Rheumatisches Fieber

VonGeoffrey A. Weinberg, MD, Golisano Children’s Hospital
Überprüft/überarbeitet Sep. 2021 | Geändert Dez. 2022
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Rheumatisches Fieber ist eine Entzündung der Gelenke, des Herzens, der Haut und des Nervensystems, die aus einer Komplikation einer unbehandelten Racheninfektion durch Streptokokken entsteht.

  • Diese Erkrankung ist eine Reaktion auf eine unbehandelte Racheninfektion durch Streptokokken.

  • Zu den Symptomen zählen Gelenkschmerzen, Fieber, Schmerzen im Brustkorb oder Herzklopfen, zuckende, unkontrollierbare Bewegungen, ein Ausschlag und kleine Unebenheiten unter der Haut.

  • Die Diagnose gründet auf den Symptomen.

  • Am sichersten vorgebeugt wird rheumatischem Fieber mit einer schnellen und umfassenden Antibiotikabehandlung bei jeder Racheninfektion durch Streptokokken.

  • Zur Schmerzbehandlung wird Aspirin gegeben, während die Streptokokken-Infektion mit Antibiotika bekämpft wird.

Rheumatisches Fieber kann zwar auf Racheninfektionen durch Streptokokken (Halsentzündung) folgen, ist jedoch selbst keine Infektionskrankheit. Es handelt sich bei dem Fieber um eine entzündliche Reaktion auf die Streptokokken-Infektion. Am häufigsten sind die folgenden Körperteile von der Entzündung betroffen:

  • Gelenke

  • Herz

  • Haut

  • Nervensystem

Die meisten Menschen mit rheumatischem Fieber genesen wieder; wenige von ihnen behalten jedoch eine dauerhafte Herzschädigung zurück.

Rheumatisches Fieber kann in jedem Alter auftreten, ist jedoch zwischen 5 und 15 Jahren am häufigsten. In den USA tritt rheumatisches Fieber nur selten bei Personen unter 3 oder über 21 Jahren auf. Auch insgesamt ist die Krankheit bei Weitem seltener als in Entwicklungsländern, vermutlich da Racheninfektionen durch Streptokokken in der Regel frühzeitig mit Antibiotika behandelt werden. Jedoch unterliegt die Inzidenz des rheumatischen Fiebers in gewissen Gebieten manchmal ungeklärten Schwankungen. Beengte Wohnverhältnisse, Unterernährung sowie ein niedriger sozioökonomischer Status scheinen das Risiko für rheumatisches Fieber zu erhöhen. Auch die Vererbung scheint eine Rolle zu spielen, da das rheumatische Fieber in Familien gehäuft auftritt.

In den USA hat ein Kind, das eine Racheninfektion durch Streptokokken hat und nicht behandelt wird, ein Risiko von weniger als 1 bis 3 Prozent, an rheumatischem Fieber zu erkranken. Etwa die Hälfte der Kinder, die bereits einmal rheumatisches Fieber hatten, bekommt jedoch nach einer erneuten Racheninfektion durch Streptokokken einen Rückfall, wenn die Infektion nicht behandelt wird.

Im Gegensatz zu Racheninfektionen durch Streptokokken, ziehen Streptokokkeninfektionen der Haut (Impetigo) und anderer Körperbereiche kein rheumatisches Fieber nach sich. Die Gründe hierfür sind nicht bekannt.

(Siehe auch Überblick über bakterielle Infektionen in der Kindheit.)

Symptome des rheumatischen Fiebers

Die Symptome von rheumatischem Fieber sind sehr unterschiedlich, je nachdem, in welchem Körperteil die Entzündung ausgelöst wurde. In der Regel beginnen die Symptome 2 bis 3 Wochen nachdem die Halssymptome abgeklungen sind. Die häufigsten Symptome von rheumatischem Fieber sind:

  • Die Gelenke schmerzen.

  • Fieber

  • Schmerzen im Brustkorb oder Palpitationen, die durch eine Entzündung des Herzens (Karditis) verursacht werden

  • Ruckartige, unkontrollierbare Bewegungen (Sydenham Chorea)

  • Ausschlag

  • Kleine Beulen (Knötchen) unter der Haut

Die Symptome können allein oder in verschiedenen Kombinationen auftreten.

