Karzinoidsyndrom

VonB. Mark Evers, MD, Markey Cancer Center, University of Kentucky
Überprüft/überarbeitet Apr. 2022
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Ein Karzinoidsyndrom entwickelt sich bei einigen Patienten mit einem Karzinoidtumor und wird durch ein Flushing der Haut, abdominelle Krämpfe und Diarrhö charakterisiert. Nach einigen Jahren kann sich eine rechtsseitige Herzklappenkrankheit zeigen. Das Syndrom wird verursacht durch vasoaktive Substanzen (einschließlich Serotonin, Bradykinin, Histamin, Prostaglandine und Polypeptidhormone), die vom Tumor, der typischerweise ein metastasiertes intestinales Karzinoid ist, sezerniert werden. Die Diagnose wird klinisch und durch den Nachweis von 5-Hydroxyindolessigsäure im Urin gestellt. Zur Tumorlokalisation ist gelegentlich eine Szintigraphie oder eine Laparotomie notwendig. Eine Chemotherapie kann bei malignen Tumoren durchgeführt werden. Die Behandlung der Symptome erfolgt mit dem Somatostatin-Analogon Octreotid, aber wo es möglich ist, wird eine chirurgische Entfernung durchgeführt.

(Siehe auch Übersicht zu Karzinoidtumoren.)

Ätiologie des Karzinoidsyndroms

Endokrinologisch aktive Tumoren des peripheren endokrinen oder parakrinen Systems (neuroendokrine Tumoren) produzieren verschiedene Amine und Polypeptide mit zugehörigen Symptomen und klinischen Zeichen. Dazu gehört auch das Karzinoidsyndrom. Das Karzinoidsyndrom ist in der Regel auf endokrinologisch aktive bösartige Tumore zurückzuführen, die aus neuroendokrinen Zellen entstehen (meist im Ileum - siehe Dünndarmtumore) und Serotonin produzieren. Es kann auch als Resultat anderer Tumoren des Gastrointestinaltrakts (besonders durch Tumoren des Appendix und des Rektums), des Pankreas, der Bronchien und sehr selten auch der Gonaden verursacht sein. Ganz selten sind auch bestimmte hochmaligne Tumoren (z. B. das kleinzellige Bronchialkarzinom, das Inselzellkarzinom des Pankreas oder das medulläre Schilddrüsenkarzinom) verantwortlich.

Ein intestinales Karzinoid verursacht normalerweise kein Karzinoidsyndrom, es sei denn, es sind hepatische Metastasen aufgetreten, weil durch den Tumor freigesetzte Stoffwechselprodukte durch Blut- und Leberenzyme im Portalkreislauf schnell zerstört werden (z. B. wird Serotonin durch Monoaminoxidase in der Leber abgebaut). Jedoch sezernieren hepatische Metastasen metabolisch aktive Produkte über die hepatischen Venen direkt in die systemische Zirkulation. Metabolisch aktive Produkte aus primär pulmonalen oder ovarialen Karzinoiden umgehen die Pfortader und können ähnliche Symptome verursachen. Ganz selten verursachen intestinale Karzinoide, die sich nur intraabdominell ausbreiten, Symptome, wenn sie ihre Produkte direkt in die systemische Zirkulation oder in Lymphgefäße sezernieren.

Pathophysiology of Carcinoid Syndrome

Serotonin, das primäre Hormon, das von karzinoiden Tumoren produziert wird, wirkt auf die glatte Muskulatur und verursacht Diarrhö, Koliken und Malabsorption. Histamin und Bradykinin, die in geringeren Mengen produziert werden, verursachen durch ihre gefäßerweiternde Wirkung einen Flush.

Erhöhte Werte für humanes Choriongonadotropin und für Polypeptide des Pankreas finden sich ebenfalls bei Karzinoiden. Die Rolle der Prostaglandine und anderer Polypeptidhormone, welche durch parakrine Zellen produziert werden können, bedarf weiterer Forschung.

Einige Patienten entwickeln eine bevorzugt rechtsseitige Endokardfibrose, welche zu einer Pulmonalklappenstenose und zu einer Trikuspidalklappeninsuffizienz führen kann. Läsionen der linken Herzseite, über die bei bronchialen Karzinoiden berichtet wurde, sind selten, da Serotonin während der Lungenpassage abgebaut wird.

Symptome und Anzeichen des Karzinoidsyndroms

Das häufigste (und oft früheste) Zeichen des Karzinoidsyndroms ist

  • Unangenehmes Erröten, typischerweise von Kopf und Hals

Erröten wird oftmals durch emotionalen Stress, Nahrungsmittel, heiße Getränke oder Alkohol ausgelöst.

Es treten auffallende Veränderungen der Hautfarbe auf, die von Blässe über eine Rötung bis zu einem violetten Farbton reichen können.

