Verletzungen der Wirbelsäule und der Bandscheiben

VonGordon Mao, MD, Indiana University School of Medicine
Überprüft vonDavid A. Spain, MD, Department of Surgery, Stanford University
Überprüft/überarbeitet Mai 2025 | Geändert Juli 2025
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Kurzinformationen

Eine Rückenmarksverletzung ist eine Schädigung der Zell- und Nervenbündel, die ein- und ausgehende Nachrichten zwischen dem Gehirn und dem übrigen Körper austauschen.

  • Die meisten Rückenmarksverletzungen ereignen sich bei Verkehrsunfällen und Stürzen.

  • Die Symptome wie Gefühllosigkeit, Muskelschwäche und Verlust der Schließmuskelfunktion, der Blasenfunktion und der Funktion der Sexualorgane können vorübergehend oder permanent eintreten.

  • Magnetresonanztomografie (MRT) (zur Abklärung von Verletzungen an Rückenmark und Weichgewebe) und/oder Computertomografie (CT) (zur Abklärung von Knochenverletzungen) eignen sich am besten, um Verletzungen zu erkennen.

  • Zur Behandlung zählen die Immobilisation der Wirbelsäule, Medikamente zur Linderung der Symptome, manchmal eine Operation und in der Regel Rehabilitation.

Die Wirbelsäule besteht aus 24 Rückenwirbeln (Vertebrae) und dem Steißbein (Sacrum). Die Rückenwirbel tragen den Großteil des Körpergewichts und sind daher hohem Druck ausgesetzt. Knorpelkissen (Menisken) zwischen den Wirbeln dienen als Polster und schützen die Knochen. Die Wirbelsäule bildet einen schützenden Knochenkanal, der das Rückenmark umgibt.

Das Rückenmark ist eine lange, empfindliche, röhrenartige Struktur, die am Ende des Stammhirns beginnt und bis zum unteren Ende der Wirbelsäule reicht. Das Rückenmark besteht aus Nerven, die ein- und ausgehende Nachrichten zwischen dem Gehirn und dem übrigen Körper austauschen. (Siehe auch Rückenmark)

Die Verletzungen des Rückenmarks können die Wirbelsäulenknochen, das Rückenmark selbst oder die Wurzeln der Rückenmarksnerven (kurze Verästelungen der Spinalnerven) betreffen, die durch die Zwischenräume zwischen den Wirbeln hindurch verlaufen. Auch das Nervenbündel, das vom Ende des Rückenmarks ausgehend nach unten verläuft (Cauda equina), kann verletzt werden. Verletzungen des Rückenmarks können auf folgende Weise auftreten:

  • Erschütterung nach einem stumpfen Schlag (wie bei einem Sturz oder einem Aufprall)

  • Druck (Kompression) durch gebrochene Knochen, eine Schwellung oder einen Bluterguss (Hämatom)

  • Teilweise oder vollständige Risse (Durchtrennen)

Da das Rückenmark von der Wirbelsäule umgeben und durch sie geschützt ist, können Verletzungen der Wirbelsäule oder der damit verbundenen Gewebe auch das Rückenmark schädigen. Zu diesen Verletzungen zählen folgende:

  • Frakturen

  • Eine vollständige Abtrennung (Dislokation) der anliegenden Wirbel

  • Eine teilweise nicht korrekte Ausrichtung (Subluxation) der anliegenden Wirbel

  • Gelockerte Ansatzstellen der Bänder (die aus dem Bindegewebe bestehen) zwischen den anliegenden Wirbeln

  • Ausstülpung (Hernie) der Polsterscheiben zwischen den Wirbeln in das Rückenmark (siehe Ein Bandscheibenvorfall)

Die Bänder können so stark gelockert sein, dass sich die Wirbel frei bewegen. Diese Verletzungen werden als instabil bezeichnet. Wenn sich die Wirbel bewegen, können sie das Rückenmark oder dessen Blutzufuhr zusammendrücken und die Nervenwurzel der Wirbelsäule schädigen. Eine instabile Verletzung der Wirbelsäule schädigt das Rückenmark eventuell nicht sofort. Zum Beispiel kann die Verletzung Krämpfe in den Muskeln verursachen, die die Wirbelsäule stützen, und die Wirbel in ihrer Beweglichkeit behindern. Nach Stunden oder Tagen können die Muskelkrämpfe aber abklingen und die Wirbel können sich nun frei verschieben und das Rückenmark verletzen.

