Drainage eines Zahnabszesses

VonPeter J. Heath, DDS, MD, American Board of Oral and Maxillofacial Surgery
Überprüft/überarbeitet Juli 2022
Aussicht hier klicken.

Intraorale Inzision und Drainage eines unkomplizierten Zahnabszesses dienen der Schmerzlinderung und der Begrenzung einer weiteren und tieferen Ausbreitung der Infektion.

Indikationen

  • Parodontaler oder periapikaler Abszess oder Zellulitis (d. h., die als periapikaler Abszess begann und sich nun auf angrenzende Weichteile ausbreitet)

Gegenanzeigen

Absolute Kontraindikationen

  • Anzeichen einer sich schnell ausbreitenden Infektion (z. B. hohes Fieber, Tachykardie, Tachypnoe) oder einer Obstruktion der oberen Atemwege (z. B. Stridor, gedämpfte Stimme): Solche Patienten sollten rasch untersucht und in einer Notaufnahme behandelt werden.

  • Ausbreitung der Infektion auf die Hautoberfläche: Solche Patienten sollten an einen Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgen überwiesen werden, um den Abszess extraoral zu inzidieren und zu drainieren.

Relative Kontraindikationen

  • Infektion im Bereich des Nadeleinstichs: Verwenden Sie eine Nervenblockade oder eine andere Anästhesie.

  • Koagulopathie*: Wenn möglich, vor dem Eingriff korrigieren.

  • Schwangerschaft: Eine Behandlung im 1. Trimenon ist nach Möglichkeit zu vermeiden.

* Eine therapeutische Antikoagulation (z. B. bei Lungenembolie) erhöht das Blutungsrisiko bei zahnärztlichen Eingriffen, aber dies muss gegen das erhöhte Thromboserisiko (z. B. Schlaganfall) abgewogen werden, wenn die Antikoagulation beendet wird. Besprechen Sie jede beabsichtigte Umstellung mit dem Arzt, der die Antikoagulation des Patienten durchführt, und anschließend mit dem Patienten.

Komplikationen

  • Komplikationen bei lokaler Anästhesie

  • Ausbreitung der Infektion

  • Unzureichende Drainage des Abszesses

Ausrüstung

  • Zahnarztstuhl oder eine Trage

  • Lichtquelle für die intraorale Beleuchtung

  • Sterile Handschuhe

  • Maske und Schutzbrille oder Gesichtsschutz

  • Mulltupfer

  • Wattestäbchen

  • Zahnspiegel oder Zungenspatel

  • Absaugung

  • Antiseptische Mundspülung (z. B. Chlorhexidin, 0,12%)

  • Skalpell (Klinge Größe 11 oder 15)

  • Retraktoren (z. B. Minnesota-Wangenhalter, oder Zungenhalter)

  • Nadelhalter

  • Gefäßklemme

  • Nahtmaterial (z. B. 3-0 Seide oder anderes weiches, nicht resorbierbares Nahtmaterial)

  • Penrose-Drainage (1 cm) oder Ersatz (z. B. ein aus einem sterilen Handschuh geschnittener Streifen)

Ausrüstung für die Lokalanästhesie:

  • Topische Anästhesiesalbe* (z. B. Lidocain 5%, Benzocain 20%)

  • Injizierbares Lokalanästhetikum wie Lidocain 2% mit oder ohne Adrenalin† 1:100.000 oder bei längerer Anästhesie Bupivacain 0,5% mit oder ohne Adrenalin† 1:200.000

  • Zahnärztliche Ansaugspritze (mit engem Zylinder und maßgeschneiderten Injektionspatronen für Anästhetika) oder andere Spritze mit engem Zylinder (z. B. 3 ml) und Verriegelungsnabe

  • 25- oder 27-Gauge-Nadel: 2 cm lang für supraperiostale Infiltration; 3 cm lang für Nervenblockaden

* CAVE: Alle topischen Anästhetika werden von den Schleimhäuten absorbiert, und bei Überschreiten der Dosisgrenzen kann es zu Toxizität kommen. Salben sind leichter zu kontrollieren als weniger konzentrierte topische Flüssigkeiten und Gele. Ein Überschuss an Benzocain kann selten eine Methämoglobinämie verursachen.

† Maximale Dosis von Lokalanästhetika: Lidocain ohne Adrenalin, 5 mg/kg; Lidocain mit Adrenalin, 7 mg/kg; Bupivacain, 1,5 mg/kg. MERKE: Eine 1%ige Lösung (einer Substanz) entspricht 10 mg/ml (1 g/100 ml). Adrenalin verursacht eine Vasokonstriktion, die die anästhetische Wirkung verlängert. Patienten mit einer Herzerkrankung sollten nur begrenzte Mengen an Adrenalin erhalten (maximal 3,5 ml einer Lösung mit einem Adrenalinanteil von 1:100.000); alternativ kann ein Lokalanästhetikum ohne Adrenalin verwendet werden.

