Lepra

(Hansen-Krankheit)

VonEdward A. Nardell, MD, Harvard Medical School
Überprüft/überarbeitet Sep. 2022
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Kurzinformationen

Lepra ist eine chronische Infektion, die für gewöhnlich von den Bakterien Mycobacterium leprae oder Mycobacterium lepromatosis verursacht wird. Sie führt hauptsächlich zu Schäden an den peripheren Nerven (den Nerven außerhalb des Gehirns und Rückenmarks), an Haut, Hoden, Augen und Schleimhäuten der Nase und des Rachens.

  • Lepra reicht von mild (mit ein paar betroffenen Hautbereichen) bis schwer (mit vielen betroffenen Hautbereichen und Schäden an vielen Organen).

  • Ausschläge und Beulen treten auf, die betroffenen Bereiche werden taub und Muskeln können schwach werden.

  • Die Diagnose wird von Symptomen angedeutet und mit einer Biopsie des betroffenen Gewebes bestätigt.

  • Antibiotika können das Fortschreiten von Lepra aufhalten, können aber keine Nervenschäden oder Deformationen rückgängig machen.

Personen mit unbehandelter Lepra werden sichtbar verunstaltet und haben oft schwere Behinderungen. Daher wurden sie lange von anderen gefürchtet und gemieden. Obwohl Lepra nicht hochinfektiös ist, selten zum Tod führt und effektiv mit Antibiotika behandelt werden kann, ist diese Krankheit nach wie vor mit einem erheblichen sozialen Stigma behaftet. Daher haben Personen mit Lepra und ihre Familienmitglieder oft psychologische und soziale Probleme.

Die Anzahl der Leprafälle ist weltweit auf dem Rückzug. Im Jahr 2020 wurden 130.000 neue Fälle gemeldet, von denen etwa 73 Prozent in Indien, Brasilien und Indonesien auftraten.

In den USA wurden 2020 nur 159 Neuerkrankungen gemeldet. Die meisten Leprafälle in den USA treten bei Personen auf, die in Ländern, in denen Lepra häufig vorkommt, gearbeitet haben oder von dort eingewandert sind. Über 70 Prozent der Fälle kamen in den folgenden sechs Bundesstaaten vor: Kalifornien, Florida, Hawaii, New York, Texas und Louisiana. Viele dieser Fälle traten bei Personen in den Südstaaten auf, die direkten Kontakt mit Neunbinden-Gürteltieren hatten, die Leprabakterien übertragen.

Lepra kann sich in jedem Alter entwickeln. Ein höheres Alter ist ein Risikofaktor für Lepra, aber die Infektion scheint sich am häufigsten bei Menschen im Alter von 5 bis 15 Jahren oder im Alter über 30 Jahren zu entwickeln.

Bei den meisten Personen, die mit dem Mycobacterium leprae infiziert sind, dürfte es nicht zu Lepra kommen, weil ihr Immunsystem die Infektion erfolgreich abwehrt. Personen, bei denen sich Lepra entwickelt, haben möglicherweise Gene, die sie für eine Infektion empfänglich machen, wenn sie der Krankheit ausgesetzt sind.

Übertragung von Lepra

Lepra kann von einer Person auf eine andere durch Tröpfchen übertragen werden, die aus der Nase oder dem Mund einer infizierten Person ausgestoßen und von der nicht infizierten Person eingeatmet oder berührt werden. Doch selbst nach Kontakt mit den Bakterien entsteht bei den meisten Personen keine Lepra. Ungefähr die Hälfte der Personen mit Lepra hat sich durch engen, langfristigen Kontakt mit einer infizierten Person angesteckt. Gelegentlicher und kurzer Kontakt scheint die Krankheit nicht zu verbreiten. Lepra kann nicht dadurch übertragen werden, dass man eine infizierte Person anfasst, wie dies gemeinhin geglaubt wird. Medizinische Fachkräfte arbeiten oft jahrelang mit Personen, die Lepra haben, ohne Lepra zu entwickeln.

Gürteltiere sind neben Menschen die einzige bestätigte Quelle, auch wenn vielleicht noch andere Tier- und Umweltquellen existieren.

