Unerwünschte Arzneimittelwirkungen (Nebenwirkungen) bezeichnen alle nicht gewünschten Wirkungen von Arzneistoffen (Medikamenten). Es gibt mehrere verschiedene Arten:
Dosisabhängig
Allergisch
Idiosynkratisch
Dosisabhängige Nebenwirkungen kann man als allzu starke therapeutische Wirkung ansehen. Zum Beispiel kann einem Patienten, der ein Medikament gegen Bluthochdruck einnimmt, schwindelig werden, wenn der Blutdruck zu weit absinkt.
Diabetespatienten reagieren womöglich mit Schwäche, Schweißausbrüchen, Übelkeit und Herzklopfen, wenn ihr Blutzucker durch die Gabe von Insulin oder eines anderen Antidiabetikums zu stark absinkt.
Solche Nebenwirkungen sind in der Regel vorhersehbar und mitunter unvermeidlich. Sie können auftreten, wenn die Dosis eines Medikaments zu hoch ist (Überdosisreaktion), wenn ein Patient gegenüber einem Medikament ungewöhnlich empfindlich ist oder wenn ein anderes Medikament den Stoffwechsel des ersten Medikaments verlangsamt und dadurch seine Konzentration im Blut erhöht (siehe Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten). Dosisabhängige Reaktionen können, müssen aber nicht schwerwiegend sein, sind aber relativ häufig.
Allergische Arzneimittelreaktionen sind nicht dosisabhängig, erfordern jedoch den früheren Kontakt mit einem Arzneimittel. Allergische Reaktionen entstehen, wenn das Immunsystem des Körpers eine ungeeignete Reaktion auf ein Arzneimittel entwickelt (manchmal auch als Sensibilisierung bezeichnet). Nach der Sensibilisierung einer Person erzeugt der spätere Kontakt mit dem Arzneimittel eine von verschiedenen Arten von allergischen Reaktionen. Manchmal machen Ärzte einen Hauttest, der dabei hilft, allergische Arzneimittelreaktionen vorherzusagen.
Idiosynkratische unerwünschte Arzneimittelreaktionen sind Nebenwirkungen, deren Ursache noch nicht geklärt ist. Diese Art von Nebenwirkung ist unkalkulierbar. Beispiele für idiosynkratische unerwünschte Arzneimittelreaktionen sind unter anderem Hautausschläge, Gelbsucht, Anämie, eine Verringerung der weißen Blutkörperchen, Nierenschäden und Nervenschäden, die das Seh- oder Hörvermögen betreffen. Solche Reaktionen neigen dazu, schwerwiegender zu sein und treten normalerweise nur bei sehr wenigen Menschen auf. Betroffene können genetische Anomalien haben, was die Art und Weise betrifft, wie ihr Körper das Medikament verstoffwechselt oder darauf anspricht.
Einige Nebenwirkungen hängen nicht mit der Heilwirkung des Medikaments zusammen, sind aber gewöhnlich vorhersagbar, weil die Auslöser dafür in der Regel bekannt sind. So kommt es beispielsweise bei Personen, die häufig Aspirin oder andere nichtsteroidale Entzündungshemmer (NSAR) einnehmen, häufig zu Magenreizungen und Blutungen. Dies liegt daran, dass solche Medikamente die Produktion von Prostaglandinen hemmen, die die Magenschleimhaut vor Magensäure schützen.
Schweregrad von Nebenwirkungen
Unerwünschte Arzneimittelwirkungen (Nebenwirkungen) bezeichnen alle nicht gewünschten Wirkungen von Medikamenten. Es gibt keine allgemein gültige Skala zur Beschreibung oder Messung des Schweregrades einer Nebenwirkung. Die US-amerikanische Lebens- und Arzneimittelbehörde (FDA) stuft unerwünschte Arzneimittelwirkungen als schwerwiegend oder nicht schwerwiegend ein. Die Bewertung ist hochgradig subjektiv.
Leichte nicht schwerwiegende Nebenwirkungen bedeuten nicht zwingend, dass ein Medikament abgesetzt werden muss, insbesondere, wenn es keine geeignete Alternative gibt. Dennoch wird der Arzt vermutlich die Dosis, die Häufigkeit (Anzahl der Dosen pro Tag) und den Zeitpunkt der Einnahme (z. B. vor oder nach Mahlzeiten, morgens oder abends) überprüfen. Zur Kontrolle der Nebenwirkungen können auch andere Medikamente eingesetzt werden. Ein Beispiel hierfür ist ein Weichmacher für Stuhl bei Verstopfung als Nebenwirkung.
Nicht schwerwiegende unerwünschte Arzneimittelwirkungen können Verdauungsstörungen (Übelkeit, Verstopfung, Durchfall), Kopfschmerzen, Müdigkeit und Unwohlsein, vage Muskelschmerzen, Hautausschläge, Schwierigkeiten beim Wasserlassen, Stimmungsschwankungen oder vorübergehende Veränderungen einiger Blutbestandteile (etwa eine vorübergehende Abnahme der weißen Blutkörperchenzahl) umfassen.
