Arzneimittelassoziierte Probleme bei Älteren

VonJ. Mark Ruscin, PharmD, FCCP, BCPS, Southern Illinois University Edwardsville School of Pharmacy;
Sunny A. Linnebur, PharmD, BCPS, BCGP, Skaggs School of Pharmacy and Pharmaceutical Sciences, University of Colorado
Reviewed ByMichael R. Wasserman, MD, California Association of Long Term Care Medicine
Überprüft/überarbeitet Geändert Apr. 2025
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Arzneimittelbezogene Probleme sind bei älteren Erwachsenen häufig und umfassen Arzneimittelunwirksamkeit, unerwünschte Arzneimittelwirkungen, Überdosierung, Unterdosierung, unangemessene Behandlung, unzureichende Überwachung, mangelnde Adhärenz und Arzneimittel-Arzneimittel- oder Arzneimittel-Krankheits-Wechselwirkungen. (Siehe auch Überblick über die medikamentöse Therapie bei älteren Erwachsenen.)

Medikamente können bei älteren Erwachsenen unwirksam sein, weil Ärzte die Dosis zu niedrig dosieren oder nicht mit der Zeit titrieren (z. B. wegen erhöhter Besorgnis über unerwünschte Wirkungen) oder weil die Adhärenz schlecht ist (z.B. aufgrund finanzieller oder kognitiver Einschränkungen).

Unerwünschte Arzneimittelwirkungen sind Wirkungen, die unerwünscht, unangenehm oder gefährlich sind. Häufige Beispiele sind Übersedierung, Verwirrtheit, Halluzinationen, Stürze, Diarrhö, Verstopfung und Blutungen. Bei nichtbettlägerigen Menschen 65 Jahren treten unerwünschte Arzneimittelwirkungen mit einer Häufigkeit von etwa 50 Ereignissen pro 1000 Personenjahre auf (1). Die Zahl der Krankenhausaufenthalte aufgrund unerwünschter Arzneimittelwirkungen ist bei älteren Patienten vier- bis siebenmal höher als bei jüngeren Patienten; diese Krankenhausaufenthalte sind bei älteren Patienten am häufigsten auf Antikoagulanzien, Antibiotika, Diabetesmittel, Opioidanalgetika und Antipsychotika zurückzuführen (2, 3).

Literatur

  1. 1. Gurwitz JH, Field TS, Harrold LR, et al. Incidence and preventability of adverse drug events among older persons in the ambulatory setting. JAMA. 2003;289(9):1107-1116. doi:10.1001/jama.289.9.1107

  2. 2. Salvi F, Marchetti A, D'Angelo F, Boemi M, Lattanzio F, Cherubini A. Adverse drug events as a cause of hospitalization in older adults. Drug Saf. 2012;35 Suppl 1:29-45. doi:10.1007/BF03319101

  3. 3. Shehab N, Lovegrove MC, Geller AI, Rose KO, Weidle NJ, Budnitz DS. US Emergency Department Visits for Outpatient Adverse Drug Events, 2013-2014. JAMA. 2016;316(20):2115-2125. doi:10.1001/jama.2016.16201

Gründe für arzneimittelassoziierte Probleme

Unerwünschte Arzneimittelwirkungen können bei jedem Patienten auftreten, allerdings sind ältere Menschen aufgrund bestimmter Merkmale anfälliger. Ältere Menschen nehmen z. B. häufig mehrere Medikamente ein und weisen altersbedingte Veränderungen von Pharmakodynamik und Pharmakokinetik auf; beides erhöht das Nebenwirkungsrisiko.

Unerwünschte Arzneimittelwirkungen können in jedem Alter auftreten, auch wenn die Medikamente verschrieben und richtig eingenommen wurden; neu auftretende allergische Reaktionen sind z. B. nicht vorhersehbar oder vermeidbar. Allerdings wird angenommen, dass unerwünschte Wirkungen in vielen Fällen bei älteren Erwachsenen vermeidbar sind (1).