Bei fast allen Menschen mit einer Rückenmarksverletzung liegt eine Verletzung der Wirbelsäule vor. Bei einigen Kindern jedoch nicht (siehe Rückenmarksverletzungen bei Kindern).

Der häufigste Fall für eine Verletzung des Rückenmarks sind Verkehrsunfälle und Stürze. Andere Ursachen sind Sportverletzungen, Gewalt (z. B. eine Stich- oder Schusswunde) und Komplikationen bei medizinischen oder operativen Eingriffen.

Bei älteren Erwachsenen sind Stürze die häufigste Ursache. Ältere Erwachsene tragen zudem ein höheres Risiko für schwere spinale Verletzungen, da Erkrankungen wie die Osteoporose und Osteoarthrose (degenerative Gelenkerkrankung) bei ihnen viel häufiger auftreten.

Symptome von Verletzungen der Wirbelsäule

Wenn das Rückenmark verletzt ist, verspüren die Betroffenen im Allgemeinen Schmerzen im entsprechenden Teil des Nackens oder des Rückens. Der Bereich oberhalb der Verletzung ist eventuell berührungsempfindlich, besonders wenn eine Fraktur vorliegt. Wenn das Rückenmark verletzt ist, verursachen die Nerven an und unter der verletzten Stelle Funktionsstörungen, was zu einem Verlust der Muskelkontrolle und Gefühllosigkeit führt. Kinder allerdings können Verletzungen des Rückenmarks haben, bei denen die Funktionsstörung der Nerven nur vorübergehend und kurz ist. Sie können blitzartige Schmerzen haben, die an den Armen oder Beinen herunterschießen. (Siehe Rückenmarksverletzungen bei Kindern.)

Bei einer Schädigung der Nerven kann der Verlust der Muskelkontrolle oder die Gefühllosigkeit vorübergehend oder bleibend, teilweise oder vollständig sein, je nach Schwere der Verletzung. Eine Verletzung, die das Rückenmark durchtrennt oder Nervenbahnen im Rückenmark zerstört, führt zu einer bleibenden Lähmung, eine stumpfe Verletzung des Rückenmarks kann hingegen zu einer zeitweiligen Funktionsschwäche führen, die Tage, Wochen oder Monate anhalten kann. Manchmal verursacht die Schwellung Symptome, die eine schwerere Verletzung vermuten lassen, als sie es in Wirklichkeit ist, die Symptome klingen aber ab, wenn die Schwellung nachlässt.

Was und wie viel der Funktionsfähigkeit genau in den Armen und Beinen verloren geht, hängt davon ab, wo das Rückenmark verletzt wurde. Wenn das Rückenmark beispielsweise am Hals verletzt wurde, kann der Betroffene die Beweglichkeit und Empfindung in beiden Armen und Beinen verlieren. Wenn die Rückenmarksverletzung aber weiter unten erfolgte, kann es zu einer Funktionsstörung nur in den Beinen kommen. Eine Person kann die Fähigkeit zur Harn- oder Darmkontrolle und die sexuelle Funktionsfähigkeit unabhängig davon verlieren, wo das Rückenmark verletzt wurde.

Ein teilweiser Verlust der Muskelkontrolle führt zu einer Muskelschwäche. Eine Lähmung bezeichnet für gewöhnlich einen vollständigen Verlust. Wenn Muskeln gelähmt sind, werden sie oft kraftlos (schlaff) und verlieren ihre Spannung. Die Muskelreflexe, die die Ärzte mit dem Reflexhammer testen, sind schwach oder verschwunden. Wenn aber das Rückenmark verletzt ist, kann die Lähmung Wochen später zu unkontrollierten, anhaltenden Muskelverkrampfungen (spastische Lähmung genannt) führen. In diesem Fall sind die Muskelreflexe stärker als normalerweise.

Welcher Bereich des Rückenmarks ist geschädigt?

