Nierenfehlbildungen

VonRonald Rabinowitz, MD, University of Rochester Medical Center;
Jimena Cubillos, MD, University of Rochester School of Medicine and Dentistry
Überprüft/überarbeitet Aug. 2022
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    Die Harnwege sind eine häufige Stelle für angeborene Fehlbildungen unterschiedlicher Bedeutung. Viele Anomalien sind asymptomatisch und werden durch pränatale Sonographie oder während einer Routineuntersuchung auf andere angeborene Anomalien diagnostiziert. Andere Anomalien werden bei der Untersuchung von Harnwegsobstruktionen, Harnwegsinfektionen oder einem Trauma diganostiziert.

    (Siehe auch Angeborene Zystische Nierendysplasie.)

    Autosomal-rezessive polyzystische Nierenkrankheit

    Die Inzidenz der autosomal rezessiven polyzystischen Nierenerkrankung liegt bei etwa 1/10.000 bis 1/20.000 Geburten; sie wird durch eine Mutation im PKHD1-Gen im Chromosom 6p21 verursacht. Im Gegensatz dazu ist autosomal dominante polyzystische Nierenerkrankung viel häufiger und tritt bei etwa 1/500 bis 1/1000 Lebendgeburten auf. Symptome der autosomal dominanten polyzystischen Nierenerkrankung sind in der Regel nicht bis zum Erwachsenenalter vorhanden. Selten treten Symptome in der Kindheit in der aggressiveren Form auf. Kinder können früher diagnostiziert werden, wenn eine Zyste zufällig oder durch Familiengeschichte gefunden wird.

    Die autosomal-rezessive polyzystische Nierenerkrankung betrifft die

    • die Nieren

    • die Leber

    Die Nieren sind normalerweise stark vergrößert und enthalten schmale Zysten; Nierenversagen in der Kindheit kommt häufig vor.

    Die Leber ist vergrößert; es zeigen sich eine periportale Fibrose, eine Proliferation der Gallengänge und vereinzelte Zysten. Das übrige Lebergewebe ist normal. Die Fibrose verursacht eine portale Hypertonie im Alter von 5–10 Jahren, aber die Leberfunktion ist normal oder nur wenig beeinträchtigt.

    Der Schweregrad der Erkrankung und die Progression variieren. Der Schweregrad der Erkrankung manifestiert sich pränatal oder schon kurz nach der Geburt oder in der frühen Kindheit mit renalen Symptomen; weniger schwer betroffene Patienten stellen sich in der späten Kindheit oder in der Adoleszenz mit Lebersymptomen vor.

    Die betroffenen Neugeborenen haben ein hervorstehendes Abdomen mit riesengroßen, festen, glatten, symmetrischen Nieren. Schwer betroffene Neugeborene weisen infolge der renalen Dysfunktion und des Oligohydramnions im Uterus häufig eine Lungenhypoplasie auf.

    Bei Patienten zwischen 5 und 10 Jahren können Zeichen einer portalen Hypertonie, wie z. B. ösophageale und gastrale Varizen und Hypersplenismus vorkommen. Wenn der Patient sich in der Adoleszenz vorstellt, ist die Nephromegalie weniger ausgeprägt, die Niereninsuffizienz kann gering oder moderat sein und die Hauptsymptome können eher mit der portalen Hypertonie in Verbindung gebracht werden.

    Die Diagnose einer autosomal rezessiven polyzystischen Nierenerkrankung kann schwierig sein, insbesondere ohne Familiengeschichte. Sonographisch lassen sich renale oder hepatische Zysten nachweisen, zur endgültigen Diagnose ist eine Biopsie notwendig. Eine Ultraschalluntersuchung in der Spätschwangerschaft ermöglicht eine voraussichtliche Diagnose in utero. Wenn die postnatale Sonographie nicht definitiv ist, können MRT oder CT diagnostisch sein. Falls erforderlich, können molekulare Tests auf PKHD1 durchgeführt werden, wenn die klinischen Kriterien nicht erfüllt werden.

