Pharmakokinetik wird am besten definiert als das, „was der Körper mit dem Arzneimittel macht“; dazu gehören
Resorption
Verteilung in Körperkompartimenten
dem Metabolismus
Exkretion
Mit dem Alter treten Veränderungen in all diesen Funktionen auf, von denen einige klinisch relevanter sind. Mit zunehmendem Alter nehmen der Metabolismus und die Ausscheidung vieler Medikamente ab, sodass die Dosierung einiger Medikamente reduziert werden muss. Eine toxische Wirkung kann sich langsam entwickeln, da die Konzentrationen von chronisch verwendeten Arzneimitteln über 5–6 Halbwertszeiten ansteigen bis das Steady-State erreicht ist. Beispielsweise haben bestimmte Benzodiazepine (Diazepam, Flurazepam, Chlordiazepoxid) oder ihre aktiven Metaboliten bei älteren Patienten Halbwertszeiten von bis zu 96 Stunden; Zeichen von Toxizität können erst Tage oder Wochen nach dem Beginn einer Therapie in Erscheinung treten.
Absorption
Trotz der altersabhängigen Abnahme der Dünndarmoberfläche, der verzögerten Magenentleerung und des Anstiegs des Magen-pH-Werts sind Veränderungen hinsichtlich der Arzneimitteladsorption bei den meisten Medikamenten ohne klinische Konsequenz. Eine Ausnahme ist Kalziumkarbonat, das eine saure Umgebung für eine optimale Aufnahme benötigt. Daher können Erhöhungen des gastrischen pH-Wertes - die altersbedingt (wie bei atrophischer Gastritis) oder medikamentös (wie bei Protonenpumpeninhibitoren) bedingt sein können - die Kalziumabsorption verringern und das Risiko einer Verstopfung erhöhen. Ältere Menschen sollten daher ein Kalziumsalz verwenden (z. B. Kalziumzitrat), das sich in einer weniger sauren Umgebung leichter auflöst und absorbiert wird. Ein weiteres Beispiel für veränderte Absorption bei erhöhtem Magen-pH-Wert ist die vorzeitige Freisetzung von magensaftresistenten Darreichungsformen (z. B. magensaftresistentes Aspirin, magensaftresistentes Erythromycin, magensaftresistentes Bisacodyl), wodurch das Risiko gastrointestinaler unerwünschter Wirkungen steigt. Eine altersbedingte Verlangsamung der gastrointestinalen Motilität oder die Einnahme von Anticholinergika kann die Bewegung von Arzneimitteln durch den Magen in den Dünndarm verlängern. Bei Arzneimitteln, die im oberen Dünndarm absorbiert werden, wie z. B. Paracetamol, kann eine verlangsamte gastrointestinale Motilität die Absorption und den Wirkungseintritt verzögern und die Spitzenkonzentration des Arzneimittels sowie die pharmakologische Wirkung verringern.
Distribution
Mit dem Alter nimmt der Fettanteil des Körpers generell zu, und das Gesamtkörperwasser wird weniger. Erhöhtes Fett erhöht das Verteilungsvolumen für stark lipophile Medikamente (z. B. Diazepam, Chlordiazepoxid) und kann deren Eliminationshalbwertszeiten und das Risiko für eine Arzneimitteltoxizität aufgrund der Akkumulation bei chronischer Dosierung signifikant erhöhen. Ein vermindertes Gesamtkörperwasser verringert das Verteilungsvolumen für wasserlösliche Arzneimittel (z. B. Digoxin, Aminoglykoside) und kann zu höheren Arzneimittelkonzentrationen und einem höheren Risiko für toxische Wirkungen führen.
Mit zunehmendem Alter nimmt das Serumalbumin ab und das Alpha-1-Säureglykoprotein zu, aber die klinische Wirkung dieser Veränderungen auf die Arzneimittelbindung im Serum variiert mit den verschiedenen Medikamenten. Bei Patienten mit einer akuten Erkrankung oder Mangelernährung kann eine schnelle Abnahme des Serumalbumins die Wirkung von Medikamenten steigern, da die Konzentration des ungebundenen (freien bzw. aktiven) Wirkstoffs im Serum steigen kann. Phenytoin und Warfarin sind Beispiele für stark proteingebundene Arzneimittel mit einem höheren Risiko toxischer Wirkungen, wenn der Serumalbuminspiegel sinkt.
Hepatischer Metabolismus
Mit zunehmendem Alter nimmt der gesamte hepatische Metabolismus über das Cytochrom-P-450-Enzymsystem für die meisten Arzneimittel ab. Bei Medikamenten mit vermindertem Leberstoffwechsel sinkt die Clearance in der Regel um 30–40%. Theoretisch sollten die Erhaltungsdosen um diesen Prozentsatz reduziert werden; jedoch variiert die Metabolisierungsrate von Arzneimitteln stark von Person zu Person und wird häufig durch Pharmakogenetik beeinflusst. Dosisanpassungen sollten individuell erfolgen.
Die hepatische Clearance von Arzneimitteln, die durch Phase-I-Reaktionen (Oxidation, Reduktion, Hydrolyse - siehe Tabelle Häufige Substanzen, die mit Cytochrom P-450-Enzymen interagieren) metabolisiert werden, ist bei älteren Erwachsenen mit größerer Wahrscheinlichkeit verlängert. Normalerweise hat das Alter keinen großen Einfluss auf die Clearance von Medikamenten, die durch Konjugation und Glucuronidierung verstoffwechselt werden (Phase-II-Reaktionen). Daher können Medikamente, die durch Phase-II-Reaktionen verstoffwechselt werden, bei älteren Patienten bevorzugt werden, sofern dies möglich ist.
