Lernstörungen

VonStephen Brian Sulkes, MD, Golisano Children’s Hospital at Strong, University of Rochester School of Medicine and Dentistry
Überprüft/überarbeitet Feb. 2022
DIE AUSGABE FÜR MEDIZINISCHE FACHKREISE ANSEHEN
Kurzinformationen

Mit diesem Begriff bezeichnet man die Unfähigkeit, spezifische Fähigkeiten oder Informationen aufgrund mangelhafter Aufmerksamkeits-, Gedächtnis- oder Gedankenleistungen zu erlangen, zu behalten und zu verallgemeinern, was sich auf die schulische Leistung auswirkt.

  • Betroffene Kinder haben Mühe, die Namen von Farben oder Buchstaben zu erlernen, oder sie lernen nur langsam zu zählen, zu schreiben oder zu lesen.

  • Sie absolvieren eine Reihe von schulischen und Intelligenztests, die von Lernspezialisten durchgeführt werden und Ärzte können dann anhand von anerkannten Kriterien eine Diagnose stellen.

  • Die Behandlung umfasst einen auf die Fähigkeiten des Kindes zugeschnittenen Lernplan.

Lernstörungen sind neurologische Entwicklungsstörungen.

Lernstörungen müssen von geistiger Behinderung (früher als geistige Behinderung bezeichnet) abgegrenzt werden; sie treten auch bei Kindern mit normaler oder sogar überdurchschnittlich hoher Intelligenz auf. Lernstörungen betreffen nur bestimmte Funktionen, während beim Kind mit geistiger Behinderung die kognitiven Funktionen allgemein beeinträchtigt sind.

Die drei gängigen Typen von Lernstörungen sind:

  • Lesestörungen

  • Störungen des schriftlichen Ausdrucks

  • Rechenstörungen

So kann ein Kind mit Lernstörungen z. B. beträchtliche Schwierigkeiten mit dem Rechnen haben, im Lesen und im schriftlichen Ausdruck sowie in anderen Bereichen jedoch problemlos durchs Leben gehen. Legasthenie ist die bekannteste Form der Lernstörungen. Lernstörungen haben nichts zu tun mit den Lernschwierigkeiten, die durch Seh-, Hör-, Koordinations- oder psychische Störungen verursacht werden. Jedoch können diese Probleme auch bei Kindern mit Lernstörungen auftreten.

Kinder können mit einer Lernstörung geboren werden oder diese im Verlauf ihres Wachstums entwickeln. Die genauen Ursachen für Lernstörungen sind zwar nicht bekannt, umfassen aber gestörte Verarbeitungsprozesse der gesprochenen und geschriebenen Sprache oder des Zahlenverständnisses und der Raumwahrnehmung. Mögliche Ursachen sind Erkrankungen der Mutter oder die Verwendung von toxischen Medikamenten während der Schwangerschaft der Mutter, Komplikationen während der Schwangerschaft oder der Entbindung (wie z. B. Präeklampsie oder längere Wehen) und Probleme mit dem Neugeborenen zum Zeitpunkt der Entbindung (wie z. B. Frühgeburt, geringes Geburtsgewicht, Gelbsucht oder Übertragene Geburt). Nach der Geburt können mögliche Faktoren eine Belastung mit Umweltgiften sein, wie etwa Blei, Infektionen des zentralen Nervensystems, Krebserkrankungen und deren Behandlungen, Unterernährung und schwere soziale Isolation oder emotionale Vernachlässigung oder Misshandlung. Traumatische Ereignisse, die während der Kindheit auftreten, wie Kindesmissbrauch und Misshandlungen, können ebenfalls zur Entwicklung von Lernstörungen beitragen.

