Verfahren der Pränataldiagnostik

VonJeffrey S. Dungan, MD, Northwestern University, Feinberg School of Medicine
Überprüft/überarbeitet Okt. 2022
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Mit Ausnahme der Sonographie handelt es sich bei allen Methoden zur Diagnose genetischer Erkrankungen um invasive Verfahren mit einem leicht erhöhten Risiko für den Fetus. Wenn eine schwere Anomalie nachgewiesen wurde, kann die Schwangerschaft beendet oder in einigen Fällen die Erkrankung behandelt werden (z. B. Fötalchirurgie, um spina bifida zu beheben). Auch wenn keine dieser Möglichkeiten in Betracht gezogen wird, möchten manche Frauen vor der Geburt Kenntnis von fetalen Anomalien haben.

Pränatale Sonographie

Einige Experten empfehlen routinemäßig die Sonographie für alle schwangeren Frauen. Andere Nutzen den Ultraschall nur bei speziellen Indikationen wie der Kontrolluntersuchung bei Verdacht auf eine genetische oder Schwangerschaftsanomalie oder als Interpretationshilfe anomaler mütterlicher Serummarker-Spiegel. Wird die Ultraschalluntersuchung von erfahrenen Untersuchern durchgeführt, ist die Sensitivität für größere angeborene Fehlbildungen hoch. Einige Untersuchungsbedingungen (z. B. Oligohydramnion, mütterliche Adipositas, Lage des Feten) erschweren jedoch eine optimale Bildgebung. Die Ultraschalluntersuchung ist nicht invasiv und birgt, soweit bekannt, keine Risiken für die Schwangere oder den Fetus.

Eine Standardsonographie wird in folgenden Situationen durchgeführt:

  • Bestätigen des Schwangerschaftsalters

  • Erkennen der fetalen Lebensfähigkeit

  • Feststellen einer Mehrlingsschwangerschaft

  • Während des 2. oder 3. Trimesters möglicherweise identifizieren schwerer Fehlbildungen intrakranieller Strukturen, der Wirbelsäule, des Herzens, der Harnblase, der Nieren, des Magens, des Thorax, der Bauchwand, der langen Röhrenknochen und der Nabelschnur

Obwohl die Sonographie nur Informationen zur Struktur liefert, lassen einige strukturelle Anomalien den Rückschluss auf genetische Anomalien zu. Multiple Anomalien können auf eine chromosomale Erkrankung hinweisen.

Eine gezielte Sonographie, in hochauflösender Technik wird in bestimmten Referenzzentren durchgeführt und liefert detailreichere Bilder als die Standardsonographie. Für Paare mit einer positiven Familienanamnese für angeborene Fehlbildungen (z. B. angeborene Herzfehler, Lippen- und Gaumenspalte, Pylorusstenose), v. a. eine, die vor der Geburt (z. B. hintere Urethralklappen mit Megablase) oder direkt nach der Geburt (z. B. Zwerchfellhernie) erfolgreich behandelt werden kann, wäre diese Untersuchung indiziert. Die hochauflösende Sonographie kann auch bei anomalen mütterlichen Serummarker-Spiegeln durchgeführt werden. Mit der hochauflösenden Sonographie können folgende Störungen erkannt werden:

Während des 2. Trimesters ist die Erkennung von Strukturen, die statistisch mit einem erhöhten Risiko für fetale Chromosomenanomalien assoziiert sind, zur genaueren Risikoabschätzung nützlich.

Amniozentese

Bei der Amniozentese wird transabdominal und ultraschallgeführt eine Nadel in die Amnionhöhle eingeführt, um Fruchtwasser und fetale Zellen zur Untersuchung zu aspirieren, einschließlich der Bestimmung chemischer Marker (z. B. Alpha-Fetoprotein, Acetylcholinesterase). Die sicherste Zeit für eine Amniozentese liegt nach der 14. SSW. Direkt vor der Amniozentese muss eine Sonographie durchgeführt werden, um die fetale Herzaktion zu beurteilen und Schwangerschaftsalter, Lage der Plazenta, Verteilung des Fruchtwassers und Anzahl der Feten zu bestimmen. Wenn die Mutter Rh-negativ und nicht sensibilisiert ist, erhält sie nach dem Eingriff 300 mcg Rho (D)-Immunglobulin, um eine Rh-Sensibilisierung zu vermindern.

