Reaktive Arthritis

VonKinanah Yaseen, MD, Cleveland Clinic
Überprüft/überarbeitet Nov. 2022
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Die reaktive Arthritis ist eine hochakute Spondylarthritis, die oft auf eine Infektion (am häufigsten des Gastrointestinal- oder Urogenitaltraktes) zurückzuführen ist. Zu den häufigen Manifestationen gehören asymmetrische Arthritis unterschiedlicher Intensität, die tendenziell die unteren Extremitäten mit wurstförmigen Deformationen der Finger oder Zehen oder beider betrifft, große Knieergüsse, konstitutionelle Symptome, Enthesitis, Tendinitis und mukokutane Ulzerationen, einschließlich hyperkeratotischer oder verkrusteter Bläschenläsionen (Keratoderma blennorrhagicum). Die Diagnose wird klinisch gestellt. Die Therapie wird zunächst mit nichtsteroidalen Antiphlogistika, bei chronifiziertem Verlauf auch mit Sulfasalazin oder Immunsuppressiva durchgeführt.

Eine Spondylarthritis in Verbindung mit Urethritis oder Zervizitis, Konjunktivitis und Schleimhautläsionen (früher Reiter-Syndrom genannt) ist eine spezielle Form der reaktiven Arthritis.

Ätiologie der reaktiven Arthritis

Zwei Formen der reaktiven Arthritis sind häufig: sexuell übertragen und dysenteritisch.

Die sexuell übertragene Form kommt vorwiegend bei Männern zwischen dem 20. und 40 Lebensjahr vor, am häufigsten im Zusammenhang mit genitalen Infektionen mit Chlamydia trachomatis.

Die dysenteritische Form nach enteritischen Infektionen, verursacht vorwiegend durch Shigella, Salmonella, Clostridioides difficile, Yersinia, oder Campylobacter, kommt bei Männern und Frauen gleich häufig vor.

Auch die Injektion von Bacille Calmette-Guerin bei Blasenkrebs kann reaktive Arthritis auslösen.

In etwa in 40% der Fälle können die Infektionserreger nicht identifiziert werden.

Die reaktive Arthritis ist eine postinfektiöse Arthritis. Zwar gibt es Hinweise darauf, dass ein mikrobielles Antigen im Synovium vorliegt, aus der Gelenkflüssigkeit können jedoch keine Mikroorganismen kultiviert werden.

Epidemiologie der reaktiven Arthritis

Die Prävalenz des humanen Leukozyten-Antigens B27 (HLA-B27)-Allels bei Patienten beträgt 63 bis 96% gegenüber 6 bis 15% bei gesunden weißen Kontrollpersonen, was eine genetische Prädisposition unterstützt.

Im Vergleich zu Patienten ohne HLA-B27-Allel haben Patienten mit dem HLA-B27-Allel eine schwerere Arthritis, extraartikuläre Manifestationen und einen längeren Krankheitsverlauf.

Symptome und Anzeichen einer reaktiven Arthritis

Das Spektrum der reaktiven Arthritis reicht von der flüchtigen Monarthritis bis zur schwersten multisystemischen Krankheit. Allgemeinsymptome wie Fieber, Müdigkeit und Gewichtsverlust sind häufig vorhanden. Die Arthritis kann leicht oder schwer verlaufen. Die Gelenkbeteiligung ist in der Regel asymmetrisch und oligoartikulär oder polyartikulär. Sie tritt vorwiegend an den Zehen und den großen Gelenken der unteren Extremitäten auf und kann auch große Knieergüsse umfassen. In schweren Fällen können auch tiefsitzende Kreuzschmerzen vorkommen. Gelenkschäden treten selten auf. Eine axiale Beteiligung tritt häufiger bei Patienten mit positivem HLA-B27 auf und ist in der Regel asymmetrisch mit großen und massiven Syndesmophyten.

Häufig und charakteristisch sind Entzündungen der Sehnenansätze am Knochen (Enthesitis; z. B. plantare Fasziitis, Tendinitis der Achillessehne und digitale Periostitis).