Die Gesamtanzahl der Kinder in den USA mit Lernstörungen ist zwar nicht bekannt, doch im Schuljahr 2019–2020 erhielten 7,3 Millionen Schüler (oder 14 Prozent aller Schüler in öffentlichen Schulen) im Alter von 3 bis 21 Jahren in den USA Sonderförderung unter dem Gesetz für die Bildung von Personen mit Behinderungen (Individuals with Disabilities Education Act; IDEA). Von den Schülern, die diese Sonderförderung erhielten, hatten 33 Prozent (oder ca. 5 Prozent aller Schüler) bestimmte Lernstörungen. Bei Jungen ist die Störung fünfmal so häufig wie bei Mädchen. Allerdings wird bei den Mädchen die Störung häufig nicht erkannt bzw. diagnostiziert.

Viele Kinder, insbesondere solche mit Verhaltensstörungen, erzielen schlechte schulische Leistungen und werden von Erziehungspsychologen auf Lernstörungen getestet. Auf der anderen Seite verbergen viele Kinder mit bestimmten Typen von Lernstörungen ihre Defizite so gut, dass diese lange Zeit unerkannt und damit auch unbehandelt bleiben.

Wussten Sie ...?

  • Lernstörungen treten auch bei Kindern mit normaler und überdurchschnittlich hoher Intelligenz auf.

Symptome von Lernstörungen

Kleine Kinder können Probleme haben, die Namen von Farben und Buchstaben zu erlernen, vertraute Alltagsgegenstände zu bezeichnen, zu zählen, und sie machen bei anderen frühen Lernfähigkeiten kaum Fortschritte. Auch Schwierigkeiten beim Lesen- und Schreibenlernen kommen vor. Weitere Symptome sind eine kurze Aufmerksamkeitsspanne und Zerstreutheit (ähnlich der Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung [ADHS]), Sprech-/Sprachprobleme, Probleme, gesprochene Informationen zu verstehen und ein kurzes Gedächtnis. Bei betroffenen Kindern können Probleme mit der Feinmotorik vorliegen, wie ein schlechtes Schriftbild oder Schwierigkeiten beim Niederschreiben oder Abschreiben und sie können eine sehr schlecht leserliche Handschrift haben oder den Stift unbeholfen halten. Kinder mit einer Lernstörung haben Probleme, Aufgaben zu organisieren oder zu bewältigen oder eine Geschichte in der richtigen Abfolge wiederzugeben oder sie verwechseln mathematische Symbole und lesen Zahlen falsch ab.

Kinder mit Lernstörungen haben häufig Kommunikationsschwierigkeiten. Einige Kinder sind anfänglich frustriert und entwickeln später Verhaltensprobleme, d. h., sie sind beispielsweise leicht ablenkbar, hyperaktiv, in sich zurückgezogen, scheu oder aggressiv. Lernstörungen und Aufmerksamkeitsdefizit/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) treten häufig gemeinsam auf.

Diagnose von Lernstörungen

  • Erzieherische, medizinische und psychologische Beurteilung

  • Bekannte Kriterien

Kinder, die nicht ihrem Alter gemäß lesen oder lernen können, sollten untersucht werden. Die Kinder werden auf körperliche Störungen untersucht, die das Lernen beeinträchtigen könnten, einschließlich Hör- und der Sehtests. Hör- und Sehstörungen sollten nicht mit einer Lernstörung verwechselt werden.

Danach wird eine Reihe von verbalen und nonverbalen Intelligenztests sowie schulischen Tests durchgeführt, in deren Rahmen die Fähigkeiten beim Lesen, Schreiben und Rechnen bestimmt werden. Oft können diese Tests auf Anfrage der Eltern von einem Spezialisten in der Schule des Kindes durchgeführt werden. In den Vereinigten Staaten und anderen Ländern sind die Schulen gesetzlich verpflichtet, Tests und entsprechende Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen.

Eine psychologische Beurteilung wird durchgeführt, um zu bestimmen, ob das Kind emotionale Probleme wie Angst oder Depression oder eine Entwicklungsstörung wie ADHS hat, da diese Störungen oft mit einer Lernstörung einhergehen und die Störung verschlimmern können. Psychologen fragen nach der Einstellung des Kindes gegenüber der Schule und seinen Freundschaften, und beurteilen das Selbstwertgefühl und das Selbstvertrauen des Kindes.

