Übersicht zu Sexualfunktionen und Sexualstörungen der Frau

VonAllison Conn, MD, Baylor College of Medicine, Texas Children's Pavilion for Women;
Kelly R. Hodges, MD, Baylor College of Medicine, Texas Children's Pavilion for Women
Überprüft/überarbeitet Juli 2023
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Frauen haben häufig Bedenken hinsichtlich ihrer sexuellen Funktionsfähigkeit (1). Sorgen, die persönliche oder zwischenmenschliche Probleme verursachen, gelten als sexuelle Funktionsstörung. Etwa 12% der Frauen in den Vereinigten Staaten haben ein Problem mit der Sexualfunktion, das mit Leiden assoziiert ist (2).

Frauen haben Zugang zu sexuellem Verlangen (responsives Verlangen), sobald die sexuelle Stimulation Erregung und Freude (subjektive Erregung) und genitale Stauung (körperliche genitale Erregung) auslöst. Das Verlangen nach sexueller Befriedigung, die mit einem oder mehreren Orgasmen oder ohne einen Orgasmus einhergehen kann, wächst mit Fortsetzen der sexuellen Aktivität und Intimität, und ein körperlich und emotional positives Erlebnis erfüllt und verstärkt die ursprünglichen Motivationen der Frau.

Literatur

  1. 1. Zhang C, Tong J, Zhu L, et al: A Population-Based Epidemiologic Study of Female Sexual Dysfunction Risk in Mainland China: Prevalence and Predictors. J Sex Med 14(11):1348-1356, 2017. doi:10.1016/j.jsxm.2017.08.012

  2. 2. Shifren JL, Monz BU, Russo PA, et al: Sexual problems and distress in United States women: prevalence and correlates. Obstet Gynecol 112(5):970-978, 2008. doi:10.1097/AOG.0b013e3181898cdb

Physiologie

Das traditionelle Schema für den sexuellen Reaktionszyklus umfasst Folgendes:

  • Verlangen (Libido)

  • Arousal (Erregung)

  • Orgasmus

  • Rückbildung

Die Physiologie der sexuellen Reaktion bei der Frau wird nur teilweise verstanden, jedoch sind daran hormonelle und Zentralnervensystem -Faktoren beteiligt.

Östrogene beeinflussen die sexuelle Reaktion. Östrogen trägt zur Aufrechterhaltung der Empfindlichkeit des Genitalgewebes, des vaginalen pH-Werts, der normalen Mikroflora, der Elastizität, der Gleitfähigkeit, und des Muskeltonus im Beckenbereich bei. Es wird zwar angenommen, doch ist nicht gesichert, dass auch Androgene beteiligt sind und über Androgen- und Östrogenrezeptoren (nach intrazellulärer Umwandlung von Testosteron in Estradiol) wirken.

In der Postmenopause endet die ovarielle Östrogenproduktion, während ovarielle Androgenproduktion schwankt. Die Nebennierenproduktion von Prohormonen (z. B. Dehydroepiandrosteronsulfat [DHEAS]), die in peripheren Zellen sowohl in Androgene als auch in Östrogene umgewandelt werden, nimmt jedoch ab dem Alter von 30 Jahren ab. Nach der Menopause nimmt auch die Produktion der Prohormone in den Ovarien ab. Insgesamt sinkt der Androgenspiegel nicht mehr bis zum Alter von 60 Jahren. Ob der Rückgang der Sexualhormonproduktion eine Rolle bei der Verringerung des sexuellen Verlangens, des Interesses oder der subjektiven Erregung spielt, ist unklar.

Das Gehirn bildet Sexualhormone (Neurosteroide) aus Cholesterin, ihre Produktion kann sich nach der Menopause erhöhen. Es ist unklar, ob diese dokumentierte Zunahme allgemein zutrifft, ob sie die Erregung mit Abnahme der peripheren Produktion fördert und ob sie durch die Gabe von exogenen Hormonen beeinflusst wird.

Der sexuelle Reaktionszyklus wird von ihrem mentalen Zustand und der Qualität der Beziehung zu ihrem Partner stark beeinflusst. Das anfängliche sexuelle Verlangen nimmt gewöhnlich mit zunehmendem Alter ab, steigt mit einem neuen Partner aber in jedem Alter wieder an.

Verlangen (Libido)

Verlangen ist der Wunsch nach sexueller Aktivität. Es gibt viele Gründe für den Wunsch nach sexueller Aktivität, darunter auch sexuelles Interesse. Sexuelles Interesse oder Verlangen kann durch Gedanken, Worte, Anblicke, Gerüche oder Berührungen ausgelöst werden. Das Verlangen kann zu Beginn offensichtlich sein oder sich steigern, sobald die Frau erregt ist.

