Kompartmentsyndrom

VonDanielle Campagne, MD, University of California, San Francisco
Überprüft/überarbeitet Dez. 2022
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Unter einem Kompartmentsyndrom versteht man einen erhöhten Gewebedruck innerhalb eines festen Faszienkompartments mit einer Gewebischämie als Folge. Erstes Anzeichen ist ein überproportional großer, in keinem Verhältnis zur Verletzung stehender Schmerz. Die Diagnose ist klinisch und wird in der Regel durch die Messung des Kammerdrucks bestätigt. Die Behandlung besteht in der Fasziotomie.

Das Kompartmentsyndrom ist eine sich selbst unterhaltende Kaskade einzelner pathologischer Prozesse. Sie beginnt mit einem Gewebsödem, das sich normal nach einer Verletzung entwickelt, z. B. durch eine Weichteilschwellung oder ein Hämatom. Tritt ein solches Ödem innerhalb eines geschlossenen Faszienkompartments auf, und zwar typischerweise in den vorderen oder hinteren Kompartmenten des Beines, steht für diese Ausdehnung nicht genügend Raum zu Verfügung, sodass der interstitielle (Kompartment-) Druck steigt. Übersteigt der Druck innerhalb des Kompartments den normalen Kapillardruck um ca. 8 mmHg, wird die zelluläre Perfusion verlangsamt und kann schließlich sistieren. (MERKE: Da 8 mmHg wesentlich weniger sind als der arterielle Blutdruck, kann die zelluläre Perfusion lange vor einem Verschwinden der Pulse aufhören.) Die entstehende Gewebeischämie verschlimmert in einem Circulus vitiosus das Ödem zusätzlich.

Wenn die Ischämie fortschreitet, werden Muskeln nekrotisch, was manchmal zu Rhabdomyolyse, Infektionen und Hyperkalzemie führt; diese Komplikationen können einen Verlust von Gliedmaßen verursachen und unbehandelt zum Tod führen. Hypotonie oder arterielle Insuffizienz können die Gewebedurchblutung sogar bei leicht erhöhte Kompartmentdrücke beeinträchtigen, was zu einer Verschlechterung des Kompartmentsyndroms führt. Kontrakturen können sich nachdem das nekrotische Gewebe verheilt ist entwickeln.

Das Kompartment-Syndrom ist in erster Linie eine Erkrankung der Extremitäten und findet sich am häufigsten im unteren Schenkel und dem Unterarm. Allerdings kann das Kompartmentsyndrom auch an anderen Stellen (z. B. Oberarm, Bauch, Gesäß) auftreten.

Ätiologie des Kompartmentsyndroms

Häufige Ursachen des Kompartmentsyndroms sind unter anderem

  • Frakturen

  • Starke Quetschungen oder Quetschverletzungen

  • Reperfusionsschaden nach Gefäßverletzung und Opeation

Zu den seltenen Ursachen gehören Schlangenbisse, Verbrennungen, starke Überbelastung, Drogenüberdosis (von Heroin oder Kokain), Gipsverbände, enge Bandagen und andere steife und feste Verbände, die eine Schwellung unterbinden und somit den Kompartmentdruck erhöhen. Längerer Druck auf einen Muskel während eines Komas kann Rhabdomyolyse zur Folge haben.

Symptome und Beschwerden des Kompartmentsyndroms

Das früheste Symptom des Kompartmentsyndroms ist

  • Verschlechterung der Schmerzen

Er steht typischerweise in keinem Verhältnis zur Schwere der Verletzung und kann durch passive Dehnung der Muskeln innerhalb des Kompartmentes (z. B. im vorderen Unterschenkelkompartment durch passive Plantarflexion des Gelenks und durch passive Zehenbeugung, die das anterolaterale Muskelkompartiment streckt) verschlimmert werden. Außer Schmerz, einem der wichtigsten 5 Symptome der Gewebeischämie, gibt es noch vier weitere Symptome: Parästhesien, Lähmungen, Blässe und Pulslosigkeit. Die Kompartmente sind bei Palpation angespannt.

