Autoimmunhämolytische Anämie

VonEvan M. Braunstein, MD, PhD, Johns Hopkins University School of Medicine
Überprüft/überarbeitet Juli 2022
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Die autoimmunhämolytische Anämie stellt eine Gruppe von Krankheiten dar, bei denen das Immunsystem nicht richtig funktioniert und deshalb Autoantikörper bildet, die die roten Blutkörperchen für Fremdkörper halten und sie angreifen.

  • Manche Menschen haben keine Symptome, andere sind müde, kurzatmig und blass.

  • Eine schwere Erkrankung kann Gelbsucht oder Bauchbeschwerden und Völlegefühl aufgrund einer vergrößerten Milz (Splenomegalie) verursachen.

  • Zur Bestimmung der Anämie und der Ursache der Autoimmunreaktion werden Bluttests verwendet.

  • Die Behandlung besteht aus Kortikosteroiden oder anderen Arzneimitteln, die das Immunsystem unterdrücken, und manchmal aus einer operativen Entfernung der Milz (Splenektomie).

(Siehe auch Überblick über Anämie.)

Die autoimmunhämolytische Anämie ist eine ungewöhnliche Gruppe von Krankheiten, die in jedem Alter auftreten können. Frauen sind häufiger davon betroffen als Männer. In etwa der Hälfte der Fälle kann die Ursache der autoimmunhämolytischen Anämie nicht bestimmt werden (idiopathische autoimmunhämolytische Anämie). Autoimmunhämolytische Anämie kann auch durch andere Erkrankungen verursacht werden oder gemeinsam mit ihnen auftreten, wie systemischer Lupus erythematodes (Lupus) oder einem Lymphom, und sie kann eine Folgeerscheinung auf die Einnahme gewisser Arzneimittel wie Penicillin sein.

Die Zerstörung der roten Blutkörperchen durch Autoantikörper (Antikörper, die aus Versehen die körpereigenen Zellen angreifen) kann plötzlich oder langsam auftreten. Wenn sie durch einen Virus verursacht wird, kann die Zerstörung nach einer gewissen Zeit aufhören. Bei anderen Patienten setzt sie sich fort und wird chronisch. Es gibt zwei Hauptgruppen autoimmunhämolytischer Anämie:

  • Durch Wärmeantikörper ausgelöste hämolytische Anämie: Die Autoantikörper heften sich bei normaler Körpertemperatur an die roten Blutkörperchen an und zerstören diese.

  • Durch Kälteantikörper ausgelöste hämolytische Anämie (Kälteagglutininkrankheit): Die Autoantikörper sind nur dann am aktivsten und greifen die roten Blutkörperchen an, wenn die Körpertemperatur unter dem Normalwert liegt.

Die paroxysmale Kältehämoglobinurie (Donath-Landsteiner-Syndrom) ist eine seltene Form der durch Kälteantikörper ausgelösten hämolytischen Anämie. Die Zerstörung der roten Blutkörperchen ist die Folge einer Kälteeinwirkung. Die roten Blutkörperchen können selbst dann zerstört werden, wenn die Kälteeinwirkung sich auf einen kleinen Teil des Körpers beschränkt, z. B. wenn die Person kaltes Wasser trinkt oder sich die Hände mit kaltem Wasser wäscht. Ein Antikörper bindet die roten Blutkörperchen bei niedrigen Temperaturen und verursacht ihre Zerstörung in den Arterien und Venen nach der Erwärmung. Sie tritt am häufigsten nach Viruserkrankungen oder bei ansonsten gesunden Personen auf, obwohl sie manchmal auch bei Patienten mit Syphilis ausbricht. Die Schwere und Schnelligkeit der Entwicklung der Anämie ist unterschiedlich.

Symptome einer autoimmunhämolytischen Anämie

Manche Patienten mit einer autoimmunhämolytischen Anämie haben keine Symptome, vor allem wenn die roten Blutkörperchen nur allmählich zerstört werden. Andere haben Symptome wie bei anderen Arten von Anämie (wie Erschöpfung, Schwäche und Blässe), vor allem wenn die Zerstörung heftiger oder schneller verläuft.

