Postoperative Nachsorge

VonPaul K. Mohabir, MD, Stanford University School of Medicine;
André V Coombs, MBBS, Texas Tech University Health Sciences Center
Überprüft/überarbeitet Nov. 2020
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    Die postoperative Nachsorge beginnt am Ende der Operation, geht weiter im Aufwachraum und zieht sich über den ganzen Genesungsprozess im Krankenhaus und ambulant hin. Besonders dringend kommt es auf ein Schützen der Atemwege, auf eine Kontrolle der Schmerzen, den Wachheits- und Orientierungsgrad sowie die Wundheilung an. Wichtig ist auch das Vermeiden von Harnverhalt, Obstipation, tiefer Venenthrombose (TVT) sowie Blutdruckschwankungen in beiden Richtungen. Bei Diabetikern wird Blutglukose engmaschig mittels Teststreifen alle 1–4 Stunden postoperativ kontrolliert, bis die Patienten wach sind und Nahrung zu sich nehmen können, da eine Kontrolle des Blutzuckerspiegels das Ergebnis verbessert.

    Atemwege

    Die meisten Patienten werden noch im OP extubiert und können alsbald Sekret abhusten. Die Patienten sollten erst dann aus dem Aufwachraum verlegt werden, wenn sie abhusten können und die Schutzreflexe vorhanden sind, es sei denn, sie werden auf eine Intensivstation verlegt. Nach einer Intubation können Patienten mit einer normalen Luftröhre und einer normalen Lunge einen leichten Hustenreiz über die Dauer von 24 Stunden nach Extubation verspüren; bei Rauchern und bei Patienten mit einer Bronchitisanamnese hält diese Symptomatik länger vor. Die meisten der Patienten mit Intubationsnarkose, besonders Raucher und solche mit einer Lungenerkrankung, profitieren von Atemgymnastik.

    Eine postoperative Dyspnoe kann durch Schmerzen nach thorakaler oder abdominaler Intervention (nicht hypoxische Dyspnoe) oder durch eine Hypoxämie (hypoxische Dyspnoe—s. a. Sauerstoffentsättigung hervorgerufen werden). Eine Hypoxämie infolge einer pulmonalen Dysfunktion wird in der Regel von Dyspnoe, Tachypnoe oder beidem begleitet; eine Übersedierung kann jedoch Hypoxämie mit stumpfer Dyspnoe, Tachypnoe oder beides verursachen. Daher sollten sedierte Patienten mittels Pulsoxymetrie oder Kapnometrie überwacht werden. Hypoxische Dyspnoe kann von Atelektase oder, insbesondere bei Patienten mit einer Vorgeschichte von Herzinsuffizienz oder chronischen Nierenerkrankungen, von einer Volumenüberlast herrühren. Die Differenzierung zwischen hypoxischer und nicht hypoxischer Luftnot erfolgt anhand der Pulsoxymetrie und manchmal eines arteriellen Blutgases; ein Röntgenthorax kann zur Differenzierung zwischen Volumenüberlastung und Atelektase beitragen.

    Hypoxische Dyspnoe wird mit Sauerstoff behandelt. Eine nicht hypoxisch bedingte Dyspnoe wird mittels Anxiolytika und Analgetika behandelt.

    Schmerz

    Eine Schmerztherapie kann von dem Moment an erforderlich werden, in dem die Patienten wieder bei Bewusstsein sind. Als Mittel der ersten Wahl werden typischerweise Opioide eingesetzt, und zwar oral oder parenteral. Oft werden 1 oder 2 Tabletten Oxycodon/Paracetamol (jede Tablette kann 2,5–10 mg Oxycodon und 325–650 mg Paracetamol enthalten) p.o. alle 4–6 h als Anfangsdosis gegeben oder Morphin 2–4 mg IV alle 3 h, mit einer anschließenden bedarfsorientierten Dosierung; individuelle Bedürfnisse und Toleranzen können stark variieren. Bei einer weniger häufigen Gabe kann ein Durchbruchschmerz auftreten, was vermieden werden sollte. Gegen stärkere Schmerzen hat sich die PCA (patientenkontrollierte Analgesie, Dosierung nach Bedarf, IV) als beste Variante erwiesen (siehe Dosierung und Titration). Bei leerer Anamnese hinsichtlich Nierenerkrankungen oder gastrointestinaler Blutungen kann die Gabe von nichtsteroidalen Antiphlogistika in regelmäßigen Abständen den Durchbruchschmerz mindern und die Opioiddosierung verringern helfen.

