Lungenabszess

VonSanjay Sethi, MD, University at Buffalo, Jacobs School of Medicine and Biomedical Sciences
Überprüft/überarbeitet März 2023
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Ein Lungenabszess ist eine nekrotisierende Lungeninfektion, die durch eine mit Eiter gefüllte kavernöse Läsion charakterisiert ist. Am meisten wird er bei Patienten mit Bewusstseinsstörungen durch Aspiration von oralen Sekreten verursacht. Die Symptome sind produktiver Husten, Fieber, Schweißausbrüche und Gewichtsverlust. Die Diagnose basiert primär auf dem Röntgenthorax. Die Behandlung erfolgt in der Regel mit einer Kombination von Beta-Lactam/Beta-Lactamase-Inhibitoren oder einem Carbapenem.

Ätiologie des Lungenabszesses

  • Aspiration von oralen Sekreten (am meisten)

  • Endobronchiale Behinderung

  • Hämatogene Besiedelung der Lunge (seltener)

Die meisten Lungenabszesse entwickeln sich nach Aspiration von oralen Sekreten von Patienten mit Gingivitis oder schlechter Mundhygiene. In der Regel sind die Patienten durch Alkohol, Freizeitdrogen, Narkosemittel, Beruhigungsmittel oder Opioide bewusstseinsverändert. Ebenfalls gefährdet sind ältere Patienten und solche, die – häufig aufgrund neurologischer Erkrankungen – orale Sekrete nicht richtig schlucken können.

Lungenabszessen können sich auch sekundär zu endobronchialer Behinderung entwickeln (z. B. aufgrund von Bronchialkarzinom) oder Immunsuppression (z. B. aufgrund von HIV/AIDS oder nach Transplantation und der Verwendung von Immunsuppressiva).

Eine weniger häufige Ursache von einem Lungenabszess ist die nekrotisierende Pneumonie, die durch hämatogene Aussaat der Lungen aufgrund von purulenter Thromboembolie (z. B. septische Embolie aufgrund von IV Drogenkonsum oder Lemierre-Syndrom) oder rechtsseitiger Endokarditis entstehen kann. Im Gegensatz zu Aspiration und Obstruktion treten diese Erkrankungen in der Regel akut auf und verursachen multiple und nicht isolierte Lungenabszesse.

Bei bestimmten pyogenen Bakterien (z. B. Staphylococcus aureus) ist eine direkte Infektion (z. B. durch ein Empyem, einen subphrenen oder mediastinalen Abszess) anstelle einer hämatogenen Aussaat möglich.

Pathogene Erreger

Die häufigsten Erreger von Lungenabszessen aufgrund von Aspiration sind anaerobe Bakterien, aber in etwa der Hälfte aller Fälle sind sowohl anaerobe als auch aerobe Organismen beteiligt (siehe Tabelle Infektiöse Ursachen von kavitären Lungenläsionen).

Die häufigsten anaeroben Pathogene sind:

  • Peptostreptococcus

  • Fusobacterium

  • Prevotella

  • Bacteroides

Die häufigsten aeroben Pathogene sind:

Gelegentlich entstehen Fälle aufgrund von gramnegativen Bakterien, insbesondere Klebsiella. Immunsupprimierte Patienten mit Lungenabszess werden am meisten mit Pseudomonas aeruginosa oder anderen gram-negativen Bakterien infiziert, können aber auch Infektionen mit Nocardia, Mycobacteria oder Pilzen haben.

Seltene Fälle von Lungengangrän (ausgedehnte Nekrose mit Beteiligung eines Lungenlappens oder einer Lunge) oder fulminanter Lungenentzündung mit Sepsis wurden mit Erregern wie MRSA, Pneumococcus, und Klebsiella berichtet. Bei einigen Patienten, besteht das Risiko von Abszessen durch Mycobacterium tuberculosis. Selten gibt es Fälle aufgrund von Amöbeninfektion (z. B. mit Entamoeba histolytica), hydatide Zysten, Paragonimiasis oder Infektionen mit Burkholderia pseudomallei.