    Viele Neugeborene versterben in den ersten Tagen oder Wochen aufgrund der Lungeninsuffizienz. Die meisten, die überleben, entwickeln ein progressives Nierenversagen mit anschließender Dialyse oder Nierentransplantation. Die Erfahrungen mit Nierentransplantationen mit oder ohne Lebertransplantation sind begrenzt. Wenn eine Transplantation durchgeführt worden ist, muss der Hypersplenismus kontrolliert werden, um den durch einen Hypersplenismus induzierten Problemen einer Leukopenie vorzubeugen, die das Risiko einer systemischen Infektion erhöhen. Die portale Hypertonie muss mit einem portokavalen oder splenorenalen Shunt behandelt werden, der die Morbidität, nicht aber die Mortalität verringert.

    Duplikationsanomalien

    Überzählige Sammelsysteme können einseitig oder bilateral auftreten und das Nierenbecken oder die Ureteren (zusätzliches Nierenbecken, doppeltes oder dreifaches Becken oder Ureteren), die Kelche oder die Uretermündung einschließen. Duplizierte Nieren haben eine einzige renale Einheit mit mehr als einem Urinsammelsystem. Diese Anomalie unterscheidet sich von den verbundenen Nieren, zu denen die Verbindung von zwei Nieren-Parenchym-Einheiten unter Beibehaltung ihrer jeweiligen individuellen Urinsammelsystem gehört. Einige Duplikationsanomalien haben eine Ureterektopie mit oder ohne Ureterozele und/oder einen vesikoureteralen Reflux.

    Die Behandlung hängt von der Anatomie und der Funktion jedes einzelnen Abschnitts ab. Ein chirurgischer Eingriff kann notwendig sein, um eine Obstruktion oder einen vesikoureteralen Reflux zu korrigieren.

    Fusionsanomalien

    Bei den Fusionsanomalien sind die Nieren vereinigt, aber die Ureteren münden auf jeder Seite der Blase ein. Diese Anomalien erhöhen das Risiko einer Obstruktion in Höhe des ureteropelvinen Übergangs, eines vesikoureteralen Refluxes, einer angeborenen renalen zystischen Dysplasie und einer Verletzung bei einem anterioren Bauchtrauma.

    Eine Hufeisenniere, die häufigste Fusionsanomalie, kommt vor, wenn das Nierenparenchym auf jeder Seite der Wirbelsäule am korrespondierenden (normalerweise unteren) Pol verschmilzt; dabei vereinigen sich der parenchymale Isthmus oder fibröses Gewebes in der Mittellinie. Die Ureteren kreuzen medial und anterior über den Isthmus. Es kommt zu keiner Behinderung des Abflusses. Falls es jedoch zu einer Obstruktion kommt, ist diese meist die Folge ein und derselben Einmündung der Ureteren in das Becken. Eine Pyeloplastik kann dann ohne Resektion des Isthmus durchgeführt werden.

    Die gekreuzte renale Ektopie ist die zweithäufigste Fusionsanomalie. Das Nierenparenchym (beide Nieren darstellend) liegt auf einer Seite des Abdomens. Einer der Ureteren kreuzt die Mittellinie und mündet auf der gegenüberliegenden Seite in die Blase. Falls eine Obstruktion auf Höhe des ureteropelvinen Übergangs vorhanden ist, muss eine Pyeloplastik durchgeführt werden.

    Eine fusionierte Beckenniere (Kuchenniere) ist selten. Eine einzige Beckenniere wird von 2 Sammelsystemen und Ureteren versorgt. Bei Obstruktion ist eine operative Korrektur und Rekonstruktion angezeigt.

    Malrotation

    Eine Malrotation hat nur eine geringe klinische Bedeutung. Die Sonographie zeigt oft eine Hydronephrose. Die weitere Abklärung erfolgt mit einem Magnetresonanz-Urogramm oder einem Nierenscan, vor allem wenn die Ärzte eine mögliche Obstruktion vermuten.