Komplikationen einer Verletzung des Rückenmarks

Bei Menschen, die schwach oder gelähmt sind, ist die Bewegung eingeschränkt oder unmöglich. Deshalb besteht bei ihnen das Risiko, dass sie Blutgerinnsel, Druckgeschwüre, dauerhaft verkürzte Muskeln (Kontrakturen), Harnwegsinfektionen und eine Lungenentzündung (Pneumonie) bekommen. Eine Lungenentzündung stellt auch ein besonderes Risiko für gelähmte Patienten dar, die zum Atmen ein Beatmungsgerät benötigen.

Diagnose von Verletzungen der Wirbelsäule

  • Bildgebende Verfahren

Menschen, die Symptome einer Wirbelsäulenverletzung (z. B. beträchtliche Schmerzen in den Nacken- oder Rückenknochen) haben, und Kinder, die auch nur kurze Symptome einer möglichen Nervenschädigung oder von Schmerzen, die die Arme und Beine hinab schießen, haben, sollten in der Notaufnahme untersucht werden.

Verletzungen der Wirbelsäule (die die Knochen betreffen) und des Rückenmarks werden durch bildgebende Tests diagnostiziert.

  • Röntgenaufnahmen: Nach einer Verletzung wird häufig ein Röntgenbild angefertigt. Röntgenbilder können sofort gemacht werden, für gewöhnlich während der Patient noch in der Notaufnahme ist. Die Röntgenbilder können Verletzungen der Wirbelsäule, nicht aber des Rückenmarks anzeigen.

  • Computertomographie (CT): Unabhängig davon, ob Röntgenbilder angefertigt wurden, wird bei spinalen Verletzungen eine CT erstellt. Eine CT ist die genaueste Untersuchung auf Verletzungen der Wirbelsäule und kann die meisten Verletzungen an Knochen darstellen.

  • Magnetresonanztomographie (MRT): Eine MRT ist die beste Untersuchung auf Verletzungen der Wirbelsäule und ihrer Bänder. Eine CT wird jedoch im Allgemeinen vor einer MRT durchgeführt. Der CT-Scan ist schneller, oft leichter verfügbar und zeigt Knochenverletzungen im Detail.

Obwohl sich eine MRT am besten zur Untersuchung des Rückenmarks und der Bänder der Wirbelsäule eignet, ist eine MRT manchmal aufgrund von Implantaten, z. B. Herzschrittmachern nicht möglich. In diesen Fällen erhalten die Patienten möglicherweise eine Art CT-Scan, die sogenannte CT-Myelographie, bei der Ärzte ein Röntgenkontrastmittel in den Raum um das Rückenmark spritzen, um Strukturen sichtbar zu machen, die auf das Rückenmark einwirken.

Behandlung von Verletzungen der Wirbelsäule

  • Ruhigstellung

  • Ein chirurgischer Eingriff zur Stabilisierung der Wirbelsäule, wenn angemessen

  • Rehabilitation

Patienten, die eine Wirbelsäulenverletzung haben, sollten ausschließlich von geschultem Personal der Notaufnahme bewegt werden. Zuerst wird dafür gesorgt, dass der Patient atmen kann, und weiteren Schäden vorgebeugt. Das Notdienstpersonal transportiert ein Unfallopfer mit möglichen Rückenmarksverletzungen deshalb nur mit äußerster Vorsicht. Gewöhnlich wird der Patient auf eine feste Unterlage geschnallt und sorgfältig abgestützt, um jede Bewegung zu vermeiden. Ein fester Kragen kann verwendet werden, um zu verhindern, dass sich der Nacken bewegt. Wenn die Wirbelsäule schwer verletzt ist, können die Wirbel nicht länger in ihrer Position bleiben oder sind vielleicht gebrochen, wodurch die Wirbelsäule instabil wird. Deshalb kann auch schon eine leichte Bewegung des Verletzten dazu führen, dass sich die Wirbelsäule verschiebt und damit Druck auf das Rückenmark ausgeübt wird. Druck auf dem Rückenmark steigert das Risiko einer bleibenden Lähmung.

