Chronische Bauchschmerzen und rezidivierende Bauchschmerzen

VonJonathan Gotfried, MD, Lewis Katz School of Medicine at Temple University
Überprüft/überarbeitet Jan. 2022
DIE AUSGABE FÜR MEDIZINISCHE FACHKREISE ANSEHEN

Bauchschmerzen sind dann chronisch, wenn sie länger als 3 Monate bestehen. Sie können immer vorhanden sein (chronisch) oder kommen und gehen (rezidivierend). Chronische Bauchschmerzen treten häufig bei Kindern ab dem 5. Lebensjahr auf. Etwa 10 bis 15 % der Kinder im Alter von 5 bis 16 Jahren, besonders im Alter von 8 bis 12 Jahren, haben chronische oder rezidivierende Bauchschmerzen. Sie sind bei Mädchen etwas häufiger. Chronische Bauchschmerzen kommen auch bei Erwachsenen häufig vor und betreffen Frauen häufiger als Männer.

Menschen mit chronischen Bauchschmerzen können abhängig von der Ursache auch andere Symptome aufweisen.

Ursachen

Normalerweise sind Personen, bei denen die Bauchschmerzen seit mindestens 3 Monaten bestehen, von einem Arzt untersucht worden, und typische Erkrankungen, die Bauchschmerzen verursachen ( see page Akute Bauchschmerzen), wurden bereits erkannt. Wenn die Personen untersucht worden sind und die Ursache zu diesem Zeitpunkt noch nicht erkannt wurde, haben nur 10 % eine spezifische körperliche Erkrankung ( siehe Tabelle: Körperliche Ursachen und Merkmale von chronischen Bauchschmerzen). Die übrigen 90 % haben sogenannte funktionelle Abdominalbeschwerden (oder funktionelle Bauchschmerzen).

Funktionelle Abdominalbeschwerden sind tatsächliche Schmerzen, die ohne Nachweis einer bestimmten körperlichen Erkrankung oder eines anderen Verdauungsproblems (z. B. ein peptisches Geschwür) länger als 6 Monate auftreten. Es gibt auch keine Verbindung mit einem Medikament oder einem Giftstoff, und die Stuhlgewohnheiten verändern sich infolge der Beschwerden nicht (wie Verstopfung oder Durchfall). Wenn Bauchschmerzen bei Menschen auftreten, deren Stuhlgewohnheiten sich geändert haben, wird dies als Reizdarmsyndrom (RDS) bezeichnet. Die Schmerzen können stark sein und beeinträchtigen typischerweise den Alltag der Personen. Die genaue Ursache der Schmerzen ist nicht bekannt. Die Nerven des Verdauungstrakts und der Darm-Hirn-Achse können jedoch für Empfindungen (wie z. B. normale Bewegungen des Verdauungstrakts) überempfindlich werden, die die meisten Menschen nicht stören. Genetische Faktoren, belastende Ereignisse, Persönlichkeit, soziale Umstände und zugrundeliegende psychische Krankheiten (z. B. Depression oder Angst) können allesamt zu den Schmerzen beitragen. Chronische Bauchschmerzen bei Kindern können mit einem Aufmerksamkeitsbedürfnis (wenn ein Geschwisterkind geboren wird oder die Familie umzieht), der mit dem Schulbeginn verbundenen Belastung, einer Laktoseintoleranz oder manchmal mit Kindesmisshandlungen zusammenhängen.

Häufige körperliche Ursachen

Viele körperliche Erkrankungen verursachen Bauchschmerzen ( siehe Tabelle: Körperliche Ursachen und Merkmale von chronischen Bauchschmerzen). Die häufigsten Ursachen variieren mit dem Alter.

Bei Kindern sind die häufigsten Ursachen folgende:

Bei jungen Erwachsenen umfassen häufige Ursachen das Folgende:

Bei älteren Erwachsenen werden Krebserkrankungen (wie z. B. Magenkrebs, Bauchspeicheldrüsenkrebs, Darmkrebs oder Eierstockkrebs) häufiger.

