkeit empirisch begonnen. Antibiotika wirken manchmal sogar, wenn manche der Bakterienarten bei einer Mischinfektion gegen das verwendete Antibiotikum resistent sind (z. B. wegen des Verlustes der Unterstützung durch andere Bakterienarten oder der nekrotischen anaeroben Umgebung), insbesondere wenn ein adäquates chirurgisches Débridement und eine suffiziente Drainage durchgeführt werden. Antibiotika werden basierend auf Infektionsstelle und dem damit wahrscheinlichen Erreger gewählt.

Oropharyngeale anaerobe Infektionen und Lungenabszessen

Oropharyngeale Infektionen können eventuell nicht auf eine Therapie ansprechen und erfordern daher ein Antibiotikum, das gegen penicillinresistente Anaerobier wirksam ist (siehe unten).

Oropharyngeale Infektionen und Lungenabszessen sollten mit Clindamycin oder einer Beta-Lactam/Beta-Lactamase-Hemmer-Kombination wie Amoxicillin/Clavulansäure behandelt werden. Bei Patienten mit Penicillinallergie ist Clindamycin oder Metronidazol (plus ein gegen Aerobier und Mikroaerophile wirksames Antibiotikum) sinnvoll.

Gastrointestinale (GI) oder anaerobe Infektionen des weiblichen Beckens

Gastrointestinale oder pelvine (bei Frauen) Anaerobierinfektionen enthalten wahrscheinlich obligat anaerobe gramnegative Bakterien wie B. fragilis sowie fakultativ gramnegative Bakterien wie Escherichia coli; eine Antibiotikaanwendungen muss gegen beide wirksam sein. Resistenzen von B. fragilis und anderen obligat anaeroben gramnegative Bakterien gegen Penicilline und Cephalosporine der 3. und 4. Generation treten auf. Jedoch haben die folgenden Antibiotika eine ausgezeichnete in-vitro-Aktivität gegen B. fragilis und sind wirksam:

  • Metronidazol

  • Carbapeneme (z. B. Imipenem/Cilastatin, Meropenem, Ertapenem, Doripenem)

  • Beta-Lactam/Beta-Lactamase-Kombinationen (z. B. Piperacillin/Tazobactam, Ampicillin/Sulbactam, Amoxicillin/Clavulansäure)

  • Tigezyklin

  • Moxifloxacin

Keine Monotherapie scheint überlegen zu sein. Zu den Antibiotika, die in vitro weniger vorhersehbar gegen B. fragilis wirksam sind, gehören Clindamycin, Cefoxitin und Cefotetan.

Metronidazol ist gegen clindamycinresistente B. fragilis, wirksam, besitzt ein einzigartige bakterizide Wirksamkeit gegen Anaerobier und führt meist nicht zu einer pseudomembranösen Kolitis, die gelegentlich bei Clindamycin auftritt. Bedenken hinsichtlich einer potenziellen Mutagenität von Metronidazol wurden bislang klinisch nicht bestätigt.

Da viele Therapien, die derzeit zur Behandlung von gastrointestinalen oder pelvinen (bei Frauen) Anaerobierinfektionen (siehe auch Behandlung von entzündlichen Erkrankungen des Beckens) auch gegen fakultativ gramnegative Bakterien wirksam sind, ist der Gebrauch eines potenziellen nephrotoxischen Aminoglykosids (um enterische fakultative gramnegative Bakterien abzudecken) zzgl. eines Antibiotikums gegen B. fragilis nicht länger gerechtfertigt.

Prävention von gemischten anaeroben Infektionen

Vor elektiven kolorektalen Eingriffen, sollten Patienten eine präoperative Darmsanierung haben, bestehend aus

  • Abführmitteln

  • Einläufen

  • Antibiotika

Die meisten Chirurgen geben sowohl orale als auch parenteralen Antibiotika. Bei einer kolorektalen Notfalloperation werden nur parenterale Antibiotika eingesetzt.

Die präoperative Gabe parenteraler Antibiotika vermindert die Wahrscheinlichkeit einer Bakteriämie, reduziert sekundäre oder metastatische eitrige Komplikationen und verhindert die lokale Ausbreitung einer Infektion im Bereich des Operationssitus. Beispiele für orale Antibiotika sind Neomycin plus entweder Erythromycin oder Metronidazol; diese Antibiotika werden nicht mehr als 18 bis 24 Stunden vor dem Eingriff gegeben. Beispiele für parenterale präoperative Antibiotika sind Cefazolin plus Metronidazol oder Cefoxitin, Cefotetan oder Ertapenem jeweils allein; diese Antibiotika werden innerhalb einer Stunde vor dem Eingriff verabreicht.

Während langwieriger Eingriffe können intraoperative Antibiotika alle 1 bis 2 Halbwertszeit des Antibiotikums gegeben werden. Typischerweise werden die postoperativen Antibiotika nicht länger als 24 Stunden nach der Operation fortgesetzt.

Für Patienten mit bestätigter Allergie oder negative Reaktion auf Beta-Lactame wird eine der folgenden Therapien empfohlen:

  • Clindamycin und Gentamicin, Aztreonam, oder Ciprofloxacin

  • Metronidazol und Gentamicin oder Ciprofloxacin

Wichtige Punkte

  • Gemischte anaerobe Infektionen treten auf, wenn die normale kommensale Beziehung zwischen der normalen Flora der Schleimhäute (z. B. Haut, Mund, gastrointestinalem Trakt, Vagina) gestört ist (z. B. durch Operationen, Verletzungen, Ischämie oder Nekrose).

  • Die Infektionen treten tendenziell mit lokaler Eiteransammlung oder Abszessen auf.

  • Der klinische Verdacht im klinischen Umfeld beruht auf der Anwesenheit von Gangrän, Eiter, Abszess, Gas im Gewebe und/oder fäkulentem Geruch.

  • Entwässern Sie das infizierte Gebiet und geben Sie Antibiotika, die auf der Grundlage des Infektionsortes (und damit wahrscheinlicher Organismen) ausgewählt wurden.