Entscheidungen über medizinische Tests

VonMichael Joseph Pistoria, MEng, DO, Lehigh Valley Hospital - Coordinated Health
Überprüft/überarbeitet Aug. 2021
DIE AUSGABE FÜR MEDIZINISCHE FACHKREISE ANSEHEN

Da viele verschiedene Erkrankungen die gleichen Symptome verursachen können, kann die Feststellung der tatsächlichen Ursache für die Ärzte oder andere medizinische Fachkräfte der Grundversorgung zu einer Herausforderung werden. Zunächst sammeln die Ärzte grundlegende Informationen, indem sie mit dem Patienten sprechen und ihn untersuchen. Häufig lässt sich so bereits die Diagnose stellen. Zumindest grenzen diese grundlegenden Informationen die Liste der Möglichkeiten ein und beschränken die Zahl der Tests, die durchgeführt werden müssen. Ordnet man Tests an, ohne vorher die Liste der Möglichkeiten etwas einzuengen, kann dies kostspielig werden, das Risiko einer falschen Diagnose erhöhen und die Patienten einem übermäßigen Risiko aussetzen (siehe Muss jeder getestet werden?).

(Siehe auch Überblick über die medizinische Entscheidungsfindung und die wissenschaftliche Medizin.)

Einholen grundlegender medizinischer Informationen

Ärzte benötigen folgende Informationen:

  • Krankengeschichte

  • Körperliche Untersuchung

Durch dieses Vorgehen können sie feststellen, welche Erkrankungen am wahrscheinlichsten die Ursache für die Symptome eines Patienten sind und welche Erkrankungen auszuschließen sind.

Krankengeschichte

Bei der Erfassung der Krankengeschichte werden die Patienten nach Einzelheiten zu ihren Symptomen, zu bekannten gesundheitlichen Problemen und früheren Ereignissen in Bezug auf die Gesundheit befragt.

Einzelheiten zu den Symptomen sind äußerst wichtig (zum Beispiel, wie lange bestehen sie schon, sind sie dauerhaft vorhanden oder kommen und gehen sie und was hilft dagegen). Die Ärzte fragen auch nach Symptomen, die die Patienten womöglich vergessen haben zu erwähnen. Beispielsweise werden Patienten mit Husten danach gefragt, ob sie auch Schnupfen und Halsschmerzen haben (dies deutet darauf hin, dass eine Infektion der oberen Atemwege die Ursache des Hustens sein könnte).

Verschiedene Aspekte des Lebens bzw. Hintergrunds einer Person können das Risiko bestimmter Erkrankungen erhöhen. Beispielsweise ist bei Rauchern das Risiko, an Lungenkrebs zu erkranken, im Gegensatz zu Nichtrauchern erhöht. Patienten mit Diabetes haben ein höheres Risiko für Herzerkrankungen. Auch die ethnische Herkunft kann einen Risikofaktor darstellen. Daher werden bei der Krankengeschichte häufig die folgenden Fragen abgeklärt:

  • Derzeit bestehende und frühere Erkrankungen

  • Regelmäßig eingenommene bzw. angewandte Medikamente

  • Erkrankungen, die in der Familie gehäuft auftreten

  • Fernreisen

  • Sexuelle Orientierung und Sexualverhalten

  • Tabak-, Alkohol- und/oder Drogenkonsum

  • Beruf und Hobbys

Bezüglich der möglichen Ursachen der Symptome können die Ärzte zudem folgende Aspekte berücksichtigen:

  • Alter

  • Geschlecht

  • Ethnische Herkunft

Körperliche Untersuchung

Nach dem Gespräch mit dem Patienten, wird dieser körperlich untersucht. Durch das Vorliegen oder Nicht-Vorliegen bestimmter körperlicher Anzeichen kann die Liste der möglichen Erkrankungen, die zu den Symptomen passen, noch weiter eingeschränkt werden.

Untersucht werden die Herzfrequenz, die Atemfrequenz sowie der Blutdruck (als Vitalzeichen bezeichnet). Zudem wird das allgemeine Erscheinungsbild in Bezug auf generelle Krankheitsanzeichen beurteilt. Beispielsweise könnte der Patient schwach oder müde wirken, blass oder verschwitzt aussehen oder Schwierigkeiten beim Atmen haben. Anschließend werden die einzelnen Körperteile untersucht. Die Ärzte beginnen meist am Kopf und arbeiten sich bis zu den Füßen vor. Der Bereich des Körpers, an dem die Symptome bestehen, wird am genausten betrachtet. Aber auch der restliche Körper wird nach Auffälligkeiten untersucht.