Beurteilung

Die Ärzte konzentrieren sich zuerst darauf, ob die Schmerzen funktionell sind oder durch eine Erkrankung, ein Medikament oder ein Toxin verursacht werden. Diese Entscheidung kann schwierig sein. Wenn jedoch Warnzeichen vorliegen, sind funktionelle Schmerzen unwahrscheinlich (aber nicht unmöglich).

Warnsignale

Die folgenden Symptome geben Anlass zur Sorge:

  • Fieber

  • Appetitlosigkeit und Gewichtsverlust

  • Schmerzen, die die Person in der Nacht aufwecken

  • Blut in Erbrochenem, Stuhl oder Urin

  • Starkes oder häufiges Erbrechen oder Durchfall

  • Gelbliche Verfärbung der Haut und des Weißen im Auge (Gelbsucht)

  • Schwellung von Bauch und/oder Beinen

  • Schwierigkeiten beim Schlucken

Wann ein Arzt zu konsultieren ist:

Wenn Personen mit chronischen Bauchschmerzen Warnzeichen entwickeln, sollten sie sich sofort beim Arzt vorstellen, wenn nicht Appetitlosigkeit, Gelbsucht und/oder Schwellung die einzigen Warnzeichen sind. Personen mit Appetitlosigkeit, Gelbsucht und/oder Schwellung oder mit stetigen, stärker werdenden Schmerzen sollten innerhalb weniger Tage einen Arzt aufsuchen. Wenn Warnzeichen vorliegen, ist eine körperliche Ursache sehr wahrscheinlich. Personen ohne Warnzeichen sollten irgendwann einem Arzt vorgestellt werden, eine Verzögerung von einigen Tagen schadet jedoch nicht.

Was der Arzt unternimmt:

Ärzte stellen zunächst immer Fragen zu den Symptomen und zur Krankengeschichte des Patienten. Darauf folgt eine körperliche Untersuchung. Die Befunde in der Krankengeschichte und bei der körperlichen Untersuchung deuten häufig auf eine Ursache für die Schmerzen und die eventuell erforderlichen Untersuchungen hin ( siehe Tabelle: Körperliche Ursachen und Merkmale von chronischen Bauchschmerzen).

Ärzte stellen besonders Fragen zu Aktivitäten (wie Essen, Wasserlassen oder Stuhlgang), die die Schmerzen bessern oder verschlimmern. Es ist wichtig, ob die Schmerzen oder andere Verdauungsprobleme nach dem Essen oder Trinken von Milchprodukten auftreten, da eine Laktoseintoleranz insbesondere bei dunkelhäutigen Menschen, Lateinamerikanern, Asiaten (besonders aus ostasiatischen Ländern) und amerikanischen Ureinwohnern häufig vorkommt. Ärzte stellten außerdem Fragen zu weiteren Symptomen (wie z. B. Erbrechen, Durchfall oder Verstopfung), zu Ernährung, zu jeglichen Bauchoperationen, verwendeten Medikamenten und früheren Untersuchungen und Behandlung wegen der Schmerzen. Außerdem ist wichtig, ob Familienmitglieder an Erkrankungen leiden, die Bauchschmerzen verursachen.

Der Arzt fragt auch nach der Ernährung, da die Aufnahme von großen Mengen an Cola-Getränken, Fruchtsäften (die bedeutende Mengen der Zuckerarten Fructose und Sorbit enthalten können) oder gasproduzierenden Nahrungsmitteln (wie Bohnen, Zwiebeln, Kohl und Blumenkohl) manchmal die Ursache von ansonsten rätselhaften Bauchschmerzen sein kann.

Die körperliche Untersuchung konzentriert sich besonders auf den Bauch, um empfindliche Bereiche, Raumforderungen oder vergrößerte Organe zu finden. Im Normalfall wird eine rektale Untersuchung durchgeführt, und der Arzt untersucht den Stuhl auf Blut. Bei Frauen wird auch eine Untersuchung des Beckens vorgenommen. Die Ärzte achten darauf, ob die Haut gelb aussieht (Gelbsucht) und ob die Personen einen Hautausschlag oder eine Schwellung in den Beinen aufweisen.

