Bei der Menière-Krankheit wirken sich Druck- und Volumenschwankungen der Endolymphe im Labyrinth auf die Innenohrfunktionen aus. Ätiologisch ist der endolymphatische Flüssigkeitsstau nicht geklärt. Mögliche Risikofaktoren können neben einer familiären Vorbelastung durch die Menière-Krankheit auch Autoimmunkrankheiten, Allergien, Schädel- oder Ohrtraumen sowie – sehr selten – Syphilis sein. Der Häufigkeitsgipfel findet sich bei den 20- bis 50-Jährigen.
Symptome und Beschwerden
Menière-Patienten haben plötzliche Schwindelanfälle, die in der Regel für 1–6 h, in seltenen Fällen aber auch bis zu 24 h anhalten können und mit Übelkeit und Erbrechen verbunden sind. Als Begleitsymptome können Schweißausbrüche (Diaphorese), Diarrhö und Gangunsicherheit hinzukommen.
Ein unabhängig von Lage oder Bewegung auftretender ständiger oder intermittierender Tinnitus (Summen oder Brausen) in dem betroffenen Ohr kann eine typische Hörverschlechterung – für niederfrequente Töne – zur Folge haben. Kurz vor und während einer Episode spüren viele Patienten ein Völle- oder Druckgefühl im betroffenen Ohr. Bei der Mehrzahl der Patienten ist nur ein Ohr erkrankt.
In frühen Stadien klingen die Symptome immer wieder ab, und die beschwerdefreien Perioden zwischen einzelnen Krankheitsepisoden können > 1 Jahr andauern. Mit fortschreitender Krankheit persistiert und verschlechtert sich der Hörverlust jedoch allmählich, auch der Tinnitus kann chronisch werden.
Diagnose
Die Diagnose der Meniere Krankheit wird klinisch gestellt, Die gleichzeitige Kombination von schwankender niederfrequenter Schallempfindungsschwerhörigkeit, episodischem Schwindel, ipsilateral schwankender Gehörfülle und Tinnitus ist charakteristisch. denn ähnliche Symptome können auch bei einer vestibulären Migräne, viralen Labyrinthitis oder Neuronitis, einem Kleinhirnbrückenwinkeltumor (z. B. Akustikusneurinom) oder Infarkt (im Hirnstammbereich) auftreten. Obwohl die Menière-Krankheit auch beidseitig auftreten kann, erhöhen beidseitige Symptome die Wahrscheinlichkeit einer alternativen Diagnose (z. B. vestibuläre Migräne). Vestibuläre Migräne (auch bekannt als Migräne-Schwindel) ist gekennzeichnet durch Schwindel-Episoden bei Patienten mit Migräne in der Anamnese oder mit anderen Merkmalen von Migräne, wie Kopfschmerzen, Photophobie und Phonophobie oder visuelle Aura; es gibt keinen Hörverlust.
Im akuten Anfall zeigt sich neben dem Nystagmus eine Fallneigung der Patienten zur erkrankten Seite. Zwischen den Anfällen kann die Untersuchung völlig normal ausfallen. Der Fukuda-Treppentest (Marschieren mit geschlossenen Augen, früher Unterberger-Test genannt) führt jedoch bei langwierigen oder refraktären Fällen mit damit verbundener labyrinthischer Hypofunktion dazu, dass sich der Patient dem betroffenen Ohr zuwendet, was einer einseitigen labyrinthischen Läsion entspricht.
Das Halmagyi-Kopfimpuls-Manöver oder Kopf-Impulstest ist eine weitere Technik, die angewendet wird, um eine einseitige Labyrinthdysfunktion nachzuweisen. Bei diesem Test veranlasst der Untersucher den Patienten, ein geradeaus befindliches Ziel (z. B. die Nase des Untersuchers) visuell zu fixieren. Der Untersucher dreht den Kopf des Patienten dann schnell um 15 bis 30° zur Seite, während er die Augen des Patienten beobachtet. Wenn die vestibuläre Funktion auf der Seite, zu der der Kopf gedreht wurde, normal ist, bleiben die Augen des Patienten auf das Ziel fixiert. Wenn die vestibuläre Funktion auf der Seite, zu der der Kopf gedreht wurde, gestört ist, versagt der vestibulookuläre Reflex und die Augen des Patienten bleiben nicht auf das Ziel fixiert, sondern folgen stattdessen der Drehung des Kopfes und kehren dann schnell und freiwillig wieder zum Ziel zurück (sogenannte verzögerte Catch-up-Sakkaden).
Bei Symptomen, die auf eine Menière-Krankheit hinweisen sollten ein Audiogramm und eine kraniale MRT (mit Gadolinium-Kontrastverstärkung) durchgeführt werden, und zum Ausschluss anderer Ursachen ist dabei besonders auf die inneren Gehörgänge zu achten. Das Audiogramm weist eine Niedertonschwerhörigkeit als typischen sensorineuralen Hörverlust des betroffenen Ohrs nach, die zwischen den Tests fluktuiert. Rinne-Versuch- und Weber-Versuch(Stimmgabeltest) können auf einen sensorineuralen Hörverlust hindeuten.
