Vergiftungen mit Acetylsalicylsäure und anderen Salicylaten

(Salicylismus)

VonGerald F. O’Malley, DO, Grand Strand Regional Medical Center;
Rika O’Malley, MD, Grand Strand Medical Center
Reviewed ByDiane M. Birnbaumer, MD, David Geffen School of Medicine at UCLA
Überprüft/überarbeitet Geändert Apr. 2025
v1118726_de
Aussicht hier klicken.

Eine akute Salicylat-Toxizität resultiert typischerweise aus der Einnahme einer Gesamtdosis von 150 mg/kg (etwa 7,5 bis 10 g bei Erwachsenen). Vergiftungen mit Salicylaten können Erbrechen, Tinnitus, Verwirrtheit, Hyperthermie, respiratorische Alkalose, metabolische Azidose und Multiorganversagen auslösen. Die Diagnose wird klinisch gestellt, die Beurteilung umfasst die Messung der Anionenlücke, der arteriellen Blutgase und der Serum-Salicylat-Spiegel. Die Behandlung erfolgt durch die Gabe von Aktivkohle, alkalischer Diurese oder Hämodialyse.

(Siehe auch Allgemeine Grundlagen zu Vergiftungen.)

Die akute Einnahme von > 150 mg/kg Salicylat kann zu schwerer Toxizität führen. Salicylattabletten können zu Verklumpungenund damit zur verzögerten Resorption und Toxizität führen. Chronische Toxizität kann nach mehreren Tagen oder länger mit hohen therapeutischen Dosen auftreten; sie ist häufig, wird oft nicht erkannt oder fehldiagnostiziert und ist häufig schwerwiegender als eine akute Toxizität. Chronische Vergiftungen scheinen eher bei älteren Erwachsenen vorzukommen.

Die konzentrierteste und giftigste Form von Salicylat ist Wintergrünöl (Methylsalicylat, ein Bestandteil einiger Einreibemittel und Lösungen, die in Heißverdampfern verwendet werden); die Einnahme von < 5 ml entspricht etwa 7000 Milligramm (zweiundzwanzig 325-mg-Tabletten) Aspirin, das ein kleines Kind töten kann. Jede Exposition muss ernst genommen werden. Basisches Bismutsubsalicylat (8,7 mg Salicylat/ml) ist eine weitere potenziell unerwartete Quelle von großen Mengen an Salicylsäure.

Tipps und Risiken

  • Ein Verschlucken von weniger als 5 ml Wintergrünöl (Methylsalicylat, ein Bestandteil einiger Einreibemittel und Lösungen, die in Heißverdampfern verwendet werden) kann bei kleinen Kindern zum Tod führen.

Pathophysiologie der Salicylatvergiftung

Salicylate hemmen über die Entkoppelung der oxidativen Phosphorylierung die Atmungskette. Sie stimulieren die Atmungszentren im Hirnstamm, was zunächst zur respiratorischen Alkalose führt, die insb. bei kleinen Kindern häufig unerkannt bleibt. Salicylate bewirken gleichzeitig, aber unabhängig davon eine metabolische Azidose. Letztendlich verschwinden die Salicylate aus den Blut und führen intratellulär zu einer Störung der Mitochondrien. Säure-Base Störungen sind dann die einzigen Anzeichen.

Ferner bewirken Salicylatvergiftungen eine Ketonämie, Fieber und auch bei fehlender Hypoglykämie niedrige Gukosespiegel im ZNS. Der Natrium-, Kalium- und Wasserverlust der Nieren und der erhöhte, aber nicht wahrnehmbare Wasserverlust der Atemwege aufgrund von Hyperventilation führen zur Dehydratation.

Salicylate sind schwache Säuren, die die Zellmembranen relativ leicht überwinden; somit sind sie toxischer, wenn der pH-Wert des Blutes erniedrigt ist. Dehydratation, Hyperthermie und chronische Einnahmen erhöhen die Salicylattoxizität, da sie zu einer größere Verteilung der Salicylate im Gewebe führen. Die Ausscheidung von Salicylaten wird durch die Anhebung des Urin-pHs verstärkt.

Symptome und Beschwerden einer Salicylatvergiftung

Bei akuter Überdosierung bestehen frühe Vergiftungszeichen wie Übelkeit, Erbrechen, Tinnitus und Hyperventilation. Spätere Vergiftungszeichen sind Hyperaktivität, Fieber, Verwirrtheit und Krampfanfälle. Schließlich können auch Rhabdomyolyse, akutes Nierenversagen und respiratorisches Versagen auftreten. Eine Hyperaktivität kann schnell in eine Lethargie umschlagen; Hyperventilation (mit respiratorischer Alkalose) geht in Hypoventilation (mit gemischter respiratorischer und metabolischer Azidose) über und führt zur respiratorscher Insuffizienz.