Sexuelle Erregung

Hirnareale, die an der Kognition, Emotion, Verlangen und Auslösung der genitalen Vasokongestion teilhaben, werden aktiviert. Es sind Neurotransmitter beteiligt, die an spezifische Rezeptoren binden. Aufgrund der den Arzneimitteln zugeschriebenen Wirkmechanismen und aufgrund von tierexperimentellen Studien wird angenommen, dass einige Neurotransmitter prosexuell sind; dazu gehören Dopamin, Noradrenalin und Melanocortin. Sexuell hemmend wirken in der Regel Serotonin sowie Prolaktin und Gamma-Aminobuttersäure (GABA).

Diese reflektorische vegetative Reaktion setzt innerhalb von Sekunden nach einem sexuellen Stimulus ein und löst eine Blutfüllung und Lubrikation des Genitales aus. Die Einschätzung des Gehirns, dass ein Stimulus biologisch sexuell – nicht notwendigerweise erotisch oder subjektiv erregend – ist, löst diese Reaktion aus. Glatte Muskelzellen dilatieren die Blutlakunen in Vulva und Klitoris sowie die vaginalen Arteriolen, wodurch der Blutfluss (Blutfüllung) und die Transsudation von interstitieller Flüssigkeit über das Vaginalepithel (Lubrikation) zunehmen. Frauen sind sich der genitalen Vasokongestion nicht immer bewusst; jüngere Frauen berichten häufig von Kribbeln und Pochen am Genital. Mit zunehmendem Alter verringert sich die basale Durchblutung des Genitales, jedoch kann die genitale Vasokongestion als Reaktion auf sexuelle Stimulation (z. B. durch erotische Videos) erhalten bleiben.

Orgasmus

Es kommt zu einer Erregungsspitze, die durch Kontraktionen der Beckenmuskeln alle 0,8 Sekunden und langsames Nachlassen der genitalen Vasokongestion charakterisiert ist. Obwohl die efferenten Fasern des thorakolumbalen Grenzstranges anscheinend eine Rolle spielen, ist ein Orgasmus sogar noch nach kompletter Durchtrennung des Rückenmarks möglich (wenn zur Zervixstimulierung ein Vibrator benutzt wird). Prolakin, antidiuretisches Hormon (ADH) und Oxytocin werden beim Orgasmus freigesetzt und können zu dem Gefühl des Wohlbefindens, der Entspannung oder der anschließenden Müdigkeit beitragen (Lösung). Allerdings nehmen viele Frauen ein Gefühl von Wohlbefinden und Entspannung wahr, auch ohne einen Orgasmus zu erleben.

Rückbildung

Die Rückbildung ist ein Gefühl des Wohlbefindens und geht mit ausgedehnter Muskelentspannung oder Müdigkeit, die meist dem Orgasmus folgt, einher. Allerdings kann die Rückbildung nach starker sehr sexueller Erregung und Aktivität ohne Orgasmus langsam ablaufen. Einige Frauen können nach der Rückbildung auf erneute Stimulation nahezu ohne Verzögerung reagieren.

Klassifikation der weiblichen sexuellen Dysfunktion

Weibliche sexuelle Dysfunktion kann durch mindestens eines der folgenden Merkmale charakterisiert werden:

  • Schmerzen bei sexuellen Aktivitäten

  • Verlust des sexuellen Verlangens

  • Beeinträchtigte Erregung

  • Unfähigkeit, einen Orgasmus zu erreichen

Eine weibliche sexuelle Dysfunktion wird diagnostiziert, wenn eines dieser Symptome zu einer persönlichen oder zwischenmenschlichen Belastung führt.

Das Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, Fünfte Ausgabe Textüberarbeitung (DSM-5-TR) (1) umfasst die folgenden Arten von sexueller Dysfunktion bei Frauen, klassifiziert nach Symptomen:

Persistierende genitale Erregungsstörung ist eine separate, seltene Erkrankung, die nicht im DSM-5-TR enthalten ist. Es handelt sich um eine persistierende übermäßige genitale Erregung, die auftritt, wenn kein sexuelles Verlangen vorhanden ist, keine Ursache bekannt ist und die Erregung nicht durch einen Orgasmus beendet wird.

