Geburtsverletzungen

VonArcangela Lattari Balest, MD, University of Pittsburgh, School of Medicine
Überprüft/überarbeitet Nov. 2023
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Die Kräfte, die im Rahmen der Wehentätigkeit wirken und der Geburtsvorgang können gelegentlich zu einer Verletzung des Kindes führen. Die Häufigkeit von Neugeborenenverletzungen infolge schwieriger oder traumatischer Geburten sinkt durch die zunehmende Anwendung von Kaiserschnitt anstatt von schwierigen Wendungen, Vakuum-Extraktionen sowie mittleren oder hohen Zangen-Entbindungen.

Ein erhöhtes Traumarisiko besteht, wenn der Säugling groß für das Gestationsalter ist (was manchmal mit dem chronischen Diabetes in der Schwangerschaft oder dem Gestationsdiabetes einhergeht) oder wenn eine Beckenendlage oder eine andere abnorme Lage vorliegt, insbesondere bei einer Erstgebärenden.

Verletzungen der Gesichtsnerven bei Neugeborenen

Der Gesichtsnerv ist der am häufigsten verletzte Nerv. Obwohl Zangendruck eine häufige Ursache ist, entstehen einige Verletzungen durch einen intrauterinen Druck auf die Nerven. Dieser kann durch die Lage des Fetus (z. B. wenn der Kopf an die Schulter, das sakrale Promontorium oder ein Uterusmyom gedrückt ist) entstehen.

Die Verletzung des Nervus facialis tritt meistens direkt am oder distal des Austritts aus dem Foramen stylomastoideum auf und resultiert v. a. während des Weinens und Schreiens in einer Gesichtsasymmetrie. Der Versuch, die betroffene Gesichtsseite zu bestimmen, kann zu Verwirrung führen; die Gesichtsmuskeln können auf der Seite der Nervenlähmung nicht bewegt werden. Verletzungen können auch nur einzelne Äste des Nervs betreffen, hier v. a. den Mandibulaast.

Eine weitere Ursache der Gesichtsasymmetrie ist die mandibuläre Asymmetrie als Folge von intrauterinem Druck. In diesem Fall ist die Innervation der Muskeln intakt, sodass beide Gesichtshälften bewegt werden können. Anders als bei einer Verletzung des Nervus facialis sind bei der mandibulären Asymmetrie die maxilären und mandibulären Okklusionsflächen nicht parallel. Eine kongenitale Anomalie, die ein asymmetrisches Lächeln verursachen kann, ist das einseitige Fehlen des Depressor anguli oris muscle; diese Anomalie ist klinisch unbedeutend, muss aber von einer Gesichtsnervenverletzung unterschieden werden.

Die Untersuchung oder Behandlung von Gesichtsnervenverletzungen ist bei peripheren Gesichtsnervenverletzungen oder Unterkieferasymmetrien nicht erforderlich. Gewöhnlich kommt es innerhalb von 2–3 Monaten zu einer Restitutio ad integrum.

Verletzungen des Plexus brachialis bei Neugeborenen

Verletzungen des Plexus brachialis folgen oft auf laterale Zerrungen des Halses während der Entbindung, die durch eine Schulterdystokie, Extraktion aus Steißlage oder Hyperabduktion des Halses bei Schädellage verursacht werden. Verletzungen können durch eine einfache Überdehnung des Nervens, durch eine Blutung im Nerv, durch Abriss des Nervs oder der Wurzel sowie durch Ausriss der Wurzel mit einhergehender Schädigung des Rückenmarks entstehen. Ebenso kann es zu Begleitverletzungen (z. B. Schlüsselbein- oder Humerusfrakturen sowie Subluxationen der Schulter oder der Halswirbelsäule) kommen. Intrauterine Kompression kann ebenfalls einige Fälle verursachen.

Die Verletzungen können betreffen

  • Oberer Plexus brachialis (C5 bis C7): Betrifft die Muskeln um die Schultern und Ellenbogen

  • Unterer Plexus (C8 bis T1): Betrifft vor allem die Muskeln des Unterarms und der Hand

  • Gesamter Plexus brachialis: Betrifft die gesamte obere Extremität und oft sympathische Fasern von T1

Lage und Art der Schädigung bestimmen die Prognose.