Der First-Pass-Metabolismus (Metabolismus, typischerweise hepatisch, eines Arzneimittels vor Erreichen des großen Kreislaufs) wird auch durch Alterung beeinflusst und nimmt um etwa 1% pro Jahr nach dem 40. Lebensjahr ab. So können ältere Erwachsene bei einer gegebenen oralen Dosis höhere zirkulierende Arzneimittelkonzentrationen aufweisen. Wichtige Beispiele für Medikamente mit einem höheren Risiko für toxische Effekte aufgrund der altersbedingten Reduktion des First-Pass-Metabolismus sind Nitrate, Propranolol, Phenobarbital, Verapamil und Nifedipin. Bei Medikamenten, die über die Haut verabreicht werden, wird der First-Pass-Stoffwechsel vermieden.
Auch andere Faktoren können den Leberstoffwechsel der eingenommenen Medikamente beeinflussen, darunter Rauchen, verminderter Leberblutfluss bei Patienten mit Herzinsuffizienz und die Einnahme von Medikamenten, die Cytochrom P-450-Stoffwechselenzyme induzieren oder hemmen.
Einige Kategorien von Medikamenten, die von einem altersbedingten verminderten Leberstoffwechsel betroffen sind, sind:
Antiarrhythmika (z. B. Lidocain, Chinidin)
Antidepressiva (z. B. Imipramin, Desipramin, Nortriptylin, Trazodon)
Antimykotika (z. B. Fluconazol, Ketoconazol, Itraconazol, Voriconazol, Posaconazol)
Benzodiazepine (z. B. Alprazolam, Chlordiazepoxid, Diazepam, Triazolam)
Kalziumkanalblocker (z. B. Amlodipin, Diltiazem, Nifedipin, Verapamil)
Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) (z. B. Ibuprofen, Diclofenac)
Opiate (z. B. Morphin)
Andere (z. B. Cimetidin, Levodopa, Propranolol, Theophyllin, Warfarin)
Renale Elimination
Eine der wichtigsten pharmakokinetischen Veränderungen, die mit der Alterung einhergehen, ist die verringerte Ausscheidung von Arzneimitteln über die Nieren. Nach dem 40. Lebensjahr nimmt die glomeruläre Filtrationsrate (GFR) durchschnittlich um 8 ml/min/1,73 m2/Dekade (0,1 ml/s/m2/Dekade) ab, wobei die altersbedingte Abnahme jedoch von Person zu Person stark variiert. Die Serumkreatininspiegel bleiben oft trotz einer Abnahme der glomerulären Filtrationsrate innerhalb des Normbereichs, da Ältere generell weniger Muskelmasse haben und allgemein körperlich weniger aktiv sind als jüngere Erwachsene und somit weniger Kreatinin produzieren. Normale Serumkreatininspiegel können Kliniker fälschlicherweise zu der Annahme verleiten, dass diese Werte die normale Nierenfunktion widerspiegeln. Rückgänge der Tubulusfunktion mit dem Alter entsprechen denen der glomerulären Funktion.
Einige Kategorien von Medikamenten, die von der altersbedingten verminderten Ausscheidung über die Nieren betroffen sind, sind:
Angiotensin-Converting-Enzym (ACE)-Hemmer (z. B. Captopril, Enalapril, Lisinopril, Quinapril)
Antiarrhythmika (z. B. Digoxin, Dofetilid, Procainamid)
Antibakterielle Mittel (z. B. Amikacin, Ciprofloxacin, Gentamicin, Levofloxacin, Nitrofurantoin, Streptomycin, Tobramycin, Trimethoprim, Gepotidacin)
Antikoagulanzien (z. B. Apixaban, Dabigatran, Edoxaban, Enoxaparin, Heparin, Rivaroxaban)
Antidiabetika (z. B. Glibenclamid, Metformin, Chlorpropamid, DPP-4-Inhibitoren, SGLT2-Inhibitoren)
Antipsychotika (z. B. Brexpiprazol, Lurasidon, Paliperidon, Risperidon)
Antivirale Mittel (z. B. Oseltamivir, Nirmatrelvir / Ritonavir, Aciclovir, Famciclovir, Valaciclovir)
Andere (z. B. Allopurinol, Amantadin, Cimetidin, Famotidin, Gabapentin, Lithium, Metoclopramid, Ranitidin)
Klinische Auswirkungen hängen ab vom Beitrag der renalen Elimination zur totalen systemischen Elimination und von der therapeutischen Breite des Arzneimittels (Verhältnis der maximalen tolerierten Dosis zur minimalen wirksamen Dosis). Die Kreatinin-Clearance (gemessen oder geschätzt unter Zuhilfenahme von Computerprogrammen oder einer Formel wie der Cockcroft-Gault-Formel – siehe Untersuchung des nephrologischen Patienten: Die Kreatinin-Clearance) dient zur Steuerung der Dosierung der meisten Medikamente, die durch die Nieren ausgeschieden werden. Die geschätzte glomeruläre Filtrationsrate (eGFR) wird in der Arzneimittelkennzeichnung als Richtschnur für die Arzneimitteldosierung verwendet. Die tägliche Dosis von Medikamenten, die stark auf eine renale Ausscheidung angewiesen sind, sollte niedriger sein, und/oder die Häufigkeit der Dosierung sollte verringert werden. Da die Nierenfunktion dynamisch ist, können Anpassungen der Erhaltungsdosen von Arzneimitteln notwendig sein, wenn die Patienten krank werden oder dehydriert sind oder sich erst kurz zuvor von einer Dehydrierung erholt haben.