Weitere Überlegungen

  • Die Injektion eines Lokalanästhetikums in einen Abszess kann (aufgrund des niedrigen pH-Werts) unwirksam sein, sodass mehr Lösung als üblich erforderlich sein kann. Achten Sie darauf, die Höchstdosis nicht zu überschreiten. Bei lokalen Injektionen besteht außerdem die Gefahr, dass sich die Infektion ausbreitet, weshalb eine Nervenblockade, eine Sedierung oder eine andere Anästhesie vorzuziehen ist. Lokale Infiltrationen können in nicht infiziertes Gewebe in der Nähe eines Abszesses gelegt werden, wenn dies zur Ergänzung einer Nervenblockade erforderlich ist.

  • Führen Sie eine periapikale oder panographische Röntgenaufnahme durch, um den Ursprung der Infektion, die Lage und das Ausmaß der Knochenzerstörung sowie die Art und das Ausmaß des Abszesses festzustellen.

  • Eine Antibiotikaprophylaxe gegen Endokarditis sollte bei bestimmten Hochrisikopatienten vor der Drainage eines Zahnabszesses erfolgen.

  • Eine mikrobiologische Untersuchung ist bei lokalisierten Abszessen in der Regel nicht erforderlich, sollte aber durchgeführt werden, wenn der Patient immungeschwächt ist, wenn die Infektion rezidivierend ist oder wenn der Patient eine vorherige chirurgische/antibiotische Therapie nicht vertragen hat.

Relevante Anatomie

Zu den Abszessen, die durch intraorale Inzisionen drainiert werden, gehören:

  • Parodontalabszess, der zwischen dem Zahn und dem Zahnfleischsaum entsteht, mit möglicher Ausdehnung in angrenzende Faszienräume (z. B. vestibulärer oder bukkaler Raum)

  • Periapikaler Abszess, der sich durch den Zahn, aus der Wurzelspitze heraus, durch den umgebenden Knochen und in die umgebenden Weichteile/Faszienräume ausgebreitet hat

Positionierung

  • Bringen Sie den Patienten in eine geneigte Position, wobei sich der Kopf des Patienten auf Höhe Ihrer Ellbogen befindet und der Hinterkopf gestützt wird.

  • Für den Unterkiefer wird eine halb liegende Sitzposition eingenommen, bei der die untere Okklusionsebene bei geöffnetem Mund ungefähr parallel zum Boden liegt.

  • Beim Oberkiefer wird eine eher liegende Position eingenommen, bei der die obere Okklusionsebene etwa 60 bis 90 Grad zum Boden zeigt.

  • Drehen Sie den Kopf und strecken Sie den Hals so, dass die Abszessstelle zugänglich ist.

Schritt-für-Schritt-Beschreibung der Verfahren

  • Tragen Sie sterile Handschuhe, eine Maske und eine Schutzbrille oder einen Gesichtsschutz.

  • Retrahieren Sie die Weichteile (z. B. Wange oder Zunge), um den Abszess freizulegen.

Anästhesie durchführen

  • Verwenden Sie Gaze, um den Bereich gründlich zu trocknen. Saugen Sie die Stelle bei Bedarf ab, um sie trocken zu halten. Verwenden Sie je nach Bedarf einen Wangen- oder Zungenretraktor, um den Bereich zu visualisieren.

  • Tragen Sie das Lokalanästhetikum mit einem Wattestäbchen auf und warten Sie 2 bis 3 Minuten, bis die Anästhesie eintritt.

  • Führen Sie eine ortsgerechte Nervenblockade durch, aber nur, wenn die Anästhesienadel die Infektion nicht in nicht infiziertes Gewebe verschleppt (siehe Durchführung einer Blockade des N. alveolaris inferior, Durchführung einer infraorbitalen Nervenblockade, intraoral; Durchführung einer Blockade des N. mentalis oder Durchführung einer supraperiostalen Infiltration).

  • Alternativ (oder wenn die Nervenblockade nicht ausreicht) führen Sie eine lokale Infiltration (Feldblockade) um den Abszess herum durch: Spritzen Sie 1 bis 2 ml in die Schleimhaut vor und hinter dem Abszess und dann an Stellen entlang des Umfangs. Führen Sie die Nadel nicht in infiziertes Gewebe ein.

  • Lassen Sie dem Anästhetikum genügend Zeit, um zu wirken (5 bis 10 Minuten).