Außerdem treten abdominelle Krämpfe mit immer wiederkehrender Diarrhö auf, die den Patienten die heftigsten Beschwerden verursachen. Eine Malabsorption kann ebenfalls beobachtet werden.

Patienten mit Herzklappenfehlern können auch durch ein Herzgeräusch auffallen. Bei einigen Patienten kommt es aufgrund von Bronchospasmen zu Keuchen, und bei einigen Patienten kommt es zu einer verminderten Libido und zu erektiler Dysfunktion. Pellagra entwickelt selten.

Diagnose des Karzinoidsyndroms

  • Test auf 5-Hydroxyindolessigsäure (5-HIAA) im Urin

Karzinoide werden aufgrund ihrer Symptome und Beschwerden vermutet. Die Diagnose gilt als bestätigt, wenn ein Nachweis für eine erhöhte Ausscheidung des Serotoninmetaboliten 5-HIAA im Urin erbracht werden kann. Um falsch-positive Ergebnisse zu vermeiden, führen die Ärzte die Messung erst durch, wenn der Patient sich für mindestens 3 Tage von serotoninhaltigen Nahrungsmitteln (z. B. Bananen, Tomaten, Pflaumen, Avocados, Ananas, Auberginen und Walnüssen) ferngehalten hat. Bestimmte Medikamente, z. B. Guaifenesin, Methocarbamol und Phenothiazine, beeinflussen den Test ebenfalls und sollten vorübergehend abgesetzt werden. Am 3. Tag wird ein 24-h-Urin gesammelt. Die normale Ausscheidung von 5-HIAA beträgt < 10 mg/Tag (< 52 Mikromol/Tag); bei Patienten mit einem Karzinoidsyndrom beträgt die Ausscheidung > 50 mg/d (> 260 Mikromol/Tag).

In der Vergangenheit wurden Provokationstests mit Kalziumgluconat, Catecholaminen, Pentagastrin oder Alkohol durchgeführt, um ein Flushing zu erzeugen. Obwohl diese Tests hilfreich sein können, wenn an der Diagnose noch Zweifel bestehen, werden sie selten eingesetzt und müssen sehr vorsichtig durchgeführt werden.

Lokalisation des Tumors

Die Lokalisation des Tumors umfasst Angiographie, CT oder MRT. Dies sind die gleichen Techniken, die verwendet werden, um a zu lokalisieren nicht funktionierende Karzinoide. Lokalisierung kann eine umfangreiche Auswertung erfordern, manchmal auch Laparotomie. Eine Untersuchung mit dem radionuklidmarkierten Somatostatinrezeptor-Liganden Indium-111-Pentetreotid, mit Jod-123-Metaiodobenzylguanidin oder neuerdings mit Gallium-68-DOTATAT kann bei der Identifizierung von Metastasen mit hoher Sensitivität hilfreich sein.

Ausschluss anderer Ursachen für Flushing

Andere Krankheiten, die mit einem Flushing einhergehen und daher mit einem Karzinoid verwechselt werden können, sollten ausgeschlossen werden. Bei Patienten, bei denen die 5-HIAA-Ausscheidung nicht erhöht ist, können Störungen, welche die systemische Aktivierung von Mastozyten (z. B. systemische Mastozytose mit erhöhten Urinwerten für Histaminmetabolite und erhöhten Serum-Tryptasespiegeln) beeinflussen, und eine idiopathische Anaphylaxie für ein Flushing verantwortlich sein.

Andere Ursachen wären die Menopause, eine Ethanolvergiftung, Medikamente, z. B. Niacin, und bestimmte andere Tumoren (z. B. Vipome, Nierenzellkarzinome, medulläre Schilddrüsenkarzinome).

Prognose für Karzinoidsyndrom

Die Prognose hängt von der primären Lokalisation, dem Ausprägungsgrad und dem Stadium ab. Abgesehen von metastasierenden Formen der Krankheit sind neuroendokrine Tumoren eher langsamwachsend, und ein Überleben von 10–15 Jahren ist nicht ungewöhnlich.

Behandlung des Karzinoidsyndroms

  • Chirurgische Resektion

  • Octreotid und andere Medikamente bei Symptomen

Die Resektion primärer gastrointestinaler und Lungenkarzinoide ist oftmals kurativ.

Bei Patienten mit Lebermetastasen kann eine chirurgische Verdichtung die Symptome lindern, obwohl sie nicht heilend ist; in manchen Fällen kann sie das Überleben verlängern. Darüber hinaus können lokoregionale Therapien gegen Lebermetastasen transarterielle Chemoembolisierung (TACE), milde Embolisierung, Radioembolisierung mit Yttrium-90-Mikrosphären oder Radiofrequenz-Ablation umfassen. Weitere vielversprechende Behandlungsmöglichkeiten für metastasierende oder rezidivierende Erkrankungen sind Everolimus, ein mTOR-Inhibitor (Mammalian Target of Rapamycin), und neu entwickelte Peptidrezeptor-Radionuklide.

