Übersicht über Porphyrien

VonHerbert L. Bonkovsky, MD, Wake Forest University School of Medicine;
Sean R. Rudnick, MD, Wake Forest University School of Medicine
Überprüft/überarbeitet Dez. 2022
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Porphyrien sind seltene Erkrankungen, bei denen Defekte im Häm-Syntheseweg durch genetische oder erworbene Defizite von Enzymen des Häm-Biosyntheseweges auftreten. Diese Defizite in Verbindung mit anderen Faktoren, insbesondere der Hochregulierung des ersten und normalerweise geschwindigkeitskontrollierenden Schritts in diesem Signalweg, führen zu einer Anhäufung von Häm-Vorläufern und damit zu Toxizität. Porphyrien werden durch die spezifischen Enzymdefekte definiert. Es gibt zwei wesentliche klinische Manifestationen: Neuroviszerale Störungen (akute Porphyrien) und kutane Photosensibilität (kutane Porphyrien).

Häm, ein eisenhaltiges Pigment, ist ein wesentlicher Kofaktor zahlreicher Hämoproteine. Praktisch alle Zellen des menschlichen Körpers erfordern und synthetisieren Häm. Das meiste Häm (~ 85%) wird jedoch (durch Erythroblasten und Retikulozyten) im Knochenmark synthetisiert und in das Hämoglobin eingebaut. Die Leber ist das zweithäufigste aktive Zentrum der Häm-Synthese, von dem das meiste in Cytochrom-P-450-Enzyme eingebaut wird. Für die Hämsynthese werden 8 Enzyme benötigt (siehe Tabelle Substrate und Enzyme des Häm-Biosynthesewegs). Diese Enzyme produzieren und transformieren Molekülspezies, die Porphyrinogenen oder Porphyrine genannt werden (und deren Vorstufen); eine Akkumulation dieser Substanzen bewirkt die klinische Manifestation der Porphyrie.

Ätiologie der Porphyrien

Mit Ausnahme des sporadischen Typs der Porphyria cutanea tarda (PCT, bei der es auch einen vererbten Typ gibt), sind die Porphyrien Erbkrankheiten. Eine autosomal-dominante Vererbung ist am häufigsten.

Bei den autosomal-dominanten Porphyrien können homozygote oder vermischte heterozygote Zustände (d. h. 2 separate heterozygote Mutationen, eine in jedem Allel desselben Gens beim selben Patienten) mit dem Leben unvereinbar sein, was in der Regel den fetalen Tod verursacht. Die Penetranz der Krankheit in den Heterozygoten variiert; deswegen ist der klinische Ausdruck der Krankheit weniger häufig als die genetische Prävalenz. Von den beiden häufigsten Porphyrien ist akute intermittierende Porphyrie (AIP) autosomal dominant und etwa 20% der PCT-Fälle sind autosomal dominant. Die Prävalenz der PCT ist etwa 1 in 10.000. Die Prävalenz der verursachenden Genmutation für AIP ist etwa 1 in 1500; da die Penetranz jedoch niedrig ist, liegt die Prävalenz der klinischen Erkrankung auch bei etwa 1 in 10.000. Die Prävalenz der PCT und der AIP schwankt stark zwischen Regionen und ethnischen Gruppen.

Bei den autosomal-rezessiven Porphyrien, verursachen nur homozygote oder vermischte heterozygote Zustände die Krankheit. Erythropoetische Protoporphyrie, die dritthäufigste Porphyrie, ist autosomal-rezessiv.

Eine X-linked-Vererbung erfolgt bei einer der Porphyrien: X-chromosomale Protoporphyrie.

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Pathophysiologie der Porphyrien

Porphyrien entstehen aufgrund eines Defekts der letzten sieben Enzyme der Häm-Biosynthese oder durch erhöhte Aktivität der erythroiden Form des ersten Enzyms in der Biosynthese, ALA-Synthase 2 (ALAS 2). (Ein Defekt des ALAS 2 verursacht eher eine sideroblastische Anämie als eine Porphyrie.) Einzelne Gene kodieren jedes Enzym; jede einzelne der vielfältigen möglichen Mutationen kann den Gehalt und/oder die Aktivität des Enzyms, welches durch dieses Gen kodiert wurde, verändern. Wenn ein Enzym der Häm-Biosynthese gestört oder nur mit mangelnder Aktivität vorkommt, können sein Substrat und jegliches andere Vorläuferprodukt des Häms, welches in der Regel durch dieses Enzym verändert wurde, im Knochenmark, in der Leber, in der Haut oder in anderen Geweben akkumulieren und toxische Auswirkungen haben. Die Vorläuferstufen können im Blut exzessive Werte aufweisen und werden mit dem Urin, der Gallenflüssigkeit oder dem Stuhl ausgeschieden.