Zu den schwerwiegenden Nebenwirkungen zählen unter anderem potenziell lebensbedrohliche Reaktionen wie Leberversagen, Herzrhythmusstörungen und bestimmte Formen von allergischen Reaktionen, Nebenwirkungen, die zu dauerhafter bzw. erheblicher Behinderung, zu Krankenhausaufenthalt oder Geburtsfehlern führen. Solche Nebenwirkungen sind verhältnismäßig selten. Betroffene mit schwerwiegenden Nebenwirkungen müssen das Medikament gewöhnlich absetzen und behandelt werden. Allerdings müssen Ärzte gelegentlich weiterhin hochriskante Medikamente verabreichen (z. B. eine Chemotherapie für Patienten mit Krebs, oder Immunsuppressiva für Patienten, die sich einer Organtransplantation unterziehen). Ärzte nutzen alle verfügbaren Mittel, um eine schwerwiegende Nebenwirkung zu kontrollieren.
Tödlich verlaufende Reaktionen sind solche Reaktionen, die mittelbar oder unmittelbar zum Tod führen können. Tödlich verlaufende Reaktionen können der Grund dafür sein, dass einige Medikamente vom Markt genommen werden.
In den USA können vermutete unerwünschte Arzneimittelwirkungen freiwillig über das MedWatch safety reporting program der FDA gemeldet werden. Die Meldung kann der FDA helfen, das Risiko fortlaufend zu beurteilen.
Risikofaktoren für Nebenwirkungen
Viele Faktoren können die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Nebenwirkungen (jedwede unerwünschte Wirkung eines Medikaments) erhöhen. Hierzu gehören:
Erbliche Faktoren
Bestimmte bereits bestehende Erkrankungen
Sehr junges oder hohes Alter
Schwangerschaft
Stillen
Verminderte Nieren- oder Leberfunktion
Manche Menschen sind aufgrund erblicher Veranlagung für die toxischen Wirkungen bestimmter Medikamente empfänglicher als andere. Es wurden verschiedene Gene identifiziert, die einen Einfluss darauf haben, wie der Körper auf Medikamente reagiert. Beispielsweise können Unterschiede in bestimmten Genen den Stoffwechsel von Medikamenten in der Leber beeinträchtigen, wodurch der Wirkstoffspiegel steigen und die Wahrscheinlichkeit einer Nebenwirkung erhöht sein kann. Die Tests hinsichtlich dieser Unterschiede sind jedoch kompliziert und kommen in der klinischen Praxis noch nicht routinemäßig zum Einsatz.
Bestimmte vorbestehende Erkrankungen können die Resorption von Arzneistoffen, ihre Verstoffwechselung und Ausscheidung sowie die Reaktion des Körpers auf die Arzneistoffe und somit das Risiko für Nebenwirkungen erhöhen (siehe Arzneimittel-Wechselwirkungen: Wechselwirkungen zwischen Arzneimitteln und Erkrankungen).
Inwieweit die Psyche durch die innere Einstellung, Hoffnung, Vertrauen in sich selbst und in die behandelnden medizinischen Fachkräfte Nebenwirkungen beeinflusst, ist nicht ausreichend erforscht.
Anwendung mehrerer Medikamente
Mehrere Medikamente gleichzeitig einzunehmen, gleich, ob diese rezeptfrei oder verschreibungspflichtig sind, erhöht das Risiko für Nebenwirkungen (siehe Wechselwirkungen zwischen Arzneimitteln). Anzahl und Schweregrad der Nebenwirkungen steigen, je mehr Medikamente angewendet werden.
Auch der Konsum von Alkohol erhöht das Risiko für Nebenwirkungen.
Solche Gefahren lassen sich vermindern, wenn Arzt oder Apotheker in regelmäßigen Abständen überprüfen, welche Medikamente eingenommen werden, und auf dieser Basis passende Empfehlungen geben.
Alter
Säuglinge und Kleinkinder haben hauptsächlich aus einem der zwei Gründe ein höheres Risiko für Nebenwirkungen: ihre Fähigkeit, Medikamente zu verstoffwechseln, ist noch nicht vollständig entwickelt, und sie befinden sich noch im Wachstum und entwickeln neues Gewebe. Da sich zum Beispiel Zahnschmelz bildet, kann sich der Zahnschmelz dauerhaft verfärben, wenn Säuglingen und kleinen Kindern (bis zum Alter von etwa 8 Jahren) das Antibiotikum Tetrazyklin verabreicht wird.
Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren können am Reye-Syndrom erkranken, wenn sie bei einer Grippe oder bei Windpocken Aspirin erhalten.
Ältere Erwachsene sind aus mehreren Gründen einem hohen Risiko von Nebenwirkungen ausgesetzt (siehe Arzneimittel im Alter). Sie tragen ein höheres Risiko für gesundheitliche Probleme und nehmen daher mit höherer Wahrscheinlichkeit verschiedene rezeptpflichtige und rezeptfreie Medikamente parallel ein.