Eine Genitopelvine Schmerz-/Penetrationsstörung kann lebenslang auftreten oder erworben sein. Es ist durch das Vorhandensein von ≥ 1 der folgenden Symptome für ≥ 6 Monate gekennzeichnet:

  • Tiefe Beckenschmerzen und Spannungen bei der Penetration oder oberflächliche brennende vulvovaginale Schmerzen bei leichter Berührung

  • Angst oder Beklemmung vor, während oder nach der Penetration, was häufig zu vermindertem sexuellen Verlangen oder zur Vermeidung sexueller Aktivitäten führt

  • Reflexartiges Anspannen der Vaginalmuskulatur beim Versuch des vaginalen Eindringens, was die Penetration erschwert oder unmöglich macht

Störung des sexuellen Interesses/der sexuellen Erregung bei Frauen ist das Fehlen oder die Abnahme von ≥ 3 der folgenden Merkmale über ≥ 6 Monate:

  • Interesse an sexueller Aktivität

  • Initiierung sexueller Aktivitäten und Reagieren auf die Initiierung durch den Partner

  • Erregung oder Vergnügen bei fast allen sexuellen Aktivitäten

  • Sexuelle oder erotische Fantasien oder Gedanken

  • Genitale oder nichtgenitale Empfindungen während der sexuellen Aktivität

  • Interesse oder Erregung als Reaktion auf interne oder externe sexuelle oder erotische Reize (z. B. schriftlich, verbal, visuell)

Bei einer weiblichen Orgasmusstörung tritt ein Orgasmus trotz eines als hoch empfundenen sexuellen Erregungszustands entweder nicht auf, ist von stark herabgesetzter Intensität oder tritt als Reaktion auf Stimulation stark verzögert auf. Die Symptome müssen bei fast allen sexuellen Aktivitäten auftreten und seit ≥ 6 Monaten vorhanden sein. Erworbene Orgasmusstörungen stehen häufig im Zusammenhang mit einer neuen Störung, einschließlich psychologischer oder Verhaltensstörungen, oder mit anatomischen Veränderungen (z. B. aufgrund von Krebs oder Operationen).

Bei substanz- bzw. medikamenteninduzierter sexueller Dysfunktion steht die sexuelle Dysfunktion im Zusammenhang mit dem Beginn, der Änderung der Dosis oder dem Absetzen einer Substanz oder eines Medikaments.

Andere spezifizierte und nicht spezifizierte sexuelle Funktionsstörungen umfassen sexuelle Funktionsstörungen, die die Kriterien der anderen Kategorien nicht erfüllen.

Eine Störung der sexuellen Funktionsfähigkeit wird in der Regel diagnostiziert, wenn die Symptome seit ≥ 6 Monaten bestehen und einen erheblichen Leidensdruck verursachen. Einige Frauen leiden nicht oder fühlen sich nicht gestört durch ein Nachlassen oder Fehlen von sexuellem Verlangen, Interesse, Erregung oder des Orgasmus.

Fast alle Frauen mit sexueller Funktionsstörung weisen Merkmale von mehr als einer Störung auf. So führen beispielsweise genitopelvine Schmerz-/Penetrationsstörungen häufig zu einer Störung des sexuellen Verlangens bzw. der sexuellen Erregung; eine gestörte Erregung kann dazu führen, dass Sex weniger Spaß macht oder sogar schmerzhaft ist, wodurch die Wahrscheinlichkeit eines Orgasmus und des damit verbundenen sexuellen Verlangens sinken. Schmerzen beim Geschlechtsverkehr, die auf eine gestörte Lubrikation zurückzuführen sind, können jedoch als isoliertes Symptom bei Frauen mit einem hohen Maß an sexuellem Verlangen, Interesse und subjektiver Erregung auftreten.

Sexuelle Störungen der Frau lassen sich sekundär einteilen als lebenslang vorhanden oder erworben, situationsspezifisch oder ständig vorhanden sowie als leicht, mäßiggradig oder schwer, je nach Ausmaß des Leidens, das sie der Frau verursachen.

Obwohl die Forschungsergebnisse begrenzt sind, treten diese Störungen wahrscheinlich bei Frauen in heterosexuellen und homosexuellen Beziehungen gleichermaßen auf.

Hinweis zur Klassifizierung

  1. 1. American Psychiatric Association: Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, 5th ed. Text Revision (DSM-5-TR). Washington, DC, American Psychiatric Association, 2022.

Ätiologie der weiblichen sexuellen Dysfunktion

Die übliche Trennung von psychischen und körperlichen Ätiologien ist künstlich. Psychische Belastung verursacht Veränderungen in der hormonellen und neurologischen Physiologie, und körperliche Veränderungen können zu psychischen Reaktionen, die die Störung begleiten, führen. Oft sind die Symptome auf mehrere Ursachen innerhalb und zwischen den verschiedenen Kategorien der sexuellen Funktionsstörung zurückzuführen, und die Ursache bleibt oft unklar.