Eine Strahlentherapie bleibt, unter anderem auch wegen der hohen Strahlenempfindlichkeit des gesunden Lebergewebes, ohne Erfolg.

Es gibt kein wirksames Chemotherapieschema. Eine Kombinationsbehandlung mit Streptozotocin, 5-Fluorouracil und Cyclophosphamid wird in der Regel nur bei symptomatischen Patienten mit metastasierter Erkrankung Grad 2 (mittlerer Grad) eingesetzt, die auf andere Therapien nicht ansprechen oder eine hohe Tumorproliferation aufweisen. Allerdings ist die Ansprechdauer kurz.

Linderung der Symptome

Bestimmte Symptome, darunter auch das Flushing, können mit Somatostatin-Analoga (welches die Ausschüttung der meisten Hormone inhibiert) abgemildert werden. Die Werte für 5-HIAA im Urin oder für Gastrin bleiben unbeeinflusst. Zahlreiche Studien deuten auf gute Ergebnisse mit langwirksamen Somatostatin-Analoga wie Octreotid und Lanreotid hin, die die Mittel der Wahl zur Kontrolle von Durchfall und Flush sind.

Octreotid wird mit ca. 50 mcg subkutan 2-mal täglich begonnen und bei Bedarf bis zu einer Gesamttagesdosis von 750 mcg erhöht. Nachdem sich die Patienten mindestens 2 Wochen lang auf der kurzwirksamen Formulierung stabilisiert haben, können sie auf eine Depotformulierung von Octreotid 20 mg intramuskulär alle 4 Wochen umgestellt werden, die bei Bedarf auf maximal 30 mg erhöht wird. Lanreotid ist eine Depotformulierung, die als 120 mg subkutan alle 4 Wochen verabreicht wird.

Das Flushing kann auch mit Phenothiazinen (z. B. Prochlorperazin 5–10 mg p.o. alle 6 h oder Chlorpromazin 25–50 mg p.o. alle 6 h) behandelt werden. Ebenso kann man Histamin-Typ-2(H2)-Blocker verwenden. Phentolamin (ein Alphablocker) 5–15 mg IV konnte ein experimentell verursachtes Flushing verhindern. Kortikosteroide (z. B. Prednison 5 mg p.o. alle 6 h) kann bei schwerem Flushing, das von einem bronchialen Karzinoid verursacht wird, hinsichtlich der Bronchialobstruktion von Nutzen sein.

Die Diarrhö kann kontrolliert werden durch:

  • Codein 15 mg oral alle 4 bis 6 Stunden

  • Opiumtinktur 0,6 ml oral alle 6 Stunden

  • Loperamid 4 mg oral als Anfangsdosis und 2 mg nach jedem flüssigen Stuhlgang bis zu einem Maximum von 16 mg/Tag

  • Diphenoxylat 5 mg oral 4-mal täglich

  • Periphere Serotonin-Antagonisten (z. B. Cyproheptadin 4 bis 8 mg oral alle 6 Stunden)

  • Telotristat, ein Tryptophanhydroxylase-Inhibitor, 250 mg oral 3-mal täglich

Niacin und eine adäquate Proteinaufnahme werden benötigt, um eine Pellagra zu verhindern, da mit der Nahrung aufgenommenes Tryptophan vom Tumor in Serotonin umgewandelt wird. Zu Enzyminhibitoren, die die Konversion von 5-Hydroxytryptophan in Serotonin verhindern, gehört Methyldopa (250–500 mg p.o. alle 6 h).

Wichtige Punkte

  • Nur einige Karzinoidtumoren sezernieren die Stoffe, die ein Karzinoidsyndrom verursachen.

  • Die Hauptverursachersubstanzen sind Serotonin, was zu, Bauchkrämpfen und Diarrhö führt und Histamin, was Errötung verursacht.

  • Die Diagnose wird durch den Nachweis des Serotoninmetaboliten 5-Hydroxyindolessigsäure gestellt.

  • Octreotid kann helfen, die Symptome zu kontrollieren.

  • Beim Fehlen von Metastasen kann eine chirurgische Resektion kurativ sein.

  • Eine chirurgische Verdichtung kann bei Patienten mit Lebermetastasen die Symptome lindern und möglicherweise das Überleben verlängern.

Weitere Informationen

Im Folgenden finden Sie eine englischsprachige Quelle, die nützlich sein könnte. Bitte beachten Sie, dass das MSD-Manual nicht für den Inhalt dieser Quellen verantwortlich ist.

  1. Cancer Net: Neuroendocrine Tumor Grades: Beschreibt die Einteilung und Einstufung neuroendokriner Tumoren durch die WHO