Hyperemesis gravidarum

VonAntonette T. Dulay, MD, Main Line Health System
Überprüft/überarbeitet Okt. 2022
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Hyperemesis gravidarum bedeutet schwere Übelkeit und Erbrechen während der Schwangerschaft, die zu Dehydrierung, Gewichtsverlust und Ketose führen. Die Diagnose ergibt sich aus den klinischen Befunden sowie der Bestimmung der Ketonkörper im Urin, der Serum-Elektrolyte und der Nierenfunktion. Die Behandlung erfolgt durch vorübergehenden Verzicht auf orale Nahrungsaufnahme und intravenöse Flüssigkeitszufuhr, Antiemetika und bei Bedarf Vitamin- und Elektrolytsubstitution.

(Siehe auch Ursachen von Übelkeit und Erbrechen in der Frühschwangerschaft.)

Es kommt häufig vor, dass eine Schwangerschaft Übelkeit und Erbrechen verursacht. Ursächlich dafür scheinen die rasch ansteigenden Serumspiegel des Östrogens oder der Beta-Untereinheit des humanen Choriongonadotropins (Beta-hCG) zu sein. Das Erbrechen entwickelt sich meist um die 5. Schwangerschaftswoche, hat um die 9. Schwangerschaftswoche den Höhepunkt und verschwindet nach etwa der 16. oder 18. Schwangerschaftswoche. Es wird oft als Morgenübelkeit bezeichnet, kann aber zu jeder Tageszeit auftreten. Frauen mit normaler Übelkeit und Erbrechen während der Schwangerschaft nehmen in der Regel weiter an Gewicht zu und dehydrieren nicht.

Hyperemesis gravidarum ist eine extreme Form der normalen Übelkeit und Erbrechen während der Schwangerschaft. Es kann durch folgende Ursachen abgegrenzt werden:

  • Gewichtsverlust (> 5% des Körpergewichtes)

  • Dehydratation

  • Ketoazidose

  • Elektrolytanomalien (bei vielen Frauen)

Bei fortschreitender Dehydrierung kann es zu Tachykardie und Hypotonie kommen.

Hyperemesis gravidarum kann eine leichte, vorübergehende Hyperthyreose verursachen. Eine Hyperemesis, die über die 16.–18. SSW hinaus fortbesteht, ist ungewöhnlich, kann aber zu einer ernsthaften Schädigung der Leber führen und eine bedrohlich zentrolobuläre Nekrose oder eine ausgedehnte fettige Leberzelldegeneration und eine Wernicke-Enzephalopathie oder gar Ösophagusruptur verursachen.

Diagnose von Hyperemesis gravidarum

  • Manchmal serielle Gewichtsmessungen

  • Ketonkörper im Urin

  • Serum-Elektrolyte und Nierenwerte

Ärzte vermuten Hyperemesis gravidarum aufgrund von Symptomen (z. B. Beginn, Dauer und Häufigkeit des Erbrechens; exazerbierende und lindernde Faktoren; Art und Ausmaß der Emesis). Serielle Gewichtsmessungen können die Diagnose unterstützen.

Bei Verdacht auf Hyperemesis gravidarum werden Ketone im Urin, Thyreoidea-stimulierendes Hormon (TSH), Serumelektrolyte, Blut-Harnstoff-Stickstoff (BUN), Kreatinin, Aspartat-Aminotransferase (AST), Alanin-Aminotransferase (ALT), Magnesium und Phosphor gemessen. Ein gynäkologischer Ultraschall Ausschluss sollte durchgeführt werden um eine Blasenmole und eine Mehrlingsschwangerschaft zu überprüfen.

Differenzialdiagnosen

Andere Erkrankungen, die ein Erbrechen auslösen können, müssen ausgeschlossen werden; dazu gehören Gastroenteritis, Hepatitis, Blinddarmentzündung, Gallenblasenentzündung, andere Erkrankungen der Gallenwege, Magengeschwüre, Darmverschluss, nicht durch Hyperemesis gravidarum verursachte Schilddrüsenüberfunktion (z. B. ausgelöst durch Morbus Basedow), gestationsbedingte Trophoblasttumoren, Nephrolithiasis, Pyelonephritis, diabetische Ketoazidose oder Gastroparese, benigne intrakranielle Hypertonie und Migräne-Kopfschmerzen.

Zusätzlich zu Übelkeit und Erbrechen vorhandene prominente Symptome weisen oft auf eine andere Ursache hin.

Diesbezügliche differenzialdiagnostische Untersuchungen richten sich nach den Befunden des Labors, der klinischen und der sonographischen Untersuchung.