Üblicherweise wird die Amniozentese schwangeren Frauen > 35 Jahren angeboten, da sie einem erhöhten Risiko für ein Kind mit Down-Syndrom oder einer anderen Chromosomenanomalie unterliegen. Mit der breiten Verfügbarkeit und verbesserten Sicherheit der Amniozentese empfiehlt das American College of Obstetricians and Gynecologists, dass allen schwangeren Frauen eine Amniozentese zur Bestimmung des Risikos fetaler Chromosomenstörungen angeboten wird.

Gelegentlich ist das gewonnene Fruchtwasser blutig tingiert. Normalerweise handelt es sich um mütterliches Blut, durch das das Wachstum der Amnionzellen nicht beeinträchtigt wird; wenn es jedoch fetales Blut ist, kann es fälschlicherweise die Alpha-Fetoprotein-Spiegel im Fruchtwasser erhöhen. Eine dunkelrote oder braune Flüssigkeit zeigt eine stattgehabte intraamniale Blutung und damit ein erhöhtes Abortrisiko an. Grünes Fruchtwasser, das gewöhnlich aus einer Färbung durch Mekonium entsteht, scheint das Abortrisiko nicht zu erhöhen.

Die Amniozentese führt selten zu einer ernsthaften mütterlichen Erkrankung (z. B. symptomatische Amnionitis). Bei erfahrenen Untersuchern liegt das Abortrisiko bei 0,1–0,2%. Leichte vaginale Blutungen oder heraussickerndes Fruchtwasser sind normalerweise selbstlimitierend und treten bei 1–2% der untersuchten Frauen auf. Eine Amniozentese vor der 14. Schwangerschaftswoche, vor allem vor der 13. Schwangerschaftswoche, hat eine höhere Rate an Fehlgeburten und ein erhöhtes Risiko für einen Pes equinovarus (Klumpfuß) zur Folge und wird selten durchgeführt.

Chorionzottenbiopsie

Bei der Chorionzottenbiopsie (chorionic villus sampling, CVS) werden Chorionzotten in eine Spritze aspiriert und anschließend kultiviert. Die CVS liefert dieselben Informationen zum fetalen genetischen und chromosomalen Status des Feten wie die Amniozentese bei ähnlicher Genauigkeit. Die CVS wird jedoch zwischen der 10. SSW und dem Ende des 1. Trimenons durchgeführt und macht die Ergebnisse so früher verfügbar. Daher kann die Schwangerschaft, falls erforderlich, früher (und damit sicherer und einfacher) beendet werden, oder die Eltern können, wenn die Befunde normal sind, früher von ihren Sorgen befreit werden.

Anders als bei der Amniozentese, ermöglicht es CVS den Ärzten nicht, Fruchtwasser zu entmehmen, und Alpha-Fetoprotein kann nicht bestimmt werden. Daher sollten Frauen, bei denen eine CVS gemacht wurde, ein Test auf Alpha-Fetoprotein im mütterlichen Serum in der 16.–18. SSW angeboten werden, um das Risiko von fetalen Neuralrohrdefekten zu beurteilen.

In Abhängigkeit von der Lokalisation der Plazenta (sonographisch festgestellt) kann die CVS entweder über die Einführung eines Katheters durch die Zervix oder über eine Nadel, die durch die Bauchdecke der Schwangeren eingestochen wird, erfolgen. Nach der CVS erhält jede Rh-negative, nicht-sensibilisierte Schwangere 300 mcg Rho(D)-Immunglobulin.

Irrtümer in der Diagnose aufgrund einer Kontamination durch mütterliche Zellen sind selten. Das Auffinden gewisser Chromosomenanomalien (z. B. einer Tetraploidie) muss nicht den wahren chromosomalen Status des Feten widerspiegeln, sondern ein auf die Plazenta begrenztes Zellmosaik. Ein auf die Plazenta begrenztes Zellmosaik wird in etwa 1% der CVS-Proben nachgewiesen. Hier ist es angeraten, einen mit diesen Anomalien vertrauten Experten zu konsultieren. Gelegentlich ist eine weitere Amniozentese erforderlich, um zusätzliche Informationen zu erhalten.

