Chronisch Venöse Insuffizienz und Postthrombotisches Syndrom

VonJames D. Douketis, MD, McMaster University
Überprüft/überarbeitet Sep. 2022
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Die chronisch venöse Insuffizienz ist eine Behinderung des venösen Rückstroms, die manchmal zu einem Unbehagen im Bereich der unteren Extremität, zu Ödemen und Hautveränderungen führt. Das postthrombotische (postphlebitische) Syndrom ist eine symptomatische chronische venöse Insuffizienz. Die Gründe der chronisch venösen Insuffizienz sind Krankheiten, die zu venösem Hochdruck führen, üblicherweise aufgrund einer Schädigung der Venen oder einer Insuffizienz der Venenklappen, wie sie (beispielsweise) nach einer TVT eintreten kann. Die Diagnose wird aufgrund der Anamnese, der körperlichen Untersuchung und der Duplex-Sonographie gestellt. Die Behandlung besteht aus Kompression, Wundversorgung und selten chirurgischem Vorgehen. Die Prävention erfordert eine adäquate Behandlung der TVT und Kompressionsstrümpfe.

Die chronisch venöse Insuffizienz hat eine Häufigkeit von bis zu 5% der Menschen in den U. S. A. Das postthrombotische Syndrom kann 20–50% der Patienten mit tiefer Venenthrombose (TVT) betreffen, in der Regel innerhalb von 1–2 Jahren nach einer akuten TVT.

Ätiologie der chronisch venösen Insuffizienz

Der venöse Rückstrom der unteren Extremitäten hängt von der Kontraktion der Unterschenkelmuskulatur ab, die das Blut von intramuskulären (M. soleus) Sinusoiden und den Venen des M. gastrocnemius in und durch die tiefen Venen pumpt. Die Venenklappen führen zu einem zum Herzen hin gerichteten Blutstrom. Die chronisch venöse Insuffizienz tritt auf, wenn eine venöse Verlegung (z. B. bei TVT), eine Insuffizienz der Venenklappen oder eine verminderte Kontraktion der um die Venen angeordneten Muskulatur (z. B. infolge einer Immobilisierung) vorliegt, die den Vorwärtsfluss der Venen vermindert und den Druck in den Venen erhöht (venöse Hypertonie). Flüssigkeitsansammlungen in den unteren Extremitäten (z. B. bei Rechtsherzinsuffizienz) kann durch das Auslösen einer venösen Hypertonie auch dazu beitragen. Eine lang anhaltende venöse Hypertonie kann zu Gewebeödemen, Entzündung und Hypoxie und entsprechenden Symptomen führen. Der Druck kann auf oberflächliche Venen übertragen werden, wenn die Perforatorvenen, die die tiefen und oberflächlichen Venen verbinden, insuffizient werden.

Der häufigste Risikofaktor für eine chronisch venöse Insuffizienz ist

  • Tiefe Venenthrombose

Zu weiteren Risikofaktoren gehören

  • Trauma

  • Höheres Alter

  • Adipositas

  • Langes Sitzen oder Stehen

  • Schwangerschaft

Idiopathische Fälle werden häufig auf eine Anamnese mit versteckter TVT zurückgeführt.

Das postthrombotische Syndrom ist eine symptomatische chronische venöse Insuffizienz, die auf eine TVT folgt. Risikofaktoren für das postthrombotische Syndrom bei Patienten mit einer TVT schließen eine proximale Thrombose, wiederholte gleichseitige TVT, und einen Body Mass Index (BMI) von 22 kg/m2. Alter, weibliches Geschlecht und eine Östrogentherapie sind auch mit dem postthrombotischen Syndrom assoziiert, aber wahrscheinlich unspezifisch. Der Gebrauch von Kompressionsstrümpfen verringert das Risiko nach einer TVT.

Symptome und Beschwerden der chronisch venösen Insuffizienz

Die klinisch evidente chronisch venöse Insuffizienz kann auch keine Symptome verursachen, sie ruft aber immer klinische Zeichen hervor; das postthrombotische Syndrom verursacht immer Symptome. Beide Krankheiten sind bedeutsam, da ihre Symptome die einer akuten TVT imitieren können und beide zu einer erheblichen Einschränkung der körperlichen Aktivität und der Lebensqualität führen können.

Die Symptome, Schwellung, Schweregefühl, Schmerzen, Krämpfe, Müdigkeit und Parästhesien in den Beinen, verschlechtern sich beim Stehen oder Gehen und verbessern sich in Ruhe oder beim Hochlegen der Beine. Juckreiz kann die Hautveränderungen begleiten. Die Anzeichen sind vielfältig: keine Veränderungen bis hin zu Krampfadern (selten), Ödemen bis hin zu Stauungsdermatitis an den Unterschenkeln und den Knöcheln mit oder ohne Ulzeration (siehe Tabelle Klinische Klassifizierung der chronischen Veneninsuffizienz). Bei Kompression kann der Unterschenkel schmerzen.