Die folgenden Bereiche werden beurteilt und folgende Kriterien werden herangezogen, um festzustellen, ob ein Kind eine Lernstörung hat:

  • Lesen

  • Verstehen der Bedeutung von schriftlichen Materialien

  • Rechtschreibung

  • Schreiben (z. B., ob Grammatik und Zeichensetzung richtig angewendet und Ideen klar ausgedrückt werden)

  • Verstehen der Bedeutung von Zahlen und ihre Beziehung zueinander (bei älteren Kindern, einfache Berechnungen)

  • Mathematische Logik (z. B. mit mathematischen Konzepten zur Problemlösung)

Kinder, die mindestens 6 Monate lang deutlich hinter den für ihr Alter erwarteten Leistungen in mindestens einem der Bereiche liegen, können eine Lernstörung haben. Zudem werden Tests durchgeführt, um sicherzustellen, dass die folgenden Probleme nicht durch eine geistige Behinderung oder andere neurologische Entwicklungsstörungen verursacht werden.

Behandlung von Lernstörungen

  • Erzieherische Maßnahmen

  • Manchmal Psychostimulanzien

Den größten Nutzen verspricht ein Förderprogramm, das speziell auf die Lernschwierigkeiten und Bedürfnisse eines Kindes zugeschnitten ist.

In den USA verlangt das Gesetz für die Bildung von Personen mit Behinderungen (Individuals with Disabilities Education Act, IDEA), dass Kinder und Jugendliche mit Lernstörungen an öffentlichen Schulen kostenlos und angemessen unterrichtet werden. Der Unterricht muss so wenig restriktiv wie möglich und so inklusiv wie nötig sein. Das heißt, ein Umfeld, in dem den Kindern jede Möglichkeit geboten wird, mit nicht behinderten Gleichaltrigen zu interagieren und wo sie den gleichen Zugang zu vorhandenen kommunalen Ressourcen erhalten. Der Americans with Disabilities Act und der Artikel 504 des amerikanischen Rehabilitationsgesetzes regeln in den USA auch die Unterbringung in Schulen und anderen öffentlichen Einrichtungen.

Keine medikamentöse Behandlung hat Einfluss auf die schulische Leistung, die Intelligenz und die allgemeine Lernfähigkeit, aber da manche Kinder mit einer Lernstörung auch unter einer ADHS leiden, können bestimmte Psychostimulanzien wie Methylphenidat die Aufmerksamkeit und Konzentration und damit ihre Lernfähigkeit verbessern.

Der therapeutische Nutzen von Maßnahmen wie dem Meiden von Lebensmittelzusatzstoffen oder die Einnahme hochdosierter Vitaminpräparate oder Mineralstoffe ist nicht erwiesen.

Weitere Informationen

Im Folgenden handelt es sich um Hilfsmittel in englischer Sprache, die nützlich sein könnten. Bitte beachten Sie, dass das MANUAL nicht für den Inhalt dieser Quellen verantwortlich ist.

  1. Individuals with Disabilities Education Act (IDEA): Ein US-amerikanisches Gesetz, das berechtigten Kindern mit Behinderungen eine angemessene öffentliche Bildung kostenlos zur Verfügung stellt und eine spezielle Ausbildung und damit verbundene Dienste für diese Kinder gewährleistet

  2. Americans with Disability Act: Ein US-amerikanisches Gesetz, das Diskriminierung aufgrund einer Behinderung verbietet

  3. Artikel 504 des Rehabilitation Act: Ein US-amerikanisches Gesetz, das Menschen mit Behinderungen bestimmte Rechte garantiert

  4. Learning Disabilities Association of America (LDA): Eine Organisation, die Ressourcen zur Aufklärung, Unterstützung und Interessenvertretung von Menschen mit Lernbehinderungen bereitstellt