Bei älteren Patienten sind eine Reihe von gängigen Ursachen für unerwünschte Arzneimittelwirkungen, für Unwirksamkeit oder beides vermeidbar. Solche vermeidbaren Ursachen umfassen:

Unzureichende Kommunikation mit Patienten oder zwischen Angehörigen der Gesundheitsberufe (insbesondere bei Übergängen in der Gesundheitsversorgung) ist eine der Hauptursachen für unerwünschte Arzneimittelwirkungen bei älteren Erwachsenen. Viele medikamentenbedingte Probleme könnten vermieden werden, wenn bei der Aufnahme oder Entlassung von Patienten aus dem Krankenhaus oder bei anderen Übergängen in der Pflege (Verlegung von Pflegeheim zu Krankenhaus oder von einer qualifizierten Pflegeeinrichtung zu einem Heim) der Arzneimittelabstimmung größere Aufmerksamkeit geschenkt würde (2-4). Eine weitere Ursache für unerwünschte Arzneimittelwirkungen ist das Fehlen einer kontinuierlichen Bewertung der Wirksamkeit von Arzneimitteln und der fortgesetzte Bedarf an bestimmten Medikamenten.

Interaktionen zwischen Arzneimitteln und Erkrankungen

Ein Medikament, das gegeben wird, um eine Krankheit zu behandeln, kann unabhängig vom Alter des Patienten eine andere Krankheit verschlimmern; solche Interaktionen sind bei älteren Menschen allerdings von besonderer Bedeutung. Es ist schwierig, oftmals kaum merkliche unerwünschte Arzneimittelwirkungen von Auswirkungen der Krankheit zu unterscheiden, und dies kann zu einer Verschreibungskaskade führen. Die Beers-Kriterien® der American Geriatrics Society werden häufig verwendet, um potenzielle Wechselwirkungen zwischen Arzneimitteln und Erkrankungen bei älteren Erwachsenen zu identifizieren und bieten Empfehlungen für die medizinische Behandlung (5).

Eine Verschreibungskaskade ergibt sich, wenn die unerwünschte Wirkung eines Arzneimittels als Symptom oder Anzeichen einer neuen Erkrankung fehlinterpretiert und ein neues Medikament verschrieben wird, um sie zu behandeln. Das neue, überflüssige Medikament kann zusätzliche unerwünschte Wirkungen hervorrufen, die ihrerseits als weitere neue Krankheit fehlinterpretiert und unnötig behandelt werden könnten etc.

Viele Medikamente haben Nebenwirkungen, die Krankheitssymptomen, die häufig bei älteren Menschen vorkommen, oder altersbedingten Veränderungen ähneln. Im Folgenden werden Beispiele gegeben:

  • Antipsychotika können Symptome verursachen, die M. Parkinson ähneln. Bei älteren Erwachsenen können diese Symptome als M. Parkinson diagnostiziert und mit dopaminergen Medikamenten behandelt werden, was möglicherweise zu unerwünschten Wirkungen der Antiparkinson-Medikamente (z. B. orthostatische Hypotonie, Delir, Halluzinationen, Überkeit) führt.

  • Cholinesterasehemmer (z. B. Donepezil, Rivastigmin, Galantamin) können Patienten mit Demenz verschrieben werden. Diese Medikamente können Diarrhö oder Harnfrequenz oder Dranginkontinenz verursachen. Den Patienten kann dann ein Anticholinergikum (z. B. Oxybutynin) gegen die neu auftretenden Symptome verordnet werden. Somit wird ein unnötiges Medikament hinzugenommen und das Risiko von unerwünschten Arzneimittelwirkungen und Arzneimittelinteraktionen erhöht. Eine bessere Strategie besteht darin, die Dosis des Cholinesterasehemmers zu reduzieren oder eine andere Demenzbehandlung mit einem anderen Wirkmechanismus (z. B. Memantin) in Betracht zu ziehen.

  • Kalziumantagonisten (z. B. Amlodipin, Nifedipin, Felodipin) können Patienten mit Hypertonie verschrieben werden. Diese Medikamente können die Hypertonie angemessen behandeln, aber sie können auch periphere Ödeme verursachen. Den Patienten kann dann eine harntreibende Therapie (z. B. Furosemid) verschrieben werden, die wiederum eine Hypokaliämie verursachen kann, die eine Kaliumergänzung erforderlich macht. Eine bessere Strategie ist es, die Dosis zu reduzieren oder den Kalziumkanalblocker zugunsten anderer blutdrucksenkender Medikamente wie Angiotensin-Converting-Enzym-Hemmer oder Angiotensin-Rezeptorblocker abzusetzen.