Schleimhautläsionen — kleine, flüchtige, verhältnismäßig schmerzlose oberflächliche Schleimhautulzera treten v. a. in der Mundschleimhaut, am Zahnfleisch sowie an der Glans penis (Balanitis circinata) auf. Besonders charakteristisch sind Hautveränderungen in Form von Bläschen (manchmal identisch mit der pustulösen Psoriasis), lokalisiert palmoplantar und um die Nägel, die hyperkeratotisch werden und Krusten bilden (Keratoderma blennorrhagicum). Keratoderma blennorrhagicum kann auch Erytheme, Plaques und Schuppung umfassen. Die Nägel können dystrophieren. Über Erythema nodosum wurde auch bei reaktiver Arthritis berichtet, vor allem nach einer Yersinia-Infektion.

Mukokutane und Hautmanifestationen von reaktiver Arthritis
Zirkinate Balanitis sekundär bei reaktiver Arthritis
Zirkinate Balanitis sekundär bei reaktiver Arthritis
Die Geschwüre auf diesem Foto sind flach und relativ schmerzlos.

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Keratoderma blennorrhagicum (Handfläche)
Keratoderma blennorrhagicum (Handfläche)
Diese Abbildung zeigt umfangreiche psoriatische Plaques, generalisiertes Erythem und starke Skalierung an den Handfläch... Erfahren Sie mehr

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Keratoderma Blennorrhagicum (Fußsohle)
Keratoderma Blennorrhagicum (Fußsohle)
Dieses Foto zeigt Plaques, ausgeprägtes Erythem und Schuppung der Haut bei einem Patienten mit reaktiver Arthritis.

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Reaktive Arthritis (Nägel)
Reaktive Arthritis (Nägel)
Diese Abbildung zeigt dystrophische Nagelveränderungen als Folge einer reaktiven Arthritis.

Image courtesy of Karen McKoy, MD.

Eine Urethritis entwickelt sich ca. 7–14 Tage nach sexuellem Kontakt (oder gelegentlich auch nach Dysenterie); im Lauf der nächsten Wochen entwickeln sich dann Temperaturerhöhungen, Konjunktivitis und Arthritis. Nicht alle Symptome müssen vorkommen, ein inkompletter Befall ist in Betracht zu ziehen. Bei Männern ist die Urethritis weniger schmerzhaft und entwickelt weniger purulenten Ausfluss als bei der akuten gonorrhoischen Urethritis, sie kann mit einer hämorrhagischen Zystitis oder Prostatitis verknüpft sein. Bei Frauen verläuft die Urethritis und Zervizitis meist mild oder asymptomatisch (mit geringer Dysurie oder leichtem vaginalem Ausfluss).

Die Konjunktivitis stellt die häufigste Augenbeteiligung dar. Sie verursacht meist leichte Rötung und Fremdkörpergefühl, es kann sich jedoch auch eine Keratitis und Uveitis anterior entwickeln, die Schmerzen, Photophobie und Tränenfluss verursacht.

Deutlich seltener kommt es zu kardiovaskulären Komplikationen (z. B. Aortitis, Aorteninsuffizienz, Reizleitungsstörungen), zur Pleuritis und zur Beteiligung des zentralen oder peripheren Nervensystems.

Diagnose der reaktiven Arthritis

  • Typische Arthritis

  • Symptome einer vorangegangenen gastrointestinalen oder Urogenital-Infektion

  • Eine andere extraartikuläre Funktion

Der Verdacht auf eine reaktive Arthritis entsteht bei Patienten mit akuter asymmetrischer Arthritis, v. a. bei Befall der großen Gelenke der unteren Extremität und der Zehen, bei zusätzlicher Tendinitis und bei anamnestischer Diarrhö oder Dysurie. Die Diagnose wird letztlich klinisch gestellt, sie erfordert das typische Bild der peripheren Arthritis in Verbindung mit Symptomen einer Harnwegs- oder gastrointestinalen Infektion sowie einer der anderen extraartikulären Manifestationen. Da diese Befunde zu unterschiedlichen Zeiten auftreten können, wird die definitive Diagnose möglicherweise erst nach Monaten gestellt. Die Komplementspiegel in Serum und Synovia sind hoch, da es sich aber um unspezifische Befunde handelt, ist deren Bestimmung nicht erforderlich.