Obwohl Porphyrien am genauesten nach dem fehlenden Enzym definiert werden, ist eine Klassifizierung nach dem Hauptort der Überproduktion von Häm-Vorläufern (Hepatozyten oder Erythrozyten) oder nach den wichtigsten klinischen Merkmalen (akut oder kutan) oft nützlich.

Akute Porphyrien manifestieren sich als intermittierende Anfälle von starken Schmerzen. In der Regel haben die Patienten abdominelle, psychiatrische und neurologische Symptome. Akute Anfälle werden in der Regel durch Medikamente, gleichzeitige Erkrankungen, Alltagsstress und andere exogene Faktoren ausgelöst. Bei jungen Frauen ist auch die zyklische Hormonaktivität ein typischer Auslöser für akute Anfälle.

Kutane Porphyrien verursachen eher kontinuierliche oder intermittierende Symptome, zu denen eine kutane Photosensitivität zählt. Einige akute Porphyrien (hereditäre Koproporphyrie, Porphyria variegata) können ebenfalls eine kutane Manifestation zeigen. Aufgrund der unterschiedlichen Penetranz der heterozygoten Porphyrien ist das klinische Vorkommen der Krankheit seltener als ihre genetische Prävalenz (siehe Tabelle Die wichtigsten Merkmale der beiden häufigsten Porphyrien).

Eine Verfärbung des Urins (rot oder rötlich-braun) kann in der symptomatischen Phase aller Porphyrien auftreten, außer bei erythropoetischer Protoporphyrie (EPP) und bei ALAD-Mangel-Porphyrie. Die Verfärbung resultiert aus der Oxidation der Porphyrinogene zu ihren entsprechenden Porphyrinen, dem Porphyrinvorläufer Porphobilinogen (PBG) oder beidem. Manchmal entwickelt sich die Farbe, nachdem der Urin für Minuten bis Stunden in Luft oder Licht gestanden hat, was Zeit für eine nicht-enzymatische Oxidation lässt. Bei den akuten Porphyrien, außer bei ALAD-Mangel-Porphyrien, haben einer von drei Heterozygoten (häufiger bei Frauen als bei Männern) auch während der latenten Phase eine erhöhte Ausscheidung von PBG im Urin (und damit eine Urinverfärbung).

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Diagnose von Porphyrien

  • Blut- oder Urintests

Patienten, die Symptome einer Porphyrie aufweisen, werden mit Hilfe von Blut- oder Urintests auf Porphyrine oder die Porphyrinvorstufen Porphobilinogen (PBG) und Delta-Aminolävulinsäure (ALA; siehe Tabelle Screening auf Porphyrien) untersucht. Pathologische Werte dieser Screeningtests werden durch weitere Untersuchungen abgeklärt.

Asymptomatische Patienten, einschließlich Personen, bei denen der Verdacht besteht, dass sie Träger eines Gendefekts sind, oder Patienten zwischen zwei Anfällen, werden ganz ähnlich evaluiert. Dennoch sind die Tests unter diesen Umständen weniger sensibel; die Messung der Enzymaktivität in Erythrozyten und Leukozyten zeigt hier eine beträchtlich höhere Sensibilität. Allerdings sind Assays für viele der Enzyme des Stoffwechselwegs (z. B. Uroporphyrinogen-III-Cosynthase [Urogen-3-Synthase], Coproporphyrinogen-Oxidase [CPOX], Protoporphyrinogen-Oxidase [PPOX], Ferrochelatase [FECH]) nicht allgemein oder kommerziell verfügbar.

Die genetische Analyse ist sehr genau und sollte vorzugsweise innerhalb der Familien verwendet werden, wenn die Mutation bekannt ist. Genetische Tests werden bei den meisten Patienten mit den hereditären Formen der Porphyrie bekannte krankheitsassoziierte Mutationen aufdecken; bei einem kleinen Prozentsatz (~1%) der klinisch und biochemisch betroffenen Patienten wird der Gentest jedoch keine ursächliche Mutation aufdecken. Daher erfordert die korrekte Diagnose weiterhin eine sorgfältige Integration von klinischen, biochemischen und genetischen Ergebnissen. Pränatale Tests (einschließlich Amniozentese oder Chorionzottenbiopsie) sind möglich, aber selten indiziert.

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Sekundäre Porphyrinurie

Mehrere Krankheiten, die unabhängig von Porphyrie sind, können eine erhöhte Ausscheidung von Porphyrinen im Urin umfassen; dieses Phänomen wird als sekundäre Porphyrinurie beschrieben.