Bei älteren Patienten sollten die verordnenden Ärzte immer im Auge behalten, dass ein neues Symptom oder Zeichen möglicherweise auf der bestehenden Pharmakotherapie beruht.

Arzneimittelinteraktionen

Da ältere Menschen oft viele Medikamente einnehmen, sind sie besonders anfällig für Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten. Ältere Menschen verwenden häufig auch Heilkräuter und andere Nahrungsergänzungsmittel und teilen dies möglicherweise den medizinischen Fachkräften nicht mit. Heilkräuter können mit verordneten Medikamenten interagieren und zu unerwünschten Wirkungen führen. Ginkgo-biloba-Extrakt in Verbindung mit Warfarin kann z. B. das Blutungsrisiko erhöhen und Johanniskraut in Verbindung mit einem selektiven Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI) das Risiko eines serotonergen Syndroms. Daher sollten die Ärzte die Patienten gezielt nach Nahrungsergänzungsmitteln, inkl. Heilkräuter und Vitaminpräparate, fragen.

Wechselwirkungen zwischen Arzneimitteln bei älteren Erwachsenen entsprechen denen der Allgemeinbevölkerung. Allerdings kann die Induktion des Cytochrom-P-450 (CYP450)-Metabolismus durch bestimmte Medikamente (z. B. Phenytoin, Carbamazepin, Rifampicin) bei älteren Erwachsenen reduziert sein; deshalb kann die Änderung (Steigerung) des Arzneimittelmetabolismus bei älteren Erwachsenen möglicherweise weniger ausgeprägt sein. Zahlreiche andere Arzneimittel hemmen den CYP450-Stoffwechsel und erhöhen damit das Risiko für eine Arzneimitteltoxizität, die vom Ausscheidungsweg abhängt. Da ältere Menschen in der Regel eine größere Anzahl an Arzneimitteln einnehmen, sie sind einem höheren Risiko für multiple, schwer zu prognostizierende CYP450-Interaktionen ausgesetzt. Auch die Einnahme mehrerer Medikamente kann dazu führen, dass viele Wechselwirkungen schwer vorhersehbar sind. Selbst wenn beispielsweise eine Wechselwirkung zwischen zwei Arzneimitteln bekannt ist, kann diese Wechselwirkung bei gleichzeitiger Verabreichung eines dritten oder vierten Arzneimittels anders aussehen. Die gleichzeitige Anwendung von ≥ 1 Medikament mit ähnlichen unerwünschten Wirkungen kann auch das Risiko für oder die Schwere von unerwünschten Wirkungen erhöhen.

Mangelhaftes Monitoring

Das Arzneimittelmonitoring beinhaltet:

  • Dokumentation der Indikation für ein neues Medikament

  • Führen einer aktuellen Liste der Medikamente, die der Patient einnimmt, in der Patientenakte

  • Monitoring der Erreichung der Therapieziele und anderer Reaktionen auf neue Medikamente

  • Überwachung notwendiger Labor- oder anderer Tests auf Wirksamkeit oder unerwünschte Wirkungen (z. B. Natrium, Kalium, Magnesium, Vitamin B12, Herzfrequenz, korrigiertes QT-Intervall [QTc])

  • Periodische Überprüfung von Medikamenten auf Wirksamkeit und anhaltenden Bedarf

Derartige Maßnahmen sind besonders wichtig für ältere Patienten. Eine unzureichende Überwachung, insbesondere nach der Verschreibung neuer Medikamente, erhöht das Risiko der Polypharmazie, der unerwünschten Wirkungen und der Unwirksamkeit.