Der Eintritt dieser Erreger in die Lunge verursacht zunächst eine Entzündungsreaktion, die über ein oder zwei Wochen zu Gewebenekrosen und schließlich zur Abszessbildung führt. Am häufigsten entleeren sich diese Abszesse in einen Bronchus, der Inhalt wird expektoriert und es verbleibt eine mit Luft und Flüssigkeit gefüllte Kaverne. In etwa 10% der Fälle kann die direkte oder indirekte Ausdehnung (durch eine bronchopleurale Fistel) in den Pleuraspalt zu einem Empyem führen.

Tabelle

Symptome und Anzeichen von Lungenabszess

Die Symptomatik von Abszessen durch Anaerobier oder anaerob-aerobe bakterielle Mischinfektionen verläuft üblicherweise chronisch (z. B. Auftreten über Wochen oder Monate) und umfasst produktiven Husten, Fieber, nächtliche Schweißausbrüche und Gewichtsverlust. Die Patienten können auch Bluthusten und pleuritischen Schmerzen in der Brust zu haben. Das Sputum kann eitrig oder blutig tingiert sein und riecht und schmeckt typischerweise faulig. Die Patienten können stinkenden Atem haben.

Die Symptomatik von Abszessen durch aerobe Erreger entwickelt sich akuter und ähnelt der von bakteriellen Pneumonien. Abszesse durch nicht anaerobe Organismen (z. B. Mycobacteria, Nocardia) gehen nicht mit eitrigen respiratorischen Sekretionen einher und können mit höherer Wahrscheinlichkeit in unabhängigen Lungenanteilen auftreten.

Die klinischen Befunde von Lungenabszessen sind, sofern vorhanden, unspezifisch und ähneln denen der Pneumonie: abgeschwächte Atemgeräusche als Zeichen von Konsolidierung oder Erguss, Temperatur 38° C, Rasselgeräusche über den betroffenen Arealen, Ägophonie und Klopfschalldämpfung bei Erguss. Die Patienten haben typischerweise Anzeichen von Parodontose und eine prädisponierende Ursache für Aspiration, wie Dysphagie oder eine zu Bewusstseinsstörungen führende Erkrankung, in der Vorgeschichte.

Diagnose des Lungenabszesses

  • Röntgenthorax

  • Oft Thorax-CT zur besseren Visualisierung oder bei Verdacht auf eine endobronchiale Obstruktion

  • Sputumkulturen für aerobe Bakterien, Pilze und Mykobakterien

  • Bronchoskopie nach Bedarf, um Krebs auszuschließen und ungewöhnliche Krankheitserreger wie Pilze oder Mykobakterien festzustellen und bei immunsupprimierten Patienten

  • Kultur jeglicher Pleuraflüssigkeit

Der Verdacht auf einen Lungenabszess ergibt sich aus der Anamnese eines Risikopatienten (z. B. Aspirationsneigung aufgrund von Bewusstseinsstörungen oder Dysphagie oder Immunsuppression) und wird durch ein Röntgenthorax mit Kavitation bestätigt.

Kavernöse Lungenläsionen werden nicht immer durch eine Infektion verursacht. Zu den nicht infektiösen Ursachen von kavitären pulmonalen Läsionen gehören die folgenden:

Bei einer Anaerobierinfektion durch Aspiration zeigt der Röntgenthorax typischerweise eine Konsolidierung mit solitärer Kaverne, die einen Luft-Flüssigkeits-Spiegel in den beim Liegen abhängigen Lungenarealen (z. B. posteriores Oberlappensegment oder oberes oder laterobasales Unterlappensegment) enthält. Durch dieses Verteilungsmuster können Abszesse durch Anaerobier von Lungenkavernen anderer Genese unterschieden werden, weil diffuse oder embolische Lungenerkrankungen oft multiple Kavernen verursachen können und Tuberkulose normalerweise die Lungenspitzen mit befällt.