Tabelle

Die venöse Stauungsdermatitis besteht aus einer rotbraunen Hyperpigmentierung, Verhärtung, venöser Ektasie, Lipodermatosklerose (fibrosierende subkutane Pannikulitis) und Stauungsulzera.

Stauungsdermatitis (chronische Veränderungen)
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Chronische Stauungsdermatitis kann als fibrotische Hautverdickung und Hyperpigmentierung auftreten. Die Änderungen sind sowohl für hellhäutige (oben) als auch für dunkelhäutige (unten) Personen charakteristisch und erscheinen im unteren Foto stärker.
Images provided by Thomas Habif, MD.

Die venösen Stauungsulzera können sich spontan entwickeln oder nachdem die betroffene Haut gekratzt oder verletzt wird. Sie treten typischerweise um die medialen Malleoli auf, sind meist flach und feucht und können übel riechend (besonders wenn sie schlecht versorgt werden) oder schmerzhaft sein. Sie penetrieren nicht die tiefen Faszien. Im Gegensatz dazu exponieren Ulzera infolge einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit letztlich die Sehnen oder den Knochen.

Manifestationen des venösen Stauungsulkus
Frühes venöses Stauungsulkus
Frühes venöses Stauungsulkus
Zur venösen Stase gehören Lichenifikation und Hyperpigmentierung. Oberhalb des Malleolus medialis entwickelt sich ein f... Erfahren Sie mehr

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Frühes venöses Stauungsulkus
Frühes venöses Stauungsulkus
Dieses große venöse Stauungsulkus ist von einer bulligen Induration umgeben.

© Springer Science+Business Media

Stauungsdermatitis (Ulkus)
Stauungsdermatitis (Ulkus)
Venöse Stauungsgeschwüre entwickeln sich als Folge einer unzureichend behandelten Stauungsdermatitis; sie können schnel... Erfahren Sie mehr

Image provided by Thomas Habif, MD.

Abgeheiltes venöses Stauungsulkus
Abgeheiltes venöses Stauungsulkus

Roberto A. Penne-Casanova/SCIENCE PHOTO LIBRARY

Ein Beinödem ist meist unilateral oder asymmetrisch; bilaterale symmetrische Ödeme resultieren eher durch eine systemische Krankheit (z. B. Herzinsuffizienz, Hypalbuminämie) oder durch bestimmte Medikamente (z. B. Kalziumantagonisten).

Im Allgemeinen, mit Ausnahme wenn die unteren Extremitäten adäquat versorgt werden, haben Patienten mit irgendeiner Manifestationen der chronisch venösen Insuffizienz oder des postthrombotischen Syndroms auch ein erhöhtes Risiko für die Progression in weiter fortgeschrittene Stadien.

Diagnose der chronischen venösen Insuffizienz

  • Klinische Untersuchung

  • Sonographie, um TVT auszuschließen

Die Diagnose wird üblicherweise basierend auf der Anamnese und der körperlichen Untersuchung gestellt. Ein klinisches Punktesystem, das fünf Symptome (Schmerz, Krämpfe, Schwere, Juckreiz und Parästhesie) und sechs Zeichen (Ödem, Hyperpigmentation, Induration, venöse Ektasie, Hyperämie, Schmerz bei Unterschenkelkompression) auf einer Skala von 0 (fehlend oder minimal) bis 3 (schwer) bewertet, wird zunehmend als diagnostisches Standardverfahren zur Bestimmung der Schwere der Krankheit anerkannt. Punktewerte von 5 bis 14 bei zwei Untersuchungen im Abstand von 6 Monaten zeigen eine milde bis moderate Form, Punktewerte 15 zeigen eine schwere Form der Erkrankung an.

Eine Duplex-Sonographie der unteren Extremitäten kann dabei eine TVT zuverlässig ausschließen oder bestätigen. Das Fehlen von Ödemen und eine reduzierter Knöchel-Arm-Index weisen eher auf eine periphere arterielle Verschlusskrankheit als auf eine chronisch venöse Insuffizienz oder ein postthrombotisches Syndrom hin.

Behandlung der chronisch venösen Insuffizienz

  • Elevation

  • Kompression mit Bandagen, Strümpfen und pneumatischen Geräten

  • Topische Therapie

  • Behandlung der Sekundärinfektion, wenn vorhanden

Manche Experten glauben auch, dass Gewichtsabnahme, regelmäßiges körperliches Training und die Einschränkung der Natriumzufuhr für Patienten mit beidseitiger chronisch venöser Insuffizienz zu empfehlen sind. Alle Maßnahmen können jedoch schwierig durchzuführen sein.

Die Hochlagerung des Beines über das Niveau des rechten Vorhofs vermindert die venöse Hypertonie und das Ödem; dies ist bei allen Patienten angezeigt und sollte mindestens dreimal pro Tag für ≥ 30 Minuten durchgeführt werden. Die meisten Patienten jedoch können sich während des Tages nicht an dieses Schema halten.