Unangemessene Medikamentenauswahl

Ein Medikament ist nicht angemessen, wenn sein potenzieller Schaden größer ist als sein potenzieller Nutzen. Unangemessene Verwendung eines Arzneimittels kann bedeuten

  • Wahl eines ungeeigneten Medikaments, einer falschen Dosis, Dosierungsfrequenz oder Therapiedauer

  • Doppelbehandlungen

  • Nichtbeachtung von Wechselwirkungen zwischen Arzneimitteln und geeigneten Indikationen für ein Arzneimittel

  • Geeignete Medikamente, die nach Abklingen eines akuten Zustands fälschlicherweise weiter eingenommen werden (was passieren kann, wenn Patienten von einer Gesundheitseinrichtung in eine andere wechseln und die Indikation nicht neu bewertet wird)

Einige Arzneimittelklassen sind bei Älteren von besonderer Bedeutung. Einige Medikamente sollten bei älteren Patienten grundsätzlich vermieden werden, andere nur in bestimmten Situationen, während wiederum welche unter engmaschiger Überwachung eingesetzt werden können. Die Beers-Kriterien® der American Geriatrics Society listen für ältere Menschen mögliche unangemessene Medikamente nach der Arzneimittelklasse auf; weitere ähnliche Listen stehen zur Verfügung (5). Eine Liste einiger pharmakologischer und nicht-pharmakologischer Alternativen mit entsprechenden Literaturhinweisen ist ebenfalls verfügbar (6). Kliniker müssen bei jedem Patienten die potenziellen Nutzen und Risiken der Therapie abwägen. Die Kriterien gelten nicht für Patienten am Lebensende, wenn die Entscheidungen über die Arzneimitteltherapie sehr unterschiedlich sind.

Trotz der Verbreitung und Kenntnis der Beers Kriterien® der American Geriatrics Society und anderer Kriterien werden älteren Erwachsenen immer noch unangemessene Medikamente verordnet; etwa 45 % der zu Hause lebenden älteren Erwachsenen erhalten mindestens ein unangemessenes Medikament (7). Bei solchen Patienten ist das Risiko unerwünschter Wirkungen erhöht. Bei Patienten in Pflegeheim erhöht die unsachgemäße Verwendung auch das Risiko für Hospitalisierung und Tod. In einer Studie an hospitalisierten Patienten erhielten 27,5% eine potenziell unangemessene Medikation auf der Grundlage der Beers-Kriterien® der der American Geriatrics Society (8).

Einige unangemessene Medikamente (z. B. Diphenhydramin und orale nicht-steroidale entzündungshemmende Medikamente [NSAIDs]) sind im Freiverkehr (OTC) erhältlich; Daher sollten Ärzte gezielt Patienten über die Verwendung von OTC-Medikamenten befragen und mit den Patienten über die möglichen Probleme sprechen, die solche Medikamente verursachen können.

Älteren Erwachsenen werden häufig Medikamente (in der Regel Analgetika, Protonenpumpenhemmer oder Hypnotika) gegen geringfügige Symptome (einschließlich unerwünschter Wirkungen anderer Medikamente) verschrieben, die besser mit nichtpharmakologischen Therapien (z. B. Bewegung, Physiotherapie, Massage, Ernährungsumstellung, kognitive Verhaltenstherapie) oder durch eine Verringerung der Dosis des Medikaments, das unerwünschte Wirkungen verursacht, behandelt werden können. Die Initiierung zusätzlicher Medikamente ist oft nicht angemessen; der Nutzen kann gering und die Kosten erhöht sein, und das neue Arzneimittel kann zu zusätzlicher Toxizität führen.

Die wirksame Beseitigung unangemessener Medikamenteneinnahme bei älteren Erwachsenen erfordert mehr als nur das Meiden einer kurzen Liste von Medikamenten und das Beachten problematischer Wirkstoffgruppen. Das gesamte Medikationsschema eines Patienten sollte auch regelmäßig beurteilt werden, um den fortbestehenden Bedarf an einem Medikament zu bestimmen und den potenziellen Nutzen gegen Risiken abzuwägen.