Primär psychische Ursachen

Affektive Störungen (z. B. Depressionen, Angstzustände) sind eng mit geringem Interesse und geringer Erregung verbunden. Bei Frauen mit schwerer Depression und sexueller Dysfunktion nimmt die sexuelle Belastung ab, wenn die Depression wirksam mit Antidepressiva behandelt wird (1). Einige Arten von Antidepressiva verursachen jedoch auch eine sexuelle Dysfunktion (selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer). Frauen mit einer Angststörung haben auch eher eine sexuelle Dysfunktion in Bezug auf sexuelles Interesse, Erregung, Orgasmus und genitopelvine Schmerz-/Penetrationsstörungen. Verschiedene Ängste – des Loslassens, des Verletztwerdens, des Abgewiesenwerdens oder des Kontrollverlustes – und ein geringes Selbstwertgefühl können dazu beitragen.

Zurückliegende Erfahrungen können die psychosexuelle Entwicklung der Frau beeinflussen, wie beispielsweise:

  • Frühere negative sexuelle oder andere Erfahrungen, einschließlich sexueller Traumata, können zu geringem Selbstwertgefühl, Scham oder Schuldgefühlen führen.

  • Emotionale, körperliche oder sexuelle Misshandlung während der Kindheit oder im Jugendalter kann Kinder lehren, ihre Emotionen zu kontrollieren und zu verbergen – ein nützlicher Verteidigungsmechanismus. Jedoch kann eine derartige Hemmung das Ausdrücken sexueller Gefühle später erschweren.

  • Der frühe traumatische Verlust eines Elternteils oder einer anderen geliebten Person kann die Intimität mit einem Sexualpartner aus Furcht vor einem erneuten Verlust hemmen.

Die Angst vor negativen Erlebnissen (z. B. ungewollte Schwangerschaft, sexuell übertragbare Infektionen, Orgasmusunfähigkeit, erektile Dysfunktion des Partners) kann ebenfalls die sexuelle Reaktion beeinträchtigen.

Zu den kontextbedingten Ursachen (die für die aktuelle Situation einer Frau spezifisch sind) gehören die folgenden:

  • Persönliche Ursachen: geringes sexuelles Selbstverständnis (z. B. durch Infertilität, vorzeitige Menopause oder operative Entfernung der Mamma, des Uterus oder eines anderen Körperteils, der während der sexuellen Aktivität eine Rolle spielt)

  • In der Beziehung liegende Ursachen: mangelndes Vertrauen, negative Gefühle oder herabgesetzte Anziehung zum Geschlechtspartner (z. B. aufgrund seines Verhaltens oder des zunehmenden Bewusstseins einer sich verändernden sexuellen Orientierung)

  • Sexuelle Ursachen: beispielsweise eine Umgebung, die als nicht ausreichend erotisch, privat oder sicher angesehen wird

  • Kulturelle Ursachen: beispielsweise kulturelle Einschränkungen in der Sexualität

Ablenkungen und emotionaler Stress (z. B. durch Familie, Arbeit oder finanzielle Situation) können die Erregung beeinträchtigen.

Primär physische Ursachen

Verschiedene genitale Läsionen, systemische und hormonelle Faktoren, Arzneimittel und illegale Drogen können zu Störungen führen oder zu ihrer Entwicklung beitragen (siehe Tabelle Physische Ursachen der weiblichen sexuellen Dysfunktion).

Tabelle

Urogenitalsyndrom der Menopause beschreibt Symptome und Zeichen aufgrund von Östrogen- und Androgenmangel wie

  • Vulvovaginale Atrophie

  • Vaginale Trockenheit und verminderte Gleitfähigkeit beim Geschlechtsverkehr, die Schmerzen verursachen

  • Harnsymptome (z. B. Dringlichkeitsdysurie, rezidivierende Harnwegsinfektionen)

Etwa die Hälfte der Frauen in den Wechseljahren leidet unter dem urogenitalen Syndrom der Menopause. Niedrige Östrogenspiegel können ähnliche Symptome verursachen, wie sie nach der Geburt oder während der Behandlung mit bestimmten Medikamenten wie Aromatasehemmern auftreten.

Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) sind eine besonders häufige iatrogene Ursache der sexuellen Dysfunktion. SSRI können zu verschiedenen Arten von sexuellen Funktionsstörungen beitragen.

Alkoholabhängigkeit kann Sexualstörungen verursachen.

