Überblick über Verletzungen des Bauchraums

VonPhilbert Yuan Van, MD, US Army Reserve
Überprüft/überarbeitet Juni 2023
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Der Bauch kann auf viele verschiedene Weisen verletzt werden. Der Bauch kann allein verletzt sein oder es können auch Verletzungen an anderen Körperstellen auftreten. Verletzungen können relativ leicht oder sehr schwer sein.

Ärzte teilen Bauchverletzungen nach der Art der Struktur ein, die verletzt ist, und wie die Verletzung eingetreten ist. Zu den Strukturen zählen

  • Bauchwand

  • Feste Organe (d. h. die Leber, Milz, die Bauchspeicheldrüse oder die Nieren)

  • Hohlorgane (d. h. der Magen, der Dünndarm, der Dickdarm, der Harnleiter oder die Blase)

  • Blutgefäße

Verletzungen des Bauchraums können auch danach klassifiziert werden, ob die Verletzung

  • stumpf oder

  • perforierend ist.

Zu einem stumpfen Trauma führt beispielsweise ein direkter Schlag (zum Beispiel ein Stoß), ein Aufprall (zum Beispiel beim Sturz auf den Fahrradlenker) oder ein plötzliches Abbremsen (zum Beispiel ein Sturz aus einer bestimmten Höhe oder ein Autounfall). Die Milz und die Leber sind die beiden Organe, die am häufigsten verletzt werden. Hohlorgane werden weniger oft verletzt.

Perforierende Verletzungen treten ein, wenn ein Objekt die Haut durchstößt (zum Beispiel aufgrund eines Gewehrschusses oder eines Einstichs). Manche perforierenden Verletzungen betreffen nur das Fett und die Muskeln unter der Haut. Diese perforierenden Verletzungen sind sehr viel weniger gefährlich als die, die in den Bauchraum eindringen. Gewehrschüsse, die in den Bauchraum eindringen, verursachen beinahe immer beträchtliche Schäden. Stichwunden hingegen, die in den Bauchraum eindringen, schädigen nicht immer Organe oder Blutgefäße. Manchmal betrifft eine perforierende Verletzung sowohl die Brust als auch den oberen Teil des Bauchs. Zum Beispiel kann eine Stichwunde nach unten in den unteren Brustraum durch das Zwerchfell in den Magen, die Milz oder die Leber dringen.

Stumpfe oder perforierende Verletzungen können die Bauchorgane und/oder Blutgefäße durchtrennen oder reißen lassen. Stumpfe Verletzungen können dazu führen, dass sich Blut in der Struktur eines festen Organs (zum Beispiel der Leber) oder in der Wand eines Hohlorgans (wie dem Dünndarm) ansammelt. Derartige Blutansammlungen werden Hämatome genannt. Ein unkontrolliertes Bluten in den Bauchraum, den Raum um die Organe herum, wird Hämoperitoneum genannt.

Bei Schnitten und Rissen setzen sofort Blutungen ein. Das Bluten kann nur minimal sein und nur wenige Probleme verursachen. Gravierendere Verletzungen können zu schweren Blutungen mit Kreislaufschock und manchmal zum Tod führen. Die Blutungen nach einer Verletzung des Bauchraums sind meistens innere (innerhalb des Bauchraums). Wenn eine perforierende Verletzung vorliegt, kann eine kleine Menge Blut aus der Wunde austreten.

Wenn ein Hohlorgan verletzt wird, kann der Inhalt des Organs (zum Beispiel Magensäure, Stuhl oder Urin) in den Bauchraum eintreten und eine Reizung und Entzündung (Peritonitis) verursachen.

Komplikationen von Bauchverletzungen

Neben dem unmittelbaren Schaden können Verletzungen des Bauchraums auch später Probleme verursachen. Zu diesen langfristigen Problemen zählen

  • Hämatomruptur

  • Eiteransammlung im Bauchraum (Abszess)

  • Dammverschluss (Obstruktion)

  • Abdominelles Kompartmentsyndrom

Hämatomruptur

In der Regel ist der Körper in der Lage, Blutergüsse (Hämatome) wieder aufzunehmen (zu resorbieren), auch wenn das mehrere Tage bis Wochen dauern kann. Allerdings bricht ein Bluterguss (Hämatom) eher auf, statt resorbiert zu werden. Solch ein Riss (Ruptur) kann in den ersten Tagen nach der Verletzung auftreten, manchmal aber auch später und mitunter sogar erst nach Monaten.