Erb-Lähmung ist eine häufige Verletzung des Plexus brachialis. Sie ist eine Verletzung des oberen Plexus brachialis (C5 bis C7), die eine Adduktion und Innenrotation in der Schulter mit Pronation des Unterarms zur Folge hat. Manchmal fehlt der Bizepsreflex und der Moro-Reflex ist asymmetrisch. Eine ipsilaterale Lähmung des Zwerchfells aufgrund einer Nervenverletzung des Zwerchfells ist ebenfalls häufig. Die Behandlung von Erbparese ist in der Regel unterstützend mit einer physischen Therapie und protektiven Positionierung, die aus einer Schonung des Arms durch Immobilisation über dem oberen Abdomen und in der Vermeidung von Kontrakturen durch tägliche vorsichtige passive Durchbewegung der beteiligten Gelenke im Rahmen ihres jeweiligen Bewegungsradius besteht.

Erb-Lähmung bei einem Kind
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Dieses Foto zeigt die Innenrotation der Schulter, die Streckung des Ellbogens und die Beugung des Handgelenks und der Zehen bei einer geburtshilflichen Erb-Lähmung.
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Klumpke-Lähmung ist selten und eine Verletzung des unteren Plexus, die Schwäche oder Lähmung der Hand und des Handgelenks verursacht. Der Klammerreflex fehlt gewöhnlich, aber der Bizepsreflex liegt vor. Oft sind die sympathischen Fasern von T1 betroffen, was ein ipsilaterales Horner-Syndrom (Myosis, Ptose, Anhidrose, verursacht. Passive Bewegungstherapie ist in der Regel die einzig erforderliche Behandlung.

Weder die Erb- noch die Klumpke-Lähmung verursachen normalerweise nachweisbare Sensibilitätsausfälle, die auf einen Ab- oder Ausriss des Nervs hinweisend wären. Normalerweise kommt es zu einer raschen Besserung, allerdings können Defizite bleiben. Wenn das Defizit stärker ausgeprägt ist oder länger als 1 oder 2 Wochen anhält, wird eine physikalische Therapie oder Ergotherapie zur korrekten Positionierung und sanften Bewegung des Arms empfohlen. Wenn über 1 oder 2 Monate keine Besserung eintritt, besteht ein erhöhtes Risiko einer langfristigen Behinderung und Wachstumsbeeinträchtigung. Die Beurteilung durch einen pädiatrischen Neurologen und/oder Orthopäden in einem Kinderspezialkrankenhaus ist angezeigt, um festzustellen, ob eine chirurgische Untersuchung und mikrochirurgische Reparatur des Plexus brachialis mit Nerventransplantaten das Ergebnis verbessern kann.

Die Betroffenheit des gesamten Plexus ist weniger häufig und führt zu einer schlaffen oberen Extremität mit wenig oder keiner Bewegung, abwesenden Reflexen und üblicherweise Sensibilitätsverlust. Ipsilaterales Horner-Syndrom liegt bei den schwersten Fällen vor. Ipsilaterale Pyramidenbahnzeichen (z. B. verringerte Bewegung, Babinski-Zeichen) weisen auf eine Verletzung des Rückenmarks hin, und es sollte eine Magnetresonaztomographie durchgeführt werden.

Nervenverletzungen des Zwerchfells bei Neugeborenen

Die meisten Nervenverletzungen des Zwerchfells (etwa 75%) sind mit Verletzungen des Plexus brachialis assoziiert. Die Verletzung ist meist einseitig und wird durch eine Traktionsverletzung des Kopfes und des Halses verursacht.

Die Säuglinge haben Atemnot und verminderte Atemgeräusche auf der betroffenen Seite.

Die Behandlung einer Zwerchfellverletzung ist unterstützend und erfordert in der Regel kontinuierlichen positiven Atemwegsdruck oder mechanische Belüftung.

Etwa ein Drittel der Säuglinge erholt sich innerhalb des ersten Lebensmonats spontan. Säuglinge, die sich nicht erholen, benötigen eventuell eine chirurgische Fältelung des Zwerchfells.

Andere Verletzungen peripherer Nerven bei Neugeborenen

Verletzungen anderer peripherer Nerven (z. B. der Nn. radialis, ischiadicus oder obturatorius) sind bei Neugeborenen selten und in aller Regel nicht mit der Wehentätigkeit und dem Geburtsvorgang in einen Zusammenhang zu bringen. Sie treten meist sekundär als Folge eines lokalen Traumas auf (z. B. einer Injektion in oder in die Nähe des Nervus ischiadicus).

Die Behandlung einer peripheren Nervenverletzung besteht darin, den Antagonisten des gelähmten Muskels bis zur Besserung ruhigzustellen. Eine neurochirurgische Exploration des Nervs ist nur selten erforderlich.

Bei den meisten Verletzungen peripherer Nerven kommt es zu einer vollständigen Abheilung.