Hinweis zur Ätiologie

  1. 1. Rosen RC, Shifren JL, Monz BU, et al: Correlates of sexually related personal distress in women with low sexual desire. J Sex Med 6(6):1549-1560, 2009. doi:10.1111/j.1743-6109.2009.01252.x

Diagnose der weiblichen sexuellen Dysfunktion

  • Gespräch mit der Frau und manchmal auch mit ihrem Partner

  • Gynäkologische Untersuchung

Die meisten sexuellen Dysfunktionsstörungen werden anhand der im DSM-5-TR beschriebenen klinischen Kriterien diagnostiziert. Zu diesen Störungen gehören die genitopelvine Schmerz-/Penetrationsstörung, die weibliche Orgasmusstörung, die Störung des sexuellen Interesses/der sexuellen Erregung und substanz- bzw. medikamenteninduzierte sexuelle Dysfunktion. Für die Diagnose all dieser Störungen darf es keine wahrscheinlichere alternative Erklärung für die Symptome geben; bei allen außer substanz- bzw. medikamenteninduzierten sexuellen Funktionsstörungen müssen die Symptome seit ≥ 6 Monaten bestehen. Erfüllt eine sexuelle Dysfunktionsstörung nicht die Kriterien für eine dieser Störungen, wird sie gemäß DSM-5-TR als andere spezifizierte oder nicht spezifizierte sexuelle Dysfunktionsstörung kategorisiert.

Die Diagnose der sexuellen Funktionsstörung und ihrer Ursachen beruht auf der Anamnese und der körperlichen Untersuchung. Ärzte sollten routinemäßig nach sexuellen Funktionsstörungen fragen, um die damit verbundene Stigmatisierung zu verringern. Validierte Fragebögen, wie der Female Sexual Function Index (FSFI), können diese Praxis erleichtern (1).

Die Anamnese kann in einem Gespräch mit der Frau und manchmal auch mit ihrem Partner erhoben werden; sie beginnt damit, dass die Frau gebeten wird, das Problem in ihren eigenen Worten zu beschreiben, und sollte bestimmte Elemente enthalten (siehe Tabelle Komponenten der Sexualanamnese zur Beurteilung der weiblichen sexuellen Dysfunktion). Der Arzt sollte auch eine detaillierte Sexualanamnese erheben. Auf kritische Punkte (z. B. negative sexuelle Erlebnisse in der Vergangenheit, negatives Selbstverständnis), die beim ersten Besuch identifiziert werden, kann man in einer nachfolgenden Konsultation eingehen.

Tabelle

Die körperliche Untersuchung, einschließlich der Beckenuntersuchung, dient dazu, gynäkologische Anomalien festzustellen, die zu sexuellen Funktionsstörungen führen können; mit dieser Untersuchung lässt sich der Ort der Schmerzen oft genau bestimmen. Die Technik kann sich von der einer routinemäßigen gynäkologischen Untersuchung geringfügig unterscheiden. Eine Beschreibung der Vorgehensweise bei der Untersuchung kann der Frau helfen, sich zu entspannen, und sollte auch während der Untersuchung fortgesetzt werden. Der Kliniker kann die Frau fragen, ob sie sich während der Untersuchung aufsetzen und ihre Genitalien in einem Spiegel betrachten möchte; dies kann das Gefühl der Kontrolle unterstützen.

Bei der Untersuchung sollte der Arzt auf Anzeichen eines Östrogenmangels achten, insbesondere auf eine Ausdünnung der inneren Schamlippen, den Verlust des labialen Fettpolsters, eine blasse Vaginalschleimhaut und den Verlust der Vaginalfalten. Mit einem feuchten Wattestäbchen lassen sich Schmerzpunkte an der Vulva und am Vestibulum vaginae identifizieren.

Die mikroskopische Beurteilung des Vaginalsekrets als Nativpräparat und nach Gram-Färbung sowie das Anlegen einer Kultur oder einer DNA-Sonde auf Neisseria gonorrhoeae und Chlamydien sind indiziert, wenn Anamnese oder Untersuchung Hinweise auf Vulvitis, Vaginitis oder Adnexitis liefert.

Sofern nicht der Verdacht auf eine nicht diagnostizierte Störung besteht, ist für die Erstuntersuchung der weiblichen sexuellen Funktionsstörung normalerweise keine Laboruntersuchung erforderlich. Niedrig Östrogen wird klinisch während der Untersuchung festgestellt. Die Sexualfunktionen korrelieren nicht mit den Testosteronspiegeln, unabhängig davon, wie sie gemessen wurden. Besteht jedoch der klinische Verdacht auf eine Hyperprolaktinämie, wird der Prolaktinspiegel gemessen. Wird eine Schilddrüsenerkrankung vermutet, werden entsprechende Tests durchgeführt; bei Verdacht auf Hypothyreose wird TSH (hyroid-stimulating hormone) und auf Hyperthyreose Thyroxin (T4) bestimmt, gelegentlich auch andere Schilddrüsenwerte.