Bei chronischer Überdosierung sind die Symptome und Anzeichen unspezifisch, variieren stark und können auf eine Sepsis oder Pneumonie hindeuten. Sie können Orientierungslosigkeit, Bewusstseinsstörungen, Fieber, Hypoxie und nichtkardiales Lungenödem, Dehydratation, Laktatazidose und Hypotonie umfassen.

Tipps und Risiken

  • Eine Salicylatvergiftung sollte bei älteren Erwachsenen mit unspezifischen Befunden und/oder Symptomen, die mit einer Sepsis vereinbar sind, in Betracht gezogen werden (z. B. leichte Verwirrtheit, Bewusstseinsstörungen, Fieber, Hypoxie, nicht-kardiogenes Lungenödem, Dehydratation, Laktatazidose, Hypotonie).

Diagnose der Salicylatvergiftung

  • Serumsalicylatkonzentratione

  • Arterielle Blutgase (ABG) oder venöse Blutgase (VBG)

Eine Salicylatvergiftung wird bei Patienten vermutet, wenn eine der folgenden Bedingungen gegeben ist:

  • Anamnese einer früheren akuten Überdosierung

  • Wiederholte Einnahme von therapeutischen Dosen

  • Ungeklärte metabolische Azidose

  • Ungeklärte Verwirrtheit und Fieber (bei älteren Erwachsenen)

  • Andere Befunde, die auf eine Sepsis hinweisen (z. B. Fieber, Hypoxie, kardiogenes Lungenödem, Dehydratation, Hypotonie)

Bei Verdacht auf eine Vergiftung werden der Serum-Salicylatspiegel (mindestens einige Stunden nach der Einnahme entnommen), der Urin-pH-Wert, arterielle oder venöse Blutgase (ABG/VBG), Serumelektrolyte, Serum-Kreatinin, Plasmaglukose und Blut-Harnstoff-Stickstoff (BUN) gemessen. Sofern der Verdacht auf eine Rhabdomyolyse besteht, sollten die Serum-Creatinkinase und das Myoglobin im Urin bestimmt werden.

Eine signifikante Salicylat-Toxizität wird durch Serumspiegel angezeigt, die deutlich über dem therapeutischen Bereich liegen (therapeutischer Bereich: 10 bis 20 mg/dL [0,725 bis 1,45 mmol/L]), insbesondere 6 Stunden nach der Einnahme (wenn die Resorption normalerweise nahezu abgeschlossen ist), sowie durch eine Azidämie und ABG- oder VBG-Befunde, die mit einer Salicylatvergiftung vereinbar sind. Serumkonzentrationen sind hilfreich bei der Bestätigung der Diagnose und können bei der Wahl der Therapie helfen, jedoch können die Werte irreführend sein und müssen zur klinischen Situation passen.

In den ersten Stunden nach der Ingestion zeigen arterielle oder venöse Blutgase (ABG/VBG) in der Regel eine primäre respiratorische Alkalose; später zeigen sie eine kompensierte metabolische Azidose oder eine gemischte metabolische Azidose/respiratorische Alkalose. Schließlich, sobald die Salicylatkonzentrationen sinken, ist eine nicht ausreichend kompensierte oder gar dekompensierte metabolische Azidose der Hauptbefund. Bei Auftreten einer respiratorischen Insuffizienz weisen arterielle oder venöse Blutgase (ABG/VBG) auf eine kombinierte metabolische und respiratorische Azidose hin, und das Thoraxröntgen zeigt diffuse pulmonale Infiltrate. Die Plasma-Glukosekonzentratione können normal, niedrig oder hoch sein. Serielle Salicylatspiegel helfen zu bestimmen, ob die Resorption noch andauert; arterielle oder venöse Blutgase (ABG/VBG) sowie Serumelektrolyte sollten stets gleichzeitig bestimmt werden. Ein Anstieg der Serum-Creatinkinase und Myoglobinspiegel im Urin deuten auf eine Rhabdomyolyse hin.

Behandlung der Salicylatvergiftung

  • Aktivkohle

  • Alkalisierung des Urins mit zusätzlichem Kaliumchlorid

Die Verabreichung von Aktivkohle sollte, wenn nicht kontraindiziert (z. B. bei verändertem mentalem Status), so bald wie möglich erfolgen. Sind Darmgeräusche vorhanden, kann die Kohle alle vier Stunden verabreicht werden, bis sie im Stuhl erscheint (1).