Die Ruptur eines Hämatoms in der Milz oder in der Leber kann zu lebensgefährlichen Blutungen in den Bauchraum führen.

Die Ruptur eines Hämatoms in der Darmwand kann dazu führen, dass der Darminhalt in den Bauch gelangt und eine Peritonitis verursacht. Hämatome in der Darmwand hinterlassen manchmal eine Narbe, wenn sie verheilen. Diese Narbenbildung kann in seltenen Fällen zur Verengung des Darms an der Stelle führen, wo es dann Jahre später zu einem Darmverschluss kommt.

Abszess im Bauchraum

Wird die Verletzung eines weichen Organs übersehen, kann es zu Abszessen im Bauchraum kommen. Auch nach einem chirurgischen Eingriff zur Behandlung einer schweren Verletzung des Bauchraums können sich Abszesse bilden.

Darmverschluss

Manchmal bildet sich nach Abheilen einer Verletzung oder nach einem chirurgischen Eingriff des Abdomens Narbengewebe. Dieses Narbengewebe bildet faserartige Bänder (Adhäsionen) zwischen den Darmschlingen. Für gewöhnlich verursachen diese Adhäsionen keine Symptome, aber manchmal wird eine andere Windung des Darms bei einer Adhäsion gedreht. Durch dieses Verdrehen kann der Darm blockiert (Darmverschluss) werden und Bauchschmerzen und Erbrechen verursachen. Manchmal ist ein chirurgischer Eingriff notwendig, um die Adhäsion zu entfernen und den Darm zu befreien.

Abdominelles Kompartmentsyndrom

Ebenso wie ein verstauchter Knöchel oder ein gebrochener Arm schwellen auch Bauchorgane nach einer Verletzung an (insbesondere, wenn operiert wurde). Obwohl es im Bauch ausreichend Raum für solche Schwellungen gibt, erhöht ein unkontrolliertes Anschwellen schließlich den Druck im Bauch. Der höhere Druck drückt die Organe zusammen und schränkt die Blutzufuhr ein, was zu Schmerzen und dann Organschäden führt. Eine solche Schädigung in Verbindung mit Druck wird abdominelles Kompartmentsyndrom genannt. Das Syndrom ähnelt sehr einem Kompartment-Syndrom, das im Unterschenkel auftreten kann, wenn der Schenkel zum Beispiel durch einen Bruch verletzt wurde. Ein erhöhter Bauchdruck kann eventuell auch den Druck in anderen Organen des Körpers wie der Lunge, der Nieren, dem Herz, in Blutgefäßen und im zentralen Nervensystem erhöhen. Bei Personen mit schweren Verletzungen oder Verletzungen, die operiert werden müssen, besteht eine Tendenz zur Entwicklung eines abdominellen Kompartmentsyndroms. Ein abdominelles Kompartmentsyndrom ist ausgesprochen gefährlich und erhöht das Sterblichkeitsrisiko.

Symptome von Bauchverletzungen

Die Betroffenen haben in der Regel Bauchschmerzen und sind berührungsempfindlich. Die Schmerzen können allerdings auch leicht sein. Der Betroffene bemerkt sie eventuell nicht oder klagt nicht darüber, weil es andere, schmerzhaftere Verletzungen (wie Frakturen) gibt oder weil der Betroffene nicht völlig bei Bewusstsein ist (zum Beispiel wegen einer Kopfverletzung, eines Rauschzustands oder eines Schockzustands). Schmerzen aufgrund einer Milzverletzung strahlen oft in die linke Schulter aus. Schmerzen bei einem kleinen Darmriss sind zunächst harmlos, verschlimmern sich aber stetig. Patienten mit einer Nierenverletzung oder Blasenverletzung haben eventuell Blut im Urin.

