Die neonatale Hepatitis-B-Virusinfektion wird in der Regel während der Entbindung erworben und ist typischerweise asymptomatisch, kann aber im späteren Kindes- oder Erwachsenenalter eine chronische subklinische Erkrankung verursachen. Eine symptomatische Infektion verursacht Ikterus, Lethargie, Wachstums- und Gewichtsverzögerung (früher Gedeihstörung), abdominale Ausdehnung und lehmfarbenen Stuhl. Die Diagnose erfolgt serologisch. Ein schwerer Verlauf führt in seltenen Fällen zu Leberversagen und erfordert eventuell eine Lebertransplantation. Weniger schwere Verläufe werden nur unterstützend behandelt. Aktive und passive Immunisierung verhindern eine vertikale Übertragung.
(Siehe auch Übersicht über die akute Virushepatitis bei Erwachsenen und Übersicht über Infektionen des Neugeborenen.)
Das Hepatitis-B-Virus (HBV) ist die einzige anerkannte Form der viralen Hepatitis, die eine Hepatitis bei Neugeborenen verursacht. Andere virale neonatale Infektionen (z. B. Zytomegalievirus, Herpes-simplex-Virus) können Leberentzündungen zusammen mit anderen klinischen Manifestationen verursachen.
Ätiologie der HBV-Infektion bei Neugeborenen
Bei der Geburt wird die HBV-Infektion von der infizierten Mutter auf das Neugeborene übertragen. Das Übertragungsrisiko beträgt 70 bis 90 % bei Frauen, die zum Zeitpunkt der Entbindung seropositiv für HBsAg (Hepatitis-B-Oberflächenantigen) und HBeAg (Hepatitis-B-e-Antigen) sind (siehe Serologie). Frauen ohne e-Antigen übertragen die Infektion nur in 5–20% der Fälle (1).
Die Mutter-Kind-Übertragung von HBV erfolgt primär durch maternofetale Mikrotransfusionen während der Wehen oder durch Kontakt mit infektiöser Vaginalflüssigkeit. Eine transplazentale Übertragung wird in < 2% der Infektionen identifiziert. Seltener kommt es zu einer postpartalen Ansteckung durch den Kontakt mit infektiösem mütterlichem Blut, Speichel, Stuhl, Urin oder Muttermilch. Bis zu 90% der Kinder, die perinatal infiziert wurden, entwickeln eine chronische Infektion und eine perinatal erworbene HBV-Infektion kann ein wichtiges virales Reservoir in bestimmten Umgebungen sein (1).
Hinweis zur Ätiologie
1. Wong F, Pai R, Van Schalkwyk J, Yoshida EM. Hepatitis B in pregnancy: a concise review of neonatal vertical transmission and antiviral prophylaxis. Ann Hepatol. 2014;13(2):187-195.
Symptome und Anzeichen einer Neugeborenen-HBV-Infektion
Die große Mehrheit der Neugeborenen mit HBV-Infektion ist asymptomatisch, entwickelt aber eine chronisch subklinische Infektion, die durch eine persistierende HBs-Antigenämie und eine wechselnd erhöhte Transaminasenaktivität gekennzeichnet ist. Viele Neugeborene von Müttern mit einer akuten Hepatitis B während der Schwangerschaft haben unabhängig davon, ob sie selbst erkrankt sind oder nicht, ein niedriges Geburtsgewicht.
In seltenen Fällen entwickeln infizierte Neugeborene eine akute, symptomatische Hepatitis B, die in der Regel mild und selbstbegrenzend ist. Sie entwickeln Ikterus, Lethargie, Wachstums- und Gewichtsverzögerung, abdominale Ausdehnung und lehmfarbenen Stuhl.
Gelegentlich verläuft die Infektion schwerwiegend mit Hepatomegalie, Aszites und konjugierter Hyperbilirubinämie.
Sehr selten ist der Verlauf fulminant oder tödlich. Schwere Verlaufsformen werden häufiger bei Kindern beobachtet, deren Mütter chronische Hepatitis B-Trägerinnen sind.
