Arzneimittelinduzierte Ototoxizität

VonMickie Hamiter, MD, New York Presbyterian Columbia
Überprüft/überarbeitet Mai 2023
Aussicht hier klicken.

Eine Vielzahl von Medikamenten kann ototoxisch sein. Zu den medikamentösen Faktoren, die die Ototoxizität beeinflussen, gehören

  • Dosis

  • Der Therapiedauer

  • gleichzeitiges Nierenversagen

  • Infusionsrate

  • Lebenslange Dosis

  • Gleichzeitige Verabreichung mit anderen Arzneimitteln, die ein ototoxisches Potenzial haben

  • Genetische Empfänglichkeit

Bei einer Trommelfellperforation dürfen ototoxische Substanzen nicht lokal (als Ohrensalbe) appliziert werden, weil sie sonst ins Innenohr gelangen könnten.

Aminoglykoside, einschließlich der folgenden können das Gehör beeinflussen:

  • Durch Streptomycin wird eher das Gleichgewichts- als das Hörorgan im Innenohr geschädigt. Auch wenn Schwindel und Gleichgewichtsstörungen meist nur passager auftreten, kann eine starke Minderung des Gleichgewichtsempfindens persistieren – manchmal sogar für immer. Der Verlust der vestibulären Sensibilität führt zu Schwierigkeiten beim Gehen, insbesondere im Dunkeln, und zu Oszillopsie (dem Gefühl, dass die Umgebung bei jedem Schritt mitschwingt). Bei etwa 4–15% der Patienten entwickelt sich nach Tagesdosen von 1 g Streptomycin über > 1 Woche ein messbarer Hörverlust, der sich gewöhnlich mit kurzer Latenzzeit (7–10 Tage) bemerkbar macht und sich langsam verschlechtert, wenn die Behandlung fortgesetzt wird. Am Ende kann eine völlige, dauerhafte Ertaubung stehen.

  • Neomycin wirkt von allen Antibiotika am stärksten toxisch auf die Cochlea. Nach hochdosierter oraler Gabe oder Spülungen (Darmsterilisation) können die resorbierten Mengen – besonders bei diffusen Schleimhautläsionen des Colon– ausreichend hoch sein, um das Hörvermögen zu beeinträchtigen. Neomycin sollte weder zur Wundreinigung noch für intrapleurale bzw. intraperitoneale Spülungen verwendet werden, weil sonst größere Wirkstoffmengen zurückgehalten und resorbiert werden und es zu Schwerhörigkeit kommen könnte.

  • Kanamycin und Amikacin haben ein ähnlich hohes cochleotoxisches Potenzial wie Neomycin; sie können beide einen hochgradigen, bleibenden Hörverlust verursachen, doch der Gleichgewichtssinn bleibt ausgespart.

  • Durch die Toxizität von Gentamicin und Tobramycin werden sowohl das Gleichgewicht wie das Hörvermögen beeinträchtigt.

  • Vancomycin kann zu Hörverlust führen, insbesondere bei Patienten mit Niereninsuffizienz.

Einige mitochondriale DNA-Mutationen prädisponieren für Aminoglykosid-Ototoxizität.

Azithromycin, ein Makrolid, verursacht in seltenen Fällen reversiblen oder irreversiblen Hörverlust.

Viomycin, ein basisches Peptid mit antituberkulösen Eigenschaften, wirkt auf Gehör und Gleichgewichtsorgan toxisch.

Zytostatische(antineoplastische) Medikamente (v. a. platinhaltige wie Cisplatin und Carboplatin) können Tinnitus und Hörschwäche verursachen. Bei dem hochgradigen, bleibenden Hörverlust, der sich gleich nach der ersten Dosis oder später (noch Monate nach Beendigung der Therapie) einstellen kann, tritt eine beidseitige Schallempfindungsschwerhörigkeit auf, die sich allmählich verschlechtert und irreversibel ist.

Wenn niereninsuffiziente Patienten gleichzeitig mit Aminoglykosidantibiotika behandelt wurden, trat nach IV Gabe von Etacrynsäure und Furosemid ein schwerer, dauerhafter Hörverlust auf.

Salicylate in hohen Dosen (> 12 Tabletten Aspirin à 325 mg täglich) verursachen vorübergehenden Hörverlust und Tinnitus.

Einen vorübergehenden Hörverlust können Chinin und synthetische Chininanaloga verursachen.

(Siehe auch Hörverlust.)

Prävention von Arzneimittel-induzierter Ototoxizität

Ototoxische Antibiotika sollten während der Schwangerschaft vermieden werden, da sie das fetale Labyrinth schädigen können. Falls wirksame Alternativen verfügbar sind, sollten auch ältere und schwerhörige Patienten nicht mit ototoxischen Medikamenten behandelt werden. Ototoxische Mittel sollten in der niedrigsten Wirk- bzw. Effektivdosis verabreicht und der Wirkspiegel engmaschig kontrolliert werden, besonders bei Aminoglykosiden (beides, Höchststand und Talspiegel)

Vor einer Behandlung mit ototoxischen Mitteln sollte man nach Möglichkeit das Hörvermögen messen und es auch unter der Therapie weiterhin regelmäßig überwachen, denn Symptome sind kein verlässliches Warnzeichen.

Das Risiko einer Ototoxizität erhöht sich bei der Einnahme mehrerer Arzneimittel, die ein ototoxisches Potenzial haben, und bei der Einnahme von ototoxischen Arzneimitteln, die bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion über die Nieren ausgeschieden werden; in diesen Fällen wird eine engere Überwachung der Arzneimittelspiegel empfohlen. Bei Patienten, von denen bekannt ist, dass sie mitochondriale DNA-Mutationen haben, die für die Toxizität von Aminoglykosiden prädisponieren, sollten Aminoglykoside vermieden werden.

Wichtige Punkte

  • Medikamente können zu Hörverlust, Gleichgewichtsstörungen und/oder Tinnitus führen.

  • Zu den gängigen ototoxischen Arzneimitteln gehören Aminoglykoside, platinhaltige Chemotherapeutika und hochdosierte Salicylate.

  • Die Symptome können vorübergehend oder permanent sein.

  • Verwenden Sie die niedrigstmögliche Dosis von ototoxischen Arzneimitteln und überwachen Sie die Arzneimittelwerte genau (insbesondere Aminoglykoside); messen Sie die Arzneimittelwerte während der Behandlung, um einen durch ototoxische Arzneimittel verursachten Hörverlust zu verhindern.

  • Arzneimittel, die Ototoxizität verursachen oder riskieren, werden nach Möglichkeit abgesetzt, aber es gibt keine spezifische Behandlung.