Die Kompression ist wirksam bei der Behandlung und Prävention von Auswirkungen der chronisch venösen Insuffizienz und des postthrombotischen Syndroms und ist bei allen Patienten zu empfehlen. Elastische Bandage werden zunächst benutzt, bis das Ödem und die Ulzera verschwinden und das Bein sich stabilisiert; kommerzielle Kompressionsstrümpfe werden dann benutzt. Strümpfe, die 20 bis 30 mmHg zirkumferentiellen Druck bewirken, sind für kleinere variköse Venen und milde chronisch venöse Insuffizienz indiziert, 30 bis 40 mmHg für größere variköse Venen und eine mittelgradige Schwere der Erkrankung und 40 bis > 60 mmHg bei schwerer Erkrankung. Kompressionsstrümpfe sollten beim Aufwachen des Patienten angezogen werden, bevor das Beinödem sich mit der körperlichen Aktivität verschlechtert; sie sollten den maximalen Druck an den Knöcheln entfalten und proximal abgestuft weniger Druck ausüben. Die Compliance bei dieser Behandlung variiert; viele jüngere oder aktivere Patienten betrachten Stützstrümpfe als irritierend, einschränkend und kosmetisch unerwünscht; ältere Patienten können Schwierigkeiten haben, die Strümpfe anzuziehen.

Die intermittierende pneumatische Kompression (IPC) benutzt eine Pumpe, um zyklisch eine Plastikhose auf- und abzublasen. Die IPC bewirkt durch eine externe Kompression das Auspressen von Blut und Flüssigkeit aus den Unterschenkeln. Sie behandelt das schwere postthrombotische Syndrom und venöse Stauungsulzera, aber ist möglicherweise nicht wirksamer als Kompressionsstrümpfe allein. Außerdem ist es für viele Patienten schwieriger, die Behandlung damit permanent aufrechtzuerhalten.

Eine topische Wundversorgung ist bei der Versorgung von venösen Stauungsulzera wichtig. Wenn ein sog. Unna-Schuh (zinkoxidimprägnierte Bandagen) richtig eingesetzt, mit Kompressionsbandagen überdeckt und wöchentlich gewechselt wird, heilen fast alle Ulzera. Okklusive interaktive Verbände (z. B. Hydrokolloide wie Aluminumchlorid) bewirken ein feuchtes Milieu für die Wundheilung und fördern das Wachstum neuen Gewebes; sie können bei Ulzera mit leichter oder mäßiggradiger Exsudation verwendet werden, tragen aber wahrscheinlich wenig zusätzlich zu einem einfachen Unna-Verband bei und sind teuer. Trockene passive Verbände sind absorbierend, weshalb sie am geeignetsten bei starker Exsudation sind.

Medikamente spielen bei der routinemäßigen Behandlung keine Rolle, obwohl manche Patienten Acetylsalicylsäure, topische Corticosteriode, Diuretika bei Ödemen oder Antibiotika erhalten.

Chirurgische Eingriffe (z. B. venöse Ligation, Venen-Stripping, Klappenrekonstruktion) sind in der Regel nicht wirksam. Die Verpflanzung von autologer Haut oder Haut, die von epidermalen Keratinozyten oder Hautfibroblasten gebildet wird, kann eine Option für Patienten mit Stauungsulzera sein, wenn alle anderen Maßnahmen fehlgeschlagen sind; das Transplantat wird aber wieder ulzerieren, wenn die zugrunde liegende venöse Hypertonie nicht beseitigt wird.

Prävention von chronischer venöser Insuffizienz

Die Primärprävention der chronischen Veneninsuffizienz umfasst eine angemessene Antikoagulation nach einer tiefen Venenthrombose (TVT) und das Tragen von Kompressionsstrümpfen für bis zu 2 Jahre nach einer TVT oder einem Venentrauma der unteren Extremitäten. Allerdings konnte eine aktuelle Studie, in der Schein-Kompressionsstrümpfe eingesetzt wurden, keine Abnahme des postthrombotischen Syndroms zeigen. Lebensstiländerungen (z. B. Gewichtsabnahme, regelmäßiges körperliches Training, Einschränkung der Natriumzufuhr) können das Risko verringern, indem sie den Venendruck in den unteren Extremitäten senken.

Wichtige Punkte

  • Hautveränderungen reichen auf einem Kontinuum von normaler Haut oder leicht ektatische Venen zu schweren Stauungsekzemen und Ulzerationen.

  • Symptome sind beim postthrombotischen Syndrom häufig und umfassen ein Schweregefühl, Schmerzen und Parästhesien.

  • Die Diagnose basiert auf der Untersuchung, jedoch sollte auch eine Sonographie durchgeführt werden, um eine Tiefe Venenthrombose auszuschließen.

  • Die Behandlung besteht aus Hochlagern des Beines und Kompression; Medikamente und Operationen sind in der Regel nicht wirksam.