Es kann eine Operation notwendig sein, um das Blut und Knochenfragmente zu entfernen, die sich angesammelt haben und auf das Knochenmark drücken. Wenn die Wirbelsäule instabil ist, wird der Betroffene solange unbeweglich gemacht (immobilisiert), bis der Knochen und das restliche Gewebe Zeit hatten, zu verheilen. Manchmal implantieren die Chirurgen Stahlbolzen, um die Wirbelsäule zu stabilisieren, damit sie sich nicht verschieben und zusätzliche Schäden verursachen kann. Der beste Zeitpunkt für eine Operation ist umstritten, aber bei vielen Verletzungen wird eine Operation am besten innerhalb von 24 Stunden nach der Verletzung durchgeführt. Chirurgische Eingriffe an der Wirbelsäule sollten vorzugsweise von Neurochirurgen oder Orthopäden vorgenommen werden.

Medikamente können hilfreich sein.

  • Schmerzmittel (Analgetika): Wenn die Verletzung Schmerzen verursacht, werden Analgetika verabreicht. In den ersten Stunden und Tagen werden für gewöhnlich Opiate verwendet. Später können leichtere Analgetika wie Paracetamol oder Ibuprofen eingesetzt werden.

  • Muskelrelaxanzien: Falls sich eine spastische Lähmung einstellt, können Muskelrelaxanzien wie Baclofen oder Tizanidin eingesetzt werden.

Eine gute Krankenpflege kann dazu beitragen, dass Komplikationen aufgrund der Bettruhe, wie etwa Druckgeschwüre, Harnwegsinfektionen, Blutgerinnsel in den Beinen und Lungenentzündung (Pneumonie), vermieden werden.

Experimentelle Behandlungsmethoden zur Anregung des Wachstums der Rückenmarksnerven werden getestet. Zum Beispiel kann eine bestimmte Art weißer Blutkörperchen (Makrophagen) aus dem Blut entnommen und dem Verletzten dann wieder injiziert werden. Die injizierten Makrophagen tragen dazu bei, dass sich die Entfernung von Abfallstoffen, die durch die Reaktion des Körpers auf die Verletzung gebildet werden, beschleunigt und dass Substanzen ausgeschüttet werden, die dazu beitragen können, dass sie die Nerven regenerieren. Versuchsweise können Medikamente in den Bereich um das Rückenmark herum (epidural) injiziert oder geschluckt werden. Eine andere Möglichkeit ist der Einsatz von Stammzellen (nicht spezialisierte Zellen, aus denen andere, spezifischere Zellen entstehen), diese Behandlungsmethode muss aber noch eingehender geprüft werden. Außerdem wird nach Operationstechniken geforscht, die den Druck verringern sollen, der sich nach einer Verletzung in der Hauthülle um das Rückenmark aufbaut.

Rehabilitation hilft den Betroffenen, sich schneller oder vollständiger zu erholen, und kann Physiotherapie, Ergotherapie und berufliche Rehabilitation umfassen (Training, das darauf ausgerichtet ist, wieder produktiv zu arbeiten). In der Regel brauchen die Patienten emotionale Unterstützung und häufig eine Beratung und Antidepressiva, da sich üblicherweise eine Depression einstellt, wenn die Verletzung zu einer Behinderung führt. Schließlich können Medikamente bei der Kontrolle einer erhöhten Muskelspannung (Spastik), Verstopfung und bei einem überaktiven Nervensystem hilfreich sein.

Prognose bei Verletzungen der Wirbelsäule

Eine vollständige Erholung von der Verletzung ist wahrscheinlich, wenn die Lähmung partiell ist und innerhalb der ersten Woche nach der Verletzung Empfindungsfähigkeit und Beweglichkeit wieder zurückkehren. Störungen, die nach 6 bis 9 Monaten noch bestehen, sind vermutlich von Dauer. Mehrere Studien haben jedoch gezeigt, dass eine teilweise Wiederherstellung bis zu einem Jahr nach der Verletzung möglich ist.

Weitere Informationen

Die folgenden Quellen in englischer Sprache können nützlich sein. Bitte beachten Sie, dass MSD MANUAL nicht für den Inhalt dieser Quelle verantwortlich ist.

  1. United Spinal Association: Diese Organisation ermöglicht Menschen mit Rückenmarksverletzungen, ein erfülltes Leben zu führen, indem sie Informationen über die Notfallvorsorge bereitstellt, Selbsthilfegruppen für Menschen mit Rückenmarksverletzungen und ihre Angehörigen unterhält und sich darum bemüht, das US-amerikanische Gesetz zur Gleichstellung von US-Amerikanern mit Behinderungen (Americans With Disabilities Act) durchzusetzen.

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