Zwischen dem anfänglichen Besuch und den Nachsorgebesuchen werden die Personen häufig gebeten, Informationen zu den Schmerzen, Stuhlgewohnheiten, Ernährung, allen Aktivitäten, die die Schmerzen auszulösen scheinen, allen versuchten Heilmitteln und deren Wirkung aufzuzeichnen.

Tabelle

Tests

Im Normalfall machen die Ärzte bestimmte Tests. Dazu gehören eine Urinanalyse, ein großes Blutbild und Blutuntersuchungen zur Bestimmung der Funktionsfähigkeit von Leber, Nieren und Bauchspeicheldrüse. Wenn jemand über 50 Jahre alt ist oder Risikofaktoren für Dickdarmkrebs aufweist (z. B. Vorkommen der Krankheit in der Familie), wird in der Regel auch eine Koloskopie empfohlen. Manche Ärzte empfehlen eine Computertomografie (CT-Scan) des Bauches bei Personen unter 50, andere wiederum warten, bis sich bestimmte Symptome entwickeln. Abhängig von den Ergebnissen der Krankengeschichte und der körperlichen Untersuchung werden weitere Tests durchgeführt ( siehe Tabelle: Körperliche Ursachen und Merkmale von chronischen Bauchschmerzen).

Zusätzliche Tests werden durchgeführt, wenn ein Testergebnis auffällig ist, wenn Personen neue Symptome entwickeln oder wenn während der Untersuchungen neue Abnormitäten entdeckt werden.

Behandlung

Die Behandlung von Bauchschmerzen hängt von der Ursache und den Symptomen ab. Wenn beispielsweise jemand an einer Laktoseintoleranz leidet, kann eine laktosefreie Ernährung (ohne Milch und Milchprodukte) helfen. Bei Verstopfung kann die Anwendung eines Abführmittels über ein paar Tage und die Zugabe von ballaststoffreicher Ernährung helfen.

Funktionelle Bauchschmerzen

Die Behandlung funktioneller Schmerzen hängt von den Symptomen ab und konzentriert sich darauf, den Betroffenen die Rückkehr zu normalen Alltagsaktivitäten zu ermöglichen und die Beschwerden zu lindern. Normalerweise umfasst die Behandlung eine Kombination mehrerer Strategien. Mehrere Arztbesuche können erforderlich sein, um die beste Kombination herauszuarbeiten. Ärzte planen die Nachsorgebesuche oft in Abhängigkeit der Bedürfnisse der Personen. Die Besuche werden fortgesetzt, bis das Problem eindeutig beseitigt worden ist.

Bei einer Diagnose mit funktionellen Schmerzen betont der Arzt, dass die Schmerzen zwar echt sind, aber meist keine ernsthafte Ursache haben, und dass emotionale Faktoren (z. B. Stress, Angst, Depression) die Schmerzen auslösen oder sogar noch verschlimmern können. Ärzte vermeiden es, Tests zu wiederholen, nachdem sorgfältige Tests keine körperliche Ursache der Symptome erbracht haben.

Es gibt zwar keine Behandlungen, mit denen funktionelle chronische Bauchschmerzen geheilt werden können, es stehen aber viele hilfreiche Maßnahmen zur Verfügung. Diese Maßnahmen hängen von einer vertrauens- und verständnisvollen Beziehung zwischen dem Arzt, der betroffenen Person und ihren Familienmitgliedern ab. Die Ärzte erklären, auf welche Weise die Laborergebnisse und die anderen Testergebnisse zeigen, dass die Person nicht gefährdet ist. Die Ärzte ermuntern Personen, an Arbeit, Schule und sozialen Aktivitäten teilzunehmen. Diese Teilnahme verschlimmert die Erkrankung nicht, sondern sie ermutigt zu Unabhängigkeit und Selbstvertrauen. Personen, die sich von ihren Alltagsaktivitäten zurückziehen, riskieren, dass ihre Symptome ihr Leben kontrollieren, anstatt dass sie die Kontrolle über ihre Symptome behalten.