CT ist nicht routinemäßig erforderlich (z. B. wenn Kavitation bei einem Patienten, der Risikofaktoren für einen Lungenabszess hat, auf Röntgenthorax eindeutig ist). Jedoch kann eine CT nützlich sein, wenn Kavitation vermutet wird, aber nicht deutlich auf dem Röntgenthoraxb erkennbar ist, wenn vermutet wird, dass eine zugrundeliegende pulmonalen Raumforderung die Drainage eines Lungensegments behindert, oder wenn ein Abszess von einem Empyem oder Bullae mit Luft-Flüssigkeits-Spiegel unterschieden werden muss.

Ein Bronchialkarzinom kann zu einer Behinderung führen, die Pneumonie und die Bildung von Abszessen verursacht. Ein Bronchialkarzinom sollte bei Patienten, die nicht auf antimikrobielle Behandlung ansprechen oder atypische Befunde, wie eine kavitäre Läsion haben und fieberfrei sind. Eine Bronchoskopie wird manchmal durchgeführt, um Krebs oder das Vorhandensein eines Fremdkörpers auszuschließen oder um ungewöhnliche Erreger, wie z. B. Pilze oder Mykobakterien, zu erkennen. Eine Bronchoskopie wird durchgeführt, wenn die Patienten immungeschwächt sind.

Kulturen

Anaerobier sind in Kultur schwer zu identifizieren, da nichtkontaminierte Proben schwer zu gewinnen sind und die meisten Labore diese nicht gut oder häufig genug anzüchten. Bei eitrigem Sputum ist eine ursächliche Anaerobierinfektion anzunehmen. Jedoch stellen Pleuraergüsse einen guten Nährboden für Anaerobier dar, sofern ein Empyem vorliegt.

Ist eine Anaerobierinfektion den klinischen Befunden nach weniger wahrscheinlich, liegt eine Infektion durch Aerobier, Pilze oder Mykobakterien nahe und es sollte versucht werden, den Erreger zu identifizieren. Sputumkulturen und/oder Kultivierung von bronchoskopisch abgesaugtem Material sind dabei hilfreich.

Behandlung des Lungenabszesses

  • I.v. Antibiotika oder, für weniger schwer betroffene Patienten, orale Antibiotika

  • Perkutane, endobronchiale oder chirurgische Drainage bei jedem Abszess, der nicht auf Antibiotika oder bei jeder Art von Empyem.

Die erste Wahl ist eine Kombination aus Beta-Lactam/Beta-Lactamase-Inhibitor, z. B. Ampicillin/Sulbactam 1,5 g (1 g Ampicillin plus 0,5 g Sulbactam) bis 3 g (2 g Ampicillin plus 1 g Sulbactam) i.v. oder i.m. alle 6 Stunden; die Dosis sollte 12 g pro Tag nicht überschreiten. Alternativen beinhalten ein Carbapenem (z. B. Imipenem/Cilastatin 500 mg IV alle 6 h) oder eine Kombinationstherapie mit Metronidazol 500 mg alle 8 h und Penicillin 2 Millionen Einheiten IV alle 6 h. Bei Patienten, die allergisch auf Penicillin reagieren, sind Clindamycin 600 mg i.v. alle 8 Stunden, Moxifloxacin 400 mg einmal täglich oder eine Kombinationstherapie mit Levofloxacin 750 mg einmal täglich mit Metronidazol 500 mg alle 8 Stunden eine Alternative.

Weniger schwer kranke Patienten können orale Antibiotika erhalten, wie z. B. Amoxicillin/Clavulansäure 1g (875/125 mg) oral alle 12 Stunden oder, bei Patienten mit Penicillinallergie, Clindamycin 300 mg oral alle 6 Stunden. Die IV Behandlung kann auf orale Gaben umgestellt werden, sobald der Patient entfiebert.

Bei sehr schweren Infektionen mit MSRA ist die beste Behandlung Linezolid oder Vancomycin.