Therapie
Die Menière-Krankheit verläuft selbstlimitierend. Die Behandlung eines akuten Anfalls hat eine Linderung der Symptome zum Ziel und wird nach einer festgelegten Methode durchgeführt. Die am wenigsten invasiven Maßnahmen werden als Erstes versucht, ablative Verfahren kommen manchmal zum Einsatz, wenn andere Maßnahmen nicht greifen.
Mit anticholinergen Antiemetika (z. B. Prochlorperazin 25 mg rektal oder 10 mg p. o. alle 6 bis 8 h; Promethazin 25 mg rektal oder 25 mg p. o. alle 6 bis 8 h) können vagalvermittelte gastrointestinale Symptome abgeschwächt werden; Ondansetron ist ein Antiemetikum der zweiten Wahl. Antihistaminika (z. B. Diphenhydramin, Meclizin oder Cyclizin, alle 6 h 50 mg p.o.) oder Benzodiazepine (z. B. Diazepam alle 6–8 h 5 mg p.o.) werden zur Sedierung des Vestibularapparats eingesetzt. Weder Antihistaminika noch Benzodiazepine sind zur prophylaktischen Behandlung geeignet. Manche Ärzte behandeln akute Krankheitsepisoden mit einer oralen Kortikosteroid-Stoßtherapie (z. B. mit Prednison, 1 Woche lang 60 mg 1-mal täglich p.o., dann über 1 Woche ausschleichen) oder mit intratympanischen Dexamethasoninjektionen.
Eine salzarme Ernährung (< 1,5 g/Tag), der Verzicht auf Alkohol und Koffein sowie die Einnahme von Diuretika (z. B. 25 mg Hydrochlorothiazid 1-mal täglich p.o. oder 250 mg Acetazolamid 2-mal täglich p.o.) kann helfen das aufkommen von Schwindelattacken zu verhindern oder zu reduzieren und werden im Allgemeinen zuerst angewandt. Allerdings gibt es keine gut konzipierten Studien, die eindeutig die Wirksamkeit dieser Maßnahmen für die Meniere-Krankheit nachweisen.
Obwohl invasiver, führt eine Druckentlastung des Saccus endolymphaticus bei der Mehrzahl der Patienten zur Besserung des Schwindels und birgt dabei nur ein geringes (Hörverlust-)Risiko. Daher wird dieses Verfahren immer noch als eine den Vestibularapparat schonende Behandlung eingestuft.
Wenn die den Vestibularapparat schonenden Behandlungsversuche versagen, wird ein ablatives Verfahren in Betracht gezogen. Intratympanisches Gentamicin (chemische Labyrinthektomie – typisch 0,5 ml in einer Konzentration von 40 mg/ml) wird durch das Trommelfell injiziert. Die Nachuntersuchung mit serieller Audiometrie wird zur Überwachung auf Hörverlust empfohlen. Falls weiterhin ein Schwindel ohne Hörverlust besteht, kann die Injektion nach 4 Wochen wiederholt werden.
Eine ablative Operation sollte Patienten vorbehalten bleiben, deren häufige und stark schwächende Krankheitsepisoden nicht auf weniger invasive Therapiemodalitäten ansprechen. Nach einem intrakraniellen Eingriff (Neurektomie des N. vestibularis) lässt der Schwindel bei rund 95% der Patienten nach und auch ihr Hörvermögen bleibt meist erhalten. Nur wenn schon vorher eine hochgradige Schwerhörigkeit bestand, wird eine chirurgische Labyrinthektomie durchgeführt.
Wie sich die natürliche Progression eines Hörverlusts aufhalten ließe, ist leider nicht bekannt. Bei den meisten Patienten stellt sich innerhalb von 10–15 Jahren eine mäßiggradige bis schwere Schallempfindungsschwerhörigkeit des erkrankten Ohres ein.
Wichtige Punkte
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Die Menière-Krankheit verursacht in der Regel Schwindel mit Übelkeit und Erbrechen, einseitigen Tinnitus und chronische, fortschreitende Schwerhörigkeit.
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Um andere Erkrankungen auszuschließen, werden ein Audiogramm und eine MRT durchgeführt.
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Antiemetika und Antihistaminika können die Symptome lindern. Einige Ärzte setzen auch orale oder transtympanische Kortikosteroide ein.
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Invasivere Behandlungen bei refraktären Fällen umfassen eine Dekompression des Saccus endolymphaticus, eine Labyrinthektomie mit Gentamicin und eine Neurektomie des N. vestibulars.
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Diuretika, eine salzarme Ernährung und die Vermeidung von Alkohol und Koffein können Anfälle verhindern.