Männlicher Hypogonadismus bei Kindern

VonAndrew Calabria, MD, The Children's Hospital of Philadelphia
Überprüft/überarbeitet Sep. 2022
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Hypogonadismus bezeichnet die verminderte Bildung von Testosteron, Spermien oder beidem bei Männern.

  • Hypogonadismus tritt auf, wenn ein Problem mit den Hoden oder mit der Hirnanhangsdrüse oder dem Hypothalamus besteht (die die Hoden zur Bildung von Testosteron und Spermien anregen).

  • Die Symptome hängen vom Alter bei Einsetzen des Testosteronmangels ab.

  • Die Diagnose stützt sich auf eine Untersuchung, Bluttests und manchmal eine Chromosomenanalyse.

  • Die Behandlung ist abhängig von der Ursache, kann jedoch eine Hormontherapie beinhalten.

Die Hypophyse sondert das follikelstimulierende Hormon und das luteinisierende Hormon ab, die zusammen als Gonadotropine bezeichnet werden. Diese Gonadotropine regen die männlichen Geschlechtsorgane dazu an, das männliche Geschlechtshormon Testosteron zu produzieren und die Hoden zur Spermienproduktion an. Fehlt Testosteron, können Wachstum und Entwicklung der Sexualität verlangsamt, die Samenproduktion niedrig und der Penis klein sein.

Hypogonadismus kann beim Fötus im Mutterleib oder in der frühen oder späten Kindheit auftreten.

Es gibt grundsätzlich zwei Formen von Hypogonadismus:

  • Primärer Hypogonadismus: Die Hoden arbeiten nicht ausreichend und bilden nicht genügend Testosteron.

  • Sekundärer Hypogonadismus: Der Hypothalamus oder die Hirnanhangsdrüse schüttet nicht genügend Hormone aus, die die Hoden anregen.

Primärer Hypogonadismus

Der primäre Hypogonadismus tritt auf, wenn ein Problem mit den Hoden besteht.

Klinefelter-Syndrom

Das Klinefelter-Syndrom betrifft etwa einen von 500 Jungen. Es wird durch eine Chromosomenanomalie ausgelöst, bei der Jungen zwei oder mehr X-Chromosomen und ein Y-Chromosom tragen. Jungen haben normalerweise ein X- und ein Y-Chromosom. Das Syndrom ist die häufigste Ursache für einen primären Hypogonadismus.

Die Hoden sind oft klein und fest und bilden wenig Testosteron. Betroffene Jungen sind groß und haben auffällig lange Arme und Beine, können Brustgewebe entwickeln (Gynäkomastie) und haben häufig wenig Muskelmasse und weniger Gesichts- und Körperbehaarung als andere Jungen. Die Pubertät (Geschlechtsreife) kann ausbleiben, verzögert sein oder unvollständig verlaufen.

Das Syndrom wird normalerweise zum ersten Mal in der Pubertät festgestellt, wenn eine unzureichende sexuelle Entwicklung bemerkt wird, oder auch später, wenn eine Unfruchtbarkeit untersucht wird.

Kryptorchismus

Beim Kryptorchismus (Hodenhochstand) bleiben eine oder beide Hoden im Bauchraum. Normalerweise bewegen sich die Hoden kurz vor der Geburt in den Hodensack. Bei der Geburt haben etwa 3 Prozent der Jungen einen Hodenhochstand, doch bei den meisten Jungen wandern die Hoden in den ersten 4 Lebensmonaten von selbst in den Hodensack. Die Ursache des Kryptorchismus ist meist unbekannt. Hodenhochstand wird innerhalb des ersten Lebensjahres mit einem operativen Eingriff behandelt.

Testikuläres Regressionssyndrom (beidseitige Anorchie)

Das testikuläre Regressionssyndrom (beidseitige Anorchie) tritt bei etwa einem von 20.000 Jungen auf. Die Hoden sind wahrscheinlich während der frühen Entwicklung im Mutterleib vorhanden, werden aber vor oder kurz nach der Geburt vom Körper aufgenommen. Ohne die Hoden ist die Testosteron- bzw. Spermienbildung bei Kindern nicht möglich. Ohne Testosteron können sie auch keine männlichen sekundären Geschlechtsmerkmale (wie Gesichtsbehaarung und Muskelmasse) entwickeln und sind unfruchtbar.

