Toleranz und Resistenz gegen Arzneimittel

VonShalini S. Lynch, PharmD, University of California San Francisco School of Pharmacy
Überprüft/überarbeitet Juli 2022
DIE AUSGABE FÜR MEDIZINISCHE FACHKREISE ANSEHEN

Toleranz ist ein vermindertes Ansprechen einer Person auf ein Arzneimittel. Sie tritt auf, wenn ein Arzneimittel wiederholt angewendet wird und sich der Körper an den dauerhaften Einfluss des Mittels gewöhnt. Resistenz ist die Fähigkeit von Mikroorganismen oder Krebszellen, der Wirkung eines normalerweise erfolgreich eingesetzten Arzneimittels zu widerstehen.

(Siehe auch Ansprechen auf Arzneimittel – Überblick.)

Toleranz

Bei wiederholtem Gebrauch eines Arzneimittels kann sich eine Toleranz des Patienten gegenüber diesem Mittel entwickeln. Wird zum Beispiel Morphin oder Alkohol für einen längeren Zeitraum angewendet, werden immer höhere Dosen benötigt, um die gleiche Wirkung zu erzielen. Normalerweise entsteht Toleranz, weil die Verstoffwechselung des Arzneimittels schneller erfolgt (häufig, weil die an der Verstoffwechselung beteiligten Leberenzyme aktiver geworden sind) und weil die Anzahl von Stellen (Zellrezeptoren), an die das Arzneimittel bindet, oder die Bindungsstärke (Affinität) zwischen Rezeptor und Arzneimittel abnimmt (siehe Rezeptoren an Zellen).

Toleranz ist nicht mit Abhängigkeit oder Sucht gleichzusetzen.

Resistenz

Bei Stämmen von Mikroorganismen (Bakterien oder Viren) spricht man von Resistenz, wenn sie von einem normalerweise wirksamen Antibiotikum oder antiviralen Mittel nicht mehr abgetötet oder in ihrem Wachstum gebremst werden (oder wenn in der Praxis deutlich höhere Dosen erforderlich sind, um eine Wirkung zu erreichen). Auch Krebszellen können eine Resistenz gegenüber Chemotherapie-Mitteln entwickeln.

Resistenz tritt auf, wenn in einer Gruppe von wachsenden Mikroorganismen oder Zellen spontan und unabhängig von der Anwendung von Arzneimitteln Mutationen stattfinden. Die meisten solchen Mutationen verändern die Struktur des Mikroorganismus oder der Zelle oder die biochemischen Signalwege auf eine für den Mikroorganismus oder die Zelle schädliche Weise. Aber manche Mutationen verändern Teile des Mikroorganismus oder der Zelle, auf die Arzneimitteln abzielen, und verringern so deren Wirksamkeit (das heißt, sie bewirken eine Resistenz). Weil solche Mutationen sehr selten sind, finden sich in einer beliebigen Gruppe normalerweise nur wenige resistente Mikroorganismen oder Zellen. Wenn aber alle oder die meisten „normalen“ Mikroorganismen oder Zellen von einem Arzneimittel abgetötet werden, ist es wahrscheinlich, dass ein viel höherer Anteil der überlebenden Zellen resistent ist. Wenn die resistenten überlebenden Zellen nicht durch die natürlichen Schutzmechanismen des Körpers abgetötet werden, was wahrscheinlicher ist, wenn Arzneimittel zu früh abgesetzt oder nicht ordnungsgemäß eingenommen werden, können sie sich reproduzieren und die Resistenz an ihre Nachkommen weitergeben.

Vorbeugung und Behandlung

Um die Entwicklung von Resistenz zu verhindern, setzen Ärzte Antibiotika nur bei Bedarf ein (nicht für Virusinfektionen wie eine Erkältung) und ordnen für die Patienten einen vollständigen Behandlungszyklus an. Bei der Behandlung bestimmter schwerer Infektionen wie z.B. HIV verordnen Ärzte normalerweise zwei oder mehr unterschiedliche Arzneimittel gleichzeitig, weil es sehr unwahrscheinlich ist, dass eine Zelle spontan gegen zwei Arzneimittel resistent wird. Doch die Gabe von einem Arzneimittel für eine kurze Zeit und die darauffolgende Gabe eines anderen kann zu Resistenz gegen mehrere Arzneimittel führen. Insbesondere bei Tuberkulose ist die Resistenz gegenüber mehreren Arzneimitteln zu einem Problem geworden.

Wenn sich eine Toleranz oder Resistenz gegenüber einem Arzneimittel entwickelt hat, können die Ärzte entweder die Dosis erhöhen oder ein anderes Arzneimittel anwenden.