Arten medizinischer Tests

Medizinische Tests können aus verschiedenen Gründen durchgeführt werden, darunter:

  • Diagnose

  • Vorsorgeuntersuchungen

  • Klassifizierung und Überwachung der Krankheit

Manche Patienten ziehen aus den Tests möglicherweise keinen Nutzen (siehe Muss jeder getestet werden?).

Diagnosetests

Diagnosetests werden durchgeführt, um die Ursache der Symptome zu ermitteln. Bei der Wahl eines Tests werden von den Ärzten und anderen medizinischen Fachkräften der Grundversorgung folgende Aspekte berücksichtigt:

  • Welche Erkrankungen sind am wahrscheinlichsten

  • Risiken der Tests

  • Kosten der Tests

  • Fähigkeit des Patienten, Zugriff auf den Test zu erhalten und sich diesem zu unterziehen

  • Genauigkeit der Tests

  • Schwere der Symptome sowie Allgemeinzustand des Betroffenen

  • Die Präferenzen der Person

Die wahrscheinlichsten Erkrankungen werden anhand der Krankengeschichte und der körperlichen Untersuchung und unter Berücksichtigung der spezifischen Befunde sowie des medizinischen Hintergrunds des einzelnen Patienten ermittelt.

Im Allgemeinen werden folgende Tests bevorzugt:

  • Weniger invasive Tests und solche mit einem geringeren Risiko (zum Beispiel Bluttest statt einer Biopsie)

  • Vielseitig einsetzbar

  • Relativ günstig

  • Sehr genaue Tests

  • Sehr zuverlässige Tests

Nicht alle Tests weisen jedoch alle diese positiven Merkmale auf. Um den besten Test für jeden einzelnen Patienten zu empfehlen, verlassen sich die Ärzte auf ihre Erfahrung und Ausbildung.

Es gibt eine Reihe von Gründen, warum ein Patient den vom Arzt bevorzugten Test nicht durchführen lassen kann. Im Folgenden finden sich lediglich ein paar Beispiele:

  • Patienten mit Klaustrophobie möchten sich möglicherweise keiner Magnetresonanztomografie (MRT) unterziehen.

  • Menschen mit bestimmten Arten von künstlichem Herzschrittmachersind eventuell nicht in der Lage, sich einer MRT zu unterziehen

  • Patienten mit Nierenkrankheiten oder Allergien kann eventuell das Kontrastmittel nicht gespritzt werden, das bei bestimmten Computertomografien (CT) oder MRT zum Einsatz kommt

  • Patienten, die in abgelegen Gebieten leben, können unter Umständen nicht in Zentren fahren, wo bestimmte Tests zur Verfügung stehen

  • Die Patienten können sich die Tests möglicherweise finanziell nicht leisten.

In diesen Fällen empfiehlt der Arzt den nächstbesten Test.

Die Wahl des Diagnosetests kann von der Schwere der Symptome sowie dem Allgemeinzustand des Patienten abhängen.

  • Sind die Symptome leicht und wahrscheinlich nicht auf eine schwere Erkrankung zurückzuführen, wird der Arzt unter Umständen weniger Tests anordnen. Bei Bedarf können zu einem späteren Zeitpunkt weitere Tests durchgeführt werden.

  • Bei einer schweren Krankheit und Symptomen, die auf eine Erkrankung hindeuten, die einen unmittelbaren Schaden nach sich ziehen könnte, kann der Arzt gleichzeitig mehrere Tests anordnen, um schneller zu einer Diagnose zu kommen. Wenn die Zeit drängt, kann der Arzt auch eine Einweisung ins Krankenhaus empfehlen.

Zeitigen weniger invasive Tests (wie Bluttests oder ein CT-Scan) nicht die Ursache der Erkrankung, kann ein invasiverer Test (für gewöhnlich eine Biopsie oder ein operativer Eingriff) als nächster Schritt folgen. In diesem Fall sollten den Patienten die Risiken und der Nutzen der vorgeschlagenen Maßnahme klar sein und sie müssen dem zustimmen. Dies bezeichnet man als Einwilligungserklärung.

In speziellen Einzelfällen kann der Arzt den Patienten auch zunächst fragen, ob es ihm wichtig ist zu wissen, ob er an einer bestimmten Krankheit leidet bzw. im Krankheitsfall eine Behandlung zu erhalten (siehe Ziele festlegen).

Muss jeder getestet werden?

