DNA-Varianten und Mutationen

VonQuasar S. Padiath, MBBS, PhD, University of Pittsburgh
Überprüft/überarbeitet Juni 2023
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Bestimmte Situationen stellen abweichende Vererbungsmuster dar, oft weil die Gene oder die Chromosomen verändert sind. Allerdings sind einige dieser Veränderungen, wie z. B. das Mosaik, relativ häufig. Andere, wie die Polymorphismen, sind so häufig, dass sie als normale Varianten betrachtet werden können

(Siehe auch Übersicht über Genetik.)

Mutationen und Polymorphismen

Variationen in der DNA können spontan oder in Abhängigkeit von zellulären Schädigungen auftreten (z. B. Strahlung, mutagene Medikamente, Viren). Einige Varianten werden durch die DNA-Fehlerkorrektur-Mechanismen der Zelle repariert. Andere Varianten werden nicht repariert und können anschließend an replizierte Zellen weitergegeben werden; in solchen Fällen wird die Variation als Mutation bezeichnet. Allerdings können die Nachkommen die Mutation nur erben, wenn die Keimzellen betroffen sind. Definierte Mutationen können nur einmal bei einer Person oder einer Familie auftreten. Die meisten Mutationen sind selten.

Polymorphismen beginnen als Mutationen. Sie sind Variationen in der DNA, die häufig in einer Bevölkerung (mit einer Prävalenz von ≥ 1%) vorkommen durch ausreichende Weitergabe oder andere Mechanismen. Die meisten Polymorphismen sind stabil und ändern nicht merklich den Phänotyp. Ein gängiges Beispiel sind die Blutgruppen (A, B, AB und O).

Mutationen (einschließlich Polymorphismen) sind zufällige Veränderungen in der DNA. Viele Mutationen haben wenig Einfluss auf die Zellfunktion. Einige Mutationen verändern die Zellfunktion, oft in einer schädlichen Art und Weise, und einige sind tödlich für die Zelle. Beispiele für nachteilige Veränderungen in der Zellfunktion sind Mutationen, die Krebs verursachen, indem sie Onkogene erzeugen oder aktivieren oder Tumor-Suppressor-Gene verändern (siehe Molekulare Veränderungen). Selten bedeutet eine Änderung in der Zellfunktion einen Überlebensvorteil. Diese Mutationen werden an die Nachkommen weitergegeben. Die Mutation, die Sichelzellenanämie auslöst, verleiht zugleich Resistenz gegen Malaria. Diese Resistenz war ein klarer Überlebensvorteil in Gebieten, in denen Malaria endemisch und oft tödlich war. Aber dadurch, dass sich Symptome und Komplikationen der Sichelzellenanämie zeigen, hat die Mutation auch eine schädliche Wirkung, wenn sie homozygot auftritt.

Wann und in welchem Zelltyp Mutationen auftreten, kann bestimmte Anomalien in den Vererbungsmustern erklären. Typischerweise erwartet man, dass eine autosomal-dominant vererbte Störung in einem oder beiden Elternteilen eines betroffenen Person vorhanden ist. Allerdings können einige Erkrankungen bei der autosomal-dominanten Vererbung scheinbar neu (de novo) auftreten (bei Menschen, deren Eltern einen normalen Phänotyp haben). Bei rund 80% der Patienten mit achondroplastischem Zwergwuchs gab es vorher noch nie Zwergwuchs in der Familie, es handelt sich somit um eine Neumutation Bei vielen dieser Menschen ist die Ursache eine spontane Mutation, die zu einem ganz frühen Zeitpunkt der Embryonalphase stattfindet. In diesem Fall haben andere Nachkommen kein erhöhtes Risiko für diese Erkrankung. Jedoch entwickelt sich bei einigen von ihnen die Störung durch eine Keimzellmutation bei den Eltern (z. B. ein autosomal-dominantes Gen bei einem Elternteil mit unauffälligem Phenotyp). Wenn dies der Fall ist, haben andere Nachkommen ein erhöhtes Risiko, die Mutation vererbt zu bekommen.