Fehlen der Leydig-Zellen

Fehlen die Leydig-Zellen (Zellen in den Hoden, die normalerweise das Testosteron bilden), führt dies zu nur teilweise entwickelten Geschlechtsorganen oder nicht eindeutigen Geschlechtsorganen. Nicht eindeutige Geschlechtsorgane sind nicht eindeutig männlich oder weiblich. Dieser Defekt entsteht, wenn nicht ausreichend Testosteron produziert wird, um den Fötus zur Bildung normaler männlicher Geschlechtsorgane zu stimulieren.

Noonan-Syndrom

Das Noonan-Syndrom führt zu kleinen Hoden, die nicht ausreichend Testosteron bilden. Es wird von einer Genanomalie verursacht, die entweder vererbt wird oder früh im sich entwickelnden Fötus auftritt. Zu den Symptomen zählen Faltenhals, tief angesetzte Ohren, Kleinwüchsigkeit, verkürzte Ringfinger sowie Herz-Kreislauf-Fehlbildungen.

Sekundärer Hypogonadismus

Zu einem sekundären Hypogonadismus kommt es, wenn ein Problem mit der Hirnanhangsdrüse oder dem Hypothalamus (dem Teil im Gehirn, der die Hirnanhangsdrüse kontrolliert) besteht, was dazu führt, dass die Hirnanhangsdrüse keine Hormone zur Stimulierung der Hoden ausschüttet. Einige Ursachen umfassen genetische Erkrankungen, die viele andere Auffälligkeiten verursachen.

Kallmann-Syndrom

Das Kallmann-Syndrom ist eine genetische Erkrankung, die zu einer verzögerten Pubertät und einem verringerten Geruchssinn (einige haben einen normalen Geruchssinn) führt. Kinder mit diesem Syndrom haben keine ausreichenden Mengen des luteinisierenden und des follikelstimulierenden Hormons. Betroffene Jungen haben einen auffällig kleinen Penis und einen Hodenhochstand.

Panhypopituitarismus

Panhypopituitarismus bezeichnet eine Erkrankung, die auftritt, wenn die Hirnanhangsdrüse die Hormonproduktion einstellt oder herunterfährt. Diese Erkrankung kann auftreten, wenn die Hirnanhangsdrüse geschädigt ist (zum Beispiel durch einen Tumor oder eine Verletzung). Siehe auch Hypopituitarismus.

Isolierter Mangel an luteinisierendem Hormon

Ein isolierter Mangel an luteinisierendem Hormon entsteht, wenn nur ein Hormon der Hirnanhangsdrüse, das luteinisierende Hormon, fehlt. In diesem Fall entwickeln sich die Hoden und bilden Sperma, da diese Funktionen ebenfalls vom follikelstimulierenden Hormon kontrolliert werden. Die Hoden produzieren jedoch nicht ausreichend Testosteron, weswegen betroffene Jungen keine sekundären Geschlechtsmerkmale entwickeln. Die Jungen wachsen weiter und können auffällig lange Arme und Beine haben.

Prader-Willi-Syndrom

Das Prader-Willi-Syndrom bezeichnet eine genetische Erkrankung, die entsteht, wenn ein Teil eines Chromosoms fehlt. Die Funktion der Fortpflanzungsorgane ist vermindert, was zur Einschränkung des Wachstums und der sexuellen Entwicklung führt. Die Jungen haben einen Hodenhochstand und einen unterentwickelten Penis und Hodensack.

Pubertas tarda (konstitutionelle Verzögerung der Pubertät)

Manche Kinder sind gesund, die Pubertät setzt einfach nur nicht im normalen Alter ein. Dieses Phänomen wird als konstitutionelle Verzögerung der Pubertät bezeichnet. Die konstitutionelle Verzögerung kommt bei Jungen häufiger vor und viele Kinder weisen eine Familiengeschichte einer verzögerten Pubertät bei einem Eltern- oder Geschwisterteil auf.

Kleinwuchs tritt hier in der Kindheit und Jugend häufig auf. Zur erwarteten Zeit in der Pubertät lässt das Wachstum oft nach, da der typische Wachstumsschub verzögert auftritt. Dadurch besteht in den frühen Jugendjahren ein merkbarer Unterschied bezüglich der Größe zwischen den betroffenen Kindern und Gleichaltrigen. Diese Kinder zeigen typischerweise bis zum Alter von 18 Jahren Anzeichen der Pubertät und erreichen letztendlich eine normale Größe und entwickeln sich auch normal. Diese Verzögerung kann allerdings Ängste hervorrufen.