Kurz gesagt, nein. Auch wenn viele Menschen sich gerne Bestätigung durch medizinische Tests einholen, sind die Testergebnisse nicht immer richtig:

  • Manchmal sind die Ergebnisse bei Personen, die die Erkrankung haben, unauffällig (falsch-negativ).

  • In anderen Fällen sind die Ergebnisse bei Personen, die die Erkrankung nicht haben, auffällig (falsch-positiv).

Testen oder nicht testen? Aufgrund der Möglichkeit eines falsch-positiven Ergebnisses kann das Testen eine schlechte Idee sein. Wenn die Wahrscheinlichkeit einer bestimmten Erkrankung geringer ist als die Wahrscheinlichkeit, dass der Test für diese Erkrankung falsch-positiv ausfällt, ist der Test voraussichtlich irreführend.

Ein Beispiel: Die Eltern einer vierjährigen Tochter machen sich Sorgen, dass ihr Kind eine Harnwegsinfektion (HWI) haben könnte, da sie beim Gehen ihre Oberschenkel zusammenpresst. In der Praxis findet der Arzt jedoch keine weiteren Anzeichen, die auf eine HWI hindeuten, d. h. sie uriniert nicht häufiger, sie hat beim Wasserlassen keine Schmerzen oder ein Brennen und die Blase und Nieren sind nicht schmerzempfindlich. Auf Grundlage dieser Erkenntnisse schätzt der Arzt die Wahrscheinlichkeit eines Harnwegsinfekts als sehr gering ein (maximal 5 Prozent) und versichert den Eltern, dass keine Behandlung notwendig ist, sofern keine weiteren Symptome auftreten. Die Eltern sagen, sie hätten ein besseres Gefühl, wenn der Arzt zur weiteren Abklärung einen Urintest durchführt. Würde ein Test helfen oder schaden?

Beurteilung des möglichen Nutzens eines Testergebnisses: Man nimmt an, dass der Arzt einen Test auf HWI durchführt, der bekanntermaßen in 10 Prozent der Fälle zu einem falsch-positiven Ergebnis führt (10 Prozent falsch-positive Ergebnisse sind für viele medizinische Tests typisch).

Sogar wenn man davon ausgeht, dass der Test bei allen Personen, die einen HWI haben, auch positiv ausfällt, kommt man bei 100 kleinen Mädchen wie diesem zu folgenden Ergebnissen:

  • Die 5, die tatsächlich einen HWI haben, hätten ein echtes positives Testergebnis.

Aber

  • 10 hätten ein falsch-positives Testergebnis.

Oder anders ausgedrückt: Bei diesem speziellen kleinen Mädchen ist es doppelt so wahrscheinlich, dass ein positives Testergebnis falsch ist als dass es richtig ist.

Auswirkung der Testergebnisse auf die Entscheidungsfindung: Daher sollte in diesem Fall auch ein positives Testergebnis die Entscheidung des Arztes, nicht zu behandeln, nicht beeinflussen, da dieses positive Ergebnis wahrscheinlich falsch ist. Und weil der Arzt keine anderen Maßnahmen ergreifen würde, macht ein Test in diesem Fall keinen Sinn.

Anders wäre es, wenn der Arzt die Wahrscheinlichkeit für einen Harnwegsinfekt höher einstufen würde. Läge die Wahrscheinlichkeit bei 50 Prozent, hätten die meisten Personen mit einem positiven Testergebnis auch tatsächlich einen HWI und somit wäre das Testen sinnvoll.

Diese Berechnungen erklären, warum Ärzte Tests nur durchführen, wenn eine begründete Wahrscheinlichkeit besteht, dass die getesteten Personen die Krankheit auch haben.

Früherkennungstests

Mit Früherkennungsuntersuchungen (Screening-Tests) wird versucht, Krankheiten festzustellen, wenn die Personen keine Symptome zeigen. Beispielsweise empfehlen viele medizinische Fachkräfte der Grundversorgung, dass sich alle Personen ab 45 Jahren einer Koloskopie unterziehen, um sie auf Darmkrebs zu untersuchen, auch wenn sie keine Symptome haben und gesund sind. Das Screening basiert auf der Idee, dass eine Erkrankung erfolgreicher behandelt werden kann, wenn sie bereits im Frühstadium erkannt wird. Obwohl dies logisch erscheint, ist die Annahme nicht immer richtig. Bei manchen Krankheiten, wie zum Beispiel Hoden- und Ovarialkrebs, scheint es keinerlei Unterschied auszumachen, ob die Erkrankung beim Screening oder erst nach Auftreten der ersten Symptome diagnostiziert wurde.