Hämatologische Erkrankungen, Leber-Krankheiten und Toxine (z. B. Alkohol, Benzol, Blei) können erhöhte Koproporphyrin-Ausscheidungen im Urin verursachen. Eine erhöhte Koproporphyrin-Ausscheidung im Urin kann bei jeder Leber-Erkrankung auftreten, weil die Galle eine der Wege der Porphyrin-Ausscheidung ist. Eine große Anzahl von Medikamenten und Chemikalien hemmen organische Anionentransporter, die normalerweise Porphyrine, insbesondere Coproporphyrine, in die Galle transportieren; häufige Beispiele sind Artesunat, Balsalazid, Benazepril, Chlorpropamid, Cortisol, Demeclocyclin, Diflunisal, Flavonoide, Irbesartan, Mefenaminsäure, Nitazoxanid, Penciclovir, Probenecid, Stiripentol, Telmisartan und Valsartan, unter anderem (1, 2). Solche Medikamente können auch zu einer Erhöhung der Porphyrinausscheidung im Urin führen. Uroporphyrin kann auch bei Patienten mit Leber-Erkrankungen erhöht sein. Protoporphyrin wird nicht im Urin ausgeschieden, weil es nicht wasserlöslich ist.

Erkrankungen, die eine sekundäre Porphyrinurie verursachen (ebenso wie Erkrankungen, die klinische Syndrome verursachen, die akute Porphyrien imitieren), erhöhen typischerweise nicht die Urinspiegel von ALA und PBG, sodass normale Spiegel von ALA und PBG helfen, sekundäre Porphyrinurie von akuten Porphyrien zu unterscheiden. Allerdings können einige Patienten mit Bleivergiftung einen erhöhten ALA-Gehalt im Urin aufweisen. Bei solchen Patienten sollte der Bleigehalt im Urin bestimmt werden. Wenn ALA und PBG im Urin normal oder nur leicht erhöht sind, sind die Messung der gesamten Porphyrine im Urin sowie eine Hochleistungs-Flüssigkeits-Chromatographie dieser Porphyrine hilfreich zur Differenzialdiagnose der Syndrome der akuten Porphyrie.

Coproporphyrin (CP) I und III und andere Biomarker können als selektive und sensitive Biomarker für bestimmte Arzneimittelwechselwirkungen nützlich sein (3–6). Darüber hinaus sind CP I und III potenzielle Biomarker, die das Fortschreiten der nichtalkoholischen Steatohepatitis (NASH) verfolgen können (7).

Literatur zur sekundären Porphyrinurie

  1. 1. An G, Wang X, Morris ME: Flavonoids are inhibitors of human organic anion transporter 1 (OAT1)-mediated transport. Drug Metab Dispos 42(9):1357–1366, 2014. doi: 10.1124/dmd.114.059337

  2. 2. Duan P, Li S, Ni A, et al: Potent inhibitors of human organic anion transporters 1 and 3 from clinical drug libraries: Discovery and molecular characterization. Mol Pharm 9(11):3340–3346, 2012. doi: 10.1021/mp300365t

  3. 3. Barnett S, Ogungbenro K, Ménochet K, et al: Comprehensive evaluation of the utility of 20 endogenous molecules as biomarkers of OATP1B inhibition compared with rosuvastatin and coproporphyrin I. J Pharmacol Exp Ther 368(1):125–135, 2019. doi:10.1124/jpet.118.253062

  4. 4. Barnett S, Ogungbenro K, Ménochet K, et al: Gaining mechanistic insight into coproporphyrin I as endogenous biomarker for OATP1B-mediated drug-drug interactions using population pharmacokinetic modeling and simulation. Clin Pharmacol Ther 104(3):564–574, 2018. doi:10.1002/cpt.983

  5. 5. Kunze A, Ediage EN, Dillen L, et al: Clinical investigation of coproporphyrins as sensitive biomarkers to predict mild to strong OATP1B-mediated drug-drug interactions. Clin Pharmacokinet 57(12):1559–1570, 2018. doi:10.1007/s40262-018-0648-3

  6. 6. Shen H, Christopher L, Lai Y, et al: Further studies to support the use of coproporphyrin I and III as novel clinical biomarkers for evaluating the potential for organic anion transporting polypeptide 1B1 and OATP1B3 inhibition. Drug Metab Dispos 46(8):1075–1082, 2018. doi:10.1124/dmd.118.081125

  7. 7. Chatterjee S, Mukherjee S, Sankara Sivaprasad LVJ, et al: Transporter activity changes in nonalcoholic steatohepatitis: Assessment with plasma coproporphyrin I and III. J Pharmacol Exp Ther 376(1):29–39, 2021. doi:10.1124/jpet.120.000291