Rückenmarksverletzung bei Neugeborenen

Verletzungen des Rückenmarks (siehe auch Rückenmarkverletzungen bei Kindern) sind selten und beinhalten unterschiedliche Schweregrade der Durchtrennung des Rückenmarkes, oft einhergehend mit einer Blutung. Eine komplette Durchtrennung des Rückenmarks ist selten. Ein entsprechendes Trauma kann sich im Rahmen von Entbindungen aus Steißlage durch eine exzessive longitudinale Zugbelastung auf das Rückenmark ereignen. Ebenso kann es Folge einer Nabelschnurkompression aufgrund einer epiduralen Blutung oder einer Hyperextension des fetalen Halses in utero sein ("flying fetus"). Die Verletzung betrifft häufig die untere Halsregion (C5–7). Bei höherliegenden Schädigungen kommt es aufgrund der vollständigen Atemdepression in der Regel zum Tod. Manchmal ist bei der Geburt ein Klicken oder Schnappgeräusch zu hören.

Initial kommt es zu einem spinalen Schock mit schlaffer Lähmung unterhalb des Niveaus der Verletzung. Üblicherweise findet sich unterhalb der Läsion eine ungleichmäßige Sensibilitätsminderung oder Bewegungseinschränkung, innerhalb von Tagen oder Wochen entwickelt sich dann eine Spastik. Es kommt zur Zwerchfellatmung, da der Nervus phrenicus oberhalb (bei C3–C5) der typischen Lokalisation für eine Rückenmarkschädigung austritt und somit intakt bleibt. Im Fall einer kompletten Läsion des Rückenmarks resultiert eine Lähmung der Interkostal- und Abdominalmuskeln, sodass sich die bewusste Kontrolle des Anal- und Blasensphinkters nicht entwickeln kann. Die Sensibilität und die Fähigkeit, zu schwitzen, sind unterhalb des betroffenen Segments verloren, was zu Schwankungen der Körpertemperatur bei wechselnden Umgebungsbedingungen führt.

Durch eine Magnetresonanztomographie des Rückenmarks können die Läsion dargestellt und chirurgisch korrigierbare Ursachen für entsprechende Symptome, wie z. B. kongenitale Tumoren oder Hämatome, die Druck auf das Rückenmark ausüben, ausgeschlossen werden. Der Liquor ist meistens blutig.

Die Behandlung einer Rückenmarksverletzung besteht in der pflegerischen Versorgung zur Verhinderung von Ulzerationen der Haut, in konsequenter Behandlung von Harn- und Atemwegsinfektionen sowie regelmäßigen Untersuchungen auf obstruktive Nierenkrankheiten.

Bei entsprechender Behandlung überleben die meisten Säuglinge viele Jahre. Die häufigsten Todesursachen sind wiederkehrende Pneumonien und eine fortschreitende Verschlechterung der Nierenfunktion.

Extrakranielle Kopfverletzungen bei Neugeborenen

Kopfverletzungen sind die häufigsten geburtsbedingten Verletzungen und sind in der Regel gering, aber manchmal treten schwere Verletzungen auf.

Intrakraniale Blutung bei Neugeborenen

Eine Blutung in oder um das Gehirn kann bei allen Neugeborenen auftreten, ist aber v. a. bei Frühgeborenen häufig; ungefähr 25% der frühgeborenen Kinder < 1500 g erleiden eine intrakranielle Blutung.

Hauptursachen der intrakraniellen Blutung gehören

  • Hypoxie-Ischämie

  • Schwankungen beim Blutdruck

  • Minderdurchblutung mit Reperfusion

  • Abnormaler Druck, der während der Wehen auf den Kopf ausgeübt wird

Das Vorhandensein der Keimmatrix (eine Masse embryonaler Zellen, die über dem Nucleus caudatus an der Seitenwand der Seitenventrikel liegt und anfällig für Blutungen ist) erhöht die Wahrscheinlichkeit einer intraventrikulären Blutung bei Frühgeborenen. Das Risiko einer intrakraniellen Blutung wird auch duch hämatologischen Krankheiten (z. B. Vitamin-K-Mangel, Hämophilie, disseminierte intravasale Gerinnung) erhöht.

Blutungen können in verschiedenen Bereichen und Hohlräumen des Zentralnervensystems (ZNS) auftreten. Kleinere Blutungen im Subarachnoidalraum, in der Falx und im Tentorium sind häufig Zufallsbefunde bei Autopsien von Neugeborenen, die aufgrund einer nicht zerebral bedingten Problematik gestorben sind. Größere Blutungen im Subarachnoidal- oder Subduralraum, im Hirnparenchym oder in die Ventrikel sind seltener, dafür aber von größerer Bedeutung.