Mangelnde Adhärenz

Die Wirksamkeit von Arzneimitteln wird bei nichtbettlägerigen älteren Menschen oft durch Non-Adhärenz vereitelt. Adhärenz wird von vielen Faktoren beeinflusst, einschließlich Sprachbarrieren, aber nicht vom Alter an sich. Bis zu 50% der älteren Patienten nehmen Arzneimittel nicht vorschriftsmäßig ein, für gewöhnlich wird weniger eingenommen als verschrieben wurde (mangelnde/unzureichende Adhärenz). Die Gründe sind die gleichen wie bei jüngeren Erwachsenen. Darüber hinaus tragen die folgenden Gründe dazu bei:

  • Finanzielle und körperliche Einschränkungen, die den Kauf von Medikamenten erschweren können

  • Kognitive Einschränkungen oder eingeschränkte Gesundheitskompetenz können die Einnahme von Medikamenten gemäß den Anweisungen erschweren

  • Verwendung mehrerer Medikamente (Polypharmazie)

  • Verwendung von Arzneimitteln, die mehrmals am Tag oder in einer bestimmten Art einzunehmen sind

  • Unkenntnis des beabsichtigten Nutzens eines Medikaments, der möglichen unerwünschten Wirkungen oder der Verwendung unkonventioneller Darreichungsformen wie transdermale Pflaster oder Inhalatoren

Ein Therapieplan mit zu häufiger oder zu seltener Dosierung, mehreren Medikamenten oder beidem ist möglicherweise für die Patienten zu schwer zu befolgen. Ärzte sollten die Patienten hinsichtlich Gesundheitskenntnissen und der Fähigkeit zur Adhärenz gegenüber einer Medikation beurteilen (z. B. Geschicklichkeit, Kraft in den Händen, Kognition, Sehkraft) und versuchen, ihren Limitierungen Rechnung zu tragen–indem z. B. bereitgestellt oder empfohlen werden: leicht zugängliche Behältnisse, Etiketten und Patienteninformation in großer Schrift, Ausstattung der Behältnisse mit einem Erinnerungsalarm, Bestücken der Behältnisse mit dem täglichen Medikamentenbedarf, Telefonate zur Erinnerung oder Medikationsassistenz. Apotheker und Krankenschwestern können behilflich sein, indem sie älteren Erwachsene bei jeder Begegnung die Verordnungsvorschriften erläutern und mit ihnen durchgehen. Apotheker können ein Problem feststellen, indem sie beachten, ob die Patienten rechtzeitig Folgeverordnungen erhalten oder ob ein Rezept unlogisch oder nicht korrekt erscheint. Viele Apotheken und Gesundheitssysteme können Nachfüllmuster überwachen und Patienten und/oder Verschreiber kontaktieren, wenn Rezepte nicht in angemessenen Abständen nachgefüllt werden.

Überdosierung

Einem älteren Patienten kann eine zu hohe Dosis eines geeigneten Medikaments verschrieben werden, wenn der Arzt die altersbedingten Veränderungen, die Pharmakokinetik und Pharmakodynamik beeinflussen, nicht beachtet. Zum Beispiel sollten Dosen von renal geklärten Medikamenten (z. B. Gabapentin, einige antimikrobielle Mittel, Digoxin) bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion angepasst werden.

Auch wenn die erforderlichen Dosen sehr unterschiedlich von Person zu Person sind, sollten Medikamente bei älteren Menschen generell mit der niedrigsten Dosis begonnen werden. Die meisten Medikamente sind bei Erwachsenen > 75 Jahren (insbesondere bei Patienten mit Mehrfacherkrankungen, mehrfacher Medikamenteneinnahme und/oder Gebrechlichkeit) nicht gut untersucht worden, sodass es häufig zu Überdosierungen kommt, einfach weil es an Daten darüber fehlt, wie Medikamente bei diesen Patienten zu dosieren sind. Typischerweise sind Anfangsdosen von etwa einem Drittel bis zur Hälfte der üblichen Erwachsenendosis indiziert, wenn ein Medikament einen engen therapeutischen Index hat, wenn ein anderer Zustand durch ein Medikament verschlimmert werden kann und besonders wenn Patienten gebrechlich sind. Die Dosis wird dann solange bis zur gewünschten Wirkung auftritriert, wie dies toleriert wird. Bei Dosiserhöhung sollten die Patienten auf unerwünschte Wirkungen abgeklärt werden, und die Medikamentenspiegel sollten möglichst überwacht werden.

