Morbus Paget der Knochen

(Osteodystrophia deformans; Morbus Paget der Knochen)

VonJulia F. Charles, MD, PhD, Brigham and Women's Hospital
Überprüft/überarbeitet Mai 2023
DIE AUSGABE FÜR MEDIZINISCHE FACHKREISE ANSEHEN
Kurzinformationen

Morbus Paget der Knochen ist eine chronische Erkrankung des Skeletts, bei der bestimmte Knochenbereiche einen abnormalen Knochenumbau aufweisen, die zu vergrößerten und weichen Knochen führen.

  • Knochenab- und -aufbau nehmen zu, wodurch die Knochen dicker, aber schwächer als gewöhnlich werden.

  • Die Erkrankung kann symptomfrei verlaufen, kann aber auch Knochenschmerzen, Knochenverformungen, Arthritis und schmerzhafte Nervenkompressionen zu Folge haben.

  • Die Knochenverformungen lassen sich auf Röntgenbildern erkennen.

  • Die Behandlung umfasst schmerzstillende Mittel und u. U. die Verabreichung von Bisphosphonaten.

Morbus Paget kann jeden Knochen betreffen, am häufigsten ist die Erkrankung jedoch im Becken, am Oberschenkelknochen (Femur) und am Schädel. Weniger häufig sind Schienbein (Tibia), Wirbelsäule (Rückenwirbel), Schlüsselbein (Clavicula) und Oberarmknochen (Humerus) betroffen.

In den Vereinigten Staaten leiden ca. 2 bis 3 Prozent aller Menschen über 55 Jahren unter dieser Erkrankung, und die Verbreitung nimmt mit steigendem Alter zu. Doch anscheinend nimmt die Anzahl der Erkrankungsfälle insgesamt ab. Männer erkranken häufiger an Morbus Paget als Frauen. Die Krankheit tritt am häufigsten im Vereinigten Königreich und in europäischen Ländern auf, unter anderem in Spanien, Frankreich und Italien, sowie in Ländern, die von europäischen Einwanderern besiedelt sind (z. B. Australien, Neuseeland, die Vereinigten Staaten und Kanada). Morbus Paget kommt in skandinavischen Ländern und Asien selten vor.

Ursachen für Morbus Paget der Knochen

Normalerweise besteht im Körper ein Gleichgewicht zwischen Zellen, die Knochenmaterial abbauen (Osteoklasten), und solchen, die neues bilden (Osteoblasten); damit bleibt die Knochenstruktur ausgewogen. Bei Morbus Paget sind Osteoklasten und Osteoblasten in einigen Knochenbereichen überaktiv, wodurch sich Knochenabbau und -aufbau (sogenannter Knochenumbau) in diesen Bereichen extrem verstärken. Die überaktiven Bereiche vergrößern sich, sind aber verformt und schwach.

Die Ursache für Morbus Paget ist bei den meisten Betroffenen nicht bekannt. Häufig handelt es sich um eine erbliche Veranlagung. Spezifische bekannte Genanomalien tragen bei etwa 10 Prozent der Patienten mit Morbus Paget dazu bei, und weitere genetische Anomalien tragen vermutlich bei anderen Patienten dazu bei. Es gibt Hinweise dafür, dass auch ein Virus daran beteiligt sein könnte. Es gibt jedoch keine Anzeichen dafür, dass die Krankheit ansteckend ist.

Symptome von Morbus Paget der Knochen

Gewöhnlich verursacht Morbus Paget keine Symptome. Allerdings können Knochenschmerzen oder eine Vergrößerung oder Verformung der Knochen auftreten. Der tief sitzende, langanhaltende Knochenschmerz kann sich nachts verschlimmern. Durch den vergrößerten Knochen können Nerven eingequetscht werden, was weiteren Schmerzen verursacht. Von Arthrose betroffene Gelenke schmerzen und werden steif.

Die Symptome hängen davon ab, welche Knochen betroffen sind.

Wenn sich der Schädel vergrößert, können Augenbrauen und Stirn deutlich hervortreten (sog. „frontal bossing“ bzw. vorgewölbte Stirn). Möglicherweise bemerkt der Patient das erst, wenn sich seine Hutgröße verändert. Vergrößerte Schädelknochen können das Innenohr (Cochlea) beschädigen, was zu Hörverlust und Schwindel führt. Der durch vergrößerte Schädelknochen entstehende Druck auf die Nerven kann Kopfschmerzen auslösen. Durch die erhöhte Durchblutung der Schädelknochen treten die Venen auf der Kopfhaut stärker hervor.

Die Knochen in Oberarm, Oberschenkel oder Wade können sich verkrümmen und weisen ein erhöhtes Frakturrisiko auf, weil sie durch Morbus Paget geschwächt sind. Die Rückenwirbel können sich vergrößern und/oder aufgrund ihrer geschwächten Struktur zusammenbrechen. Die geschwächten Rückenwirbel können einen Größenverlust oder eine gebeugte Haltung hervorrufen. Werden dabei Rückenmarksnerven eingequetscht, kommt es zu Schmerzen, Taubheit und Schwäche.

Komplikationen

Die häufigste Komplikation bei Morbus Paget der Knochen:

Zu Arthrose kommt es bei bis zu 50 Prozent der Patienten. Die Krankheit entwickelt sich in den Gelenken neben dem betroffenen Knochen.

Betroffene Knochen brechen leichter als normal, da sie durch Morbus Paget geschwächt sind. Diese Art von Fraktur wird pathologische Fraktur genannt.