Intrakraniale Blutungen werden vermutet bei Neugeborenen mit

  • Apnoe

  • Krampfanfälle

  • Lethargie

  • Anomale neurologische Befunde

Solche Säuglinge sollten im Rahmen ihrer ersten Untersuchung eine Hirnbildgebungsstudie haben. Die sonographische Untersuchung des Schädels ist risikofrei, erfordert keine Sedierung und kann ohne weiteres Blut in den Ventrikeln und im Parenchym identifizieren. Die CT ist bei dünnen Blutschichten in den Subarachnoidal- oder Subduralräumen und bei Knochenverletzungen empfindlicher als die Sonographie, aber die CT setzt den Säugling ionisierender Strahlung aus. Die MRT ist sensitiver und spezifischer als die CT oder die Ultraschalluntersuchung zum Nachweis von intrakraniellem Blut und von Hirnverletzungen, benötigt jedoch mehr Zeit als die CT und kann eine Sedierung des Kindes erfordern, um die Bewegung einzuschränken und so die Bildqualität zu verbessern. Die CT wird durchgeführt, um schnell intrakranielle Blutungen zu identifizieren.

Die Behandlung einer intrakraniellen Blutung hängt von der Lage und der Schwere der Blutung ab, ist aber in der Regel nur unterstützend, einschließlich der Gabe von Vitamin K, sofern nicht zuvor gegeben, und der Verwaltung jeglicher zugrunde liegender Koagulationsanormalitäten. In Fällen erheblicher Blutungen (z. B. subdurale Blutung) sollte eine neurochirurgische Beratung eingeholt werden, um bei der Ermittlung von Säuglingen, die einer Intervention bedürfen, zu helfen.

Arten intrakranieller Blutungen

Frakturen bei Neugeborenen

Frakturen des Schlüsselbeins sind die häufigsten Knochenbrüche unter der Geburt und können sowohl bei einer Schulterdystokie als auch im Rahmen von normalen nichttraumatischen Geburten auftreten. Initial fällt auf, dass das Neugeborene manchmal reizbar ist und kann eventuell seinen Arm auf der betroffenen Seite entweder nicht spontan bewegen oder der Moro-Reflex ist asymmetrisch. Die meisten Brüche des Schlüsselbeins sind Grünholzfrakturen und verheilen rasch und komplikationslos. Diese Frakturen werden bei der Untersuchung im Krankenhaus häufig übersehen und sie werden häufig diagnostiziert, wenn sich innerhalb einer Woche ein großer Kallus an der Frakturstelle bildet. Die Umgestaltung ist innerhalb eines Monats abgeschlossen und es gibt keine Folgeerscheinungen.

Eine spezielle Behandlung ist nicht notwendig, aber einige Ärzte empfehlen, den Arm für eine Woche zu fixieren, indem sie den Hemdsärmel der betroffenen Seite auf die andere Seite des Hemdes stecken. Analgetika sind in der Regel nicht erforderlich, da Neugeborene mit einer Klavikulafraktur in der Regel keine Anzeichen von Schmerzen zeigen.

Bei schwierigen Geburten kann es zu einer Fraktur des Humerus oder des Femurs kommen. Auch hier handelt es sich meistens um Grünholzfrakturen im mittleren Schaftbereich. In aller Regel kommt es zu einer exzellenten Heilung des Knochens, auch wenn initial eine moderate Fehlstellung besteht. Bei langen Knochen kommen Brüche mit Beteiligung der Epiphyse vor, aber auch hier ist die Prognose ausgezeichnet.

Weichteilverletzungen bei Neugeborenen

Alle Weichteile sind v. a. dann gefährdet, während der Geburt verletzt zu werden, wenn sie das führende Körperteil sind oder der vollen Kraft der Uteruskontraktionen ausgesetzt sind. Als Folge der Verletzungen entstehen oft Ödeme und Ekchymosen, bei einer Geburt aus einer Gesichtlage v. a. des periorbitalen und des Gesichtsgewebes, bei Beckenendlage des Skrotums oder der Labia. In der Folge eines jeden Hämatoms kommt es zum Abbau des Blutes in Gewebe und zur Umwandlung von Häm zu Bilirubin. Diese zusätzliche Bilirubinbelastung kann zu einer stärkeren Ausprägung des neonatalen Ikterus führen, so dass eine Phototherapie und seltener eine Austauschtransfusion notwendig sind. Weitere Behandlungsmaßnahmen sind nicht erforderlich.