Verlust des Geruchssinns

(Anosmie)

VonMarvin P. Fried, MD, Montefiore Medical Center, The University Hospital of Albert Einstein College of Medicine
Überprüft/überarbeitet Mai 2023
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Anosmie bezeichnet den vollständigen Verlust des Geruchssinns. Hyposmie ist der teilweise Verlust des Geruchssinns. Die meisten Patienten mit Anosmie können salzige, süße, saure und bittere Substanzen am Geschmack erkennen, jedoch keine bestimmten Aromen unterscheiden. Zur Unterscheidung von Aromen werden die Geruchsrezeptoren auf der Zunge benötigt, nicht die Geschmacksrezeptoren. Patienten mit Anosmie klagen daher oft über den Verlust des Geschmackssinns und die verlorene Freude am Essen und Trinken.

Ein Verlust der Geruchsrezeptoren aufgrund des Älterwerdens führt bei älteren Menschen zu einem verminderten Riechvermögen. Normalerweise stellen Menschen ab einem Alter von 60 Jahren solche Veränderungen bei sich fest. Ab 70 Jahren werden die Veränderungen erheblich.

Ursachen für eine Anosmie

Anosmie, die nicht auf das Älterwerden zurückzuführen ist, tritt auf, wenn eine Schwellung oder eine andere Blockade der Nasengänge verhindert, dass Gerüche in die olfaktorische Region gelangen, oder wenn die olfaktorische Region oder deren Verbindungen zum Gehirn zerstört sind (siehe Tabelle mit Ursachen und Merkmalen von Anosmie). Die olfaktorische Region zur Erkennung von Gerüchen befindet sich oben in der Nase (siehe Wie man Aromen wahrnimmt).

Häufige Ursachen

Die häufigsten Ursachen umfassen:

Die häufigste Ursache für einen bleibenden Verlust des Geruchssinns sind jedoch Kopfverletzungen, oft durch Verkehrsunfälle. Kopfverletzungen können Fasern der Geruchsnerven dort beschädigen oder zerstören, wo sie das Dach der Nasenhöhle passieren. Dabei handelt es sich um das Paar der Hirnnerven, die Geruchsrezeptoren mit dem Gehirn verbinden. Manchmal umfasst die Verletzung eine Fraktur des Knochens (Siebbeinplatte), die das Gehirn von der Nasenhöhle trennt. Schäden an den Geruchsnerven können auch auf Infektionen (z. B. Abszessen) oder Tumoren in der Nähe der Siebbeinplatte beruhen.

Eine weitere häufige Ursache ist eine Infektion der oberen Atemwege, insbesondere Influenza (Grippe). Grippe kann die Ursache bei bis zu einem Viertel der Patienten mit Hyposmie oder Anosmie sein. Die Alzheimer-Krankheit und einige andere degenerative Gehirnerkrankungen (z. B. multiple Sklerose) können die Geruchsnerven schädigen, wobei häufig der Geruchssinn verloren geht.

Seltenere Ursachen

Bei anfälligen Patienten können Medikamente zu Anosmie beitragen. Polypen, Tumoren, andere Infektionen in der Nase und saisonale Allergien (allergischer Schnupfen) können das Geruchsempfinden beeinträchtigen. Gelegentlich verursachen schwere Infektionen der Nasennebenhöhlen oder eine Strahlentherapie bei Krebs den Verlust von Geruch oder Geschmack, der über Monate andauern oder bleibend sein kann. Diese Erkrankungen können Geruchsrezeptoren beschädigen oder zerstören. Die Rolle von Tabak ist ungewiss.

Nur sehr selten kommen Patienten ohne Geruchssinn zur Welt.

Anosmie oder Hyposmie kann ein frühes Symptom von COVID-19 sein, einer akuten Atemwegserkrankung, die schwerwiegend sein kann. COVID-19 wird durch Coronavirus, dem SARS-CoV-2, verursacht.

Beurteilung der Anosmie

Die folgenden Informationen können helfen zu klären, wann man zum Arzt gehen sollte und was im Rahmen dieser Untersuchung zu erwarten ist.

Warnsignale

Die folgenden Befunde sind von besonderer Bedeutung:

  • Kürzlich erlittene Kopfverletzung

  • Symptome einer Funktionsstörung des Nervensystems, wie etwa Schwäche, Probleme mit dem Gleichgewicht oder Schwierigkeiten beim Sehen, Sprechen oder Schlucken

  • Plötzliches Einsetzen von Symptomen

  • Lokaler oder globaler Ausbruch von COVID-19

Wann ein Arzt zu konsultieren ist:

Personen mit Warnzeichen sollten unverzüglich einen Arzt aufsuchen. Andere Personen sollten einen Arzt aufsuchen, sobald es ihnen möglich ist.