    Multizystische dysplastische Nieren (MCDK)

    Bei dieser Krankheit besteht eine nicht funktionierende Niereneinheit aus nicht kommunizierenden Zysten mit dazwischenliegendem festem Gewebe aus fibrösen, primitiven Tubuli und knorpeligen Herden. Normalerweise liegt eine Ureterenatresie vor. Die kontralaterale Niere ist in der Regel normal, aber bis zu 10% der Patienten können einen vesikoureteralen Reflux oder eine Ureterabgangsstenose haben. Häufig bildet sich die Niere schrittweise zurück und ist schließlich in der Sonographie nicht mehr sichtbar. Eine Entwicklung von Tumoren, eine Infektion und/oder Bluthochdruck treten selten auf.

    Die meisten Experten empfehlen Beobachtung zur Überwachung der Involution. Eine Nephrektomie kann bei festem Gewebe, progressiver Vergrößerung oder selten Hypertonie oder einer rupturierten Zyste, die Schmerzen verursacht, in Betracht gezogen werden.

    Nierenagenesie

    Eine bilaterale Nierenagenesie als Teil eines Syndroms mit Oligohydramnion, pulmonaler Hypoplasie und Anomalien der Extremitäten und des Gesichts (klassisches Potter-Syndrom) ist aufgrund der pulmonalen Hypoplasie und der daraus resultierenden Atemnot innerhalb von Minuten bis Stunden tödlich. Fetaler Tod ist häufig.

    Die unilateralie Nierenagenesie macht etwa 5% der renalen Anomalien aus. In vielen Fällen ist eine pränatale komplette Rückbildung einer multizystischen dysplastischen Niere dafür verantwortlich. Sie kann gemeinsam mit einer Ureteragenesie auftreten, bei der auch das ipsilaterale Trigonum und der Ureterabgang nicht angelegt sind. Allerdings ist die ipsilaterale Nebenniere nicht betroffen. Die übrige Niere kompensiert hypertroph und hält eine normale Nierenfunktion aufrecht, eine Behandlung ist nicht notwendig. Da die Nieren einen gemeinsamen embrionalen Ursprung mit dem Samenleiter und der Gebärmutter haben, können Jungen eine Agenesie des Samenleiters und Mädchen uterine Anomalien haben.

    Nierendysplasie

    Bei der Nierendysplasie, einer histologischen Diagnose, entwickeln sich die Nierengefäße, Tubuli, Sammelsysteme oder Ableitungssysteme pathologisch. Die Diagnose der Nierendysplasie erfolgt durch Biopsie.

    Handelt es sich um eine segmentale Dysplasie, ist keine Behandlung der renalen Dysplasie notwendig. Bei ausgeprägter Dysplasie kann eine Nierendysfunktion die nephrologische Versorgung einschließlich einer Nierentransplantation erforderlich machen.

    Renale Ektopie

    Eine Nierenektopie (ungewöhnliche Lage der Niere) entsteht, wenn die Niere in der embryonalen Entwicklung nicht von ihrer ursprünglichen Lage im Becken oder gleich in den Thorax aufsteigt (thorakale Niere). Häufig liegt bei der Beckenniere im Gegensatz zu thorakalen Nieren eine Obstruktion in Höhe des ureteropelvinen Übergangs, ein vesikoureteraler Reflux oder eine multizystische Nierendysplasie vor.

    Eine Obstruktion und ein schwerer Reflux kann bei Indikation chirurgisch korrigiert werden (bei Hochdruck, wiederholten Infekten oder renaler Wachstumsverzögerung).

    Renale Hypoplasie

    Eine Hypoplasie ist meist die Folge einer fehlenden Teilung der Urniere. Die Niere ist klein, die Nephrone sind histologisch normal. Ein hypoplastisches Segment kann eine Hypertonie verursachen und muss dann chirurgisch entfernt werden. Außerdem sollte ein vesikoureteraler Reflux ausgeschlossen werden.