Übergroße Knochen können Nerven und andere Strukturen einquetschen, die durch schmale Öffnungen laufen. Der Wirbelkanal kann sich verengen und auf das Rückenmark drücken.

In seltenen Fällen kommt es zu Herzinsuffizienz, da der erhöhte Blutfluss durch den erkrankten Knochen das Herz zusätzlich belastet. Bei Operationen kann der erhöhte Blutfluss zu starken Blutungen am Knochen führen. Weniger als ein Prozent der Patienten mit Morbus Paget entwickeln in dem betroffenen Knochen Krebs. In diesem Fall handelt es sich dabei zumeist um ein Osteosarkom (ein bösartiger Knochentumor).

Ein hoher Kalziumspiegel im Blut (Hyperkalzämie) kommt in seltenen Fällen bei bettlägerigen Patienten mit Morbus Paget vor.

Diagnose von Morbus Paget der Knochen

  • Röntgenaufnahmen

  • Bluttests

  • Knochenszintigrafie

Morbus Paget wird meist zufällig bei Röntgen- oder Laboruntersuchungen entdeckt, die aus anderen Gründen durchgeführt werden. Ansonsten entsteht der Verdacht auf Morbus Paget aufgrund der Symptome und einer körperlichen Untersuchung.

Röntgenbilder, die charakteristische Knochenveränderungen anzeigen, sowie die Werte von alkalischer Phosphatase (einem an der Knochenbildung beteiligten Enzym), Kalzium und Phosphat im Blut können zur Bestätigung der Diagnose eines Morbus Paget der Knochen herangezogen werden.

Eine Szintigraphie (eine Radionukliduntersuchung mit Technetium) zeigt, welche Knochen betroffen sind.

Behandlung von Morbus Paget der Knochen

  • Behandlung gegen Schmerzen und Komplikationen

  • Bisphosphonate

Patienten mit Morbus Paget brauchen eine Behandlung, wenn die Symptome Beschwerden verursachen und wenn es deutliche Anzeichen für Komplikationen wie Hörverlust, Gelenkentzündungen und Knochenverformungen gibt. Wenn keine Symptome auftreten, ist möglicherweise keine Behandlung erforderlich.

In der Regel helfen Schmerzmittel (Analgetika) wie Paracetamol und nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) bei der Linderung der Knochenschmerzen. Wird ein Bein krumm und dadurch kürzer, sollte ein orthopädischer Schuhausgleich erfolgen, damit der Patient besser gehen kann. Manchmal ist eine Operation erforderlich, um einen eingeklemmten Nerv zu befreien oder ein arthritisches Gelenk zu ersetzen.

Bisphosphonate sind Medikamente, die den Knochenumsatz hemmen und das Fortschreiten von Morbus Paget verlangsamen können. Zoledronsäure ist das bevorzugte Bisphosphonat. Andere Bisphosphonate wie Alendronat, Risedronat, Pamidronat, Tiludronat und Etidronat werden manchmal als Alternativen verwendet. Mit Ausnahme von Pamidronat und Zoledronsäure, die normalerweise intravenös (über die Vene) verabreicht werden, sind diese Medikamente zum Einnehmen. Diese Medikamente werden zur Behandlung von Schmerzen verabreicht, die durch Morbus Paget und nicht durch eine andere Ursache, wie z. B. Osteoarthrose, entstehen. Bisphosphonate können manchmal auch in den folgenden medizinischen Situationen gegeben werden:

  • Vor einer orthopädischen Operation, um Blutungen zu verhindern

  • Zur Vorbeugung gegen ein Fortschreiten der Komplikationen (wie Schwerhörigkeit, Verformungen von Knochen, Arthritis, Schwäche oder Lähmung) oder zu deren Verlangsamung, vor allem bei Patienten, bei denen eine Operation nicht möglich ist

  • An Patienten mit einem mindestens doppelt so hohen Wert an alkalischer Phosphatase wie normal

Calcitonin wird gelegentlich als Alternative zu Bisphosphonaten bei Menschen verwendet, die Bisphosphonate nicht einnehmen können oder nicht vertragen. Calcitonin wird unter die Haut oder in den Muskel gespritzt.

Ärzte raten dazu, die Gelenke zu belasten (z. B. durch Gehen oder Stehen) und nicht übermäßig viel zu ruhen (mit Ausnahme von Nachtschlaf).

Da Knochen schnell umgebaut werden, sollten die Betroffenen auf die Aufnahme von Kalzium und Vitamin D in ausreichenden Mengen im Rahmen ihrer Ernährung achten. Vitamin D hilft dem Körper bei der Aufnahme von Kalzium und es den Knochen hinzuzufügen (sogenannte Knochenmineralisierung). Oft sind Nahrungsergänzungsmittel mit Vitamin D und Kalzium erforderlich. Andernfalls kann es zu einer unzureichenden Knochenmineralisierung und zu einer Knochenerweichung (Osteomalazie) kommen.

Prognose für Morbus Paget der Knochen

Für die meisten Patienten mit Morbus Paget ist die Prognose sehr gut. In den wenigen Fällen, in denen es zu Knochenkrebs kommt, stehen die Aussichten jedoch eher schlecht. Dies gilt auch für Patienten mit anderen seltenen Komplikationen, wie Herzinsuffizienz oder Kompression des Rückenmarks, wenn diese Beschwerden nicht rechtzeitig und erfolgreich behandelt werden.