Werden gramnegative Bakterien in signifikanter Konzentration aus Sputum oder Blut kultiviert und in der Gram-Färbung identifiziert, sollte das Antibiotikaregime so angepasst werden, dass es neben Anaerobiern auch den spezifischen Erreger abdeckt.

Clindamycin 600 mg i.v. alle 6 bis 8 Stunden war das Mittel der Wahl, weil es eine ausgezeichnete Wirkung gegen Streptokokken und anaerobe Organismen hat; es ist jedoch zu einem Mittel der zweiten Wahl geworden, weil man sich Sorgen über die hohe Rate von Clostridioides (früher Clostridium) difficile-Infektionen macht, wenn die Clindamycin-Therapie verlängert wird. Es ist immer noch eine nützliche Wahl bei Penicillin-allergischen Patienten.

Die optimale Behandlungsdauer ist unbekannt. Üblicherweise wird behandelt, bis das Röntgenthorax-Bild eine komplette Rückbildung oder eine kleine, stabile residuale Narbe zeigt, was normalerweise 3–6 Wochen oder länger dauert. Generell gilt: Je größer der Abszess, desto länger dauert es, bis auf dem Röntgenbild eine Rückbildung zu sehen ist.

Die meisten Experten empfehlen keine thorakale Physiotherapie oder Lagerungsdrainage, wegen der möglichen Streuung einer Infektion in andere Bronchien mit Ausdehnung der Infektion oder akuter Obstruktion verteilt werden könnte.

Ein begleitendes Empyem muss drainiert werden. Operative Entfernung oder Drainage von Lungenabszessen ist bei etwa 10% der Patienten erforderlich, die nicht auf die antibiotische Therapie ansprechen und solche, die ein pulmonales Gangrän entwickeln. Antibiotikaresistenzen kommen am häufigsten bei großen Kavernen und bei postobstruktiven Abszessen vor. Wenn Patienten nicht entfiebern oder sich ihr Zustand klinisch nach 7 bis 10 Tagen nicht verbessert, sollten sie auf resistente oder ungewöhnliche Krankheitserreger, Obstruktion der Atemwege, und nicht-infektiöse Ursachen von Kavitation untersucht werden.

Wird eine chirurgische Intervention erforderlich, stellt eine Lobektomie den häufigsten Eingriff dar. Bei kleinen Läsionen (Kavernen mit Durchmesser von < 6 cm) können Segmentresektionen ausreichen. Bei multiplen Abszessen, die nicht auf eine medikamentöse Therapie anspricht, kann eine Pneumektomie notwendig werden. Bei Patienten, die einen chirurgischen Eingriff wahrscheinlich nicht vertragen, kann eine perkutane Drainage oder in seltenen Fällen die bronchoskopische Platzierung eines Pigtail-Katheters unter Ultraschallkontrolle die Drainage erleichtern. .

Wichtige Punkte

  • Fast immer werden Lungenabszesse durch Aspiration von oralen Sekreten bei Patienten mit Bewusstseinsstörungen verursacht; anaerobe Bakterien sind unter den verbreiteten Erregern.

  • Ein Lungenabszess sollte bei Patienten vermutet werden, die anfällig für Aspiration sind und subakute konstitutionelle und pulmonale Symptome zeigen und deren Röntgenthorax kompatibel Läsionen wie Hohlräume zeigt.

  • Behandeln Sie den Patienten zunächst mit Antibiotika; wenn er nicht innerhalb von 7 bis 10 Tagen anspricht, untersuchen Sie ihn auf ungewöhnliche oder resistente Erreger, bronchiale obstruktive Läsionen und nicht-infektiöse Ursachen der Lungenkavitation.

  • Empyeme sollten entwässert werden und eine operative Entfernung oder Drainage von Lungenabszessen in Erwägung gezogen werden, die nicht auf die medikamentöse Therapie ansprechen sowie bei Lungengangrän.