Diagnose der HBV-Infektion bei Neugeborenen
Serologische Tests
Laboruntersuchungen (HBsAg, HBeAg, Anti-HBe-Antikörper, HBV-DNA-Quantifizierung, Blutbild einschließlich Thrombozyten, Leberfunktionstests)
Leber-Ultraschall
Die Diagnose einer neonatalen HBV-Infektion wird durch serologische Tests, einschließlich der Messung von HBsAg, HBeAg, Antikörpern gegen das Hepatitis-B e-Antigen (Anti-HBe) und eine Quantifizierung der HBV-DNA im Blut gestellt. Zu anderen initialen Tests gehört ein Blutbild mit Blutplättchen, Alaninaminotransferase und Alpha-Fetoprotein-Spiegeln sowie eine Leber-Sonographie.
Eine eventuelle Familiengeschichte mit Leberkrebs oder Lebererkrankungen ist wegen des langfristigen Risikos eines hepatozellulären Karzinoms ein wichtiges Indiz. Wenn der Test eine HBV-Infektion vermuten lässt, wird die Rücksprache mit einem pädiatrischen Hepatologen empfohlen.
Behandlung der Neugeborenen-HBV-Infektion
Unterstützende Behandlung
Manchmal Nukleoside (in Absprache mit einem pädiatrischen Hepatologen)
Symptomatische Therapie und entsprechende Ernährung sind ratsam. Weder Kortikosteroide noch Hepatitis-B-Immunglobulin (HBIG) ist bei einer akuten Infektion hilfreich. Keine Therapie verringert die Wahrscheinlichkeit, dass sich eine chronische, subklinische Hepatitis entwickelt, sobald die Infektion erworben ist.
Alle Kinder mit chronischer HBV-Infektion sollten mit Hepatitis A-Impfstoff immunisiert werden.
Kinder mit chronischer HBV-Infektion können von Nukleosiden oder Nukleotidanaloga profitieren, aber diese sollten nur in Absprache mit einem pädiatrischen Hepatologen verwendet werden.
Selten kann eine schwere Erkrankung eine Lebertransplantation erforderlich machen.
Prognose für Neugeborenen-HBV-Infektion
Die Langzeitprognose ist nicht vorhersehbar. Allerdings erhöht eine chronische HBV-Infektion im frühen Lebensalter das Risiko einer nachfolgenden Lebererkrankung, einschließlich chronischer Hepatitis, Zirrhose, Lebererkrankung im Endstadium und hepatozellulärem Karzinom.
Prävention von HBV-Infektionen bei Neugeborenen
Schwangere sollten routinemäßig in der Frühschwangerschaft auf HBsAg gestestet werden. Wenn zu diesem Zeitpunkt keine Tests durchgeführt werden, sollten sie bei der Einweisung in das Krankenhaus getestet werden. Einige Frauen, die HBsAg-positiv sind, werden während des dritten Trimesters mit einer antiviralen Therapie (Tenofovirdisoproxilfumarat oder Tenofoviralafenamid) behandelt, was eine perinatale Übertragung von HBV verhindern kann (1).
Neugeborene, deren Mutter HBsAg-positiv ist oder andere Anzeichen einer HBV-Infektion aufweist (z. B. HBV-DNA-Nachweis, HBeAg-positiv oder bekanntermaßen chronisch mit HBV infiziert ist) sollten innerhalb von 12 Stunden nach der Geburt eine Dosis Hepatitis-B-Immunglobulin (HBIG) i.m. und die erste Dosis der rekombinanten HBV-Impfstoff-Serie i.m. erhalten (HBIG und die erste HBV-Impfstoffdosis werden gleichzeitig, aber an unterschiedlichen Injektionsstellen verabreicht) (2). Die HBV-Impfstoffserie wird dann abgeschlossen, die zweite Dosis wird nach 1bis 2 Monaten und die dritte Dosis 6 bis 18 Monate nach der ersten verabreicht. Wiegt der Säugling < 2 kg, kann die erste Impfdosis weniger wirksam sein, sodass der Säugling gemäß den Anweisungen des Herstellers ab 1 bis 2 Monaten nach der Geburt drei weitere Impfdosen erhalten sollte.
Die Untersuchung auf HBsAg und Anti-HBs nach 9 bis 12 Monaten (oder 1 bis 2 Monate nach Abschluss der Impfung) wird für alle Säuglinge, die von HBsAg-positiven Müttern geboren wurden, empfohlen (3).