Die disseminierte Gonokokkeninfektion kann einer reaktiven Arthritis stark ähneln. Eine Arthrozentese kann nicht immer bei der Unterscheidung helfen, da bei beiden Krankheiten die Synovialflüssigkeit entzündlich verändert ist und der kulturelle Gonokokkennachweis oft nicht gelingt. Klinische Merkmale können helfen: So befällt die disseminierte Gonokokkeninfektion obere und untere Extremität gleichmäßig, hat einen eher wandernden Charakter, verursacht keine Rückenschmerzen, und den Gonokokkenbläschen fehlt die Hyperkeratose. Eine positive Gonokokken-Kultur aus Blut oder Hautläsionen hilft bei der Unterscheidung der beiden Erkrankungen, eine positive Kultur aus der Harnröhre oder der Zervix hingegen nicht, auch wenn sie suggestiv ist. Wenn die Differenzierung immer noch schwierig ist, kann ein Ansprechen auf eine Ceftriaxon-Behandlung nach etwa einer Woche für eine gleichzeitige Diagnose und Behandlung erforderlich sein.

Auch die Psoriasisarthritis kann bei Vorhandensein ähnlicher Hautveränderungen, einer Uveitis und einer asymmetrischen Oligoarthritis mit der reaktiven Arthritis verwechselt werden. Die Psoriasisarthritis jedoch befällt häufig die oberen Extremitäten, charakteristischerweise die DIP-Gelenke, kann abrupt oder allmählich beginnen und ruft keine Schleimhautulzera hervor und ist ohne urogenitale oder gastrointestinale Infektanamnese.

Prognose für reaktive Arthritis

Die reaktive Arthritis verschwindet oft innerhalb von 3–4 Monaten, aber bei bis zu 50% der Patienten treten die Symptome über mehrere Jahre hinweg immer wieder auf oder halten an, insbesondere wenn sie durch eine Chlamydieninfektion ausgelöst werden und bei Patienten mit positiven HLA-B27-Allelen. In diesen Fällen kann es zu Gelenkdeformitäten und entzündlichem Befall der Wirbelsäule und Iliosakralgelenke kommen, Einige Patienten werden zu Behinderten.

Behandlung der reaktiven Arthritis

  • Nichtsteroidale Antirheumatika (= nonsteroidal anti-inflammatory drugs, NSAID)

  • Gelegentlich Sulfasalazin, Doxycyclin, Methotrexat oder eine Kombination

  • Supportive Maßnahmen

NSAR (z. B. Indomethacin 25 bis 50 mg oral 3-mal täglich) helfen in der Regel, die Symptome der reaktiven Arthritis zu lindern. Bei einer Infektion mit C. trachomatis, sollte Doxycyclin (100 mg p.o. 2-mal täglich) bis zu 3 Monate eingenommen werden, um das Abklingen zu beschleunigen, der Effekt dieser Maßnahme wird aber noch kontrovers diskutiert. Sulfasalazin zur Behandlung von rheumatoider Arthritis kann ebenfalls hilfreich sein. Bei anhaltend massiver Symptomatik trotz nichtsteroidaler Antiphlogistika und Sulfasalazin kann der Einsatz von Methotrexat notwendig sein.

Die lokale Verabreichung von Depotkortikosteroiden bei einer Oligoarthritis oder Enthesitis kann hingegen einen guten symptomatischen Effekt bringen. Während der Abklingphase ist der zusätzliche Einsatz von physikalischer Therapie nützlich, um die Gelenkbeweglichkeit wiederherzustellen bzw. zu erhalten. Die Uveitis anterior wird mit lokalen Kortikosteroiden und Mydriatika behandelt, um eine Narbenbildung zu verhindern. Konjunktivitis und Schleimhautläsionen bedürfen nur symptomatischer Therapie.

Es wird empfohlen, auf das humane Immundefizienzvirus (HIV) und andere sexuell übertragbare Infektionen zu testen und Sexualpartner zu behandeln.

Wichtige Punkte

  • Die reaktive Arthritis ist eine Form der Spondyloarthropathie, die durch eine Infektion ausgelöst wird und typischerweise nach einer sexuell übertragbaren oder enterischen Infektion auftritt.

  • Zu ihren Manifestationen gehören Arthritis (meist asymmetrisch und unter Beteiligung der großen Gelenke der unteren Extremität und der Zehen), Enthesopathie, mukokutane Läsionen, Konjunktivitis und nicht eitriger genitaler Ausfluss (z. B. Urethritis, Zervizitis).

  • Die Diagnose wird bestätigt durch die typischen arthritischen Befunde und entweder durch Symptome oder eine Anamnese einer Harnwegs- oder gastrointestinalen Infektion oder einen charakteristischen extraartikulären Befund.

  • Die Therapie wird mit nichtsteroidalen Antirheumatika und gelegentlich auch mit Sulfasalazin durchgeführt.