Nachdem Volumen- und Elektrolytstörungen korrigiert wurden, kann eine Alkalisierung des Urins eingesetzt werden, um den Urin-pH-Wert zwischen 7,5 und 8,5 zu erhöhen und aufrechtzuerhalten (2). Eine Alkalisierung des Urins ist bei Patienten mit jeglichen Symptomen einer Vergiftung indiziert und sollte nicht verzögert werden, bis die Salicylatspiegel bestimmt sind. Diese Maßnahme ist normalerweise sicher und führt zu einer nenneswerten Erhöhung der Salicylatausscheidung im Urin. Da eine Hypokaliämie die Alkalisierung des Urins beeinträchtigen kann, erhalten Patienten eine Lösung, die aus 1 Liter 5%iger Glukoselösung (D/W), drei Ampullen Natriumhydrogencarbonat zu je 50 mEq (50 mmol) und 40 mEq (40 mmol) Kaliumchlorid besteht, verabreicht mit einer Infusionsrate von dem 1,5- bis 2-fachen des Erhaltungsbedarfs. Das Serumkalium wird überwacht. Da eine Flüssigkeitsüberladung zu einem Lungenödem führen kann, werden die Patienten auf entsprechende respiratorische Befunde überwacht.

Auf Medikamente, die die renale Bikarbonat-Sekretion erhöhen (z. B. Acetazolamid), sollte verzichtet werden, da sie die metabolische Azidose verschlechtern können und den pH-Wert im Blut reduzieren. Medikamente, die den Atemantrieb reduzieren, sollten möglichst vermieden werden, da sie die Hyperventilation und damit die respiratorische Alkalose einschränken und zu einem Abfall des Blut-pH-Wertes führen.

Fieber kann durch physikalische Maßnahmen wie externe Kühlung behandelt werden. Krampfanfälle werden mit Benzodiazepinen behandelt. Bei Patienten mit Rhabdomyolyse ist eine angemessene Hydratation und ausreichende Harnausscheidung entscheidend; eine Alkalisierung des Urins kann ebenfalls helfen, Nierenversagen zu verhindern.

Bei Patienten mit schwerwiegenden neurologischen Ausfällen, Nieren- oder respiratorischer Insuffizienz, trotz entsprechender Maßnahmen persistierender Azidose oder sehr hohen Serumsalicylatkonzentrationen (> 100 mg/dl [> 7,25 mmol/l] nach akuter Überdosierung bzw. > 60 mg/dl [> 4,35 mmol/l] bei chronischen Überdosen) kann eine Hämodialyse erforderlich werden.

Die Behandlung von Säure-Basen-Veränderungen bei Patienten mit einer Salicylatvergiftung, die zum Schutz der Atemwege oder um eine ausreichende Sauerstoffversorgung zu gewährleisten, intubiert und beatmet werden, kann extrem schwierig sein. Im Allgemeinen sollten intubierte Patienten in der Intensivstation dialysiert und streng überwacht werden.

Literatur zur Behandlung

  1. 1. Levy G, Tsuchiya T. Effect of activated charcoal on aspirin absorption in man. Part I. Clin Pharmacol Ther. 1972;13(3):317-322. doi:10.1002/cpt1972133317

  2. 2. Proudfoot AT, Krenzelok EP, Vale JA. Position Paper on urine alkalinization. J Toxicol Clin Toxicol. 2004;42(1):1-26. doi:10.1081/clt-120028740

Wichtige Punkte

  • Eine Salicylatvergiftung verursacht respiratorische Alkalose und, durch einen unabhängigen Mechanismus, eine metabolische Azidose.

  • An eine Salicylatvergiftung sollte bei Patienten mit unspezifischen Befunden (z. B. Veränderung des mentalen Status, metabolische Azidose, kardiogenes Lungenödem, Fieber) gedacht werden, auch wenn nichts über eine entsprechende Einnahme bekannt ist.

  • Schätzen Sie die Schwere der Toxizität anhand des Salicylatspiegels und der arteriellen oder venösen Blutgase ab.

  • Die Behandlung erfolgt durch die Gabe von Aktivkohle, Alkalisierung des Urins und zusätzlichem Kaliumchlorid.

  • Bei einer schweren Vergiftung sollte eine Hämodialyse in Betracht gezogen werden.

quizzes_lightbulb_red
Test your KnowledgeTake a Quiz!
DE_MSD_Mobile_Pro_326iOS ANDROID
DE_MSD_Mobile_Pro_326iOS ANDROID
DE_MSD_Mobile_QR_Pro_326iOS ANDROID