Wussten Sie ...

  • Lepra breitet sich nicht leicht aus.

Klassifikation von Lepra

Lepra kann nach Art und Anzahl der betroffenen Hautbereiche wie folgt kategorisiert werden:

  • Paucibazilliär: Personen mit paucibazilliärer (bakterienarmer) Lepra haben maximal 5 betroffene Hautbereiche. In aus diesen Bereichen entnommenen Proben lassen sich keine Bakterien feststellen.

  • Multibazilliär: Personen mit multibazillärer Lepra haben sechs oder mehr betroffene Bereiche und/oder einen Nachweis von Bakterien in einer Probe aus den erkrankten Hautbereichen.

Lepra kann auch nach den Symptomen und anderen Befunden klassifiziert werden:

  • Tuberkuloid: Personen mit tuberkuloider Lepra haben typischerweise wenige betroffene Hautbereiche (paucibazilliär), und die Krankheit ist leichter, weniger weit verbreitet und weniger ansteckend.

  • Lepromatös: Personen mit lepromatöser Lepra haben typischerweise mehr betroffene Hautbereiche (multibazilliär), und diese Form der Krankheit ist schwerer, weiter verbreitet und ansteckend.

  • Borderline-Typus: Bei der Borderline-Lepra liegen Merkmale sowohl der tuberkuloiden Lepra als auch der lepromatösen Form vor.

Bei beiden Klassifikationen bestimmt die Form von Lepra Folgendes:

  • Wie gut es den Betroffenen langfristig ergeht

  • Mit welchen Komplikationen zu rechnen ist

  • Wie lange eine Behandlung mit Antibiotika erforderlich ist

Lepra-Symptome

Weil die Bakterien, die Lepra verursachen, sich sehr langsam vermehren, beginnen die Symptome, gewöhnlich wenigstens 1 Jahr, nachdem die Personen infiziert wurden. Im Durchschnitt treten Symptome 5 bis 7 Jahre nach der Infektion auf, es kann aber auch 20 bis 30 Jahre dauern. Wenn die Symptome beginnen, schreiten sie langsam fort.

Lepra befällt hauptsächlich die Haut und die peripheren Nerven (die Nerven außerhalb des Gehirns und des Rückenmarks). Es entwickeln sich charakteristische Ausschläge und Beulen. Es tritt kein Juckreiz auf. Infektionen der Nerven machen die Haut taub oder die Muskeln schwach in Bereichen, die von den infizierten Nerven kontrolliert werden.

Spezifische Symptome variieren abhängig von der Form der Lepra.

  • Tuberkuloide Lepra: Es entwickelt sich ein Ausschlag, der aus einigen wenigen flachen, hellen Bereichen mit scharf abgegrenztem, erhabenem Rand besteht. Bereiche, die von diesem Ausschlag betroffen sind, sind taub, weil die Bakterien die darunter liegenden Nerven beschädigen.

  • Lepromatöse Lepra: Viele kleine oder größere erhabene Beulen unterschiedlicher Größe und Form erscheinen auf der Haut. Es gibt mehr Bereiche von Taubheit als bei tuberkuloider Lepra und bestimmte Muskelgruppen können schwach sein. Ein großer Teil der Haut und viele Bereiche des Körpers, einschließlich Nieren, Nase und Hoden, können betroffen sein. Bei Männern kann es zu einer Vergrößerung der Brust kommen. Es können Wimpern und/oder Augenbrauen ausfallen.

  • Borderline-Lepra: Es liegen Merkmale sowohl der tuberkuloiden als auch der lepromatösen Lepra vor. Ohne Behandlung kann Borderline-Lepra weniger schwer und mehr wie die tuberkuloide Form sein, oder sie kann sich verschlechtern und mehr wie die lepromatöse Form werden.

