Giftstoffe als Waffen

VonJames M. Madsen, MD, MPH, University of Florida
Überprüft/überarbeitet Jan. 2023
DIE AUSGABE FÜR MEDIZINISCHE FACHKREISE ANSEHEN

Der Begriff „Giftstoffe” (Toxine) wird oft frei ausgelegt, um irgendein Gift zu bezeichnen, technisch bezieht er sich aber nur auf eine giftige Chemikalie, die von einem Organismus erzeugt wird (auch wenn manche Giftstoffe inzwischen auch synthetisch hergestellt werden können). Die Toxine, die als Massenvernichtungswaffen verwendet werden, umfassen nicht die infektiösen Stoffe, aus denen sie abgeleitet sind, weil diese nicht von einer Person auf die andere übertragen werden. Insofern sind Toxine eher chemische Waffen als biologische Waffen, weil sie eher eine Vergiftung als eine Infektion bewirken.

Es sind Hunderte von Toxinen bekannt. Es ist aber schwierig, von den meisten Toxinen große Mengen herzustellen und sie weit genug zu verbreiten, um viele Menschen zu erreichen. Deshalb sind die meisten Toxine eher für einen Mord als für Massenverletzungen geeignet. Nur vier Toxine werden von den US-amerikanischen Zentren für die Kontrolle und Prävention von Krankheiten (Centers for Disease Control and Prevention, CDC) als hoch bedrohlich eingestuft:

  • Botulinumtoxin

  • Epsilontoxin aus Clostridium perfringens

  • Rizin-Gift

  • Staphylokokken-Enterotoxin B

Von diesen ist nur Botulinumtoxin als Stoff mit höchster Priorität eingestuft. Das aus C. perfringens hergestellte Toxin Epsilon ist hauptsächlich von historischem Interesse als Wirkstoff, der Angaben zufolge in den 1980ern im Irak entwickelt wurde.

Botulinumtoxin

Botulinumtoxin oder Botulinumneurotoxin bezeichnet eine der acht bekannten Arten von Neurotoxinen, die von dem Bakterium Clostridium botulinum produziert werden. (Nur fünf dieser Arten wirken sich auf Menschen aus.) Lebensmittelbotulismus, Wundbotulismus und Botulismus bei Kindern sind an anderer Stelle beschrieben. Massenverletzungen durch Botulinumneurotoxin könnten durch eine flächendeckende Kontaminierung mit Lebensmitteln oder Wasser verursacht werden, das wahrscheinlichste Szenario ist aber das Einatmen von Sprühnebeln dieses Gifts.

Botulinumneurotoxin blockiert eine Art der chemischen Stoffe, die die Nervenzellen verwenden, um an andere Nervenzellen und an die Muskeln Signale zu versenden (Neurotransmitter). Da der konkrete signalgebende Stoff, Acetylcholin, nicht richtig funktioniert, werden die Menschen schwach und gelähmt. Typischerweise beginnt die Lähmung im oberen Teil des Körpers etwa 12 bis 36 Stunden (Zeitspanne zwei Stunden bis acht Tage) nach der Einwirkung von Botulinumneurotoxin und erweitert sich nach unten. Das Gift gelangt nicht ins Gehirn, deshalb wird das Denkvermögen nicht beeinträchtigt.

Die Diagnose wird anhand der Symptome des Betroffenen gestellt.

Ärzte verabreichen intravenös ein Gegengift. Das Gegengift wirkt nur gegen das im Blut zirkulierende Gift und nicht gegen das Gift, das bereits an Nervenzellen gebunden ist. Daher verhindert das Gegengift eine Verschlimmerung der Symptome und Anzeichen, nicht aber, sie ganz zu beseitigen, und wird mit zunehmend mehr Symptomen und Anzeichen zunehmend weniger wirksam.

Rizin und Abrin

Rizin wird aus den Bohnen der Rizinuspflanze gewonnen und Abrin von der Paternostererbse (Vergiftungen durch Pflanzen und Sträucher: Rizinussamen und Paternostererbsen). Auch wenn Rizin bei Mordversuchen injiziert wurde, gehen Massenverletzungen wahrscheinlich auf das Einatmen eines Toxins in Sprayform zurück.

Die Symptome für eine Ricin- und Abrinvergiftung sind je nach Einwirkungsweg verschieden. Innerhalb von 4 bis 8 Stunden nach der Einwirkung stellen sich bei den Betroffenen Husten, Atembeschwerden und Fieber ein. Viele Organe werden nach und nach in den kommenden 12 bis 24 Stunden betroffen, was bis zu Lungenversagen und oftmals zum Tod führen kann.

Die Diagnose wird anhand der Symptome des Betroffenen gestellt.

Es gibt kein spezifisches Gegengift oder Gegenmittel und die Behandlung konzentriert sich auf die Unterstützung der Atmung des Patienten.

Staphylokokken-Enterotoxin B

Das Staphylokokken-Enterotoxin B ist eines von sieben Enterotoxinen (Toxine, die im Darm wirksam sind), die von einem Bakterium namens Staphylococcus aureus produziert werden. Das Staphylokokken-Enterotoxin B verursacht eine Staphylokokken-Nahrungsmittelvergiftung, wenn es verschluckt wird. Viele Verletzungen können durch eine vorsätzliche Nahrungsmittelvergiftung, aber auch durch das Einatmen einer Sprayform des Gifts verursacht werden.

Typischerweise treten die Symptome 1 bis 12 Stunden nach dem Verschlucken und 2 bis 12 Stunden (mit einer Zeitspanne von 1,5 bis 24 Stunden) nach dem Einatmen auf. Nach den grippeähnlichen Anfangssymptomen wie Fieber, Frösteln, Kopfschmerzen und Muskelschmerzen hängen die weiteren Symptome vom Einwirkungsweg ab. Das Verschlucken verursacht Übelkeit, Erbrechen und Durchfall über 1 bis 2 Tage. Das Einatmen verursacht Husten, Brustschmerzen und oft eine Nasenreizung und Verstopfung. Eine Augenreizung (Konjunktivitis) kann durch Kontakt des Sprays mit den Augen verursacht werden. Das Einatmen führt selten zum Tod. Bei den Überlebenden kann das Fieber über 5 Tage und Husten über 4 Wochen fortdauern.

Besondere Laboruntersuchungen können bei der Diagnose helfen.

Die Ärzte richten ihre Behandlungsanstrengungen darauf, die Symptome des Betroffenen zu lindern. Es gibt kein spezifisches Gegenmittel oder Gegengift.

Die in diesem Artikel zum Ausdruck gebrachten Ansichten entsprechen denen des Autoren und spiegeln nicht die offizielle Politik des US-Militärministeriums, des US-Verteidigungsministeriums oder der US-amerikanischen Regierung wieder.