Tipps und Risiken

  • Wenn der Schmerz heftiger ist als für die Schwere der Verletzungen offensichtlich zu erwarten wäre, ziehen Sie das Kompartmentsyndrom in Betracht; prüfen Sie auf Schmerzattacken mit passiver Muskeldehnung, und wenn Kompartimente spürbar sind, prüfen Sie auf Verspannungen.

Diagnose des Kompartmentsyndroms

  • Messung des Kompartmentdrucks

Die Diagnose des Kompartmentsyndroms muss gestellt und die Behandlung begonnen werden, bevor Blässe und Pulslosigkeit als Zeichen einer Nekrose auftreten. (Siehe auch So Messen Sie den Kompartmentdruck im Unterarm und So messen Sie den Kompartmentdruck im Unterbein.) Eine klinische Bewertung ist aus unterschiedlichen Gründen schwierig:

  • Typische Symptome und Befunde können fehlen.

  • Befunde sind nicht spezifisch, da ähnliche Ergebnisse manchmal von der Fraktur selbst verursacht werden.

  • Viele Traumapatienten haben einen veränderten mentalen Status aufgrund anderer Verletzungen und/oder Sedierung.

Daher müssen Ärzte bei Patienten mit Risiko für Verletzungen einen niedrigen Grenzwert bei der Messung des Kompartmentdruckes festlegen (Normwert 8 mmHg), üblicherweise mit einem handelsüblichen Druckmonitor. Das Kompartmentsyndrom wird bestätigt, wenn der kompartmentale Druck mehr als etwa 30 mmHg beträgt oder innerhalb von etwa 30 mmHg von diastolischem Blutdruck ist.

(Siehe auch die klinische Praxisleitlinie der American Academy of Orthopaedic Surgeons für die Behandlung des akuten Kompartmentsyndroms).

Behandlung des Kompartmentsyndroms

  • Fasziotomie

  • Überwachung des Kaliumspiegels und Behandlung der Hyperkaliämie nach Bedarf

  • Behandlung der Rhabdomyolyse nach Bedarf

Die anfängliche Behandlung des Kompartmentsyndroms besteht in der Entfernung jeglicher einengenden Struktur (z. B. Gips, Schiene) um das Körperglied, Korrektur von Hypotonie, Analgesie und zusätzlicher Sauerstoff nach Bedarf. Der Kaliumspiegel wird überwacht und die Patienten werden je nach Bedarf gegen Hyperkaliämie und Rhabdomyolyse behandelt.

In der Regel, es sei denn der Raumdruck nimmt rasch ab und die Symptome klingen ab, wird dringend eine Fasziotomie erforderlich. Eine Fasziotomie sollte durch große Hautschnitte durchgeführt werden, um alle Faszien-Kompartimente in der Extremität zu öffnen und so den Druck zu entlasten. Alle Muskeln sollten sorgfältig auf Lebensfähigkeit untersucht werden, und jedes nicht-lebensfähige Gewebe sollte debridiert werden.

Eine Amputation ist angezeigt, wenn die Nekrose umfangreich ist.

Wichtige Punkte

  • Sobald der Prozess, der das Kompartmentsyndrom auslöst, beginnt, neigt das Kompartmentsyndrom dazu im Schweregrad zuzunehmen.

  • Ziehen Sie das Kompartmentsyndrom in Betracht, wenn die Schmerzen in keinem Verhältnis zu der Schwere der Verletzung zu stehen scheinen, und wenn sich diese durch passive Dehnung der Muskeln innerhalb des Kompartiments verschlimmern, oder wenn das Kompartiment angespannt ist.

  • Messen Sie den Druck im Kompartiment, um die Diagnose zu bestätigen; ein Befund von mehr als etwa 30 mmHg oder innerhalb von etwa 30 mmHg diastolischer Blutdruck bestätigt diese.

  • Eine Fasziotomie muss so schnell wie möglich durchgeführt werden, sei denn die Störung behebt sich schnell nach der ersten Behandlung.

Weitere Informationen

Die folgenden englischsprachigen Quellen können nützlich sein. Bitte beachten Sie, dass das MSD-Manual nicht für den Inhalt dieser Quellen verantwortlich ist.

  1. American Academy of Orthopaedic Surgeons clinical practice guideline for the management of acute compartment syndrome