Zu den Symptomen einer schweren oder raschen Zerstörung der roten Blutkörperchen können Gelbsucht (Gelbfärbung der Haut und des Weißen im Auge), Fieber, Schmerzen im Brustkorb, Ohnmacht, Symptome eines Herzversagens (z. B. Kurzatmigkeit) und sogar Tod gehören. Wenn die Zerstörung einige Monate dauert, kann sich die Milz vergrößern, was zu Völlegefühl im Bauch und gelegentlich zu Unwohlsein führt.

Bei Menschen mit einer durch Kälteantikörper ausgelösten hämolytischen Anämie können Hände und Füße kalt und leicht blau sein.

Wenn die Ursache einer autoimmunhämolytischen Anämie eine andere Krankheit ist, können die Symptome dieser Grunderkrankung dominieren, wie z. B. geschwollene und druckempfindliche Lymphknoten oder Fieber.

Patienten mit einer paroxysmalen Kältehämoglobinurie können starke Schmerzen im Rücken und in den Beinen sowie Kopfschmerzen, Erbrechen und Durchfall haben. Der Urin kann dunkelbraun sein.

Diagnose einer autoimmunhämolytischen Anämie

  • Bluttests

Wenn die Bluttests ergeben, dass eine Anämie vorliegt, untersuchen die Ärzte die Ursache. Ärzte vermuten eine vermehrte Zerstörung der roten Blutkörperchen, wenn ein Bluttest eine erhöhte Anzahl der unreifen roten Blutkörperchen (Retikulozyten) zeigt oder ein Blutausstrich eine Zerstörung des Blutes nachweist. (Ein Blutausstrich ist ein Test, bei dem ein Tropfen Blut zur mikroskopischen Untersuchung auf einem Objektträger verteilt wird). Alternativ kann ein Bluttest eine erhöhte Konzentration einer Substanz namens Bilirubin (entsteht durch die Zerstörung roter Blutkörperchen) und eine verringerte Konzentration eines Proteins namens Haptoglobin (bindet Hämoglobin, das von den vernichteten roten Blutkörperchen freigesetzt wird) zeigen.

Eine autoimmunhämolytische Anämie wird als Ursache bestätigt, wenn Bluttests erhöhte Werte bestimmter Antikörper nachweisen, die an den roten Blutkörperchen hängen (direkter Antiglobulin- oder Coombs-Test) oder im flüssigen Anteil des Blutes vorhanden sind (indirekter Antiglobulin- oder Coombs-Test). Andere Tests können mithelfen, die Ursache der Autoimmunreaktion, die die roten Blutkörperchen zerstört, zu bestimmen.

Behandlung einer autoimmunhämolytischen Anämie

  • Transfusion

  • Kortikosteroide

  • Manchmal Splenektomie

  • Bei paroxysmaler Kältehämoglobinurie – Vermeidung von Kälte

  • Mitunter Immunsuppressiva

Ist die Zerstörung der roten Blutkörperchen schwerwiegend, ist eine Bluttransfusion erforderlich. Im Fall einer lebensbedrohlichen Anämie sollte Patienten eine Bluttransfusion nicht aus dem Grund vorenthalten werden, weil das Blut „inkompatibel“ ist. Mit einer Transfusion wird jedoch nicht die Ursache der Anämie behandelt und sie bietet nur eine vorübergehende Linderung.

Ein Kortikosteroid wie Prednison ist für gewöhnlich das Mittel der Wahl bei der Behandlung einer autoimmunhämolytischen Anämie mit Wärmeantikörpern. Zuerst werden hohe Dosen verabreicht, dann wird die Dosis über viele Wochen oder Monate verringert.

Wenn die Patienten nicht auf das Kortikosteroid ansprechen oder es starke Nebenwirkungen verursacht, wird oft ein Medikament namens Rituximab angewendet oder die Milz wird durch eine Operation (Splenektomie) entfernt. Die Milz wird entfernt, weil hier hauptsächlich die mit Antikörpern beschichteten roten Blutkörperchen zerstört werden. Geht die Zerstörung der roten Blutkörperchen selbst nach der Milzentfernung noch weiter oder kann die Operation nicht durchgeführt werden, kommen Immunsuppressiva, wie z. B. Cyclosporin, zum Einsatz.

Die hämolytische Anämie mit Kälteantikörpern wird in der Regel durch das Vermeiden der Symptomauslöser oder durch die Behandlung der verursachenden Grunderkrankung, wie z. B. einem Lymphom, kontrolliert. In schweren Fällen können die Antikörper, die die Reaktion auslösen, durch eine Plasmapherese (Plasmaaustausch) entfernt werden.