Eine Überdosierung kann auch auftreten, wenn Medikamenteninteraktionen die verfügbare Menge des Wirkstoffs erhöhen oder wenn verschiedene Ärzte ein Medikament verschreiben und nicht wissen, dass ein anderer das gleiche oder ein ähnliches Medikament verschrieben hat (therapeutische Verdopplung). Wenn Patienten nur eine Apotheke aufsuchen, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass therapeutische Überschneidungen erkannt und vermieden werden.

Unzureichende Kommunikation

Mangelhafte Kommunikation medizinischer Informationen an Schnittstellen (zwischen verschiedenen Versorgungseinrichtungen) verursacht viele Medikationsfehler und unerwünschte Arzneimittelwirkungen im Krankenhaus. Wenn Patienten aus dem Krankenhaus entlassen werden, kann es vorkommen, dass Medikamente, die erst im Krankenhaus begonnen und benötigt wurden (z. B. sedierende Hypnotika, Abführmittel, Protonenpumpenhemmer), vom entlassenden Arzt unnötigerweise weiter verschrieben werden. In ähnlicher Weise können Krankenhausformulare den Wechsel eines Medikaments von einem Produkt zu einem anderen während des Aufenthalts vorschreiben (z. B. Statine), was bei der Entlassung zu Dopplungen oder Auslassungsfehlern führen kann. Umgekehrt kann mangelnde Kommunikation bei Aufnahme in eine medizinische Einrichtung zur unbeabsichtigten Auslassung eines notwendigen Medikaments führen. Die Arzneimittelabstimmung bezieht sich auf einen formalen Prozess der Überprüfung aller verschriebenen Medikamente bei jedem Übergang der Pflege und kann dazu beitragen, Fehler und Auslassungen zu beseitigen.

Unzureichende Verschreibungspraxis

Geeignete Medikamente können unterverordnet werden—d. h. nicht für die maximale Wirksamkeit genutzt werden. Die Verschreibung von zu wenigen geeigneten Medikamenten kann Morbidität und Mortalität erhöhen und die Lebensqualität reduzieren. Ärzte sollten Arzneimittel in ausreichenden Dosierungen und bei entsprechender Indikation mehrere Medikamente verschreiben.

Zu den Medikamenten, die bei älteren Erwachsenen oft nicht ausreichend verschrieben werden, gehören Medikamente zur Behandlung von Depressionen, Alzheimer-Demenz, Herzinsuffizienz, Postmyokardinfarkt (Beta-Blocker), Vorhofflimmern (Antikoagulanzien) und Bluthochdruck. Auch werden Impfungen nicht immer wie empfohlen durchgeführt.

  • Beta-Rezeptorenblocker: Diese Medikamente senken bei Patienten mit Myokardinfarkt und/oder Herzinsuffizienz in der Anamnese die Mortalität und Krankenhauseinweisungen; dies gilt auch für ältere Patienten mit einem hohem Risiko für Komplikationen (z. B. Patienten mit Lungenerkrankungen oder Diabetes).

  • Antihypertensiva: Es liegen Leitlinien für die Behandlung von Hypertonie bei älteren Erwachsenen vor, und die Behandlung scheint selbst bei gebrechlichen älteren Menschen von Vorteil zu sein (Verringerung des Risikos für Schlaganfälle und größere kardiovaskuläre Ereignisse). Studien zeigen jedoch, dass der Bluthochdruck bei älteren Patienten oft nicht optimal eingestellt ist.

  • Pharmakotherapie bei Alzheimer-Demenz: Für Acetylcholinesterasehemmer und NMDA (N-Methyl-d-Aspartat)-Antagonisten wurde gezeigt, dass Patienten mit Alzheimer-Demenz von ihnen profitieren. Der Nutzen ist bescheiden und variabel, aber Patienten und Familienangehörige sollten die Möglichkeit haben, eine informierte Entscheidung über ihren Einsatz zu treffen.