Behandlung von Hyperemesis gravidarum

  • Vorübergehender Verzicht auf orale Nahrungsaufnahme, gefolgt von einer schrittweisen Wiederaufnahme

  • Flüssigkeiten, Thiamin, Multivitamine und Elektrolyte nach Bedarf

  • Antiemetika bei Bedarf

  • Selten vollständig parenterale Ernährung

Anfangs erfolgt die Zufuhr nicht oral. Die Erstbehandlung besteht aus i.v. Volumenersatz, beginnend mit einer Infusion von 2 l Ringer-Laktat über 3 Stunden, um eine Urinausscheidung von > 100 ml/Stunde aufrecht zu erhalten. Vor einer etwaigen Dextrose-Gabe werden zunächst 100 mg Thiamin IV gegeben, um eine Wernicke-Enzephalopathie zu verhindern. Die Thiamindosis sollte täglich über 3 Tage gegeben werden.

Der nachfolgende Flüssigkeitsbedarf hängt von der Reaktion der Patientin ab, kann aber durchaus bis zu 1 l alle 4 Stunden über 3 Tage betragen.

Elektrolytmängel werden ausgeglichen; Kalium, Magnesium und Phosphat werden nach Bedarf substituiert. Es muss darauf geachtet werden, dass die niedrigen Natriumspiegel nicht zu rasch ausgeglichen werden, da eine zu schnelle Korrektur ein osmotisches Demyelinisierungssyndrom zur Folge haben kann.

Erbrechen, das nach der ersten Flüssigkeits- und Elektrolytsubstitution anhält, wird mit Antiemetika und anderen Medikamenten behandelt, die je nach Bedarf eingenommen werden:

  • Vitamin B6 10–25 mg p.o. alle 8 h oder alle 6 h

  • Doxylamin 12,5 mg p.o. alle 8 h oder alle 6 h (kann zusätzlich zu Vitamin B6 eingenommen werden)

  • Promethazin 12,5–25 mg p.o., i.m. oder rektal alle 4–8 h

  • Metoclopramid 5–10 mg IV oder p.o. alle 6-8 h

  • Ondansetron 8 mg oral oder als Injektion alle 12 Stunden (bei Verwendung vor der 10. Schwangerschaftswoche sollten die möglichen Risiken von Geburtsfehlern berücksichtigt werden)

  • Prochlorperazin 5–10 mg oral, i.v. oder i.m. alle 6 Stunden oder 25 mg rektal 2-mal täglich, je nach Bedarf

Wenn Dehydratation und akutes Erbrechen beseitigt sind, werden kleine Mengen Flüssigkeit oral gegeben. Patientinnen, die trotz intravenöser Rehydrierung und Antiemetikagabe keinerlei orale Flüssigkeit tolerieren können, müssen ggf. stationär aufgenommen werden oder unter häuslichen Bedingungen eine intravenöse Therapie erhalten und dürfen über einen längeren Zeitraum nichts enteral aufnehmen (in manchen Fällen über mehrere Tage oder länger). Haben die Patientinnen erst einmal wieder Flüssigkeit toleriert, können sie kleine leichte Mahlzeiten essen; der Nahrungsaufbau erfolgt dann nach Verträglichkeit. Zu Beginn und so lange, bis Vitamine wieder oral aufgenommen werden können, ist eine Vitamingabe IV erforderlich.

Wenn diese Behandlung ineffektiv ist, können Kortikosteroide versucht werden; z. B. kann Methylprednisolon 16 mg alle 8 Stunden p.o. oder IV für 3 Tage gegeben werden, dann über 2 Wochen zur niedrigsten wirkungsvollen Dosis ausschleichen. Kortikosteroide sollten < 6 Wochen und mit äußerster Vorsicht verwendet werden. Sie sollten nicht während der fetalen Organogenese (zwischen Tag 20 und 56 nach der Befruchtung) genommen werden; die Verwendung dieser Arzneimittels während des 1. Trimesters ist geringfügig mit der Entwicklung von Gesichtsspalten assoziiert. Der Mechanismus der Wirkung von Kortikosteroiden auf die Übelkeit ist unbekannt. In extremen Fällen wurde die totale parenterale Ernährung verwendet, obwohl davon im Allgemeinen abgeraten wird.

In seltenen Fällen kann es trotz der Behandlung zu fortschreitendem Gewichtsverlust, Gelbsucht oder anhaltender Tachykardie kommen. In solchen Fällen kann ein Schwangerschaftsabbruch angeboten werden, sofern dieser möglich ist.

Wichtige Punkte

  • Als Hyperemesis gravidarum bezeichnet man schwere Übelkeit und Erbrechen während der Schwangerschaft, die im Gegensatz zur morgendlichen Übelkeit zu Gewichtsverlust, Ketose, Dehydrierung und manchmal zu Elektrolytstörungen führen können.

  • Andere Erkrankungen, die zu Erbrechen führen können, müssen auf Basis der Symptomatik der Frau ausgeschlossen werden.

  • Der Schweregrad wird durch Messung der Ketonkörper im Urin. Blut-Harnstoff-Stickstoff, Kreatinin und Körpergewicht bestimmt.

  • Zunächst wird auf orale Nahrungsaufnahme verzichtet, Flüssigkeiten und Nährstoffe werden IV gegeben, die orale Aufnahme wird allmählich wiederhergestellt und Antiemetika nach Bedarf gegeben.