Gelenke

Gelenkschmerzen und Fieber sind häufig die ersten Symptome. Ein Gelenk oder mehrere Gelenke beginnen plötzlich zu schmerzen und sind berührungsempfindlich. Sie können zudem warm, geschwollen und gerötet sein. Die Gelenke können steif werden und Flüssigkeit enthalten. Normalerweise sind die Knöchel, Knie, Ellbogen und Handgelenke betroffen. Die Schultern, Hüften und die kleinen Gelenke der Hände und Füße können ebenfalls betroffen sein. Wenn die Schmerzen in einem Gelenk nachlassen, beginnen sie im nächsten (als Wanderschmerzen bezeichnet).

Die Intensität der Gelenkschmerzen rangiert von leicht bis stark; sie dauern typischerweise etwa 2 und selten mehr als 4 Wochen.

Das rheumatische Fieber verursacht keine Langzeitschäden an den Gelenken.

Herz

Manche Kinder mit einer Herzentzündung haben keine Symptome. Erst wenn Jahre später eine Schädigung des Herzens festgestellt wird, wird erkannt, dass eine Herzentzündung vorgelegen haben muss. Manche Kinder haben einen beschleunigten Herzschlag. Bei anderen Kindern entzündet sich der Herzbeutel und verursacht Schmerzen im Brustkorb (Perikarditis). Bei wieder anderen kommt es zu hohem Fieber und/oder Schmerzen im Brustkorb.

Herzgeräusche werden durch den Blutfluss im Herzen verursacht. Bei Kindern sind diese Herzgeräusche gewöhnlich leise. Sind die Herzgeräusche jedoch laut oder ändern sich mitunter, bedeutet das, dass das Kind eine Herzklappenerkrankung hat. Wenn das rheumatische Fieber das Herz betrifft, sind die Herzklappen ebenfalls häufig betroffen. Dadurch entstehen neue, weiter verbreitete oder andere Geräusche, die der Arzt durch das Stethoskop hören kann.

Herzinsuffizienz kann entstehen und dazu führen, dass das Kind schnell ermüdet, kurzatmig wird und Symptome wie Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen und einen trockenen, unproduktiven Husten zeigt.

Die Herzentzündung klingt allmählich ab, meist innerhalb von 5 Monaten. Sie kann jedoch die Herzklappen dauerhaft schädigen und so eine rheumatische Herzerkrankung zur Folge haben. Die Wahrscheinlichkeit, eine rheumatische Herzerkrankung zu entwickeln, hängt von der Schwere der ursprünglichen Herzentzündung ab, sowie davon, ob wiederkehrende Streptokokken-Infektionen behandelt werden.

Bei einer rheumatischen Herzerkrankung wird meist die Herzklappe zwischen dem linken Vorhof und der Herzkammer (Mitralklappe) geschädigt. Die Klappe kann durchlässig, (Mitralklappeninsuffizienz), ungewöhnlich eng (Mitralklappenstenose) oder beides werden. Die Schädigung der Herzklappe führt zu charakteristischen Herzgeräuschen, anhand derer der Arzt das rheumatische Fieber diagnostizieren kann. Zu einem späteren Zeitpunkt, meist in den mittleren Lebensjahren, kann die Herzklappenschädigung dann Herzinsuffizienz und Vorhofflimmern, eine Herzrhythmusstörung, verursachen.

Haut

Während die übrigen Symptome abklingen, kann ein flacher, schmerzfreier Ausschlag mit einem welligen Rand (Erythema marginatum) auftreten. Er besteht nur für kurze Zeit, manchmal kürzer als einen Tag.

Erythema marginatum
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Auf diesem Bild ist der flache, schmerzfreie Ausschlag mit einem welligen Rand zu sehen, der bei rheumatischem Fieber auftreten kann.
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Bei Kindern mit Entzündungen des Herzens oder der Gelenke können kleine, harte, schmerzfreie Beulen (Knötchen) unter der Haut entstehen. Die Knötchen bilden sich üblicherweise in der Nähe der betroffenen Gelenke und klingen nach einer Weile wieder ab.