Die Rate an Aborten, die durch eine CVS ausgelöst wurden, entspricht der der Amniozentese (d. h. etwa 0,2%). Reduktionsdefekte der Extremitäten und der oro-akrale Fehlbildungskomplex sind der CVS zugeschrieben worden, aber sie sind ausgesprochen selten, wenn die CVS von einem erfahrenen Untersucher nach der 10. SSW durchgeführt wird.

Perkutane Nabelschnurpunktion

Fetale Blutproben können durch perkutane Punktion der Nabelschnurvene unter Ultraschallführung gewonnen werden. Die Chromosomenanalyse lässt sich innerhalb von 48–72 h anfertigen. Aus diesem Grund wurde eine perkutane Nabelschnurpunktion (percutaneous umbilical blood sampling, PUBS) früher oft durchgeführt, wenn das Ergebnis schnell benötigt wurde. Diese Untersuchung war besonders im späten 3. Trimester nützlich, vor allem dann, wenn in dieser Zeit zum ersten Mal der Verdacht auf fetale Anomalien erhoben wurde. Heute ermöglicht die genetische Analyse von Zellen im Fruchtwasser oder Chorionzotten mittels einer Interphase-Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung (FISH) eine vorläufige Diagnose (oder Ausschluss) von häufigen Chromosomenerkrankungen innerhalb von 24–48 Stunden; eine perkutane Nabelschnurpunktion wird nur selten bei genetischer Indikationen gemacht.

Die Rate der untersuchungsbedingten Aborte liegt bei 1%.

Präimplantations-Gentests (PGT)

Eine Präimplantationsdiagnostik ist in manchen Fällen schon vor der Implantation möglich, wenn die In-vitro-Fertilisation durchgeführt wird; es werden dazu Polarkörperchen der Eizellen, Blastomere von Embryonen im 6- bis 8-Zellen-Stadium oder eine Trophoblastprobe aus der Blastozyste verwandt. Diese Tests sind nur in spezialisierten Zentren verfügbar und teuer. Neuere Techniken werden jedoch die Kosten reduzieren und solche Untersuchungen in größerem Rahmen ermöglichen.

Es gibt drei Formen der PGT:

  • PGT-M: Tests auf monogene (d. h. nur ein Gen betreffende) Anomalien

  • PGT-A: Test auf Aneuploidie

  • PGT-SR: Prüfung auf strukturelle Umlagerungen wie unbalancierte Translokationen

PGT-M wird in erster Linie bei Paaren eingesetzt, bei denen das Risiko für bestimmte Mendelsche Erkrankungen (z. B. zystische Fibrose) beim Fetus hoch ist. PGT-A oder PGT-SR wird bei Paaren eingesetzt, bei denen Chromosomenanomalien beim Fetus ein Risiko darstellen.

PGT-A wird vor allem bei Embryonen älterer Frauen eingesetzt, doch ist die routinemäßige Anwendung umstritten (1). In einer großen, multizentrischen, randomisierten Studie unterschieden sich die Schwangerschaftsraten bei einem Transfer von tiefgefrorenen, einzelnen Embryonen nach PGT-A oder nach morphologischer Beurteilung nicht signifikant (2).

Literatur zu genetischen Präimplantationstests

  1. 1. Practice Committees of the American Society for Reproductive Medicine and the Society for Assisted Reproductive Technology: The use of preimplantation genetic testing for aneuploidy (PGT-A): A committee opinion. Fertil Steril 109 (3):429–436, 2018. doi: 10.1016/j.fertnstert.2018.01.002

  2. 2. Munné S, Kaplan B, Frattarelli JL, et al: Preimplantation genetic testing for aneuploidy versus morphology as selection criteria for single frozen-thawed embryo transfer in good-prognosis patients: A multicenter randomized clinical trial. Fertil Steril 112 (6):1071–1079.e7, 2019. doi: 10.1016/j.fertnstert.2019.07.1346