Patienten, die viel Blut verloren haben, weisen eventuell Anzeichen von Schock auf, unter anderem:

  • Schnelle Herzfrequenz

  • eine schnelle Atmung

  • Schwitzen

  • Kalte, gespannte, blasse oder bläuliche Haut

  • Zustand der Verwirrtheit oder eingeschränkten Wachheit

Stumpfe Traumata können Blutergüsse verursachen (zum Beispiel können Menschen, die bei einem Autounfall einen Gurt getragen haben, über der Brust oder im unteren Bauch einen Bluterguss haben, Gurtmal genannt). Nicht alle Verletzten haben einen Bluterguss, und das Vorhandensein eines Blutergusses spiegelt nicht notwendigerweise die Schwere der Bauchverletzung wieder. Bei Menschen mit einer schweren Blutung kann der Bauch geschwollen sein, dies wegen des überschüssigen Bluts.

Diagnose von Bauchverletzungen

  • Bildgebende Verfahren

  • Urinuntersuchung

  • Manchmal, explorative (untersuchende) Operation

Bei manchen Menschen ist die Bauchverletzung offensichtlich schwer (wie bei den allermeisten Schusswunden). Die Ärzte bringen diese Patienten direkt in den Operationssaal und versuchen nicht, die spezifischen Verletzungen durch Untersuchungen festzustellen. Trotzdem müssen bei den meisten Patienten mit einer Bauchverletzung Tests vorgenommen werden. Bei den Tests wird die spezifische Verletzung festgestellt, und in Verbindung mit den Ergebnissen der ärztlichen Untersuchung helfen sie den Ärzten zu entscheiden, wer eine Operation benötigt.

Zu den wichtigsten möglichen Tests gehören eine Ultraschalluntersuchung und eine Computertomografie (CT). Eine Ultraschallaufnahme kann rasch am Bett des Patienten gemacht werden und ist hilfreich, um schwere Blutungen festzustellen. Eine CT dauert etwas länger und erfordert, dass der Patient bis zum Scanner gebracht wird; andererseits liefert sie genauere Bilder. Eine CT kann auch andere Verletzungen feststellen, z. B. Frakturen an der Wirbelsäule oder im Becken. Je nach Art der Verletzung sind eventuell auch Röntgenaufnahmen des Brustkorbs oder des Beckens notwendig.

Die Ärzte untersuchen auch den Urin, um dort Blut festzustellen, was ein Zeichen für eine Schädigung eines Bereichs des Harntrakts ist. In der Regel wird ein großes Blutbild erstellt, damit die Ärzte erste Informationen zum Vergleich mit späteren Blutproben haben, die bei einer Verschlechterung des Zustands beim Patienten entnommen werden.

Behandlung von Bauchverletzungen

  • Blutverlust eindämmen oder ausgleichen

  • Manchmal Operation oder andere Eingriffe

Patienten, die viel Blut verloren haben, erhalten Bluttransfusionen. Manchmal erhalten Betroffenen intravenös Flüssigkeiten.

Operiert werden muss eventuell, um

  • Beschädigte Organe zu reparieren

  • Blutungen stoppen

Eine Alternative zur Operation bei anhaltenden Blutungen ist eine Embolisation mittels Angiografie. Bei diesem Verfahren wird ein großer Venenkatheter durch eine große Arterie in der Leiste bis in das blutende Gefäß vorgeschoben. Danach wird eine Substanz injiziert, mit der das blutende Gefäß verschlossen und damit die Blutung gestoppt wird.

Auch wenn viele Verletzungen an soliden Organen, wie der Leber und Milz, von selbst verheilen, werden Patienten mit einer Verletzung der Bauchorgane, die in einer CT oder einer Ultraschallaufnahme festgestellt wurde, ins Krankenhaus eingewiesen und alle paar Stunden untersucht, um sicherzustellen, dass die Blutung aufhört und die Symptome nicht schlimmer werden. Manchmal werden die CT oder die Ultraschallaufnahme wiederholt.