Diagnosehinweis

  1. 1. Rosen R, Brown C, Heiman J, et al: The Female Sexual Function Index (FSFI): a multidimensional self-report instrument for the assessment of female sexual function. J Sex Marital Ther26(2):191-208, 2000. doi:10.1080/009262300278597

Behandlung der weiblichen sexuellen Dysfunktion

  • Erklärung der weiblichen sexuellen Reaktion

  • Korrektur der ursächlichen Faktoren

  • Psychotherapien

  • Medikamente

Die Behandlung der sexuellen Funktionsstörung bei Frauen variiert je nach Erkrankung und Ursache; oft ist mehr als eine Behandlung erforderlich, weil sich die Störungen überschneiden. Auch wenn die Kriterien für eine bestimmte DSM-5-TR-Störung nicht vollständig erfüllt sind, kann eine Behandlung helfen.

Einfühlsames Verständnis und eine sorgfältige Untersuchung können an sich schon therapeutisch wirksam sein. Es kann auch hilfreich sein, Frauen über sexuelle Anatomie und Physiologie zu unterrichten, einschließlich der Frage, was an der weiblichen sexuellen Reaktion beteiligt ist.

Die Behandlung kann ein multidisziplinäres Team erfordern, zu dem Sexualberater, Schmerzspezialisten, Psychotherapeuten und/oder Physiotherapeuten gehören.

Die beitragenden Faktoren werden, wenn möglich, wie folgt korrigiert:

  • Behandlung von Stimmungsstörungen

  • Wenn Frauen einen selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) einnehmen, sollten sie auf ein Antidepressivum umsteigen, das weniger sexuelle Nebenwirkungen hat (z. B. Bupropion, Mirtazapin, Duloxetin) oder möglicherweise Bupropion zu einem SSRI hinzufügen.

  • Bei substanz- bzw. medikamentenbedingter sexueller Dysfunktion: Absetzen der missbrauchten Substanz oder Wechsel des verschreibungspflichtigen Medikaments

Psychologische Therapien

Die kognitive Verhaltenstherapie zielt auf eine negative Selbsteinschätzung aufgrund von Krankheiten (einschließlich gynäkologischer Störungen) oder Unfruchtbarkeit ab.

Achtsamkeit (engl. mindfulness), eine östliche Methode mit Ursprung in der buddhistischen Meditation, kann wirksam sein. Sie konzentriert sich auf das wertfreie Bewusstsein des gegenwärtigen Moments. Durch ihre Anwendung werden Frauen in die Lage versetzt, sich nicht von Dingen ablenken zu lassen, die die Konzentration auf sexuelle Empfindungen beeinflussen. Achtsamkeit verringert Sexualstörungen bei gesunden Frauen und bei Frauen mit Tumor im Beckenbereich oder mit provozierter Vestibulodynie. Frauen können an die sozialen Einrichtungen oder Online-Ressourcen verwiesen werden, um zu lernen, wie man Achtsamkeit praktiziert. Achtsamkeitsbasierte kognitive Therapie (MBCT) kombiniert eine spezielle Variante der kognitiven Verhaltenstherapie mit Achtsamkeit. Analog der kognitiven Verhaltenstherapie werden Frauen ermutigt, maladaptive Gedanken zu identifizieren, aber ihr Vorhandensein einfach nur zu beobachten, um dann festzustellen, dass es sich nur um mentale Ereignisse handelt und sie nicht die Realität widerspiegeln. Durch diese Methode können solche Gedanken weniger ablenkend sein. MBCT kann wiederkehrende Depressionen vorbeugen und in einer angepassten Form zur Behandlung von sexuellen Erregungsstörungen und von Störungen des sexuellen Verlangens/Interesses sowie des chronischen Schmerzes bei provozierter Vestibulodynie eingesetzt werden.

Einige Frauen (z. B. Frauen mit einem sexuellen Trauma in der Vergangenheit) benötigen möglicherweise eine umfassendere Psychotherapie.

Pharmakologische Therapie

Eine Östrogentherapie kann zur Behandlung sexueller Funktionsstörungen bei Frauen mit urogenitalem Syndrom in der Menopause eingesetzt werden. Die atrophischen Veränderungen in der Vulva und Vagina können mit niedrig dosiertem vaginalem Östrogen (Tabletten, Gels, Cremes, Ringe) behandelt werden. Niedrig dosiertes systemisches Östrogen oder Östrogen plus Progesteron (bei Frauen mit Uterus) kann verwendet werden, wenn Frauen gleichzeitig vasomotorische Wechseljahrsbeschwerden (z. B. Hitzewallungen) haben. Ospemifen (ein selektiver Östrogenrezeptormodulator) kann bei Frauen, die keine vaginale Östrogentherapie anwenden können, zur Behandlung des Urogenitalsyndroms der Menopause nützlich sein.