Mosaik

Mosaizismus tritt auf, wenn

  • Eine Person, die von einer einzelnen befruchteten Eizelle ausgeht, entwickelt 2 Zelllinien, die sich im Genotyp unterscheiden.

Ein Mosaik ist die normale Folge einer X-Inaktivierung bei Frauen. Bei den meisten Frauen haben einige Zellen ein inaktives mütterliches X, und andere Zellen ein inaktives väterliches X. Mosaike können auch von Mutationen herrühren. Mutationen können in jedem großen vielzelligen Organismus während der Zellteilung auftreten. Jedes Mal, wenn sich eine Zelle teilt, finden voraussichtlich 4 oder 5 Änderungen in der DNA statt. Da diese Änderungen an nachfolgende produzierte Zellen weitergegeben werden, haben große Vielzeller Subklone von Zellen, die leicht unterschiedliche Genotypen aufweisen.

Ein Mosaik kann Ursache für Erkrankungen sein, bei denen fleckförmige Änderungen auftreten. Beim McCune-Albright-Syndrom kommt es z. B. zu fleckförmigen dysplastischen Knochenveränderungen, Anomalien endokriner Drüsen, Pigmentflecken sowie gelegentlich zu Herz- oder Leberanomalien. Eine McCune-Albright-Mutation in allen Zellen würde früh zum Tod führen, doch weil das erkrankte von normalem Gewebe unterstützt wird, können Menschen mit genetischem Mosaik überleben. Gelegentlich scheint bei einem Elternteil die leichte Form einer Einzelgenstörung vorzuliegen, während es sich in Wirklichkeit um ein Mosaik handelt. Falls Nachkommen eine Keimzelle mit dem mutierten Allel erhalten haben, sodass die Anomalie in allen Zellen vorhanden ist, sind sie stärker betroffen.

Chromosomenanomalien sind meist tödlich für den Fetus. Allerdings tritt ein chromosomales Mosaik bei einigen Embryonen auf, was zu einigen chromosomal normalen Zellen führt, die es ermöglichen, dass die Nachkommen lebend geboren werden. Chromosomale Mosaike können anhand von pränatalen Gentests erkannt werden, insbesondere durch die Chorionzottenbiopsie.

Zusätzliche oder fehlende Chromosomen

Abnormale Zahlen von Autosomen (Chromosomen, die keine Geschlechtschromosomen sind) führen meist zu schweren Anomalien. Zum Beispiel verursachen zusätzliche Autosomen Anomalien wie das Down-Syndrom und andere schwere Syndrome oder sie führen zum Tod des Fetus. Das Fehlen eines Autosoms ist in der Regel tödlich für den Fetus. Chromosomenanomalien können in der Regel vor der Geburt diagnostiziert werden.

Aufgrund der X-chromosomalen Inaktivierung ist eine abnormale Anzahl von X-Chromosomen in der Regel wesentlich weniger schädlich als eine abnorme Anzahl von Autosomen. Zum Beispiel sind die Anomalien, die sich aus dem Fehlen eines X-Chromosoms ergeben, meist relativ gering (z. B. Turner-Syndrom). Auch Frauen mit 3 X-Chromosomen (Trisomie-X) sind oft körperlich und geistig normal; nur ein X-Chromosom des genetischen Materials ist voll aktiv, selbst wenn eine Frau > 2 X-Chromosomen hat (wobei die zusätzlichen X-Chromosomen auch teilweise inaktiviert sind).

Uniparentale Disomie

Uniparentale Disomie tritt auf, wenn

  • Beide Chromosomen wurden von nur einem Elternteil vererbt.

Sie ist sehr selten und wird als Rettungsversuch einer Trisomie angesehen: eine Zygote hat ursprünglich eine Trisomie (mit 3 statt 2 eines bestimmten Chromosoms), und eines der 3 kommt abhanden. Dies ist ein Vorgang, der zu uniparenteraler Disomie führt, wenn die 2 übrig bleibenden Chromsomen vom selben Elternteil stammen (dies geschieht in einem Drittel der Fälle).