  • Antikoagulanzien: Antikoagulanzien (sowohl Warfarin als auch die neueren direkten oralen Antikoagulanzien) reduzieren das Schlaganfallrisiko bei Patienten mit Vorhofflimmern. Obwohl mit einer Antikoagulation im Allgemeinen ein erhöhtes Blutungsrisiko besteht, erhalten einige ältere Erwachsene, die von einer Antikoagulation profitieren könnten, diese nicht.

  • Impfungen: Ältere Erwachsene haben ein höheres Risiko für Morbidität und Mortalität durch Influenza, Pneumokokkeninfektion, Respiratory-Syncytial-Virus, COVID-19, Pertussis und Herpes zoster. Die Impfraten bei älteren Erwachsenen können noch verbessert werden.

Bei älteren Patienten mit einer chronischen Erkrankung können akute oder damit zusammenhängende Störungen unterversorgt sein (eine Hypercholesterinämie kann z. B. bei Patienten mit chronische obstruktive Lungenerkrankung unbehandelt sein). Ärzte können diese Behandlungen unterlassen, weil sie befürchten, das Risiko unerwünschter Wirkungen zu erhöhen oder die Zeit zu verlängern, die erforderlich ist, um bei einem Patienten mit geringer Lebenserwartung von der Behandlung zu profitieren. Ärzte können meinen, die Behandlung der primären Störung sei alles, was die Patienten abhandeln können oder wollen, oder dass sich die Patienten die zusätzlichen Medikamente nicht leisten könnten. Patienten und Betreuer sollten aktiv an der Entscheidungsfindung über die medikamentöse Behandlung beteiligt werden, damit die Ärzte die Prioritäten und Sorgen der Patienten verstehen können.

Literatur

  1. 1. Zazzara MB, Palmer K, Vetrano DL, Carfì A, Onder G. Adverse drug reactions in older adults: a narrative review of the literature [published correction appears in Eur Geriatr Med. 2022 Feb;13(1):307. doi: 10.1007/s41999-021-00591-4.]. Eur Geriatr Med. 2021;12(3):463-473. doi:10.1007/s41999-021-00481-9

  2. 2. Tam VC, Knowles SR, Cornish PL, et al: Frequency, type and clinical importance of medication history errors at admission to hospital: a systematic review. CMAJ 173(5):510-5, 2005. doi: 10.1503/cmaj.045311

  3. 3. Wong JD, Bajcar JM, Wong GG, et al: Medication reconciliation at hospital discharge: evaluating discrepancies. Ann Pharmacother 42(10):1373-9, 2008. doi: 10.1345/aph.1L190

  4. 4. Forster AJ, Clark HD, Menard A, et al: Adverse events among medical patients after discharge from hospital. CMAJ 170(3):345-9.

  5. 5. The 2023 American Geriatrics Society Beers Criteria® Update Expert Panel. American Geriatrics Society 2023 updated AGS Beers Criteria® for potentially inappropriate medication use in older adults. J Am Geriatr Soc. 2023;71(7):2052-2081. doi:10.1111/jgs.18372

  6. 6. Hanlon JT, Semla TP, Schmader KE, et al: Alternative medications for medications in the use of high-risk medications in the elderly and potentially harmful drug-disease interactions in the elderly quality measures. J Am Geriatr Soc 63(12): e8-e18, 2015. doi: 10.1111/jgs.13807

  7. 7. Innes GK, Ogden CL, Crentsil V, Concato J, Fakhouri TH. Prescription Medication Use Among Older Adults in the US. JAMA Intern Med. 2024;184(9):1121-1123. doi:10.1001/jamainternmed.2024.2781

  8. 8. Page RL 2nd, Ruscin JM. The risk of adverse drug events and hospital-related morbidity and mortality among older adults with potentially inappropriate medication use. Am J Geriatr Pharmacother. 2006;4(4):297-305. doi:10.1016/j.amjopharm.2006.12.008

Vorbeugung

Vor Ansetzen eines neuen Medikaments

Um das Risiko von unerwünschten Arzneimittelwirkungen bei älteren Menschen zu reduzieren, sollte der Arzt Folgendes tun, bevor ein neues Medikament angesetzt wird:

  • Bedenken Sie, dass neue Symptome oder medizinische Probleme mit der bestehenden Pharmakotherapie zusammenhängen können.