Komplikationen von Lepra

Die schwersten Komplikationen entstehen durch eine Infektion der peripheren Nerven, welche die Zerstörung des Tastsinns und das damit einhergehende Unvermögen, Schmerzen und Temperaturen zu spüren, nach sich zieht. Personen mit peripheren Nervenschäden können sich unwissentlich verbrennen, schneiden oder sich auf andere Weise Schaden zufügen. Wiederholte Schäden können letztlich zum Verlust von Fingern oder Zehen führen. Ebenso können Schäden an peripheren Nerven Muskelschwäche verursachen, was zu Deformationen führen kann. Zum Beispiel können die Finger geschwächt werden, was sie sich nach innen krümmen lässt (wie eine Kralle). Muskeln können zu schwach werden, um den Fuß nach oben oder unten zu bewegen – ein Zustand, der Steppergang genannt wird. Infizierte Nerven können sich vergrößern, sodass Ärzte sie während einer körperlichen Untersuchung fühlen können.

Abbildungen von Lepra
Tuberkuloide Lepra
Tuberkuloide Lepra
Tuberkuloide Lepra verursacht einen Hautausschlag, der aus helleren Flächen mit scharf abgegrenzten, erhabenen Rändern ... Erfahren Sie mehr

CNRI/SCIENCE PHOTO LIBRARY

Schwerwiegende Wirkungen von Lepra mit Befall der Hände
Schwerwiegende Wirkungen von Lepra mit Befall der Hände
Bei dieser Person hat Lepra zu einem Verlust eines Teils der Finger an beiden Händen geführt.

Bild mit freundlicher Genehmigung von Arthur E. Kaye über die Public Health Image Library der Centers for Disease Control and Prevention.

Schwerwiegende Wirkungen von Lepra mit Befall der Nase
Schwerwiegende Wirkungen von Lepra mit Befall der Nase
Bei dieser Person hat Lepra zur Auflösung des Nasenknorpels geführt.

Bild mit freundlicher Genehmigung von Dr. Andre J. Lebrun über die Public Health Image Library der Centers for Disease Control and Prevention.

Hautinfektionen können zu Bereichen mit Schwellungen und Knoten führen, die besonders im Gesicht entstellend sind.

Andere Bereiche des Körpers können betroffen sein:

  • Füße: Wunde Stellen können sich auch an den Fußsohlen entwickeln, was das Laufen schmerzhaft macht.

  • Nase: Schäden an den Nasengängen können zu chronisch verstopfter Nase und Nasenbluten sowie ohne Behandlung zur kompletten Erosion der Nase führen.

  • Augen: Schäden an den Augen können zu Glaukomen oder Blindheit führen.

  • Sexualfunktion: Männer mit lepromatöser Lepra können Erektionsstörungen (Impotenz) haben und zeugungsunfähig werden. Die Infektion kann die Menge des Testosterons und der Spermien, die in den Hoden produziert werden, verringern.

  • Nieren: Es kann zu einer Funktionsstörung der Nieren kommen. In schweren Fällen kann es zum Nierenversagen kommen.

Leprareaktionen

Im Verlauf der unbehandelten oder sogar der behandelten Lepra kann das Immunsystem entzündliche Reaktionen auslösen. Diese Reaktionen können Fieber und eine Entzündung der Haut, der peripheren Nerven sowie seltener der Lymphknoten, Gelenke, Hoden, Nieren, Leber und Augen verursachen. Die Reaktionen können ebenfalls zur Nervenschädigung beitragen. Die Haut um die Beulen kann anschwellen und rot und schmerzhaft werden, und die Beulen können offene Stellen bilden. Möglicherweise kommt es zu Fieber, geschwollenen Lymphdrüsen und schmerzenden Gelenken.

Diagnose von Lepra

  • Untersuchung einer Probe von infiziertem Hautgewebe

Der Verdacht auf Lepra ergibt sich aufgrund gewisser Symptome, wie z. B. markante Ausschläge, die nicht verschwinden, verdickte Nerven, Verlust des Tastsinnes und Deformationen, die von Muskelschwäche herrühren. In den USA denken Ärzte aber möglicherweise nicht sofort an Lepra, weil die Infektion dort so selten vorkommt und sie mit den Symptomen nicht vertraut sind.