Die konstitutionelle Entwicklungsverzögerung wird nicht durch hormonelle oder genetische Probleme oder eine zugrundeliegende Erkrankung verursacht (wie eine entzündliche Darmerkrankung oder Essstörungen). Zum Ausschluss anderer Ursachen von Kleinwuchs und einer verzögerten Pubertät können die Kinder jedoch untersucht werden.

Symptome von männlichem Hypogonadismus

Die Symptome des Hypogonadismus hängen vom Alter bei Einsetzen des Testosteronmangels ab.

Beim männlichen Fötus verursacht ein Testosteronmangel in der 12. Schwangerschaftswoche eine unvollständige Entwicklung der Geschlechtsorgane. Der Harnleiter kann sich auf der Unterseite des Penis, statt am Ende, öffnen. Hat sich der Testosteronmangel erst später in der Schwangerschaft entwickelt, kann das Kind einen ungewöhnlich kleinen Penis haben, oder seine Hoden steigen nicht in den Hodensack ab.

Ein männliches Neugeborenes kann Geschlechtsorgane aufweisen, die weniger männlich (untervirilisiert) oder weiblicher scheinen, was manchmal als nicht eindeutige Geschlechtsorgane bezeichnet wird.

Bei Jungen führt ein Testosteronmangel zum Zeitpunkt der Pubertät wahrscheinlich zu einer unvollständigen sexuellen Entwicklung. Betroffene Jungen behalten eine hohe Stimme und weisen eine für ihr Alter schwache Entwicklung der Muskeln auf. Penis, Hoden und Hodensack sind unterentwickelt. Die Scham- und Achselbehaarung ist spärlich, die Körperbehaarung nicht vorhanden. Die Brüste können wachsen (Gynäkomastie) und die Arme und Beine sind auffällig lang.

Diagnose von männlichem Hypogonadismus

  • Bluttests

  • Chromosomenanalyse

Bei Entwicklungsstörungen oder einer verzögerten Pubertät wird ein Hypogonadismus vermutet. Der Penis und die Hoden des Jungen werden untersucht, um zu sehen, ob sie altersgemäß entwickelt sind.

Zur Bestätigung der Diagnose werden Bluttests zur Messung der Spiegel von Testosteron, luteinisierendem Hormon und follikelstimulierendem Hormon durchgeführt. Durch die Spiegel des luteinisierenden und follikelstimulierenden Hormons kann bestimmt werden, ob es sich um einen primären oder sekundären Hypogonadismus handelt. Ärzte messen auch die Spiegel anderer Hormone.

Insbesondere bei Verdacht auf das Klinefelter-Syndrom kann eine Chromosomenanalyse durchgeführt werden. Die Chromosomen und Gene lassen sich mithilfe eines Bluttests analysieren ( see page Tests zum Erkennen von Chromosomen- und Genanomalien).

Behandlung eines männlichen Hypogonadismus

  • Manchmal operative Eingriffe

  • Hormonersatztherapie

Abhängig von der Ursache des Hypogonadismus werden verschiedene Behandlungen durchgeführt.

Beim Kryptorchismus werden die Hoden operativ in den Hodensack bewegt, wodurch die Hoden für gewöhnlich normal funktionieren. Zukünftige Komplikationen können mit einer Operation verhindert werden.

Beim sekundären Hypogonadismus werden alle zugrunde liegenden Erkrankungen der Hirnanhangsdrüse oder des Hypothalamus behandelt. Testosteronersatz wird gegeben, die Dosis wird dabei über einen Zeitraum von 18 bis 24 Monaten gesteigert. Die Behandlung wird in einem Alter begonnen, in dem die Pubertät normal beginnt, oft im Alter von etwa 12 Jahren.

Beim Testosteronmangel werden heranwachsende Jungen, wie beim sekundären Hypogonadismus, alle 2 bis 4 Wochen Testosteronspritzen verabreicht. Die Dosis wird über einen Zeitraum von 18 bis 24 Monaten gesteigert. Das Testosteron kann auch über ein Pflaster auf der Haut oder als Gel verabreicht werden.

Bei der konstitutionellen Verzögerung der Pubertät können 4 bis 6 Monate lang Testosteronspritzen verabreicht werden. In geringen Mengen leitet Testosteron die Pubertät ein, bewirkt die Entwicklung einiger männlicher Merkmale (Virilisierung) und verhindert nicht das Körperwachstumspotenzial der Jugendlichen.

Genetische Störungen können nicht behandelt werden. Eine Hormontherapie kann jedoch die Entwicklung der Geschlechtsmerkmale unterstützen.