Eine Androgentherapie kann bei postmenopausalen Frauen mit Störungen des sexuellen Interesses/der sexuellen Erregung in Betracht gezogen werden. Transdermales Testosteron (300 mcg einmal täglich) wird verwendet. Testosteronspiegel sollten zu Beginn und nach 3 bis 6 Wochen gemessen werden. Es wird eine kurzfristige Behandlung empfohlen, und das Testosteron sollte abgesetzt werden, wenn nach 6 Monaten kein Ansprechen zu verzeichnen ist. Eine Überwachung auf unerwünschte Wirkungen wie Akne, Hirsutismus und Virilisierung ist angezeigt. Ärzte sollten deutlich darauf hinweisen, dass die Erkenntnisse über die Testosterontherapie begrenzt sind, und sie sollten ausführlich über die schädlichen Auswirkungen und den Nutzen der Therapie informieren. Eine Testosterontherapie sollte nur dann in Betracht gezogen werden, wenn andere Maßnahmen erfolglos waren und die Frau im Allgemeinen gesund ist und keine Kontraindikationen vorliegen. Die Langzeitanwendung von Testosteron wurde nicht zur Behandlung von Störungen des sexuellen Interesses/der Erregung untersucht, und systemisches Dehydroepiandrosteron (DHEA) hat sich als unwirksam erwiesen. Intravaginales Prasteron (ein DHEA-Präparat) kann bei postmenopausalen Frauen mit Dyspareunie und genitopelviner Schmerz-/Penetrationsstörung eingesetzt werden.

Derzeit gibt es nur wenig Evidenz für die Verwendung von Androgenen zur Verbesserung der sexuellen Reaktion von Frauen. Es gibt Hinweise darauf, dass solche Frauen mäßig von einer Testosterongabe profitieren, die ein geringes sexuelles Interesse haben, aber in der Lage sind, sexuelle Befriedigung zu erfahren. Die gesamte Androgenaktivität (gemessen als Metaboliten) ist bei Frauen mit und ohne sexuellem Interesse ähnlich.

Flibanserin, ein Serotonin-Rezeptor-Agonist/Antagonist, kann zur Behandlung prämenopausaler Frauen ohne Depressionen eingesetzt werden. In einer systematischen Übersichtsarbeit wurde die Qualität der Belege für die Wirksamkeit und Sicherheit jedoch als gering eingestuft, und die positive Wirkung war minimal (1). Flibanserin hat Black-Box-Warnungen, die besagen, dass die gleichzeitige Einnahme von Flibanserin und Alkohol, die Einnahme von Flibanserin mit einem mäßigen oder starken CYP3A4-Inhibitor oder eine Leberfunktionsstörung das Risiko von Hypotonie und Synkope erhöht.

Bremelanotid ist ein Melanocortin-Rezeptor-Agonist, der für die Behandlung von Libidomangel bei Frauen zugelassen ist. Es wird als subkutane Injektion mindestens 45 Minuten vor der erwarteten sexuellen Aktivität verabreicht. Randomisierte Studien ergaben eine Steigerung des sexuellen Verlangens und keine Zunahme von sexuell befriedigenden Ereignissen; zu den möglichen unerwünschten Wirkungen gehören vorübergehender Bluthochdruck und Hyperpigmentierung der Haut (2, 3).

Einiges deutet darauf hin, dass Frauen mit einer Störung des sexuellen Interesses/der sexuellen Erregung, die auf die Einnahme von SSRI zurückzuführen ist, von der zusätzlichen Einnahme von Bupropion (einem Noradrenalin-Dopamin-Wiederaufnahmehemmer) profitieren können. Es gibt Hinweise darauf, dass Frauen, die zu Beginn der Einnahme von SSRI keine Orgasmen mehr hatten, mit Sildenafil (einem Phosphodiesterase-Typ-5-Hemmer) wieder Orgasmen haben können. Die Studienergebnisse sind jedoch widersprüchlich, sodass Sildenafil in der routinemäßigen Praxis nicht empfohlen wird.