Neugeborene, deren Mütter einen unbekannten HBsAg-Status zum Zeitpunkt der Geburt haben, sollten auch innerhalb von 12 h nach der Geburt geimpft werden. Bei Kindern < 2 kg wird die erste Impfung gleichzeitig mit dem HBIG an einer anderen Stelle verabreicht. Für Säuglinge ≥ 2 kg, deren Mütter auf HBsAg getestet werden können und bei denen eine Nachsorge gewährleistet ist, kann HBIG bis zu 7 Tage verzögert werden und wird verabreicht, wenn die Mutter positiv auf HBsAg getestet wird.
Neugeborene, deren Mütter bekanntermaßen HBsAg-negativ sind, sollten ihre erste Dosis der HBV-Impfung innerhalb von 24 Stunden nach der Geburt erhalten, wenn sie medizinisch stabil sind und ≥ 2 kg wiegen. Bei Säuglingen < 2 kg sollte 1 Dosis des Impfstoffs im Alter von 1 Monat oder vor der Entlassung aus dem Krankenhaus verabreicht werden (4).
(Siehe auch die vom Center for Disease Control and Prevention hepatitis B vaccination notes.)
Die Trennung der Neugeborenen von ihren HBsAg-positiven Müttern wird nicht empfohlen, auch Stillen scheint das Risiko der postpartalen Übertragung nicht zu erhöhen, vor allem wenn eine HBIG und HBV- Impfung erfolgt ist (1). Wenn eine stillende Patientin blutende Brustwarzen hat, sollte die Milch aus der betroffenen Brust verworfen werden, während an der nicht betroffenen Brust weiter gefüttert oder abgepumpt wird, bis die blutende Brustwarze abgeheilt ist, damit das Neugeborene nicht direkt mit Blut in Berührung kommt (5).
Literatur zur Prävention
1. Viral Hepatitis in Pregnancy: ACOG Clinical Practice Guideline No. 6. Obstet Gynecol. 2023;142(3):745-759. doi:10.1097/AOG.0000000000005300
2. Schillie S, Vellozzi C, Reingold A, et al. Prevention of Hepatitis B Virus Infection in the United States: Recommendations of the Advisory Committee on Immunization Practices. MMWR Recomm Rep. 2018;67(1):1-31. Published 2018 Jan 12. doi:10.15585/mmwr.rr6701a1
3. Centers for Disease Control and Prevention (CDC): Clinical Guidance for Perinatal Hepatitis B Testing. Screening and testing guidelines: Infants and children. Accessed January 27, 2025.
4. COMMITTEE ON INFECTIOUS DISEASES; COMMITTEE ON FETUS AND NEWBORN. Elimination of Perinatal Hepatitis B: Providing the First Vaccine Dose Within 24 Hours of Birth. Pediatrics. 2017;140(3):e20171870. doi:10.1542/peds.2017-1870
5. Society for Maternal-Fetal Medicine (SMFM). Electronic address: pubs@smfm.org, Badell ML, Prabhu M, et al. Society for Maternal-Fetal Medicine Consult Series #69: Hepatitis B in pregnancy: updated guidelines. Am J Obstet Gynecol. 2024;230(4):B2-B11. doi:10.1016/j.ajog.2023.12.023
Wichtige Punkte
Das Hepatitis-B-Virus (HBV) ist die einzige anerkannte Ursache der viralen neonatalen Hepatitis; es wird in der Regel während der Entbindung übertragen.
Die große Mehrheit der Neugeborenen ist asymptomatisch, entwickelt aber eine chronische, subklinische HBs-Antigenämie mit erhöhter Transaminasenaktivität.
Einige Kinder entwickeln eine milde Hepatitis, einige wenige leiden an fulminanter Lebererkrankung.
Serologische Tests von Säugling und Mutter sollten erfolgen.
HBV-infizierte Kinder sollten mit Hepatitis A-Impfstoff immunisiert werden; Medikamente gegen HBV (z. B. Interferon alfa) können helfen, sollten aber nur in Absprache mit einem pädiatrischen Hepatologen verwendet werden.
Neugeborene, deren Mütter HBsAg-positiv sind, sollten innerhalb von 12 Stunden nach der Geburt eine Dosis HBIG i.m. und eine gleichzeitige erste Dosis HBV-Impfstoff erhalten.