Ein weiteres mögliches Problem bei Screening-Tests ist, dass die Ergebnisse normalerweise durch einen maßgeblicheren Test abgesichert werden müssen. Zum Beispiel kann bei Frauen, deren Mammogramm auffällige Resultate aufweist, eine Brustbiopsie durchgeführt werden. Solche maßgeblichen Tests sind oft invasiv, unangenehm und zuweilen mit Risiken behaftet. Bei einer Lungenbiopsie kann es beispielsweise zum Lungenkollaps kommen. Da die Ergebnisse von Screening-Tests manchmal auch bei gesunden Menschen von der Norm abweichen – was häufig vorkommt, da kein Test eine hundertprozentige Genauigkeit aufweist –, unterziehen sich viele Menschen einem unnötigen, möglicherweise schädlichen Test.

Daher werden Screening-Tests nur für die Krankheiten empfohlen, deren Ausgang durch die Screening-Tests nachweislich verbessert werden kann.

Klinische Prüfungen sind nötig, um herauszufinden, welche Screening-Tests wirksam sind und bei welchen Personen sie durchgeführt werden sollten. Trotz der angeführten Bedenken ist auch belegt, dass ein Screening bei einigen Krankheiten wie Bluthochdruck und Zervixkarzinom Leben retten kann. Um einen Nutzen zu haben, müssen Screening-Tests die folgenden Eigenschaften aufweisen:

  • Sie müssen genau sein.

  • Sie müssen relativ günstig sein.

  • Sie müssen wenige Risiken beinhalten.

  • Sie dürfen nur wenige oder keine Beschwerden verursachen.

  • Sie müssen den Ausgang der Krankheit verbessern.

Wussten Sie ...

  • Ein Screening-Test ist möglicherweise nicht angemessen, wenn eine frühe Therapie den Verlauf der jeweiligen Krankheit nicht positiv beeinflussen würde oder wenn es sich um eine sehr seltene Krankheit handelt.

Klassifizierungstests

Nachdem eine Krankheit diagnostiziert wurde, kann versucht werden, ihren Schweregrad mithilfe einiger Tests zu bestimmen und zu klassifizieren. Ausgehend von diesen Untersuchungsergebnissen können spezifischere und damit effektivere Behandlungsmethoden gewählt werden. Im Anschluss an die Diagnose Brustkrebs werden beispielsweise weitere Untersuchungen durchgeführt, um festzustellen, um welche Brustkrebsart es sich handelt und ob und wohin der Krebs gestreut hat.

Überwachungstests

Schließlich gibt es auch noch Tests, um den Krankheitsverlauf und das Ansprechen auf die Therapie zu überwachen. So werden zum Beispiel in regelmäßigen Abständen bei Personen Bluttests durchgeführt, die zur Behandlung von Hypothyreose Schilddrüsenhormone einnehmen. Auf diese Weise wird bestimmt, welche Hormondosis ihrem Bedarf am ehesten gerecht wird. Eine Entscheidung über die notwendige Häufigkeit solcher Tests wird auf Grundlage der individuellen Patientensituation getroffen.

Interpretation von medizinischen Testergebnissen

Tests sind nicht fehlerfrei (siehe Muss jeder getestet werden?). So kann der Befund auch bei Personen, die an der fraglichen Erkrankung leiden, unauffällig sein. Diese Tests können sogenannte falsch-negative Ergebnisse aufweisen. Dagegen kann bei Personen, die nicht an der fraglichen Erkrankung leiden, ein auffälliges Testergebnis vorliegen. Dies nennt man ein falsch-positives Ergebnis.

Zwei sehr wichtige Eigenschaften eines Diagnosetests sind die Sensitivität und die Spezifität:

  • Sensitivität: Die Wahrscheinlichkeit, dass die Ergebnisse bei Patienten mit der fraglichen Erkrankung auffällig sind

  • Spezifität: Die Wahrscheinlichkeit, dass die Ergebnisse bei Patienten ohne die fragliche Erkrankung unauffällig sind

Beide dieser wichtigen Eigenschaften können nur in gut konzipierten Studien bestimmt werden.

Daher müssen sich die Ärzte bei der Interpretation eines positiven bzw. negativen Testergebnisses auf das bekannte Wissen über die Genauigkeit des Tests, ihr medizinisches Fachwissen sowie die Lebensumstände und Gegebenheiten des einzelnen Patienten verlassen. Wenn Ärzte eine Erkrankung dringend vermuten, können sie – auch wenn der eingangs durchgeführte Test negativ ausfällt – zusätzliche Tests anordnen, um diese Krankheit festzustellen.