Die Untersuchung einer Probe von infiziertem Hautgewebe unter dem Mikroskop (Biopsie) bestätigt die Diagnose. Weil Leprabakterien nicht im Labor wachsen, ist die Anzucht von Gewebekulturproben nicht sinnvoll.

Bluttests zur Messung von Antikörpern gegen die Bakterien haben begrenzten Nutzen, weil Antikörper nicht immer vorhanden sind. (Antikörper werden vom Immunsystem gebildet, um den Körper gegen einen bestimmten Angreifer wie etwa Leprabakterien zu schützen.)

Vorbeugung gegen Lepra

Weil Lepra nicht sehr ansteckend ist, ist das Risiko der Ausbreitung gering. Nur die unbehandelte lepromatöse Form ist ansteckend, obwohl sich selbst dann die Infektion nicht leicht ausbreitet. Hat die Behandlung begonnen, kann sich Lepra nicht mehr ausbreiten.

Vorbeugungsmaßnahmen gegen Lepra:

  • Vermeidung von Kontakt mit Körperflüssigkeiten und Hautausschlag von infizierten Personen

  • Vermeidung von Kontakt mit Gürteltieren

Personen, die Kontakte von Leprakranken haben, und die über zwei Jahre alt sind, können eine Einzeldosis des Antibiotikums Rifampicin als vorbeugende Behandlung erhalten. Dieses Medikament wird nur verabreicht, nachdem die Ärzte Lepra und Tuberkulose ausgeschlossen und festgestellt haben, dass die Betroffenen keine anderen Probleme haben, die sie an der Einnahme des Medikaments hindern würden.

Der BCG-Impfstoff (Bacille Calmette-Guérin), der zur Schutzimpfung gegen Tuberkulose verwendet wird, vermittelt auch einen gewissen Schutz vor Lepra, wird aber nicht oft als Lepra-Prophylaxe benutzt.

Behandlung von Lepra

  • Antibiotika

Antibiotika können das Fortschreiten von Lepra aufhalten, aber keine Nervenschäden oder Deformationen rückgängig machen. Daher sind Früherkennung und frühe Behandlung äußerst wichtig.

Weil Leprabakterien gegenüber einem einzeln angewendeten Antibiotikum resistent werden, werden mehrere Präparate verschrieben.

Weil es schwierig ist, die Bakterien auszumerzen, muss die Antibiotikatherapie über einen langen Zeitraum fortgesetzt werden. Abhängig von der Schwere der Infektion dauert sie 6 bis 12 Monate, mitunter aber auch bis zu 2 Jahre.

Die Wahl der Medikamente hängt von der Form der Lepra ab. Alle Medikamente sind zum Einnehmen (oral):

  • Multibazilliär: Die Standardkombination von Arzneimitteln ist Dapson, Rifampin und Clofazimin. In den USA erhalten Erwachsene 24 Monate lang einmal täglich Rifampin, Dapson und Clofazimin. In anderen Teilen der Welt nehmen Erwachsene einmal monatlich Rifampin plus Clofazimin unter der Aufsicht einer medizinischen Fachkraft und Dapson plus Clofazimin einmal täglich in Eigenverantwortung ein. Diese Behandlung wird 12 Monate lang fortgeführt.

  • Paucibazilliär: In den USA erhalten Erwachsene 12 Monate lang einmal täglich Rifampin und Dapson. In anderen Teilen der Welt nehmen Erwachsene 6 Monate lang Rifampin einmal monatlich unter Aufsicht und Dapson einmal täglich in Eigenverantwortung ein.

Dapson ist relativ billig und generell gefahrlos. Manchmal verursacht es allergische Ausschläge und Anämie.

Rifampin ist teurer, aber auch wirksamer als Dapson. Die schwersten Nebenwirkungen sind Leberschäden, grippeähnliche Symptome und selten Niereninsuffizienz.

Clofazimin ist extrem sicher. Die Hauptnebenwirkung ist eine temporäre Hautpigmentierung, die nach einigen Monaten wieder verschwindet.

Leprareaktionen werden mit Kortikosteroiden behandelt. Leichte Hautentzündungen erfordern keine Behandlung.