Schmerz im Überblick

VonJames C. Watson, MD, Mayo Clinic College of Medicine and Science
Überprüft/überarbeitet März 2022
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Schmerz ist der häufigste Grund, aus dem Patienten medizinische Hilfe in Anspruch nehmen.

Schmerz hat sensorische und emotionale Komponenten und ist häufig klassifiziert als akuter oder chronischer Schmerz. Akuter Schmerz ist häufig mit Angstgefühlen und Hyperaktivität des sympathischen Nervensystems assoziiert (z. B. Tachykardie, gesteigerte Atemfrequenz und erhöhter Blutdruck, Schwitzen, erweiterte Pupillen). Chronischer Schmerz involviert das sympathische Nervensystem nicht, kann aber mit vegetativen Zeichen (z. B. Müdigkeit, Libidoverlust, Appetitverlust) und depressiver Verstimmung assoziiert sein. Die Menschen unterscheiden sich erheblich in ihrer Schmerztoleranz.

Pathophysiology of Pain

Akuter Schmerz, der üblicherweise als Antwort auf eine Gewebeschädigung auftritt, entsteht durch die Aktivierung peripherer Schmerzrezeptoren und deren spezifischen sensorischen ADelta- und C-Nervenfasern (Nozizeptoren).

Chronischer Schmerz, der mit einer andauernden Gewebeschädigung verbunden ist, wird vermutlich durch persistierende Aktivierung dieser Fasern bedingt. Allerdings lässt sich von der Schwere der Gewebeverletzung nicht immer auf, die Schwere der chronischen oder akuten Schmerzen schließen. Chronischer Schmerz kann auch durch anhaltende Schädigung oder Funktionsstörungen des peripheren oder zentralen Nervensystems entstehen (was neuropathischen Schmerz verursacht).

Nozizeptive Schmerzen (Schmerz durch Gewebeschädigung) kann somatisch oder viszeral sein. Somatische Schmerzrezeptoren liegen in der Haut, im Subkutangewebe, in Faszien und anderem Bindegewebe, im Periost, im Endoost und in den Gelenkkapseln. Die Stimulation dieser Rezeptoren produziert in der Regel einen scharfen oder stumpfen örtlich begrenzten Schmerz; ein Brennen ist bei Beteiligung von Haut oder subkutanem Gewebe nicht ungewöhnlich. Viszerale Schmerzrezeptoren liegen in den meisten inneren Organen und dem umgebenden Bindegewebe. Viszeraler Schmerz, der durch die Läsion eines Hohlorgans verursacht wird, ist kaum lokalisierbar, dumpf und manchmal krampfartig und kann in entfernt gelegene Hautareale projiziert werden. Viszeraler Schmerz, der durch Schädigung einer Organkapsel oder von anderem tiefem Bindegewebe hervorgerufen wird, lässt sich besser lokalisieren und kann als scharf empfunden werden.

Psychologische Faktoren modulieren die Schmerzintensität zu einem sehr variablen Grad. Gedanken und Gefühle spielen eine wichtige Rolle bei der Wahrnehmung von Schmerz. Viele Patienten, die chronische Schmerzen haben, haben auch psychische Not, v. a. Depressionen und Angstzuständen. Da bestimmte Krankheitsbilder, wie psychiatrische Erkrankungen (z. B. einige Somatisierungsstörungen) durch eigene Angaben von Schmerz definiert sind, werden Patienten mit schlecht erklärbaren Schmerzen oft mit einer psychiatrischen Störung und damit der entsprechende Fürsorge falsch eingestuft.

Schmerzen beeinträchtigen mehrere kognitive Bereiche wie Aufmerksamkeit, Gedächtnis, Konzentration und Gedankeninhalt, möglicherweise durch anspruchsvolle kognitive Ressourcen.

Viele Schmerzsyndrome sind multifaktoriell bedingt. Beispielsweise haben chronische Lumbalgien und die meisten karzinombedingten Schmerzsyndrome eine prominente nozizeptive Komponente, sie können aber ebenfalls neuropathische Schmerzen (als Folge einer Nervenschädigung) beinhalten.

Schmerzübertragung und -modulation

Schmerzfasern treten über das Hinterwurzelganglion in das Rückenmark ein und werden im Hinterhorn synaptisch umgeschaltet. Von dort aus kreuzen sie auf die andere Seite und ziehen über die Seitenstränge hinauf zum Thalamus und dann zum zerebralen Kortex.

Repetitive Stimulation (z. B. durch einen andauernden Schmerzzustand) kann Neuronen im Hinterhorn des Rückenmarks sensibilisieren, sodass ein schwächerer peripherer Reiz schmerzauslösend wirkt (Bahnungsphänomen). Periphere Nerven und Nerven auf anderen Ebenen des zentralen Nervensystems (ZNS) können ebenfalls sensibilisiert werden, was Langzeitveränderungen an den Synapsen in kortikalen rezeptiven Feldern (Remodeling) erzeugt und eine verstärkte Schmerzwahrnehmung unterhält. Dieser Prozess des chronischen afferenten Inputs, der zu einer erhöhten Sensitivität führt (niedrigere Schwellenwerte) und das Remodelling von zentralen nozizeptiven Signalwegen und Rezeptoren wird als zentrale Sensibilisierung bezeichnet. Es erklärt, warum Folgendes auftritt:

  • Allodynie (Schmerzreaktion auf einen nicht schmerzhaften Reiz)

  • Hyperalgesie (übermäßige Schmerzreaktion auf einen normalen Schmerzreiz)

Substanzen, die bei Gewebeschädigung freigesetzt werden, inkl. derer, die in der Entzündungskaskade beteiligt sind, können periphere Nozizeptoren sensibilisieren. Zu diesen Substanzen gehören vasoaktive Peptide (z. B. Calcitonin-gene-related-Protein, Substanz P, Neurokinin A) und andere Mediatoren (z. B. Prostaglandin E2, Serotonin, Bradykinin, Adrenalin).

Die Modulation des Schmerzsignals erfolgt an mehreren Stellen sowohl auf segmentaler Ebene als auch in absteigenden Bahnen durch zahlreiche neurochemische Mediatoren, inkl. Endorphine (z. B. Enkephalin) und Monoamine (z. B. Serotonin, Noradrenalin). Diese Mediatoren interagieren auf eine kaum verstanden Weise, um die Wahrnehmung von und Antwort auf Schmerz zu steigern, aufrechtzuerhalten, zu verkürzen oder zu reduzieren. Sie vermitteln den möglichen Benefit ZNS-wirksamer Arzneimittel (z. B. Opioide, Antidepressiva, Antikonvulsiva, Membranstabilisatoren), die mit spezifischen Rezeptoren und Neurotransmittern in der Behandlung von chronischen Schmerzen interagieren.

Psychologische Faktoren sind wichtige Schmerzmodulatoren. Sie beeinflussen nicht nur den Ausdruck, wie Patienten über Schmerz sprechen (z. B.auf eine stoische, reizbare oder sich beschwerende Art) und wie sie sich als Antwort darauf verhalten (z. B. ob sie Grimassen schneiden), sondern bewirken selbst auch eine neuronale Aktivität, die die Neurotransmission entlang der Schmerzbahnen moduliert. Die psychische Reaktion auf anhaltenden Schmerz interagiert mit anderen ZNS-Faktoren und kann so Langzeitveränderungen in der Schmerzwahrnehmung in Gang setzen.