Was der Arzt unternimmt:

Ärzte stellen zunächst immer Fragen zu den Symptomen und zur Krankengeschichte des Patienten, bevor sie eine körperliche Untersuchung vornehmen. Die Befunde in der Krankengeschichte und bei der körperlichen Untersuchung deuten häufig auf eine Ursache und die eventuell erforderlichen Untersuchungen hin (siehe Tabelle mit Ursachen und Merkmalen von Anosmie).

Der Arzt fragt, wann und wie die Anosmie begonnen hat und wie lange sie bereits andauert. Er fragt auch, ob die Anosmie vor oder kurz nach einer Erkältung, einer Grippe oder einer Kopfverletzung begonnen hat. Er achtet auf sonstige Symptome, wie eine laufende oder verstopfte Nase, und ob das austretende Nasensekret wässrig, blutig, dickflüssig oder übel riechend ist. Er kontrolliert auf neurologische Symptome, vor allem diejenigen, die eine Veränderung des mentalen Status (zum Beispiel Schwierigkeiten mit dem Kurzzeitgedächtnis) oder der Hirnnerven (z. B. Doppelbilder oder Schwierigkeiten beim Sprechen oder Schlucken) umfassen.

Fragen zur Krankengeschichte betreffen Nebenhöhlenerkrankungen, Kopfverletzungen oder Operationen, Allergien, die Einnahme von Medikamenten und Freizeitdrogen und die Belastung durch Chemikalien oder Dämpfe.

Während der körperlichen Untersuchung achtet der Arzt auf Schwellungen, Entzündungen, Sekret und Polypen in den Nasengängen. Der Arzt führt außerdem eine vollständige neurologische Untersuchung durch, die sich insbesondere auf den psychischen Status und die Hirnnerven konzentriert.

Tabelle

Tests

Der Arzt kann den Geruchssinn mithilfe von bekannten Duftstoffen testen (z. B. mit Seife, einer Vanilleschote, Kaffee und Gewürznelken). Dabei wird jedes Nasenloch einzeln getestet. Die Person wird dann aufgefordert, den Geruch zu benennen. Der Geruch kann formeller mithilfe von standardisierten Sets getestet werden. Bei einem Set beispielsweise muss der Betroffene verschiedene Felder mit Geruchsproben aufkratzen und zu identifizieren versuchen. Ein anderes Set enthält verdünnte Proben einer stark riechenden Chemikalie. Der Arzt beobachtet dann, ab welcher Verdünnung die Chemikalie nicht mehr gerochen werden kann.

Besteht der Verdacht auf COVID-19, wird auf das Virus getestet, und das Management des Patienten erfolgt im Einklang mit den lokalen Protokollen, einschließlich der Quarantäne-Richtlinien.

Wenn sich keine klare Ursache für die Anosmie finden lässt, wird eine Computertomographie (CT) oder Magnetresonanztomographie (MRT) des Kopfes (einschließlich der Nebenhöhlen) durchgeführt, um nach strukturellen Anomalien zu suchen (wie z. B. Tumor, Abszess oder Bruch).

Behandlung der Anosmie

Der Arzt behandelt die Ursache der Anosmie. So werden Nebenhöhlenentzündungen und -reizungen mit Dampfinhalationen, Nasensprays und Antibiotika behandelt. Manchmal ist auch eine Operation nötig. Allerdings kehrt der Geruchssinn auch nach einer erfolgreichen Behandlung der Nebenhöhlenentzündung nicht immer zurück. Tumoren werden operativ entfernt oder bestrahlt. Allerdings stellt diese Behandlung den Geruchssinn gewöhnlich nicht wieder her. Polypen in der Nase werden entfernt, manchmal kehrt dann der Geruchssinn zurück. Raucher sollten das Rauchen aufgeben.

Für die Anosmie selbst gibt es keine speziellen Behandlungsmethoden. Patienten, denen ein Rest des Geruchssinns geblieben ist, können die Freude am Essen mithilfe von konzentrierten Aromastoffen teilweise zurückgewinnen. Rauchwarnmelder, die grundsätzlich in keinem Haus fehlen sollten, sind für Patienten mit Anosmie extrem wichtig, weil sie den Brandrauch nicht riechen können. Ärzte raten zur besonderen Vorsicht, wenn Patienten mit Anosmie länger aufbewahrtes Essen verzehren oder mit Gas kochen. Möglicherweise werden verdorbene Nahrungsmittel oder Gaslecks nicht erkannt.

Wichtigste Punkte

  • Ein Verlust des Geruchssinns kann Teil des normalen Alterungsprozesses sein.

  • Häufige Ursachen sind Infektionen der oberen Atemwege, Nebenhöhlenentzündungen und Kopfverletzungen.

  • Sofern die Ursache für den Arzt nicht eindeutig ist, sind bildgebende Untersuchungen wie CT oder MRT erforderlich.