  • Eine nichtmedikamentöse Behandlung erwägen

  • Besprechen Sie mit dem Patienten und/oder den Betreuern die Ziele der Behandlung und legen Sie einen Zeitrahmen fest, in dem ein Nutzen der Arzneimitteltherapie erwartet wird.

  • Bewertung der Indikation für jedes neue Medikament (um den Einsatz unnötiger Medikamente zu vermeiden)

  • Altersbedingte Veränderungen in der Pharmakokinetik oder Pharmakodynamik und deren Wirkung auf die erforderliche Dosierung beachten

  • Wählen Sie die sicherste mögliche medikamentöse Behandlung für die Indikation (z. B. bei nichtentzündlicher Arthritis, Paracetamol anstelle eines oralen nicht-steroidalen entzündungshemmenden Medikaments [NSAID])

  • Potenzielle Interaktionen von Arzneimitteln mit Erkrankungen und mit anderen Medikamenten überprüfen

  • Beginnen Sie mit der niedrigsten wirksamen Dosis

  • So wenige Medikamente wie nötig verwenden

  • Komorbiditäten und ihre Wahrscheinlichkeit, zu unerwünschten Arzneimittelwirkungen beizutragen, feststellen

  • Den Gebrauch und die Nebenwirkungen jedes Medikaments erklären

  • Klare Anweisungen dazu erteilen, wie die Patienten ihre Medikamente einnehmen sollen (inkl. Wirkstoff- und Markennamen, Buchstabieren jedes Medikamentennamens, Indikation für jedes Arzneimittel und Erläuterung der Formulierungen, die mehr als einen Wirkstoff enthalten) und wie lange das Medikament voraussichtlich notwendig sein wird

  • Verwirrung durch ähnlich klingende Medikamentennamen voraussehen und auf alle Namen hinweisen, die verwechselt werden könnten (z. B. Glucophage® und Glucovance®)

Nach Beginn einer Medikation

Folgendes sollte nach dem Beginn einer Medikation erfolgen:

  • Gehen Sie bis zum Beweis des Gegenteils davon aus, dass ein neues Symptom arzneimittelbedingt ist (um eine Verschreibungskaskade zu vermeiden).

  • Überwachen Sie die Patienten auf Anzeichen von unerwünschten Arzneimittelwirkungen, inkl. Wirkstoffspiegelbestimmungen und anderen notwendigen Labortests.

  • Dokumentieren Sie das Therapieansprechen und erhöhen SIe die Dosen nach Bedarf, um die gewünschte Wirkung zu erzielen.

  • Überprüfen Sie regelmäßig die Notwendigkeit, die medikamentöse Therapie fortzusetzen, und stoppen Sie Medikamente, die nicht mehr notwendig sind, oder Medikamente mit einem größeren potenziellen Risiko als Nutzen.

Im Verlauf

Folgendes sollte permanent erfolgen:

Der Abgleich der Medikation ist ein Prozess, der dazu beiträgt, die Informationsweitergabe bzgl. der Medikation bei jedem Übergang innerhalb des Gesundheitssystems sicherzustellen. Der Prozess umfasst die Identifizierung und Auflistung aller Medikamente, die die Patienten einnehmen (Name, Dosis, Häufigkeit, Applikationsweg), und den Abgleich der entsprechenden Liste mit den Verordnungen des Arztes bei einem Übergang. Ein Abgleich der Medikation sollte bei jedem Wechsel (Aufnahme, Verlegung und Entlassung) vorgenommen werden.

Computergestützte ärztliche Verordnungssysteme und elektronische Patientenakte können Verschreibungswarnungen einbeziehen, um Kliniker auf mögliche Probleme (z. B. Allergien, Notwendigkeit einer reduzierten Dosierung bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion, Arzneimittelwechselwirkungen) aufmerksam zu machen. Diese Programme können auch dazu anregen, bestimmte Patienten engmaschig auf unerwünschte Arzneimittelwirkungen zu überwachen.

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