Nervensystem

Bei Kindern mit rheumatischem Fieber können allmählich unkontrollierbare zuckende Bewegungen einsetzen (meist bei beiden Armen und Beinen und insbesondere im Gesicht, an den Händen und Füßen, was als Sydenham-Chorea bezeichnet wird), jedoch in der Regel erst, wenn alle anderen Symptome abgeklungen sind. Es kann sein, dass solche Bewegungen erst nach einem Monat so heftig werden, dass das Kind zum Arzt gebracht wird. Zu diesem Zeitpunkt zeigt das Kind meist sporadische schnelle, unwillkürliche Bewegungen, die im Schlaf verschwinden. Die Bewegungen können jeden Muskel betreffen, mit Ausnahme der Augenmuskeln. Sie können in den Händen beginnen und breiten sich dann auf die Füße und das Gesicht aus. Grimassieren (ein verzerrter Gesichtsausdruck) tritt häufig auf. Die Kinder schnalzen mit der Zunge oder die Zunge schnellt immer wieder aus dem Mund.

In leichten Fällen können die Kinder unbeholfen wirken und kleinere Schwierigkeiten beim Anziehen und Essen haben. In schweren Fällen kann es vorkommen, dass Kinder davor geschützt werden müssen sich mit ihren um sich schlagenden Armen und Beinen selbst zu verletzen. Die Chorea dauert zwischen 4 bis 8 Monate.

Diagnose des rheumatischen Fiebers

  • Gängige klinische Kriterien

  • Anlegen von Rachenkulturen

  • Bluttests

  • Elektrokardiografie und häufig Echokardiografie

Der Arzt stützt die Diagnose des rheumatischen Fiebers auf eine Kombination von Symptomen und Testergebnissen, die als modifizierte Jones-Kriterien bezeichnet werden (siehe Wie wird die Diagnose rheumatisches Fieber gestellt?).

Es gibt zwar keinen Labortest, der speziell rheumatisches Fieber diagnostiziert, aber die Ärzte führen Bluttests durch, um nach hohen Antikörperwerten gegen Streptokokken zu suchen. Auch durch einen Abstrich des Rachens, der dann zur Untersuchung an ein Labor geschickt wird, wird nach Streptokokken gesucht.

Weitere Bluttests, wie die Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit (BSG) und das C-reaktive Protein, helfen den Ärzten zu bestimmen, ob eine Entzündung im Körper vorliegt und wie weit sie fortgeschritten ist. Die BSG und der Spiegel des C-reaktiven Proteins sind erhöht, wenn eine Entzündung vorliegt.

Es wird eine Elektrokardiografie (EKG – eine Aufzeichnung der elektrischen Aktivität des Herzens) durchgeführt, um durch eine Herzentzündung ausgelöste Herzrhythmusstörungen zu erkennen. Eine Echokardiografie (Erstellen eines Ultraschallbilds der Herzstrukturen) kann zur Diagnose von Anomalien der Herzklappen und einer Entzündung des Herzens herangezogen werden.

Wenn nicht sicher ist, ob ein rotes, geschwollenes Gelenk durch eine Gelenkinfektion anstelle von rheumatischem Fieber verursacht wird, kann mit Hilfe einer Nadel Flüssigkeit aus dem Gelenk entnommen werden (Gelenkaspiration), an der dann Tests durchgeführt werden.

Wie wird die Diagnose rheumatisches Fieber gestellt?

Ärzte stellen die Diagnose rheumatisches Fieber bei Kindern, wenn diese eine Streptokokken-Infektion hatten und 2 Hauptkriterien oder 1 Hauptkriterium und 2 Nebenkriterien erfüllen:

  1. Hauptkriterien für rheumatisches Fieber:

    • Herzentzündung (Karditis)

    • Ruckartige, unkontrollierbare Bewegungen (Sydenham Chorea)

    • Ausschlag (Erythema marginatum)

    • Rötung, Schmerzen und Schwellungen (Arthritis) in mehreren Gelenken

    • Beulen (Knötchen) unter der Haut

  1. Nebenkriterien für rheumatisches Fieber:

    • Schmerzen in mehreren Gelenken (ohne Rötung oder Schwellungen)

    • Erhöhte Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit oder erhöhter Spiegel des C-reaktiven Proteins