Andere Therapien

Die physikalische Therapie des Beckenbodens ist eine der Hauptstützen der Behandlung von Frauen mit genitopelviner Schmerz-/Penetrationsstörung. Ihr Ziel ist es, den Frauen beizubringen, den Beckenboden zu entspannen und die reflexartige Anspannung zu verringern. Die physikalische Therapie des Beckenbodens umfasst Beckenbodentraining, Weichteilmobilisierung und myofasziale Entspannung, Triggerpunktdruck, elektrische Stimulation, Biofeedback und therapeutische Ultraschalluntersuchungen.

Es gibt verschreibungspflichtige und nicht verschreibungspflichtige Geräte für die Selbstdilatation bei Frauen mit angespannter Beckenmuskulatur, die zur Dyspareunie bei genitopelviner Schmerz-/Penetrationsstörung beitragen.

Je nach Art der Störung können sexuelle Fertigkeiten trainiert (z. B. Anleitung zur Masturbation) und Übungen durchgeführt werden, die die Kommunikation mit dem Partner über sexuelle Bedürfnisse und Vorlieben erleichtern.

Verschiedene Gleitmittel und Feuchtigkeitscremes können die Scheidentrockenheit reduzieren, die Dyspareunie verursacht. Zu diesen Behandlungen gehören Öle auf Lebensmittelbasis (z. B. Kokosnussöl), Produkte auf Silikonbasis und Produkte auf Wasserbasis. Öle auf Lebensmittelbasis sollten nicht mit Kondomen verwendet werden, aber Gleitmittel auf Silikon- und Wasserbasis können verwendet werden. Wenn ein Gleitmittel erforderlich ist, sollten die Ärzte und die Frau besprechen, welche Art von Gleitmittel sie verwenden sollte.

Außer in kleinen Pilotstudien gibt es kaum Belege dafür, dass Geräte wie Vibratoren oder Klitorissauggeräte bei Frauen mit sexuellem Interesse/Erregung oder Orgasmusstörungen wirksam sind; einige dieser Produkte sind jedoch rezeptfrei erhältlich und können ausprobiert werden.

Literatur zur Behandlung

  1. 1. Jaspers L, Feys F, Bramer VM, et al: Efficacy and safety of flibanserin for the treatment of hypoactive sexual desire disorder in women: A systematic review and meta-analysis. JAMA Intern Med 176 (4):453–462, 2016. doi: 10.1001/jamainternmed.2015.8565

  2. 2. Kingsberg SA, Clayton AH, Portman D, et al: Bremelanotide for the Treatment of Hypoactive Sexual Desire Disorder: Two Randomized Phase 3 Trials. Obstet Gynecol 134(5):899-908, 2019. doi:10.1097/AOG.0000000000003500

  3. 3. Clayton AH, Kingsberg SA, Portman D, et al: Safety Profile of Bremelanotide Across the Clinical Development Program. J Womens Health (Larchmt) 31(2):171-182, 2022. doi:10.1089/jwh.2021.0191

Wichtige Punkte

  • Zu den weiblichen sexuellen Dysfunktionen gehören die Störung des sexuellen Interesses/der sexuellen Erregung der Frau, die Orgasmusstörung der Frau, die genitopelvine Schmerz-/Penetrationsstörung, substanz- oder medikamenteninduzierte sexuelle Funktionsstörungen sowie andere spezifizierte und nicht spezifizierte Störungen.

  • Psychische und körperliche Faktoren tragen in der Regel zur sexuellen Dysfunktion der Frau bei; sie können sich gegenseitig beeinflussen und die Dysfunktion verschlimmern.

  • Zu den psychischen Faktoren gehören affektive Störungen, Auswirkungen früherer Erfahrungen, Bedenken hinsichtlich negativer Folgen, besondere Umstände der Frau (z. B. geringes sexuelles Selbstverständnis) und Ablenkungen.

  • Zu den physischen Faktoren gehören Genitalerkrankungen, systemische und hormonelle Faktoren und Arzneimittel (insbesondere SSRI).

  • Befragen Sie die Frau und manchmal auch ihren Partner.

  • Einbeziehen psychologischer Therapien (z. B. kognitive Verhaltenstherapie, Achtsamkeit, eine Kombination der beiden [MBCT]) in die Behandlung der meisten Arten der weiblichen sexuellen Dysfunktion.

  • Wenn indiziert, verwenden Sie Medikamente (z. B. ein Östrogen), um einige Arten von weiblichen sexuellen Funktionsstörungen zu behandeln.

  • Empfehlen Sie eine physikalische Therapie des Beckenbodens, eine der Hauptstützen der Behandlung bei genitopelviner Schmerz-/Penetrationsstörung, und besprechen Sie, welche Arten von Gleitmitteln Frauen verwenden sollten, wenn Gleitmittel erforderlich sind.