Mit zunehmendem Alter kann zudem die Leber weniger gut Medikamente verstoffwechseln und die Nieren weniger gut Medikamente ausscheiden, wodurch sich das Risiko für eine Nierenschädigung durch Medikamente und für andere Nebenwirkungen erhöht. Diese altersbezogenen Probleme werden oft durch Unterernährung und Dehydration, die mit voranschreitendem Alter häufiger werden, verschlimmert.
Ältere Erwachsene reagieren ohnehin auf viele Medikamente empfindlicher als jüngere. Ältere Erwachsene leiden z. B. häufiger an Schwindel, Appetitverlust, Depression, Verwirrung und Koordinationsstörungen, was sie einem höheren Sturz- und Frakturrisiko aussetzt. Zu den Medikamenten, die solche Reaktionen hervorrufen, zählen viele Antihistaminika, Schlafmittel, angstlösende Mittel, Medikamente gegen Bluthochdruck, gegen zu hohen Blutzucker und gegen Depressionen (siehe die Tabelle: „Einige Arzneimittel, die bei älteren Erwachsenen sehr wahrscheinlich zu Problemen führen“).
Schwangerschaft und Stillzeit
Viele Medikamente, etwa blutdrucksenkende Medikamente wie z. B. Hemmer des Angiotensin konvertierenden Enzyms (ACE) und Angiotensin-II-Rezeptor-Blocker (ARB), stellen ein Risiko für die Gesundheit und die normale Entwicklung eines Fötus dar.
Soweit möglich sollten Schwangere, insbesondere während der ersten drei Schwangerschaftsmonate, keine Medikamente einnehmen (siehe die Tabelle Einige Medikamente und ihre möglichen Probleme während der Schwangerschaft). Der sich entwickelnde Fötus ist besonders anfällig für die Wirkungen von Medikamenten während des ersten Schwangerschaftsdrittels. Daher sollten nur unbedingt notwendige Medikamente (wie vom behandelnden Arzt empfohlen) und pränatale Vitamine eingenommen werden. Bei einigen Medikamenten einschließlich ACE-Hemmern und ARBs steigt jedoch das Risiko im zweiten und dritten Trimester der Schwangerschaft.
Die Anwendung sämtlicher verschreibungspflichtiger Medikamente, rezeptfreier Medikamente oder von Nahrungsergänzungsmitteln (einschließlich Heilkräuter) während der Schwangerschaft darf nur unter ärztlicher Aufsicht geschehen.
Auch Alkohol und Nikotin und illegale Drogen (Kokain und Opioide, wie Heroin) gefährden die Schwangerschaft und den Fötus und sollten daher vermieden werden.
Medikamente und Heilkräuter können über die Muttermilch an den Säugling übertragen werden (siehe Anwendung von Medikamenten und Substanzen während der Stillzeit). Manche Medikamente sollten von stillenden Frauen nicht eingenommen werden, andere dagegen können unter ärztlicher Aufsicht bedenkenlos angewendet werden.
Allerdings sollten stillende Frauen eine medizinische Fachkraft zurate ziehen, bevor sie irgendwelche Medikamente einnehmen. Soziale und illegale Drogen können einen Säugling schädigen.
Überdosierung
Eine Arzneimittelvergiftung ist eine schwere, oft ernste und mitunter tödliche Reaktion auf eine versehentliche (aufgrund eines Fehlers seitens des Arztes, Apothekers oder der Person, die das Medikament anwendet) oder absichtliche Überdosierung (Mord oder Suizid) des Medikaments.
Wenn zwei Medikamente gleich gut wirken, wählt der Arzt gewöhnlich das Mittel, bei dem die Gefahr einer Vergiftung durch Überdosierung geringer ist. Wenn zum Beispiel ein Schlafmittel benötigt wird, kann der Arzt Melatonin empfehlen oder Zolpidem verschreiben, das sicherer als ein Benzodiazepin (z. B. Temazepam oder Triazolam) ist, da Benzodiazepine abhängig machen können und bei einer Überdosis gefährlich sind. Die Sicherheit ist auch der Grund dafür, dass neuere Antidepressiva (wie Fluoxetin und Paroxetin) als Ersatz für ihre ebenso wirksamen Vorgänger (wie Imipramin und Amitriptylin) verwendet werden (siehe Tabelle Medikamente zur Behandlung von Depressionen).
Kleine Kinder haben ein höheres Risiko für eine Arzneimittelvergiftung. Bunte Tabletten und Kapseln von Medikamenten für Erwachsene können die Aufmerksamkeit von Kleinkindern auf sich ziehen. In den USA sehen die Vorschriften der Behörden vor, dass alle verschreibungspflichtigen Medikamente zur oralen Verabreichung in kindersicheren Behältern ausgegeben werden, sofern der Patient nicht eine Erklärung unterzeichnet, dass dies für ihn ein Hindernis darstellt.
Die meisten Metropolregionen in den USA verfügen über Giftinformationszentralen, die Auskünfte über Vergiftungen mit Chemikalien und Medikamenten erteilen und in den meisten Telefonbüchern aufgelistet sind. Diese Nummer sollte notiert und in der Nähe eines Telefons aufbewahrt oder in einem Mobiltelefon eingespeichert werden.