Uniparentale Disomie kann abnormale Phänotypen und Vererbungsmuster verursachen. Zudem können z. B. auch Duplikate desselben Chromosoms (Isodisomie) vorhanden sein, und sollten sie ein Allel für eine autosomal-rezessive Krankheit tragen, haben die Betroffenen unter Umständen eine autosomal-rezessive Krankheit, obwohl nur ein Elternteil Träger ist. Uniparentale Disomie kann zu einer prägenden Störung führen, wenn das disome Chromosom zum Verlust von geeigneten Expressionen eines kritisch geprägten Bereichs führt (z. B. kann das Prader-Willi-Syndrom aus mütterlicher Isodisomie des Chromosom 15 auftreten).

Chromosomale Translokation

Chromosomale Translokation ist

  • Austausch von Chromosomenteilen zwischen ungepaarten (nicht-homologen) Chromosomen.

Wenn Chromosomen gleiche Teilen genetischen Materials austauschen, wird die Translokation als balanciert beschrieben. Unbalancierte Translokationen führen zum Verlust von chromosomalem Material, meist die kurzen Arme zweier verbundener Chromosomen, sodass nur 45 Chromosomen übrig bleiben.

Die meisten Menschen mit Translokationen sind phänotypisch normal. Translokationen können jedoch Leukämie verursachen oder mit verursachen (akute myeloische Leukämie [AML], aber auch chronische myeloische Leukämie [CML]) oder das Down-Syndrom. Translokationen erhöhen das Risiko für Chromosomenstörungen beim Kind, besonders bei nicht-balancierten Translokationen. Weil Chromosomenanomalien oft tödlich für einen Embryo oder einen Fetus sind, kann eine elterliche Translokation zu ungeklärten wiederholten Fehlgeburten oder zur Unfruchtbarkeit führen.

Triplett-Wiederholungsstörungen (Trinukleotid-Wiederholungsstörungen)

Eine Triplett-Wiederholungsstörung ergibt sich, wenn

  • Ein Triplett von Nukleotiden wird innerhalb eines Gens abnormal oft wiederholt (manchmal bis zu mehreren hundert Mal)

Die Zahl der Trinukleotide kann sich erhöhen, wenn das Gen von einer Generation auf die nächste übertragen wird oder wenn sich Zellen im Körper teilen. Wenn sich die Tripletts ausreichend erhöhen, hören die Gene auf normal zu funktionieren oder produzieren abnorme Proteinprodukte. Trinukleotid-Repeat-Erkrankungen sind nicht häufig, treten aber bei neurologischen Erkrankungen (z. B. bei myotoner Dystrophie oder fragilem X-Syndrom) und besonders bei solchen mit Beteiligung des Zentralnervensystems auf (z. B. Chorea Huntington). Trinukleotide können durch Techniken wie die DNA-Analyse nachgewiesen werden.

Antizipation

Eine Antizipation liegt vor, wenn eine Krankheit in jeder nachfolgenden Generation in noch früherem Alter beginnt und immer stärker in Erscheinung tritt. Es könnte sich z. B. um eine Antizipation handeln, wenn ein Elternteil ein chromosomales Mosaik hat und sämtliche Zellen des Kindes die vollständige Mutation aufweisen. Die Antizipation kann auch darin bestehen, dass bei einer Trinukleotid-Repeat-Erkrankung die Zahl der Wiederholungen steigt und daher die Ausprägung des Phänotyps von Generation zu Generation stärker wird.

Wichtige Punkte

  • Eine scheinbar autosomal-dominante Mutation kann spontan entstehen und kann somit nicht ein erhöhtes Risiko bei Geschwistern anzeigen.

  • Leichter Veränderungen bei Störungen können Mosaizismus widerspiegeln.

  • Chromosomale Translokationen können auch keine phänotypischen Auswirkungen haben, oder können zu Leukämien, Down-Syndrom, Fehlgeburten oder Chromosomenanomalien bei den Nachkommen führen.

  • Erbkrankheiten können schwerer werden und früher im Leben ausbrechen, mit aufeinander folgenden Generationen, manchmal aufgrund von Triplett-Repeat-Erkrankungen.