  • Während Sie auf das Einsetzen der Anästhesie warten, lassen Sie den Patienten eine 30-sekündige Mundspülung mit 0,12% Chlorhexidin durchführen. Wenn Chlorhexidin nicht verfügbar ist, tupfen Sie die Inzisionsstelle mit Povidon-Jod ab.

  • Ziehen Sie bei Bedarf eine Sedierung oder eine andere Anästhesie in Betracht.

Inzision und Drainage des Abszesses

  • Palpieren Sie den Abszess, um seine Ausdehnung und den Bereich zu bestimmen, in dem eine möglichst vollständige Drainage erreicht werden kann.

  • Führen Sie einen 1 bis 2 cm langen Einschnitt in den Abszess in der Nähe seiner beweglichsten Stelle durch, aber nach Möglichkeit nicht in nekrotisches oder brüchiges Gewebe. Versuchen Sie, senkrecht zum darunter liegenden Knochen einzudringen.

  • Saugen Sie den austretenden Eiter ab und entfernen Sie ihn mit Hilfe von Gazekompressen.

  • Führen Sie eine Gefäßklemme in die gesamte Tiefe des Abszesses ein. Öffnen Sie die Klemmbacken, um eventuelle Taschenbildungen zu entfernen. Tun Sie dies in mehrere Richtungen, um den gesamten Raum zu öffnen. Sobald die Klemmbacken geöffnet sind, dürfen sie nicht mehr geschlossen werden, solange sie sich im Abszess befinden, um Quetschungen lebenswichtiger Strukturen zu vermeiden und die Klemmbacken offen zu halten, während Sie die Gefäßklemme entfernen.

  • Spülen Sie den Abszess mit steriler Kochsalzlösung ausgiebig mit einer großen Spritze, an der ein i.v. Katheter aus Kunststoff befestigt ist. Spülen Sie nicht gewaltsam, sondern achten Sie darauf, dass die zugeführte Flüssigkeit passiv zurückfließt und aufgesaugt wird.

  • Bei größeren Infektionen führen Sie ein Segment der Penrose-Drainage (1 cm Durchmesser) oder einen Ersatz (z. B. einen abgeschnittenen Streifen eines sterilen Handschuhs) bis zur vollen Tiefe des Abszesses ein und sichern es mit einer einzelnen nicht resorbierbaren Naht (z. B. 3-0 Seide) im gesunden Gewebe nahe dem Rand der Inzision.

Nachsorge

  • Weisen Sie den Patienten an, häufig warme, feuchte Kompressen anzulegen, ein NSAR (nichtsteroidales Antirheumatikum, z. B. Ibuprofen 400 mg alle 6 Stunden) einzunehmen und den Mund 3 bis 5 Tage lang (oder bis zum nächsten Termin) alle 2 bis 3 Stunden mit warmem Salzwasser auszuspülen, um die lokale Durchblutung anzuregen und die Schmerzen zu lindern.

  • Patienten mit Diabetes sollten ihren Blutzucker sorgfältig überwachen.

  • Wenn die Infektion nicht sehr lokalisiert war, geben Sie ein orales Antibiotikum (z. B. Amoxicillin 500 mg 3-mal täglich für 7 Tage oder Clindamycin 300 mg 4-mal täglich für 7 Tage).

  • Ermutigen Sie Patienten mit einer schweren Infektion, zusätzliche Flüssigkeit und Nahrung zu sich zu nehmen (d. h., um die schlechte orale Aufnahme vor der Behandlung der Infektion auszugleichen und die Heilung zu unterstützen).

  • Vereinbaren Sie eine zahnärztliche Nachuntersuchung in 1 bis 2 Tagen, um die Drainage zur Entfernung zu beurteilen.

Warnungen und häufige Fehler

  • Eine zu kleine Inzision führt in der Regel zum Einreißen der Schleimhaut; wählen Sie lieber eine zu lange Inzision (mindestens 1 bis 2 cm).

  • Ein nicht ausreichend tiefer Einschnitt behindert eine wirksame Drainage. Im Allgemeinen muss mindestens bis zur Tiefe der Schwellung oder bis zum Knochen geschnitten werden (besonders wichtig bei Abszessen, die sich durch Dissektion unter der Knochenhaut ausgebreitet haben).

  • Bei einem Abszess in der Nähe des N. infraorbitalis oder des N. mentalis ist der Schnitt so anzulegen, dass diese Strukturen nicht verletzt werden, und der Abszess ist vorsichtig zu entfernen.

Tricks und Tipps

  • Wenn die anfängliche Anästhesie suboptimal ist, können eine vorbereitende Drainage und eine ausgiebige Spülung zur Entfernung von Eiter den pH-Wert verbessern, sodass ein zusätzliches Lokalanästhetikum besser wirken kann.