    Psychischer Befund

    Jeder Patient, der aus einer Narkose erwacht, ist kurzfristig verwirrt. Ältere Patienten, insbesondere solche mit einer Demenz, sind für ein postoperatives Durchgangssyndrom prädisponiert, das die Entlassung hinauszögern kann und das Risiko eines Exitus erhöht. Das Risiko eines Deliriums ist bei Einsatz anticholinerger Substanzen besonders hoch. Diese werden manchmal vor oder während eines operativen Eingriffs zur Sekretminderung im Bereich der oberen Luftwege eingesetzt, sollten aber wenn eben möglich vermieden werden. Postoperativ gegebene Opioide können genauso wie hohe Dosen von H2-Blockern ebenfalls zu einem Delirium führen. Die Hirnfunktion älterer Patienten sollte während der postoperativen Phase häufig überprüft werden. Kommt es zu einem Durchgangssyndrom, sollte Sauerstoff gegeben und die nicht unbedingt erforderliche Medikation abgesetzt werden. Die Patienten sollten, sobald sie dazu in der Lage sind, mobilisiert werden; jede Störung des Volumen- und Flüssigkeitshaushaltes ist auszugleichen.

    Wundversorgung

    Der Chirurg muss sich um jede Wunde zu individuell kümmern, aber der im OP-Saal angelegte sterile Verband wird in der Regel 24 bis 48 h lang intakt gelassen, sofern sich keine Anzeichen einer Infektion (z. B. zunehmende Schmerzen, Rötung, Drainage) entwickeln. Nachdem das Operationskleid entfernt wurde, sollte die Stelle 2-mal täglich auf Anzeichen einer Infektion überprüft werden. Treten diese Zeichen auf, kann eine Untersuchung und Drainierung der Wunde, eine systemische Antibiose oder beides erforderlich werden. Topisch gegebene Antibiotika helfen normalerweise nicht. Sofern ein Drainageschlauch liegt, muss er hinsichtlich Menge und Art der gesammelten Flüssigkeit überwacht werden. Drainageschläuche sollten jedoch so bald wie möglich entfernt werden, da sie als Nidus für Infektionen dienen können und möglicherweise keine Anzeichen für unerwünschte Wirkungen wie Blutungen oder Anastomosenlecks aufweisen. Nahtmaterial, Hautklammern und andere Mittel zum Wundverschluss werden je nach Befund und Patient üblicherweise 7 Tage oder länger auf der Wunde belassen. Wunden im Bereich von Gesicht und Nacken können oberflächlich innerhalb von 3 Tagen heilen, während Wunden der unteren Extremität manchmal Wochen benötigen, um einen gleichen Heilungsgrad zu erreichen.

    Prophylaxe der tiefen Venenthrombose (TVT)

    Das Risiko einer TVT nach der Operation ist klein, aber da die Folgen schwerwiegend sein können und das Risiko noch höher als in der allgemeinen Bevölkerung ist, wird die Prophylaxe oft als gerechtfertigt angesehen. Die Operation selbst erhöht die Koagulabilität und erfordert zudem eine längere Immobilisierung, die ein weiterer Risikofaktor für eine TVT (siehe Lungenembolie und Tiefe Venenthrombose). ist. Die Prophylaxe der TVT fängt normalerweise bereits im OP-Saal an oder früher ( siehe Tabelle: Risiko von tiefer Venenthrombose und Lungenembolie bei chirurgischen Patienten). Alternativ kann kurz nach dem Eingriff, wenn das Blutungsrisiko vermindert ist, mit Heparingaben begonnen werden. Die Patienten sollten gehen oder sich einer physikalische Therapie unterziehen, um die Mobilisierung zu erleichtern, sobald es sicher ist.

