Gerinnungsfaktoren sind Proteine im Blut, die zusammenarbeiten, um die Blutgerinnung zu unterstützen und so Blutungen zu stillen. Es gibt viele verschiedene Gerinnungsfaktoren (siehe auch Wie gerinnt Blut).
Es gibt zwei Formen der Hämophilie.
Die Blutungsmuster und die Folgen dieser zwei Arten von Hämophilie sind ähnlich.
Hämophilie wird durch verschiedene genetische Störungen verursacht. Sie werden durch die Mutter vererbt (geschlechtsgebundene Vererbung), betreffen aber fast ausschließlich Jungen und Männer (siehe auch x-chromosomale Vererbung).
Symptome
Das Hauptsymptom sind übermäßige Blutungen. Die Blutungen können in Gelenken oder Muskeln sowie im Bauchraum oder Kopf auftreten. Sie können auch durch Hautschnitte, Zahnbehandlungen oder Operationen verursacht werden. Ein Kind mit Hämophilie neigt übermäßig zu Blutergüssen.
Wie schwer die Blutungen ausfallen, hängt davon ab, wie intensiv sich die defekten Gene auf die Funktion der Gerinnungsfaktoren VIII und IX auswirken.
Leichte Hämophilie
Mittelschwere Hämophilie
Manchmal tritt bei Patienten mit mittelschwerer Hämophilie eine Blutung ohne erkennbare Ursache auf, jedoch können Operationen und Verletzungen zu unkontrollierbaren und tödlichen Blutungen führen. Bei einer mittelschweren Hämophilie treten die ersten Blutungen normalerweise auf, bevor das Kind 18 Monate alt ist. Nach einer leichten Verletzung kann es zu Blutungen kommen.
Schwere Hämophilie
Im Fall einer schweren Hämophilie treten nach leichten Verletzungen oder ohne erkennbare Ursache wiederholt schwere Blutungen auf.
Bei schwerer Hämophilie tritt die erste Blutungsepisode häufig während oder direkt nach der Entbindung auf. Bei dem Säugling tritt eventuell eine Ansammlung des Blutes unter der Kopfhaut auf (Kephalhämatom) oder er blutet extrem viel während der Beschneidung.
Schon der Stich mit einer Spritze in einen Muskel kann einen umfangreichen Bluterguss und eine Ansammlung von Blut (Hämatom) entstehen lassen. Wiederholte Blutungen in den Gelenken und Muskeln können langfristig zu lähmenden Missbildungen führen. Blutungen können den hinteren Teil der Zunge so stark anschwellen lassen, dass dadurch die Luftröhre verschlossen wird und erhebliche Atembeschwerden auftreten. Ein leichter Schlag auf den Kopf kann eine heftige innere Blutung im Gehirn oder zwischen Gehirn und Schädel verursachen, zu Hirnschäden oder zum Tod führen.
Diagnose
Der Arzt kann eine Hämophilie beispielsweise bei einem Kind (besonders, wenn es ein Junge ist) vermuten, bei dem Blutungen ohne ersichtlichen Grund auftreten oder wenn es nach Verletzungen zu stärkeren Blutungen neigt. Eine Blutuntersuchung kann bestimmen, ob die Gerinnungsfähigkeit eines Patienten außergewöhnlich niedrig ist. In diesem Fall können weitere Blutuntersuchungen auf die Werte von Faktor VIII und IX die Diagnose der Hämophilie bestätigen und ihre Art und Schwere bestimmen.
In manchen Fachzentren können Gentests für Frauen, die möglicherweise Trägerinnen der Genmutation sind, sowie pränatale Untersuchungen des Fötus durchgeführt werden.
Behandlung
Personen mit Hämophilie müssen Situationen meiden, in denen eine Blutung auftreten kann, und sie dürfen keine Medikamente (z. B. Aspirin und vermutlich auch nichtsteroidale Antirheumatika) einnehmen, die sich auf die Funktion der Blutplättchen auswirken. Sie sollten gewissenhaft ihre Zähne pflegen, damit ihnen kein Zahn gezogen werden muss. Wenn sich Patienten mit leichter Hämophilie einer Operation unterziehen müssen, können sie vorher ε-Aminocapronsäure oder Desmopressin verabreicht bekommen, um die Gerinnung vorübergehend zu unterstützen, damit keine Transfusion erforderlich wird.
Gewöhnlich gehören zur Behandlung Bluttransfusionen, mit denen der fehlende Gerinnungsfaktor ersetzt wird. Diese Faktoren befinden sich gewöhnlich in dem flüssigen Bestandteil des Blutes (Plasma). Die Gerinnungsfaktoren können aus Blutspenden gewonnen werden. Dafür werden diese aus dem Plasma konzentriert oder gereinigt. Aus dem Plasma gereinigte Gerinnungsfaktoren werden so behandelt, dass die meisten möglicherweise in den Blutspenden vorhandenen Viren inaktiviert werden. Gerinnungsfaktoren können auch mit einer speziellen Technologie im Labor hergestellt werden. Diese hergestellten Gerinnungsfaktoren werden als hochgereinigte rekombinante Faktorkonzentrate bezeichnet. Erhältlich sind rekombinante Formen von sowohl Faktor VIII als auch IX. Da sie nicht von menschlichen Spendern stammen, besteht das geringe Infektionsrisiko, das bei Faktoren aus gespendetem Blut vorhanden ist, hier nicht. Dosis, Häufigkeit und Dauer der Behandlung hängen von der Stelle und der Heftigkeit der Blutung ab. Gerinnungsfaktoren können auch vorbeugend gegen Blutungen bei Operationen oder beim ersten Anzeichen einer Blutung eingesetzt werden.
Es stehen mehrere neue Medikamente zur Kontrolle von Blutungen bei Hämophilie‑Patienten zur Verfügung oder werden diesbezüglich untersucht. Zum Beispiel bindet Emicizumab die Faktoren IX und X so, dass das Blut ohne Faktor VIII gerinnen kann. Es scheint Hämophilie A wirksam zu behandeln.
Einige Menschen mit Hämophilie entwickeln Antikörper gegen die übertragenen Gerinnungsfaktoren, die diese Faktoren zerstören. Dadurch wird die Faktorersatztherapie weniger effektiv. Falls Antikörper im Blut eines Menschen mit Hämophilie entdeckt werden, kann entweder die Dosis des rekombinanten Faktors oder Plasmakonzentrats erhöht werden, oder es werden andere Gerinnungsfaktoren bzw. Medikamente zur Verringerung der Antikörper verabreicht.