    • Fieber

    • Herzrhythmusstörungen

Prognose bei rheumatischem Fieber

Rheumatisches Fieber und manche der damit verbundenen Probleme, wie Herzentzündung und Sydenham Chorea, können erneut auftreten. Episoden der Sydenham Chorea dauern für gewöhnlich mehrere Monate an und klingen bei den meisten Betroffenen wieder vollständig ab. Jedoch tritt die Erkrankung bei etwa einem Drittel erneut auf. Probleme mit den Gelenken (wie Schmerzen und Schwellungen) sind nicht dauerhaft, jedoch kann die Herzentzündung anhalten und schwer verlaufen, insbesondere, wenn die Streptokokken-Infektionen erneut auftreten und nicht behandelt werden.

Die durch rheumatisches Fieber verursachten Herzgeräusche verschwinden letztendlich bei manchen Personen, die meisten Betroffenen weisen jedoch dauerhafte Herzgeräusche sowie eine Herzklappenschädigung bis zu einem gewissen Grad auf.

Behandlung von rheumatischem Fieber

  • Antibiotika

  • Aspirin

  • Manchmal Kortikosteroide

Die Behandlung von rheumatischem Fieber verfolgt drei Ziele:

  • Beseitigung einer eventuell bestehenden Streptokokken-Infektion

  • Reduzierung der Entzündung, insbesondere in den Gelenken und im Herzen, und dadurch Linderung der Symptome

  • Vorbeugung vor zukünftigen Infektionen

Kinder mit rheumatischem Fieber erhalten Antibiotika, um eine eventuell noch bestehende Infektion zu beseitigen. Langwirksames Penicillin wird als Einzelinjektion verabreicht oder Penicillin bzw. Amoxicillin werden 10 Tage lang eingenommen.

Um die Entzündung zu bremsen und die Schmerzen zu lindern, vor allem wenn bereits die Gelenke und das Herz befallen sind, wird Aspirin über mehrere Wochen in hoher Dosierung verabreicht.

Einige andere nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR), wie Naproxen, können genauso wirksam sein wie Aspirin, bei den meisten Kindern wird jedoch Aspirin zur Behandlung von rheumatischem Fieber vorgezogen.

Wenn die Herzentzündung schwerwiegend ist, werden zusätzlich zu Aspirin Kortikosteroide wie Prednison empfohlen. Diese können zur weiteren Reduzierung der Entzündung über eine Vene (intravenös) oder über den Mund (oral) verabreicht werden.

Kinder mit Gelenkschmerzen, Chorea oder Herzinsuffizienz sollten ihre Aktivitäten einschränken. Besteht keine Herzentzündung, müssen die Aktivitäten nach Abklingen der Erkrankung nicht eingeschränkt werden. Längere Bettruhe hilft nicht.

Vorbeugende Behandlung (Antibiotika-Prophylaxe)

Am sichersten vorgebeugt wird rheumatischem Fieber mit einer schnellen und umfassenden Antibiotikabehandlung bei jeder Racheninfektion durch Streptokokken.

Darüber hinaus sollte jedes Kind, das einmal rheumatisches Fieber hatte, entweder täglich ein Medikament (typischerweise Penicillin) einnehmen oder dieses einmal im Monat in einen Muskel gespritzt bekommen, um einer erneuten Streptokokken-Infektion vorzubeugen. Werden Personen Antibiotika verabreicht, die keine Infektion haben, wird diese vorbeugende Behandlung als Prophylaxe bezeichnet. Wie lange diese vorbeugende Behandlung fortgesetzt werden soll, ist nicht klar. Es hängt vom Schweregrad der Erkrankung ab, jedoch wird meist zumindest 5 Jahre oder bis zum Alter von 21 Jahren weiter behandelt (je nachdem, welcher Zeitraum länger ist). Manche Ärzte empfehlen, dass die Behandlung in bestimmten Fällen lebenslang fortgesetzt werden soll, etwa bei Personen mit dauerhaften Herzklappenschäden und die engen Kontakt zu kleinen Kindern haben (da die Kinder Träger von Streptokokken-Bakterien sein könnten, durch die sich diese Personen erneut infizieren könnten).