Manchen Menschen hilft es, ihre Ernährung umzustellen und sich ballaststoffreicher zu ernähren oder Ballaststoffpräparate zu sich zu nehmen. Möglicherweise müssen die Betroffenen Nahrungsmittel vermeiden, die ihre Schmerzen auslösen. Manche Menschen sollten es beispielsweise vermeiden, große Mengen an Nahrungsmitteln zu sich zu nehmen, die schwer verdaulich sind und viel Gas produzieren. Ebenso sollten Getränke mit viel Zucker vermieden werden.

Viele Medikamente wurden mit unterschiedlichem Erfolg ausprobiert. Dazu zählen Medikamente, die Muskelkrämpfe der Verdauungswege verringern oder ganz eindämmen (Antispasmodika) und Pfefferminzöl.

Auslöser von Stress oder Angst werden so gut wie möglich minimiert. Eltern und andere Familienmitglieder sollten eine Bestärkung der Schmerzen durch zu viel Aufmerksamkeit vermeiden. Wenn die Personen weiterhin Angst haben oder sich deprimiert fühlen und dies möglicherweise in Zusammenhang mit den Schmerzen steht, können Ärzte Antidepressiva oder Medikamente zur Verringerung der Angst verschreiben. Therapien, die Personen bei einer Änderung ihres Verhaltens unterstützen, wie Entspannungstraining, Biofeedback und Hypnose, können ebenfalls die Verringerung der Angst unterstützen und den Personen dabei helfen, ihre Schmerzen besser zu tolerieren.

Für Kinder ist die Hilfe ihrer Eltern absolut erforderlich. Eltern wird geraten, das Kind zur Unabhängigkeit zu ermutigen und seine normalen Aufgaben, insbesondere die Teilnahme am Schulunterricht, zu erfüllen. Wenn die Kinder Aktivitäten vermeiden dürfen, kann dadurch deren Angst sogar zunehmen. Eltern können das Kind bei der Bewältigung seiner Schmerzen bei Alltagsaktivitäten unterstützen, indem sie seine unabhängigen und verantwortlichen Verhaltensweisen loben und belohnen. Beispielsweise könnten Eltern das Kind durch Einplanen einer besonderen Zeit mit dem Kind oder einen besonderen Ausflug belohnen. Die Beteiligung von Schulpersonal kann helfen. Man kann vereinbaren, das Kind während des Schultages im Krankenzimmer kurz ruhen zu lassen, damit es dann nach 15 bis 30 Minuten wieder in die Klasse kommt. Die Schulschwester kann dem Kind erlauben, gelegentlich einen Elternteil anzurufen, der das Kind dazu ermutigen sollte, in der Schule zu bleiben.

Wichtigste Punkte

  • Normalerweise handelt es sich bei chronischen oder wiederkehrenden Bauchschmerzen um zentral vermittelte Schmerzen (d. h., die Betroffenen haben zwar Schmerzen, aber keine spezifische körperliche Erkrankung und kein anderes gastrointestinales Problem).

  • Symptome, bei denen sofort ein Arzt aufgesucht werden muss, sind hohes Fieber, Appetit- oder Gewichtsverlust, Schmerzen, durch die die Person aufwacht, Blut im Stuhl oder Urin, Gelbsucht, starke Übelkeit und häufiges Erbrechen, Schluckbeschwerden und Schwellung der Beine und/oder des Bauches.

  • Blut- und Urintests werden normalerweise durchgeführt, um nach Erkrankungen zu suchen, die die Schmerzen verursachen können.

  • Zusätzliche Tests sind nur erforderlich, wenn Personen abnorme Testergebnisse, Warnzeichen oder Symptome einer speziellen Erkrankung aufweisen.

  • Bei zentral vermittelten Schmerzen besteht die Behandlung aus einer Schulung, wie man Stress oder Angst abbaut, der Förderung der Teilnahme an normalen Alltagsaktivitäten, einem Versuch mit Ballaststoffpräparaten und/oder ballaststoffreichen Nahrungsmitteln, Medikamenten zur Reduzierung oder Unterdrückung von Muskelkrämpfen im Verdauungstrakt sowie manchmal der Einnahme von Medikamenten oder der Anwendung von Verhaltenstherapien zum Abbau von Angst und/oder aus der Änderung der Ernährung.