    Fieber

    Eine häufige Ursache von postoperativem Fieber ist eine entzündliche oder hypermetabolische Reaktion auf eine Operation. Andere Ursachen sind Lungenentzündung, Harnwegsinfektionen, Wundinfektionen und TVTs. Weitere Möglichkeiten sind Arzneimittel-induzierte Fieber und Infekte, die implantierbare Geräte und Drainagen betreffen. Häufige Ursachen für Fieber in den Tagen oder Wochen nach der Operation sind die sogenannten "sechs Ws":

    • Wundinfektionen

    • Wasser (z. B. Harnwegsinfektionen)

    • Wind (z. B. Atelektase, Pneumonie)

    • Walking (z. B. DVTs)

    • Wunder-Medikamente (z. B. Arzneimittel-induziertes Fieber)

    • Widgets (z. B. implantierbare Geräte, Kanalisation)

    Optimale postoperative Versorgung (z. B. frühe Gehfähigkeit sowie Entfernung von Blasenkatheter, sorgfältige Wundversorgung und Drainagepflege) können Gefahren von TVTs, Harnwegsinfekten, sowie Wundinfektionen verringern. Incentive-Spirometrie und regelmäßiges Husten können dazu beitragen, das Risiko einer Lungenentzündung zu verringern, und sollten bis zu 10-mal pro Stunde durchgeführt werden.

    Harnverhalt und Obstipation

    Harnverhalt und Obstipation kommen nach einem operativen Eingriff häufig vor. Ursachen sind:

    • Anticholinergika

    • Opioide

    • Immobilität

    • Verminderte orale Aufnahme

    Urinausscheidung muss überwacht werden. Gerade Katheterisierung ist in der Regel notwendig bei Patienten, die eine gefüllte Blase haben und sich unwohl fühlen oder 6 bis 8 Stunden nach der Operation noch nicht uriniert haben; das Credé-Manöver (Anwendung von suprapubischem Druck während der Miktion) hilft manchmal und kann eine Katheterisierung unnötig werden lassen. Ein chronischer Verhalt wird am besten dadurch behandelt, dass man die begünstigenden Medikamente vermeidet und der Patient so oft wie möglich sitzt. Bethanechol kann in Dosierungen von 5-10 mg p.o. bei Patienten eingesetzt werden, die offensichtlich keine vesikale Obstruktion haben und die sich keiner Laparotomie unterzogen haben; die Gabe kann stündlich bis zu einer Maximaldosis von 50 mg/Tag wiederholt werden. Manchmal muss ein liegender Katheter gelegt werden, besonders bei Patienten mit einer Retention in der Anamnese oder einer erheblichen initialen Urinmenge nach starrer Katheterisierung. Ein Dauerkatheter sollte jedoch so bald wie möglich entfernt werden, um das Infektionsrisiko zu verringern.

    Verstopfung ist häufig und in der Regel eine Folge von Anästhetika, Darmoperation, postoperativer Unbeweglichkeit und Opioiden. Obstipation wird durch verringerte Gabe von Opioden und anderen Konstipationsmitteln, durch Beginn früher Mobilisation sowie durch Gabe von Laxanzien (z. B. Bisacodyl, Senna, Cascara) behandelt, sofern die Patienten keinen Eingriff am Gastrointestinaltrakt hatten. Stuhlweichmacher können eine postoperative Obstipation nicht lindern.

    Verlust von Muskelmasse (Sarkopenie)

    Verlust der Muskelmasse (Sarkopenie) und Kraft kann bei allen Patienten, die längere Zeit im Bett liegen, auftreten. Bei vollständiger Bettruhe verlieren junge Erwachsene ungefähr 1% ihrer Muskelmasse pro Tag, bei den Älteren dagegen sind es 5% wegen der im Alter verminderten Konzentration an Wachstumshormon. Die Prävention einer Sarkopenie ist somit unabdingbare Voraussetzung für die Genesung. Aus diesem Grund sollten die Patienten, sobald es aus Sicherheitsgründen möglich ist, im Bett sitzen, aufstehen, sich hinstellen und, soweit dies aus chirurgischen und allgemeinmedizinischen Gesichtspunkten zugelassen werden kann, beübt werden. Mangelernährung kann auch zur Sarkopenie beitragen. Somit sollte die Nahrungsaufnahme bei Patienten mit Bettruhe optimiert werden. Orale Nahrungsaufnahme sollte gefördert werden, und Sondenernährung oder(selten) parenterale Ernährung können erforderlich sein.

    Andere Gesichtspunkte

    Bestimmte Operationen erfordern zusätzliche Vorsichtsmaßnahmen. Beispielsweise müssen bei Hüftoperationen die Patienten so gelagert werden, dass sich die Hüfte nicht verschiebt. Oftmals werden die entsprechenden Anweisungen am besten von der Krankenschwester erteilt. Jeder Arzt, der einen solchen Patienten aus welchem Grund auch immer bewegt (beispielsweise zur Auskultation der Lunge), muss die genaue Lagerung kennen, um Schaden zu vermeiden.